Autor(en):
Yakymenko I*, Tsybulin O, Sidorik E, Henshel D, Kyrylenko O, Kyrylenko S.
* Institute of Experimental Pathology, Oncology and Radiobiology, National Academy of Sciences of Ukraine, Kyiv.
Ukraine
Veröffentlicht in:
Electromagnetic Biology and Medicine Vol. 35 , Iss. 2, 2016
Veröffentlicht: 01.01.2016
auf EMF:data seit 01.06.2017
Weitere Veröffentlichungen:
Reviews/Übersichtsarbeiten
zur EMF:data Auswertung

Oxidative Mechanismen der biologischen Aktivität von Mikrowellen geringer Intensität.

Oxidative mechanisms of biological activity of low-intensity radiofrequency radiation.

Original Abstract

Quelle: PubMed
Exposition:

HF allgemein

EMF:data Auswertung

Einleitung

In den Jahren 1985 bis 2005 ist die Hintergrundstrahlung in Innenräumen 5000-fach angestiegen, das kann schwere Auswirkungen auf die menschliche Biologie und Gesundheit haben wie Kopfschmerzen, Tinnitus, Hautirritationen, Depressionen, Schlaf- und Hormonstörungen sowie Beeinträchtigungen der menschlichen Keimzellen und ein erhöhtes Tumorrisiko. In Experimenten werden immer mehr Stoffwechselverände-rungen in lebenden Zellen gefunden, hauptsächlich handelt es sich um oxidative Wirkungen und freie Radikal-Mechanismen. Mikrowellen können signifikant eine Aktivierung von freien Radikal-Prozessen und Überproduktion von ROS in Zellen bewirken. Hier wird eine Analyse der Erkenntnisse vorgestellt, die die potenziellen Gesundheitsschädigungen der bereits überall vorhandenen Mikrowellen niedriger Intensität beschreibt.

Studiendesign und Durchführung

In dieser Übersichtsarbeit haben die Autoren 100 zurzeit verfügbare, von Gutachtern überprüfte wissenschaftliche Veröffentlichungen herangezogen. Alle Studien waren mit Feldstärken unterhalb der thermischen Schwelle und der ICNIRP-Grenzwerte durchgeführt worden. Die Arbeit beschreibt die physikalischen/biophysikalischen Mechanismen, die durch die Strahlung ablaufen und die Auswirkungen in lebenden Zellen, wie es zur Erzeugung von reaktiven oxidativen Substanzen (ROS) durch Mobilfunkstrahlung in Zellen kommt, wie die oxidative Schädigung von DNA durch die Hochfrequenzstrahlung entstehen kann. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen als Folgen der ROS-Bildung durch Mikrowellen werden nachvollziehbar beschrieben und erklärt.

Ergebnisse

Von den zurzeit verfügbaren 100 wissenschaftlichen Arbeiten haben 93 eine oxidative Schädigung bzw. oxidativen Stress in biologischen Systemen herausgefunden. Die Experimente wurden mit Zellkulturen (in vitro), Tieren, Pflanzen und Menschen durchgeführt. Die überwiegende Zahl der Arbeiten hatten 900 MHz, gefolgt von 1800 MHz zum Gegenstand, andere 2100 und 2450 MHz, wenige auch 400, 27 MHz u. a. Die untersuchten Parameter waren bei 17 Arbeiten oxidativer Stress in vitro, 72 Arbeiten oxidativer Stress bei Tieren und Pflanzen, 4 Arbeiten oxidativer Stress beim Menschen und 7 Arbeiten fanden keine oder keine signifikante Wirkung. Eine Vielzahl von Mechanismen und Wirkungen wurden untersucht und man hat zahlreiche Erklärungsmodelle entwickelt. Hier können nur einige dargestellt werden. Ein entscheidender Faktor ist die Bildung von freien Radikalen und anderen reaktiven oxidativen Substanzen (ROS) durch Einwirkung der Mobilfunkstrahlung. Die physikalischen bzw. biophysikalischen Wirkungen der Strahlung sind oxidative Prozesse, die sich auf vielen Ebenen auswirken können. Freie Radikale werden gebildet und stören die Signalgebung in und zwischen den Zellen und schädigen die DNA, damit kann die mutagene Wirkung und potenzielle Karzinogenität der Strahlung erklärt werden. Zur mutagenen Schädigung der DNA durch Mikrowellen gibt es mehr als 100 Veröffentlichungen, von denen eine Mehrzahl eine signifikante Wirkung der Strahlung bestätigen. Eine deutliche Anzahl hat Mikronuklei schon bei 0,5 W/kg (Grenzwert 2 W/kg) gefunden. Beteiligte Enzyme an den Stoffwechsel- und Oxidationsprozessen sind NADH-Oxidasen, die Ornithindecarboxylase (ODC), Cytochromoxidase und Na/K-ATPase. Die schädigenden Produkte sind Wasserstoffperoxid, Hydroxylradikale und andere Moleküle. Mikrowellen können von bestimmten Ladungen, Molekülen und Zellstrukturen absorbiert werden und es entstehen veränderte Stoffwechsel-Bedingungen in den Zellen. Die Strahlung kann eine Reaktion von Wassermolekülen auslösen. Die Wassermoleküle werden durch die Strahlung zersetzt, weil die Bindungen durch Reibung innerhalb der Moleküle zerbrechen. Dadurch entstehen Wasserstoff- und Hydroxyl-Radikale (H•, OH•, H+ und OH--Gruppen). Das OH--Radikal ist das aggressivste Teilchen von den ROS, es kann jede chemische Bindung in den umgebenden Molekülen brechen. Da Wasser überall in Lebewesen vorhanden ist, können Mikrowellen eine tief greifende Wirkung auf die Gewebehomöostase haben, es kann z. B. irreversible Lipidperoxidase entstehen. Eine andere Quelle von ROS ist die Elektronentransportkette in den Mitochondrien, die Superoxid erzeugen kann durch Abbruch des Elektronentransports unter Einwirkung der Mikrowellen. Mitochondrien spielen zudem eine Rolle bei der Apoptose; da werden vermehrt ROS und Cytochrom C gebildet und andere pro-apoptotische Proteine, bevor dann die Apoptose vollzogen wird. ROS werden schon bei 0,1 μW/cm² oder 0,3 μW/kg gebildet, also weit unter dem Grenzwert. Weitere Befunde nach Mikrowellenbestrahlung sind Protein-Konformationsänderungen, die Strahlung kann vielerlei Ca2+-abhängige Signalkaskaden aktivieren und es gibt eine direkte Wirkung auf die Ionenkanäle in der Plasmamembran.

Zu den Symptomen: In den letzten Jahren ergaben epidemiologische Studien einen signifikanten Anstieg an Neuerkrankungen verschiedener Tumorarten bei Langzeitnutzern des Mobilfunks. Besonders gestiegen ist das Risiko für Hirntumore, Akustikusneurinome, Tumore der Ohrspeicheldrüsen, Seminome, Melanome und Lymphome, auch bei Menschen, die in der Nähe von Basisstationen leben. Auch die Elektrosensibilität, die sich oft durch Haut- und Schleimhautsymptome wie Jucken, Hitzeempfinden, Schmerz oder Herz- und Nervensymptome bemerkbar macht, ist von 0,06 % in 1985 auf jetzt 9 – 11 % der europäischen Bevölkerung angewachsen. In Schweden ist Elektrosensibilität eine anerkannte gesundheitliche Behinderung. Allergische Reaktionen werden sichtbar durch höhere Konzentrationen an Mastzellen in der Haut von Personen unter Bestrahlung. Bei elektrosensiblen Personen sind degranulierte Mastzellen in der Haut erhöht. Aktivierte Mastzellen scheiden Histamin aus und andere Mediatoren, dann erfolgt Jucken, Dermatosen usw. Eine Beteiligung von ROS an allergischen Reaktionen ist heute ziemlich gesichert. Studien zeigen, dass 18–43 % der jungen Leute unter Kopfschmerzen, Müdigkeit, Ohrenschmerzen während oder nach dem Telefonieren leiden. Andere vorklinische Symptome sind Müdigkeit, Schlaf- und Hormonstörungen bei Leuten, die in der Nähe von Basisstationen wohnen.

Schlussfolgerungen

Die Analyse der neuen Daten, wie geringe Feldstärken von Mikrowellen auf biologische Systeme wirken, führt zu einer klaren Schlussfolgerung: Das physikalische Agens Mikrowellen (Mobilfunkstrahlung) ist ein starker oxidativer Stressor für lebende Zellen. Die Wirksamkeit der Mikrowellen kann über Veränderungen in den Aktivitäten der Schlüsselsysteme der ROS-Erzeugung wie Mitochondrien und NADH-Oxidasen, über direkte Wirkung auf Wassermoleküle und über Induktion von Konformationsänderungen in wichtigen biologischen Makromolekülen erfolgen. Es gibt ein breites biologisches Potenzial von ROS und anderen freien Radikalen einschließlich deren mutagener Wirkung als schädliche Faktoren für die menschliche Gesundheit. Da Mobilfunkstrahlung zur Überproduktion von freien Radikalen und ROS führt, können sie mit Sicherheit Schäden über direkte Oxidation von biologischem Material hervorrufen. Die Intensität und Dauer der Strahlung sollte im täglichen Leben reduziert werden.