Echt jetzt?: Dinosaurier-Namen sollen „rassistisch“ sein

Der „Giraffatitan brancai“, die Titanen-Giraffe, ist für die Forscher ein Fall von kolonialistischem Unrecht

Der „Giraffatitan brancai“, die Titanen-Giraffe, ist für die Forscher ein Fall von kolonialistischem Unrecht

Foto: mauritius images / Science Photo Library
Von: Stefan Schlagenhaufer

Während Dinosaurier einst die Erde beherrschten, ohne sich Gedanken über politische Korrektheit zu machen, sind ihre Namen jetzt Gegenstand einer hitzigen Debatte. Sie sollen rassistisch sein. Oder sexistisch. Oder kolonialistisch.

Die Wissenschaftler um die Paläobiologin Emma Dunne von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sollen erforschen, wie die Dinos vor Millionen von Jahren auf unserem Planeten gelebt haben. Stattdessen haben sie eine Studie erstellt, in der untersucht wird, ob die Namen der Dinosaurier dem heutigen Zeitgeist entsprechend benannt sind.

Paläobiologin Emma Dunne von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Paläobiologin Emma Dunne von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

Foto: Emma Dunne

1500 Namen von Sauriern, die im Erdmittelalter vor 251 bis 66 Millionen Jahren gelebt haben, wurden analysiert. Ergebnis: 89 davon gelten als Problemfälle. Sie haben, so sagen die Forscher, „anstößige Namen“.

Dunne und ihr Team wollten mit ihrer Studie herausfinden, wie viele Dino-Namen „von Rassismus und Sexismus ausgehen und in kolonialen Kontexten oder nach kontroversen Persönlichkeiten benannt sind.“ Der erste Dino wurde 1824 gefunden, Höhepunkt der Ausgrabungen war zwischen 1908 und 1920.

Die vom deutschen Forscher Werner Janensch (1878-1969) entdeckter „Dicraeosaurus hansemanni“

Die vom deutschen Forscher Werner Janensch (1878-1969) entdeckter „Dicraeosaurus hansemanni“

Foto: mauritius images / Stocktrek

Rassismus

Viele der „Problemfälle“ wurden nach und von deutschen Forschern benannt. Die bis heute größte und ergiebigste Dinosaurier-Expedition von 1909 bis 1914, auf der ein Großteil der Dino-Forschung bis heute ruht, wurde von Werner Janensch (1878-1969) in Tansania (Ostafrika) durchgeführt. Sie haben den 30-Tonnen-Dino „Janenschia robusta“ oder der 15-Tonnen-Koloss „Dicraeosaurus hansemanni“ ihre deutschen Namen gegeben.

Was die Forscher der Friedrich-Alexander-Universität jetzt daran stört: dass die Dinos nicht nach einheimischen, also afrikanischen, Expeditionsteilnehmern benannt sind.

„Irritator challengeri“ gehört für die Forscher nach Brasilien und nicht ins Staatliche Museums für Naturkunde Stuttgart, wo die Knochen derzeit lagern

„Irritator challengeri“ gehört für die Forscher nach Brasilien und nicht ins Staatliche Museums für Naturkunde Stuttgart, wo die Knochen derzeit lagern

Foto: Getty Images/Stocktrek Images

Kolonialismus

Viele Dino-Namen haben einen kolonialistischen Hintergrund. Wie beim berühmtesten Fund des deutschen Forschers Janensch im Tendaguru-Becken, damals Deutsch-Ostafrika: „Giraffatitan brancai“, die Titanen-Giraffe. Der Riesen-Dino steht bis heute im Naturkundemuseum. Da Berlin den 26 Meter langen Dinosaurier nicht zurückgeben will, wird von kolonialem Unrecht gesprochen.

„Giraffatitan brancai“, die Titanen-Giraffe, steht bis heute im Naturkundemuseum in Berlin. Berlin will das Skelett nicht nach Afrika zurückgeben

„Giraffatitan brancai“, die Titanen-Giraffe, steht bis heute im Naturkundemuseum in Berlin. Berlin will das Skelett nicht nach Afrika zurückgeben

Foto: picture alliance / imageBROKER

Dunne nennt zwei weitere Dinos: Auch der hühnereigroße Dino „Ubirajara jubatus“ (Herr des Speeres) im Naturkundemuseum Karlsruhe und der acht Meter große „Irritator challengeri“ (der Irritierende) im Staatlichen Museum für Naturkunde Stuttgart fallen unter Kolonialismus, weil sie von den europäischen Forschern aus Brasilien weggeschafft wurden. Den „Ubirajara jubatus“ hat 2023 das Naturkundemuseum Karlsruhe bereits an Brasilien zurückgegeben.

Sexismus

87 Prozent der untersuchten Namen, die keine neutrale Bezeichnung haben, sind männlich. Deshalb wollen Dunne und ihr Team, dass die Tiere nach ihrem Aussehen beschrieben werden. Wie „Triceratops“, was Dreihörnchengesicht heißt.

Die Studie, die erst im April veröffentlicht werden soll, liest sich wie eine Anklage an die Dino-Forscher von damals.

Evangelos Vlachos, Mitautor von Dunnes Studie, sagte dem britischen „Nature“-Magazin: „Wir müssen kritisch überprüfen, was wir getan haben, sehen, was wir gut gemacht haben und was nicht, und versuchen, es in Zukunft zu korrigieren.“

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