Public lecture at the schnupperhochschule in the kunsthaus muerz (Mürzzuschlag, Styria): http://www.kunsthausmuerz.at/detail.php?id=832 dienstag / 29. november 2016 / 19.15 uhr kunsthaus muerz "Die Weltgeschichte ist nicht der Boden des Glücks. Die Perioden des Glücks sind leere Blätter in ihr." (Georg Wilhelm Friedrich Hegel, 1770-1831) Ein Blick in die Zeitung zeigt derzeit übervolle Blätter; entsprechend groß ist das Unbehagen in den Gesellschaften Westeuropas. Man fürchtet den Zerfall etablierter Strukturen, den persönlichen Abstieg oder die Bedrohung durch Terror oder "Völkerwanderungen". Die üblichen "tagespolitisch" kurzfristig ausgelegten Rezepte der Politik scheinen den komplexen Herausforderungen nicht mehr gewachsen; Eliten verlieren an Legitimation. Eine historische Perspektive eröffnet im Gegensatz dazu die Möglichkeit, vergleichbare Prozesse des Wandels von Staaten und Gesellschaften in ihrer langfristigen Dynamik und Wirkung zu betrachten. Ausgehend vom Zerfall des weströmischen Reiches (dem "Untergang" schlechthin in der europäischen Tradition) und mit neuen Ansätzen der Komplexitäts- und Netzwerkforschung werden Phänomene der Integration und Fragmentierung großer Gemeinschaften, der Mobilität und Migration, der wirtschaftlichen Ungleichheit und des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Vergleich zwischen Vergangenheit und Gegenwart diskutiert.

Online: http://www.dasanderemittelalter.net/news/piketty-in-byzanz-ungleichverteilungen-von-vermogen-und-einkommen-im-mittelalter/ In seinem Bestseller " Das Kapital im 21. Jahrhundert " (dt. München 2014) versucht der französische Ökonom Thomas Piketty die Dynamik und die Gefahren extremer Ungleichverteilung von Vermögen in modernen Demokratien zu analysieren; dabei greift er bis ins 18. Jahrhundert zurück. In verschiedenen Fällen können wir allerdings ähnliche Muster der Ungleichverteilung bereits in mittelalterlichen Gesellschaften beobachten – und weiterführende Schlüsse über ihre Ursprünge ziehen.

Contents: - Einige Grundlagen der (Historischen) Sozialen Netzwerkanalyse - Vom historischen Dokument zum Netzwerk - Das Individuum im Zentrum – Ego-Netzwerke in Byzanz - Die Verflechtungen innerhalb einer Institution – Netzwerke der Interaktion in der Synode von Konstantinopel und ihre zeitliche Dynamik - Die Ungleichverteilung von Netzwerkverbindungen – das Geflecht der spätbyzantinischen Aristokratie - Ein kurzer Ausblick: die Erfassung des Raumes – der geographische Aspekt von Netzwerken - Zusammenfassung

Published in: Sven Kalmring · Lukas Werther (eds.), HÄFEN IM 1. MILLENNIUM AD. STANDORTBEDINGUNGEN, ENTWICKLUNGSMODELLE UND ÖKONOMISCHE VERNETZUNG. Mainz 2017, see: https://shop.rgzm.de/de/wissenschaftliche-reihen/rgzm-tagungen/haefen-1-millennium-ad (in German) Embedding certain harbors into a large-scale system of logistics could illustrate the peculiarities and similarities between local and empire-wide economic patterns. Such kind of methodology also helps us to find an explanation for the existing differences. Tracing the divergences in the distribution of Late Antique pottery in Butrint, Durrës and Shkodër leads to the conclusion that Durrës and Shkodër belonged to a transport cluster that covers the Adriatic Sea and Northern Epirus. Butrint on the other hand belongs to another cluster comprising the northwestern areas of Central Greece, Northern Peloponnese and the Ionian Sea. The distribution of coins minted in Syracuse from the 7th to 9th century and found during excavations in Butrint underlines the importance of the sea route Sicily – Southern Italy – the Ionian Sea – the Aegean and corresponds to the ORBIS Model and the data about the networks of the kommerkiarioi. The findings of Glazed White Ware I produced in Constantinople in various Balkan settlements such as Butrint, Debeltos and Anchialos demonstrate the networks maintained by the capital. The different types of cluster dealing with connections and communication via sea routes offered the base for the reestablishment of trade networks in the Mediterranean since the 9th century. As Michael McCormick states: »by 800, multiple circuits were connecting again, linking the growing agrarian economies and political societies of Western Europe to each other, and back to the Middle East.« This process of reintegration of local maritime networks in the economic system of the High Middle Ages represents one of the main objectives of the SPP 1630.

Der Begriff des Netzwerkes erlebt spätestens seit der rasanten Verbreitung von „social networks“ wie Facebook einen fast inflationären Gebrauch in der öffentlichen Diskussion, aber auch in verschiedenen Wissenschaftsdisziplinen, darunter der Geschichtsforschung. Dabei ist es oft schwer zu entscheiden, wo dem Netzwerk-Begriff auch eine analytische Aussagekraft zugrunde liegt und wo es sich nur um eine „Metapher“ oder ein „Schlagwort“ handelt, das Vergleichbarkeit mit Phänomenen der Gegenwart suggeriert, ohne Wesentliches für den historischen Erkenntnisgewinn zu leisten. Ein Ziel der sozialen Netzwerkanalyse ist es, Geflechte von Akteuren und Beziehungen in strukturell und quantitativ fassbarer Form darzustellen. Darüber hinaus betrachtet aber die „relationale Soziologie“ Akteure nicht nur als in soziale Netzwerke eingebettet; vielmehr werden ihre Verhaltensweisen und Identitäten durch Interaktionen und Kommunikationsakte im Netzwerk geprägt, ja überhaupt definiert. Die strukturell-quantitative Perspektive wird damit wesentlich um qualitative Aspekte ergänzt; sowohl die Verknüpfungen zwischen Akteuren als auch deren Rollen und Identitäten werden als Ergebnisse dynamischer Prozesse verstanden. In den letzten Jahren wurden diese Ansätze auch mit Konzepten der Systemtheorie (Niklas Luhmann) und der Komplexitätsforschung verknüpft, um die Emergenz und Dynamik von Gemeinschafts- und Identitätsbildungen von der individuellen Ebene über Gruppen bis hin zu großen sozialen Formationen besser erfassen zu können. Diese Konzepte werden im Vortrag präsentiert, diskutiert und durch auf der Grundlage mittelalterlicher Quellen erstellte Fallbeispiele illustriert. Einige Ansätze und Beispiele wurden bereits in diversen Beiträgen und Working Papers näher ausgeführt, die unter http://oeaw.academia.edu/JohannesPreiserKapeller auch im Internet frei zugänglich sind.

Das neue Projekt „Mapping Medieval Conflicts“ an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) untersucht Konflikte im Mittelalter mit digitalen Methoden der Netzwerkanalyse

Starting from the epistemological controversy between reductionism and holism this paper investigates a case in the social sciences: Social network analysis claims a position in the “middle” of these two poles (thesis 1). In this paper I provide two main arguments drawn from the philosophy of science which suggest to identify a “reductionist tilt” of the research trend under discussion. Its mathematical-formalistic methodology and its economic-instrumentalist approach challenge the epistemological claim (thesis 2). However, recent developments around the network theorist Harrison C. White seem to provide for a way of thinking that does not only bring the epistemological “middle” into reach again but can also be understood as part of a “new” philosophy including contemporary philosophers like Jacques Derrida and Niklas Luhmann: This thinking could be characterized by its decidedly interdisciplinary approach, its consideration of reciprocity and non-linear causality as well as the assumption of a difference as a metaphysical origin (thesis 3).

Background information on the conference "Linking the Mediterranean" (Vienna, 11th-13th December 2014) for the wider public: http://www.oeaw.ac.at/byzanz/pdf/Linking_Program.pdf