Politik

Russisches Putin-Loblied RIA veröffentlicht versehentlich Sieges-Kommentar

Russland hat offenbar mit einem schnelleren Ende des Angriffskrieges gerechnet.

Russland hat offenbar mit einem schnelleren Ende des Angriffskrieges gerechnet.

(Foto: imago images/SNA)

In der Nacht zum Samstag beginnt die russische Armee eine große Offensive auf Kiew. Doch die Hauptstadt bleibt in ukrainischer Hand. Am nächsten Tag erscheint dennoch ein Siegeskommentar bei der russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti. Der Text ist nur kurz online, zeigt aber die russische Propaganda.

Die russische Nachrichtenagentur RIA-Novosti hat am Samstag einen Kommentar veröffentlicht, der für den Fall eines Sieges Russlands in der Ukraine vorbereitet war. Der Text wurde von RIA-Kommentator Pjotr Akopow geschrieben und hat übersetzt den Titel "Der Vorstoß Russlands und der neuen Welt". Darin heißt es, "Russlands Militäroperation" in der Ukraine habe angeblich eine neue Ära eingeläutet.

Der Kommentar war nur kurz auf der Website von RIA-Novosti abrufbar. Bebildert war er mit dem Maidan-Platz in Kiew.

Der Kommentar war nur kurz auf der Website von RIA-Novosti abrufbar. Bebildert war er mit dem Maidan-Platz in Kiew.

(Foto: Screenshot web.archive.org)

Der Kommentar auf den Sieg in der Ukraine wurde am Samstag um acht Uhr morgens veröffentlicht und eine Minute später wieder von der Seite genommen - jedoch nicht schnell genug. Über eine Internet-Archivseite ist der Text noch immer abrufbar. Auch auf der Seite des russischen Staatsmediums Sputnik kann er am frühen Montagnachmittag noch immer gelesen werden. Mittlerweile wurden die Worte von Akopow auch ins Englische übersetzt.

In seinem Kommentar skizziert der RIA-Kommentator Akopow, dass der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine in "drei Dimensionen" eine neue Ära eingeläutet habe. Die vorzeitige Vorbereitung und Veröffentlichung des Textes deutet darauf hin, dass Russland von einer deutlich schnelleren Entscheidung im Krieg gegen die Ukraine ausgegangen ist, urteilt die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Dafür spreche auch der Zeitpunkt: Am Freitagabend warnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, dass es in der Nacht zum Samstag die russische Offensive auf Kiew geben würde. Die Kämpfe um die Hauptstadt dauern jedoch noch bis zum aktuellen Zeitpunkt noch an.

Mehrere Dimensionen

In der ersten "Dimension" bejubelt der RIA-Kommentator Akopow, dass es dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gelungen sei, die Einheit Russlands wiederherzustellen. Er schreibt von der Überwindung der "Tragödie von 1991" - dem Untergang der Sowjetunion. Diese Überwindung sei zwar mit Aufwendung hoher Kosten geschehen, dem "Bürgerkrieg" gegen die Ukraine, aber: "Russland stellt seine historische Ganzheit wieder her, indem es die russische Welt, das russische Volk in seiner Gesamtheit aus Großrussen, Weißrussen und Kleinrussen zusammenführt." Mit "Kleinrussen" ist die Ukraine gemeint.

Putin habe eine historische Verantwortung übernommen, lobt der RIA-Kommentator, "indem er sich dafür entschieden hat, die ukrainische Frage nicht den kommenden Generationen zu überlassen". Diese "ukrainische Frage", wie Akopow es nennt, habe zwei Perspektiven. Zum einen, dass aus der Ukraine ein Vorposten des Westens geworden sei. Auf der anderen Seite habe es die "nationale Demütigung" gegeben, dass Russland sich erst mit dem Verlust der Ukraine und anschließend der Existenz zweier Völker abfinden musste. Akopow ergänzt, dass die Rückführung der Ukraine wohl mit jedem Jahrzehnt schwieriger geworden wäre. Putin habe diese Frage jedoch gelöst, "die Ukraine ist zu Russland zurückgekehrt".

Die "russische Welt"

Damit hätten sich auch die Beziehungen zum Westen verändert. Der RIA-Kommentator spricht davon, dass die "russische Welt", also Russland, Belarus und die Ukraine, künftig als geopolitische Einheit handeln würden. Der Westen sehe Russland derweil an dessen historische Grenzen in Europa zurückkehren.

Akopow bezieht sich im Anschluss offenbar auch auf die NATO. Er schreibt, dass die Einigung Europas und auch Deutschlands nur durch den guten Willen Russlands gelungen sei. Es sei "der Gipfel der Undankbarkeit", nun einen "Schlag gegen die russischen Länder" auszuführen. Der Westen hätte nicht die Stärke gehabt, die Ukraine in seinem Einflussbereich zu halten. "Man muss schon ein geopolitischer Narr sein, um das nicht zu verstehen", heißt es.

Der RIA-Kommentator Akopow adressiert im Anschluss die von den USA und der EU verhängten Sanktionen. Vermutlich sind auch die gemeint, die es im Falle der Besetzung der Ukraine geben würde. "Wenn der Westen versucht, uns zu bestrafen, denkt er, dass die Beziehungen zu ihm für uns von entscheidender Bedeutung sind." Das sei "schon lange" nicht der Fall. Eskaliere die Konfrontation, würden beide Seiten Verluste erleiden, schreibt Akopow. Jedoch sei Russland dazu "moralisch und geopolitisch" bereit. Auch für den Westen bedeute jede weitere Eskalation enorme Kosten. Diese seien hauptsächlich nicht nur "wirtschaftlicher Natur".

Eine neue Weltordnung

Im letzten Schritt spricht Akopow von einer angeblichen neuen Weltordnung. Russland habe gezeigt, dass die Zeit der "westlichen globalen Dominanz" vorbei sei. Eine multipolare Weltordnung sei zur Realität geworden, der Ukraine-Konflikt habe es nicht geschafft, jemanden außerhalb des Westens gegen Russland zu mobilisieren. China, Indien, Lateinamerika, Afrika, die Islamische Welt oder Südostasien, sie alle glaubten nach Ansicht Akopows nicht daran, dass der Westen die Weltordnung anführt.

Doch alles, was Akopow skizziert, spielt nur in der Propaganda-Welt. Kiew ist noch immer in ukrainischer Hand, das russische Verteidigungsministerium sprach am gestrigen Abend erstmals von Verlusten. Und auch nach dem fünften Tag im Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt es keinen Anlass, den Kommentar wirklich zu veröffentlichen.

Quelle: ntv.de, ses

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen