The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20070222085305/http://www.lateinforum.de:80/vergil.htm

Datum Biographie - Vita Politisch-geschichtliche Ereignisse
15. Okt.
70 v. Chr.
Geburt Vergils in Andes bei Mantua Konsuln: Pompeius und Crassus
63 v. Chr. Vergil in Cremona (bis zum 17. Lebensjahr) Cicero Konsul - Catilinarische Verschwörung
Geburt von C. Octavius (Augustus)
60 v. Chr. Ausbildung in Cremona 1. Triumvirat: Caesar-Pompeius-Crassus

Vergil

Bildquelle: Vergil´s Homepage
Vergil from Codex Romanus, fol 3v

59 v. Chr.   Cäsar Konsul
58 v. Chr.   Beginn des Gallischen Krieges - Helvetierfeldzug
55 v. Chr. Anlegen der toga virilis Konsuln: Pompeius und Crassus
54 v. Chr. Vergil beendet seine Ausbildung in Cremona
und zieht nach Mailand
Crassus beginnt seinen Partherfeldzug
53 v. Chr.   Crassus kommt bei Carrhae ums Leben;
Verlust der Legionsstandarten
52 -50 Vergil in Rom: Besuch der Grammatiker-
und Rhetorenschule; Erkenntnis, für die
Laufbahn des Redners nicht geeignet zu sein.
Die Entfremdung zwischen Pompejus und Cäsar
bringt Rom an den Rand eines Bürgerkrieges.
50 v. Chr. Vergil begibt sich in den Schülerkreis des
angesehenen epikureischen Lehrers Siron
in der Nähe von Neapel
Cäsar überschreitet den Rubikon;
Pompejus räumt Italien.
48 v. Chr.   Pompejus wird nach der Niederlage bei Pharsalus
als Asylsuchender in Ägypten ermordet.
47 v. Chr.   Zerstörung der Bibliothek in Alexandria
46 v. Chr.   Cäsar´s Sieg bei Thapsus; Cato begeht Selbstmord
45 v. Chr.   Cäsar wird Alleinherrscher im Römischen Reich
44 v. Chr.   Iden des März: Ermordung Cäsars
43 v. Chr.   2. Triumvirat: Antonius, Oktavian und Lepidus
Ermordung Ciceros
42 v. Chr.   Schlacht bei Philippi: Sieg Oktavians über Brutus
und Cassius
42 - 39 Entstehung der Bucolica - einer Sammlung
von 10 Hirtengedichten. In Ecloge IV pro-
phezeit Vergil ein Goldenes Zeitalter nach
Geburt eines heilbringenden Kindes
Antonius folgt seiner Geliebten Cleopatra
nach Ägypten (42 v. Chr.)
41 v. Chr. Vergil verliert seine Heimat (41 v. Chr.)
durch Enteignung Land für die Veteranen
des Augustus. Sein hohes Ansehen führt
jedoch zur Rückgabe des Besitzes.
 
40 v. Chr.   Antonius heiratet Oktavians Schwester Octavia,
die er 37 wegen Cleopatra verlässt
38 v. Chr. Aufnahme in den Maecenas-Kreis;
Vergil lebt nun in gesicherten Verhält-
nissen, meistens in Süditalien
 
37 - 30 Entstehung der Georgica - einer Verherr-
lichung des Bauernstandes auf Veran-
lassung seines Gönners Maecenas
 
31 v. Chr.   Seeschlacht bei Actium - Sieg Oktavians
30 v. Chr.   Cleopatra und Antonius begehen Selbstmord
29 v. Chr. Vergil beginnt mit der Aeneis,
dem römischen Nationalepos
Augustus alleiniger Herrscher im Römischen Reich
20 - 19 Reise nach Griechenland, um Aeneis zu
korrigieren; schwere Erkrankung des
Dichters;
Von dem aus dem Osten zurückkehrenden
Augustus wird Vergil wieder mit nach Rom
genommen.
 
21. Sept.
19 v. Chr.
Vergil stirbt in Brindisi und wird in Neapel
beigesetzt. Seinem Wunsch, die Aeneis zu
verbrennen, kommt Augustus nicht nach.
 

 


Vergil:

Publius Vergilius Maro, geboren in Andes (= Pietole) bei Mantua am 15. 10. 70 v. Chr. , gestorben in Brundisium (= Brindisi) 21. 9. 19 v. Chr., war ein bekannter römischer Dichter. Sein Vater, der nicht gerade begütert war, legte auf die geistige Förderung seines Sohnes ebenso Wert wie der des Horaz. Deshalb ermöglichte er ihm eine gute Ausbildung. Nach den ersten Schuljahren in Cremona und Mailand kam Vergil etwa 52 v. Chr. nach Rom. Zur Anwaltsausbildung fehlte ihm - neben seiner Gesundheit - die Eignung und Neigung. Ab 50 v. Chr. lebte Vergil, der sich nun für die Dichtkunst entschieden hatte, meist in der Nähe von Neapel. Durch die Enteignung von Land im Jahre 41 v. Chr. zugunsten der Veteranen, die gegen die Cäsarmörder (Schlacht bei Philippi) gekämpft hatten, verlor er seine Heimat. Sein hohes Ansehen (Veröffentlichung eines Teils der Eklogen) führte jedoch bald zur Rückgabe des Besitzes. Etwa ein Jahr später wurde er in den Kreis des Maecenas aufgenommen. Von nun an konnte Vergil in gesicherten Verhältnissen leben, meistens in Süditalien. Die Öffentlichkeit mied er. Sein in Auseinandersetzung mit den Epen Homers entstandenes Heldenepos "Äneis" (12 Bücher, 29-19 v. Chr.), das die Herrschaft des Augustus zum Ziel hat, wurde zum Nationalepos der Römer. Es gliedert sich in zwei Teile: Buch 1-6: Irrfahrten des Äneas - Vorbild Homers Odyssee - und Buch 7-12: Ansiedlung und Kämpfe in Italien - Vorbild Homers Ilias. Als Klassiker der Antike gelten auch die 10 Hirtengedichte ("Bucolica", auch "Eclogae" genannt, 42-39 v. Chr.). Besonders bekannt davon ist die 4. Ekloge, in der die Geburt eines göttlichen Kindes angekündigt wird, das ein Reich des Friedens und der Freiheit heraufführen werde. Die christliche Interpretation deutete diese Ekloge später gern als Ankündigung der Geburt des Messias. Als klassisch gilt ebenso die Lehrdichtung über die Arbeit der italischen Bauern "Georgica" (4 Bücher, 39-29 v. Chr.). Vorbildhaft für die gesamte lateinische Dichtung erlebte die Vergil-Rezeption in karolingischer Zeit, im Hoch- und Spätmittelalter (Dante) und während der italienischen Renaissance (T. Tasso) eine besondere Blütezeit.

    Vergil zwischen Kalliope und Melpomene, den Musen der epischen Dichtung und der Tragödie. Auf dem offenen Teil der Buch- rolle ist der Anfang des achten Verses der Aeneis wiedergegeben: Musa, mihi causas memora ...

Mosaik aus Hadrumetum (heute Sousse/ Tunesien). Ende 3. Jh. n. Chr. Bardo-Museum - Tunis

Die Gestalt des Dichters:
- eher scheu und sittsam
- hat angeblich die Frauenliebe gemieden
- hat sich um sein Äußeres nicht bemüht
- er hat nur für seine Werke gelebt


Vater des Abendlands

Zum Mann des Jahres bringt man es leicht. Eine gute Idee und ein paar Milliarden Dollar; schon ist es geschafft. Aber "Vater des Abendlands" zu sein und als politischer Dichter noch nach mehr als zwei Jahrtausenden gerühmt zu werden, das zeichnet Publius Vergilius Maro, kurz Vergil, aus. Seiner zu gedenken, beim Wechsel der Jahrtausendzahl, fasst Kulturgeschichte zwischen Säkularem und der Bestimmung zu Höherem zusammen, feiert die Geburt Europas aus dem griechisch-römischen Geist der Antike und dem jüdisch-christlichen Religiösen. Vergil wurde vor 2070 Jahren in Andes (beim norditalienischen Mantua) geboren, ist in der Nachbarstadt Cremona zur Schule gegangen, wurde in Mailand, Rom und Neapel weitergebildet. Der hoch gewachsene Mann dunkler Hautfarbe, der seine Herkunft vom Land nicht verleugnete, war Zeitgenosse und Hofpoet des Octavianus Augustus, jenes altrömischen Staatsmannes, der in der Nachfolge Caesars die Republik in das Imperium überführte und als erster Kaiser dem "Erdkreis", der Mittelmeerwelt, in langer Regierungszeit Frieden schenkte: die Pax Augustana. Damals "ging ein Gebot aus, dass alle Welt geschätzt würde", wie es beim Evangelisten Lukas in der Bibel heißt, und damals wurde Jesus von Nazareth geboren.

Davon wusste Vergil nichts. Er hatte bei seinem Tod vor 2019 Jahren die "Aeneis" weithin noch unveröffentlicht hinterlassen, das gewaltige Staatsepos des antiken Rom, das den Bogen vom legendären Gründer Äneas zu Augustus spannte, vom göttlichen Mythos zum verherrlichten Kaisertum. Doch weniger deshalb wuchs Vergils Ruhm, als aus dem heidnischen Rom ein christliches wurde, als Mönche darangingen die Schriften des Altertums getreulich abzuschreiben. Freilich nicht alle. Die besonders heidnischen eben nicht. Aber aus Vergils Feder hatte es den Frommen des Mittelalters besonders die "4. Ekloge der Hirtengedichte, der Bucolica" angetan, und darin wieder vier Verse: ,"Nun kehrt wieder die Jungfrau, kehrt wieder saturnische Herrschaft, nun wird neu ein Spross entsandt aus himmlischen Höhen. Begrüßt die Geburt doch des Knaben, mit dem die eiserne Weltzeit nun sich endet und rings in der Welt eine goldene aufsteigt." Das passte vor zwei Jahrtausenden römisch und christlich gesehen, das wäre auch jetzt ein schöner guter Wunsch.

Aber die klugen Christen, am Anfang sogar Kaiser Konstantin der Große (gestorben 337), die Kirchenväter und Kirchenlehrer und dann Italiens größter Dichter Dante schätzten nicht nur Vergils prophetische Gabe. Die Schriftstelle war ihnen vor allem Beleg dafür, dass Heidnisches und Christliches zusammenpassten, dass die Propheten des Judentums und die Weisen der Antike, die Sibyllen, auf Christus hinführten, kurz, die Menschheit ,"von Natur aus christlich" sei. Immerhin zählt sie ihre Zeit jetzt nach dem Stifter des Christentums. Vergil also der Kronzeuge für die Geburt eines Knabens aus dem Schoß einer Jungfrau? Das wäre philologisch und historisch allzu kühn. Aber dass der römische Großdichter ein besseres Zeitalter verhieß, dass sein Werk, auch die "Georgica, über den Landbau", Schätze von Weltgeltung auch in der Moderne birgt, das mag nach diesem Jahrhundert Hoffnung geben und neugierig darauf machen, was der "Vater des Abendlands" im dritten Jahrtausend für seinen Kontinent bereithält.

HEINZ-JOACHIM FISCHER, FAZ 3.1.2000


Inhaltsverzeichnis

Eigene Links können Sie hier hinzufügen!
Lernen Sie auf der nächsten Seite Vergils Aeneis kennen und begeben Sie sich mit Äneas in die Unterwelt!


[Zurück zur Homepage] [Frames-Version] [Zur vorhergehenden Seite] [Zur nächsten Seite]