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CD“INTO MADNESS“ –TASSILO PROBST und MAXIM LANDO spielen Violinsonaten von BARTÓK, ENESCU und ACHRON; Berlin Classics

28.07.2022 | cd

CD“INTO MADNESS“ –TASSILO PROBST und MAXIM LANDO spielen Violinsonaten von BARTÓK, ENESCU und ACHRON; Berlin Classics

Die jungen Wilden sind da – Kammermusik so adrenalintreibend aufregend wie Bungee Jumping

Veröffentlichung: 19.8.2022

tassi

„Ich hoffe, dass Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, überall in dieser Veröffentlichung ein bisschen ‚Madness‘ finden. Jedes einzelne dieser großartigen Werke erforscht unsere Menschlichkeit durch Klang und Emotion. Es gibt keine Grenzen für die Leidenschaft, den Schmerz, das Drama, die Natur, die Stille, die Sehnsucht, die Wut und den Humor, die durch diese Musik hervorgerufen werden…. Wir hoffen, dass wir ein wenig von diesem Wahnsinn teilen und dass Sie ihn auch spüren werden!“ Maxim Lando

19 Jahr sind sie beide jung, der eine lebt nahe München, der andere in New York. Der deutsche Geiger Tassilo Probst und der nicht minder technisch versierte und unerschrocken expressive amerikanische Pianist Maxim Lando stürzen sich mit diesem Album kopfüber in das große Haifischbecken des klassischen Musikbetriebs. Und ich muss sagen: Sie bewähren sich instinktgeladen mit unendlicher Energie und stupender künstlerischer Potenz auf umkämpftem Terrain. Dabei haben sie sich für ihr Debüt-Album bei Berlin Classics ein verwegen schwieriges Programm dreier Werke der klassischen Moderne gewählt. Clever. Statt Beethoven und Brahms gibt es eine frühe Sonate in e-Moll. Op. posthum von Béla Bartók, die Sonate Nr. 3 in a-Moll, Op. 25 von George Enescu und als Rarität die Weltersteinspielung die Sonate für Violine und Klavier Nr. 2, Op. 45 von Joseph Achron zu hören.

Wie so oft begann die Grundsteinlegung zum Programm mit einem Konzert oder einem Wettbewerb. So auch hier: Tassilo Probst hat für den Enescu-Wettbewerb 2021 im Atreneum Bukarest eine Sonate des Komponisten spielen sollen. Der junge Geiger hat sich für die „Dritte“ mit der Charakteristik „pure rumänische Volksmusik“ entschieden. Auf der Suche nach passenden Stücken ist er gemeinsam mit seinem Lehrer David Frühwirth auf den polnisch-litauischen Komponisten Joseph Isidor Achron, 1886 in Polen geboren, ehemaliges Geigenwunderkind, gestoßen, dessen zweite Violinsonate eine wahrlich spektakuläre Ausgrabung darstellt. Mit 30 Minuten Spielzeit noch dazu eine ziemlich großes „Goldnugget“ (Probst) der Musikgeschichte. Anm.: Achron studierte am Konservatorium in St. Petersburg (u.a. bei Ljadow), war nach Abschluss des Studiums in Berlin als Geiger tätig und begann sich 1911 mit jüdischer Musik zu befassen. 1925 emigrierte er in die USA, wo er am Westchester Conservatory Violine unterrichtete. 1943 verstarb der als Komponist nicht mehr gefragte Musiker in Hollywood.

Probst und Lando haben sich für Béla Bartóks „untypischstes“ Werk, seine Sonate in e-Moll entschieden, „hochromantisch, mit dunklen Wendungen durchsetzt, stilistisch bisweilen in Richard Strauss-Nähe angesiedelt. Mit 22 Jahren geschrieben, scheint das virtuos, kontrastreich zwischen Trauermarsch und romantischer Verzückung, Humor und rhythmisch aufpulsender ungarischer Folklore pendelnde Stück wie gemacht für die beiden musikalischen Abenteurer.

Was auf der CD final so beeindruckt, ist die spürbare Lust am Experimentieren, das beachtliche Risiko im Grenzgang des technisch Möglichen sowie die emotionale Extrovertiertheit, mit der sie interpretatorisch ans Werk gehen, und dennoch immer spielerisch, locker und keck am Ball bleiben. Maxim Lando, der mich in seiner Emphase an den jungen Bernstein erinnert, haut schon mal „ohne Rücksicht auf Verluste“ in die Tasten. Überhaupt scheint es dem Duo weniger um Balance und Harmonie im Ton zu gehen, als vielmehr um eine bedingungslose künstlerische Wahrhaftigkeit bis in die Haarspitzen der Partituren. Absolut empfehlenswert!

Trailer zur CD auf youtube: https://www.youtube.com/watch?v=pAipU9wJzBE

Dr. Ingobert Waltenberger

 

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