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Irslinger, Britta (2017): Genus im Bretonischen. In: Wörter bilden. 9. Jenaer Maikolloquium. Hrsg. Francis Gieseke-Golembowski und Kathrin Schaaff. Hamburg, Baar: 73-126. GENUS IM BRETONISCHEN BRITTA IRSLINGER, Berlin 1. Einleitung Für zahlreiche europäische Sprachen wurden in den letzten Jahrzehnten Untersuchungen zur Genuszuweisung sowie zur quantitativen Distribution der einzelnen Genera durchgeführt. Diese Untersuchungen zeigen, dass Genus weit weniger arbiträr ist, als gemeinhin angenommen wird, und bestätigen damit die Annahme, dass Genus bei der Klassifizierung des substantivischen Lexikons eine Rolle spielt.1 Auch die Definition von Hoberg 2004: 6 enthält dieses Merkmal:2 „Genus ist eine Klassifikation des nominalen Lexikons, die semantisch oder formal basiert sein kann. Jedes Substantiv gehört (im Prinzip) einer Genusklasse an. Die Klassenzugehörigkeit drückt sich notwendig an Bezugseinheiten des Substantivs aus; sie kann darüber hinaus am Substantiv selbst markiert sein.“ Großen Einfluss auf die spätere Forschung hatten die didaktisch motivierten quantitativen Arbeiten von Bull 1965 für das Spanische und von Tucker / Rigault / Lambert 1970, 1977 für das Französische. In beiden Fällen ging es darum, Sprechern mit englischer Muttersprache leicht verständliche Regeln für das Erlernen des Genus der Fremdsprache an die Hand zu geben. Beide Untersuchungen konzentrierten sich auf die Rolle der Wortausgänge zur Genusbestimmung. Wenngleich die Beschränkung auf phonetische Merkmale bei beiden Untersuchungen kritisiert wurde,3 so lenkten sie doch zum ersten Mal die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung formaler Faktoren bei der Genusmarkierung, die weit über die Leistung der Suffixe hinausgeht. Die Wirksamkeit des Auslauts wurde u. a. von psycholinguistischen Experimenten von Eddington 2004: 80 f. bestätigt. Ein zweiter Forschungsschwerpunkt ist die Untersuchung der Rolle semantischer Kriterien. Hier sind z. B. für das Deutsche die Arbeiten von Köpcke / Zubin 1984, 1986, 1996, 2009 zu nennen, die einen wichtigen Beitrag zum Verständ1 Vgl. Irslinger 2010a: 2 ff. Corbett 1991: 320 f. oder Köpcke / Zubin 2009: 150 f. sehen in der Kongruenzerzeugung bzw. dem reference-tracking die Hauptfunktion von Genus. 2 Da in allen inselkeltischen Sprachen das Vorhandensein oder Fehlen von Anlautveränderungen (Mutationen) eine große Rolle bei der Genusmarkierung von Substantiven spielt (s. u. 2.2.1), beschreibt diese Definition, die eine optionale Markierung „am Substantiv selbst“ enthält, die inselkeltische Situation adäquater als die vielzitierte Definition von Hockett 1958: 231: ‟Genders are classes of nouns reflected in the behaviour of associated words.” 3 Vgl. Morin 2010: 143 ff. zum Spanischen, Surridge 1986: 282 zum Französischen. 74 BRITTA IRSLINGER nis semantischer Regeln leisten. Köpcke / Zubin 2009: 138 stellen außerdem fest, dass die semantische Motivierung im Lexikon noch nicht erschöpfend erforscht sei. Beschreibungen von Genussystemen mittels formaler wie auch semantischer Genuszuweisungsregeln kommen allerdings immer dann an einen toten Punkt, wenn versucht wird, die Systeme möglichst vollständig und ausschließlich mit nur einem Typ von Regeln zu analysieren. Bessere Ergebnisse liefern Untersuchungen, die eine Kombination von Regeln für verschiedene Teilbereiche des Wortschatzes postulieren, vgl. z. B. Surridge 1995 zum Französischen und 1989b zum Kymrischen, Di Meola 2007, Köpcke / Zubin 2009 zum Deutschen oder Hoberg 2004 und Schwarze 2008, die das Deutsche mit einer Reihe weiterer Sprachen vergleichen. Dieser kombinierte Ansatz wird hier auf das Bretonische angewendet, wobei sowohl typologisch-vergleichende als auch einzelsprachliche Genusuntersuchungen, insbesondere zum Deutschen und Französischen, als Vorbild dienten. Im Folgenden werden die wichtigsten Merkmale des Genussystems des Bretonischen analysiert, mit dem Ziel, die Datenbasis für typologische Untersuchungen zu erweitern. Das bretonische Genussystem wird mit Hilfe quantitativer Methoden analysiert, indem die Substantive der Datenbasis anhand verschiedener Kriterien ausgezählt und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Dabei kann die quantitative Analyse zeigen, dass die aufgestellten Regeln zwar für die große Mehrheit der Substantive gelten, dass aber immer auch Substantive übrig bleiben, die durch alle Raster fallen. Der Anteil dieser Substantive beträgt in den verschiedenen Untersuchungen zwischen 5 und 20 % der Datenbasis. Man könnte nun versuchen, diesen Anteil durch die Aufstellung immer komplexerer Regeln weiter zu reduzieren. Die diachrone und diatopische Variabilität von Genussystemen deutet jedoch eher darauf hin, dass eine solche unbestimmte Restmenge vorhanden ist, die gegebenenfalls den Ausgangpunkt für Reanalysen und neue Entwicklungen bilden kann. Ein wichtiger Aspekt der quantitativen Methode ist die Relevanz der Ergebnisse, denn jede quantitative Analyse spiegelt exakt die Relationen der zugrunde gelegten Datenbasis und gilt nur für diese. Verschiedene Faktoren wie die Länge von Texten oder das Register haben Einfluss auf die Frequenz der einzelnen Genera. So kommen im Deutschen in gesprochener Alltagssprache z. B. mehr Maskulina vor als in einem journalistischen Text, der einen höheren Anteil an Feminina und zugleich weniger Neutra enthält. Wenn man das Genus der 100, 200 oder 500 häufigsten deutschen Substantive untersucht, so wird der Anteil des Neutrums geringer, je größer die Stichprobe ist (Hoberg 2004: 84). GENUS IM BRETONISCHEN Für das Niederländische untersuchte van Berkum 1996: 30 ff. die Relation von Lexikoneinträgen des CELEX Dutch Lemma Lexicon (lemma types) und ihrem Vorkommen im INL-Textkorpus (lemma tokens). Während bei den types der Anteil der Neutra 26,8 % beträgt, stellen sie 31,5 % der tokens. Wenn man jedoch diese Variabilität angemessen berücksichtigt, können die aus quantitativen Genusuntersuchungen resultierenden Werte als Grundlage für vergleichende Studien herangezogen werden, sei es für Vergleiche mit anderen Sprachen oder für Analysen der diachronen Entwicklung. Der Artikel ist in die folgenden Abschnitte gegliedert: Abschnitt 2 gibt einen kurzen sprachhistorischen und soziolinguistischen Überblick und behandelt dann Locus und Umfang der Kongruenz im Bretonischen. Abschnitt 3 widmet sich der Analyse des substantivischen Lexikons, d. h. der Frequenz und Distribution von Maskulina und Feminina in Abhängigkeit von den für die Genuszuweisung wirksamen Regeln. Außerdem werden diejenigen Substantive diskutiert, für die keine der festgestellten Genuszuweisungsregeln gelten, wodurch ihr Genus labil und für Veränderungen anfällig ist. Zusammenfassung und Schlussfolgerungen finden sich in Abschnitt 4. 2. Genus im Neubretonischen 2.1 Bretonisch Das Bretonische gehört mit Kymrisch (Walisisch) und dem gegen Ende des 18. Jh. ausgestorbenen Kornischen zum britannischen Zweig der keltischen Sprachen. Es wird im westlichen Teil der Bretagne als indigene Sprache gesprochen, allerdings gibt es praktisch keine monoglotten Sprecher mehr und die Zahl der Sprecher geht kontinuierlich zurück. Broudic 2009: 75 ermittelte 206.000 Sprecher, die jedoch mehrheitlich über 60 Jahre alt sind. Zudem geben nur 3 % der Eltern das Bretonische an ihre Kinder weiter.4 Gleichzeitig gibt es eine wachsende Zahl an Zweitsprachlern (néobretonnants), deren Bretonisch sich jedoch meist am Schriftstandard orientiert und oft stark vom Französischen beeinflusst ist. Das Bretonische wird in vier Dialekte eingeteilt, wobei Tregerieg und Kerneveg ein zusammenhängendes, von Nordosten nach Südwesten reichendes Gebiet mit jeweils graduellen Übergängen bilden. Am nordwestlichen bzw. südöstlichen Rand schließen sich Leoneg und Gwenedeg an, die sich beide stärker von den zentralen Dialekten unterscheiden und nicht überregional verständlich 4 Le Boëtté 2003: 22. Siehe auch Broudic 2009: 133 ff. und Ofis publik ar brezhoneg – Office public de la Langue Bretonne, Les chiffres clés de la Langue Bretonne (http://www.fr.brezhoneg.bzh/5chiffres-cles.htm, konsultiert am 03.03.2017). 75 76 BRITTA IRSLINGER sind. Dennoch besitzen gerade diese beiden Varietäten Schriftsprachen, wobei sich die auf dem Leoneg basierende als die allgemeingültige durchgesetzt hat. Die schriftlichen Varietäten wurden außerdem stark von Gelehrten und Sprachaktivisten geprägt, von denen nicht alle Muttersprachler waren (Irslinger 2010b: 271 f.; Ternes 2011: 436 ff.). 2.2 Locus und Umfang der Kongruenz Das Bretonische besitzt wie Kymrisch und Kornisch ein Zwei-Genus-System mit den Genera Maskulinum und Femininum. 2.2.1 Genuskongruenz innerhalb der Nominalphrase Eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Genuskongruenz innerhalb der Nominalphrase spielen die sogenannten Anlautmutationen. Dies sind regelhafte Veränderungen von Anlautkonsonanten (Übersicht 1) in bestimmten syntaktischen Konstellationen.5 unregelmäßig / dialektal6 Standardsprache / orthographisch markiert ¢p² ¢k² /p/ /k/ ¢t² /t/ ¢b² /b/ ¢g² /ɡ/ ¢gw, gou² /gw, gɥ/ ¢d² /d/ ¢m² /m/ ¢s² /s/ ¢ch² /ʃ/ ¢c’h² /x/ ¢f² /f/ ¢b² ¢g² /b/ /ɡ/ ¢d² /d/ ¢v² /v/ ¢c’h² /x/ ¢w, ou² /w, ɥ¨/ ¢z² /z/ ¢v² /v/ ¢z² /z/ ¢j² /ʒ/ ¢h² /ɣ/ ¢’f² /v/ Übersicht 1: Anlautveränderungen durch Lenition im Bretonischen Genus wird markiert durch das Vorhandensein von Lenition bei femininen Substantiven im Singular nach dem Artikel7 und bei nachgestellten attributiven Adjektiven oder substantivischen Attributen. Bei Nominalphrasen mit maskulinen Substantiven bleiben die Lenitionen aus (Favereau 1997: 151 f.). In Bsp. (1) mutiert das Femininum kêr ‚Stadt‘ zu gêr, die Adjektive bihan ‚klein‘ und koant ‚schön‘ zu vihan bzw. goant. Im Gegensatz dazu bleiben in (2) das Maskulinum tu ‚Seite‘ und die Adjektive dehoù ‚rechts‘ und kleiz ‚links‘ unverändert. 5 Siehe zur Entstehung dieses Systems Irslinger 2015: 50. 6 Vgl. zu den dialektalen Unterschieden Le Dû 1986: 435 ff., Ternes 2011: 459. S. zur Repräsentation dieser Mutationen in den verschiedenen bretonischen Orthographiesystemen Wmffre, vol. II, 2007: 567 ff. 7 Das Bretonische besitzt den definiten Artikel ar, an, al und den indefiniten Artikel ur, un, ul. Beide Artikel liegen in jeweils drei allomorphischen Varianten vor, deren Distribution sich nach dem Anlaut des folgenden Substantivs richtet, d. h. an, un erscheinen vor Substantiven mit den Anlauten d-, t-, n-, h- oder Vokal, al, ul vor Substantiven mit Anlaut l- und ar, ur vor allen übrigen Anlauten. Das Genus des folgenden Substantivs spielt bei der Verwendung der Allomorphe keine Rolle (Favereau 1997: 18 ff.). GENUS IM BRETONISCHEN (1) Favereau 1997: 152 ur gêr vihan ART LEN.Stadt LEN.klein ‚eine schöne kleine Stadt‘ (2) Cornillet 2000: 429 an tu dehoù hag ART Seite rechts und ‚die rechte und die linke Seite‘ goant LEN.schön an ART tu kleiz Seite links Auch substantivierte Adjektive und Ordinalzahlen zeigen nach dem Artikel die jeweiligen Mutationen, wenn sie in Konstruktionen mit Ellipse eines femininen Substantivs auftreten. Dasselbe gilt, wenn das Bezugswort durch das Indefinitpronomen un(an) ‚ein‘ (3) oder das Determinativum hini, heni (4) vertreten wird (Favereau 1997: 121 f.). (3) Favereau 1997: 122 un(an) zu INDEF LEN.schwarz ‚eine Schwarze‘ vs. (4) Favereau 1997: 91 an hini wellañ ART DET.SG LEN.best.SUP ‚die Beste‘ un(an) du schwarz ‚ein Schwarzer‘ INDEF vs. an hini ART DET.SG gwellañ best.SUP ‚der Beste‘ Unabhängig von Genus und Numerus wird nach dem definiten oder indefiniten Artikel der Anlaut k- zu c’h- mutiert, falls keine Lenition vorliegt, vgl. kafe mask. ‚Kaffee‘ (5) und kanaouenn fem. ‚Lied‘ (6). Diese Mutation – Spirantisierung – tritt komplementär zur Lenition auf und findet sich im Singular bei maskulinen Substantiven, im Plural bei allen femininen Substantiven sowie bei denjenigen maskulinen, die keine Personenbezeichnungen sind. Sie wirkt daher ebenfalls teilweise genusunterscheidend (Favereau 1997: 19; Hemon 1975: 10 f.). (5) Favereau 1997: 19 ar c’hafe ART SPI.Kaffee ‚der Kaffee‘ (6) Hemon 1975: 10 (Beleg aus dem Jahr 1718) ar c’hanavennoù ART SPI.Lied.PL ‚die Lieder‘ Die Genusmarkierung durch Anlautmutationen erfasst jedoch keineswegs alle Nominalphrasen aufgrund der folgenden Ausnahmen: – Anlautende Vokale sind nicht lenierbar. Dasselbe gilt für Konsonantengruppen mit zwei Okklusiven (sp-, sk-, st- usw.) und je nach Dialekt auch für Resonanten. 77 78 BRITTA IRSLINGER – Feminine Substantive mit dem Anlaut d- werden nach dem Artikel nicht – leniert, z. B. ur diskouezadeg fem. ‚eine Aufstellung‘. Attributive Adjektive mit den Anlauten p-, t- und k- werden nur leniert, wenn das vorausgehende feminine Substantiv auf Nasal, Liquida oder Vokal auslautet. Bei einem Femininum auf Sibilant wie brozh fem. ‚Rock‘ wird daher das Adjektiv bihan ‚klein‘ leniert, kozh ‚alt‘ jedoch nicht (7). (7) Favereau 1997: 152 ur vrozh ART LEN.Rock ‚ein kleiner Rock‘ vihan LEN.klein vs. ur vrozh LEN.Rock ‚ein alter Rock‘ ART kozh alt – Bei attributiv verwendeten Partizipien, insbesondere bei zweisilbigen, bleibt die Lenition oft aus (8). (8) Favereau 1997: 131 div ganerez brudet zwei.F LEN.Sängerin berühmt.PTC ‚zwei berühmte Sängerinnen‘ – Die genannte Regel, Lenition bei NPs mit femininem Bezugswort, NichtLenition bei maskulinem, gilt im Singular. Im Plural sind die Markierungsverhältnisse umgekehrt, d. h. NPs mit femininem Bezugswort bleiben unmarkiert, während maskuline Personenbezeichnungen – mit Ausnahme der Plurale auf -où – leniert werden, vgl. (9) mit den Beispielen kemener mask., Pl. -ien ‚Schneider‘ und tad mask., Pl. -où ‚Vater‘. (9) Favereau 1997: 154 f. ar gemenerien ART LEN.Schneider.PL ‚die Schneider‘ vs. an tadoù Vater.PL ‚die Väter‘ ART Das Vorkommen der Lenition nur bei Personenbezeichnungen stellt eine erhebliche Einschränkung der Genuskongruenz im Plural dar. Dies gilt auch für attributive Adjektive, deren Lenition im Wesentlichen auf feste Fügungen wie paotred vat ‚gute Jungs‘ (mat ‚gut‘) beschränkt ist und bei Personenbezeichnungen mit Plural auf -où ohnehin unterbleibt, vgl. tadoù-kozh ‚Großväter‘ (Favereau 1997: 154 f.). Die Funktion von Lenition als Genusmarker wird außerdem dadurch geschwächt, dass Lenition generell enge syntaktische Zusammengehörigkeit markiert und damit auch genusunabhängig auftritt.8 So können auf männliche Vornamen lenierte Adjektive oder Substantive folgen, die Spitznamen (10: bras ‚groß‘), Epitheta (11: badezour mask. ‚Täufer‘) oder Nachnamen bzw. Patronyme (12: Penneg) bilden. 8 Kompositionshinterglieder werden nach einem attributiven Element (Substantiv oder Adjektiv) generell leniert, vgl. z. B. mor mask. ‚See‘ + bleiz mask. ‚Wolf‘ → morvleiz mask. ‚Hai‘, izel ‚niedrig‘ + mor mask. ‚Meer‘ → izelvor mask. ‚Ebbe‘ (Ternes 2011: 460). GENUS IM BRETONISCHEN (10) Favereau 1997: 154 Yann vras Yann LEN.groß ‚der große Yann‘ (11) Favereau 1997: 154 YannVadezour LEN.Täufer Yann ‚Johannes der Täufer‘ (12) Favereau 1997: 154 Herve Benneg LEN.Penneg Herve ‚Herve Penneg‘ Bei substantivischen Appositionen nach einem femininen Substantiv gibt es zwei Typen. Appositionen werden leniert, wenn das Bezugswort generische Funktion hat und von der Apposition näher bestimmt wird, vgl. taol fem. ‚Tisch‘ + koad mask. ‚Holz‘ (13). (13) Favereau 1997: 153 un daol goad ART LEN.Tisch LEN.Holz ‚ein Holztisch‘ In allen anderen Fällen unterbleibt die Lenition, wie in (14) mit buhez fem. ‚Leben‘ + martolod mask. ‚Seemann‘. Die Lenition von buhez erfolgt genusunabhängig durch das maskuline Possessivum der 3. Sg. e ‚sein(e)‘. (14) Favereau 1997: 153 e vuhez martolod POSS.3SG.M LEN.Leben Seemann ‚sein Leben als Seemann‘ Favereau 1997: 153 listet Beispiele mit Ortsnamen als Apposition, bei denen die eigentlich inkorrekte Lenition in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen ist (15). (15) Favereau 1997: 153 bugale Vreizh Kind.PL LEN.Bretagne ‚die Kinder der Bretagne‘ neben bugale Breizh Kind.PL Bretagne ‚die Kinder der Bretagne‘ 2.2.2 Pronomina Die Genusunterscheidung bei Pronomina und verwandten Wortklassen beschränkt sich auf die dritte Person Singular, vgl. z. B. die Subjektpronomina Sg. mask. eñ ‚er‘, Sg. fem. hi ‚sie‘ vs. Pl. int ‚sie‘, und findet sich bei den in Übersicht (2) gelisteten Formen. Die Subjektpronomina können alleine stehen oder suffigiert auftreten (Favereau 1997: 105 ff.). Die sogenannten Objektpronomina stehen vor Verben und repräsentieren deren direkte oder indirekte Objekte. Sie sind formal identisch mit 79 80 BRITTA IRSLINGER den Possessiva und verursachen unterschiedliche Anlautmutationen. Während 3. Sg. mask. e beim Folgewort Lenition auslöst, verursacht 3. Sg. fem. he Spirantisierung.9 Bei vokalischem Anlaut erscheint das Allomorph hec’h (Favereau 1997: 109 ff.). Sg. mask. Sg. fem. Subjektpronomina eñ Objektpronomina und Possessiva L hi e Intensivum e-(h)unan ‚er selbst, er allein‘ hec’h-unan ‚sie selbst, sie allein‘ Demonstrativa proximal medial distal ho(u)mañ ‚dieser‘ hennezh ‚jener‘ henhont ‚jener dort drüben‘ hemañ ‚diese‘ ho(u)nnezh ‚jene‘ ho(u)nhont ‚jene dort drüben‘ flektierte Präpositionen z. B. gant ‚mit‘ -(h)añ gantañ ‚mit ihm‘ -i ganti ‚mit ihr‘ heS, hec’h (vor Vokal) Übersicht 2: Genusunterscheidung bei Pronomina und verwandten Wortklassen Zusammen mit dem Element (h)unan bilden diese Pronomina zudem die Intensiva e(h)unan ‚er selbst, er allein‘, hec’h-unan ‚sie selbst, sie allein‘ (Favereau 1997: 114). Die Demonstrativpronomina reflektieren die dreistufige Unterscheidung des deiktischen Systems und besitzen für jede Stufe genusunterscheidende Formen im Singular (Favereau 1997: 118; Hemon 1975: 129). Eine Besonderheit der inselkeltischen Sprachen sind die sogenannten „flektierten Präpositionen“, die durch die Verschmelzung von Präpositionen mit suffigierten Pronomina entstanden sind. Wie letztere zeigen sie daher eine Genusunterscheidung in der 3. Sg. und kodieren indirekte bzw. präpositionale Objekte. Die frequentesten Präpositionen mit ihren maskulinen und femininen Formen sind in (16) gelistet (Favereau 1997: 408 ff.): (16) a ‚von‘ da ‚zu‘ evit ‚für‘ gant ‚mit‘ ouzh ‚gegen, an‘ e(n) ‚in‘ anezhañ mask. dezhañ mask. evitañ mask. gantañ mask. ouzhañ mask. ennañ mask. anezhi fem. dezhi fem. eviti fem. ganti fem. outi fem. enni fem. Darüber hinaus finden sich genusmarkierte Formen auch bei den folgenden Präpositionen: a-raok ‚vor‘, davet ‚gegen, in Richtung‘, dirak ‚davor‘, dreist ‚über‘, eget ‚als (vergleichend)‘, etre ‚zwischen‘, hep ‚ohne‘, nemet ‚außer‘, panevet ‚ohne, wenn nicht ... gewesen wäre‘, trema ‚gegen‘. 9 Diese werden dargestellt durch die hochgestellten Buchstaben: L = Lenition, S = Spiransmutation. GENUS IM BRETONISCHEN 2.2.3 Verbformen Genusmarkierungen an Verben kommen im Bretonischen nur sporadisch vor und entstanden durch die Fusion der finiten Verbform mit einem Pronomen. 2.2.3.1 kaout / endevout ‚haben‘ Die Bedeutung ‚haben‘ wird im Bretonischen periphrastisch ausgedrückt durch die 3. Sg. des Verbs bezañ ‚sein‘ mit einem vorangestellten Objektpronomen in dativischer Funktion, vgl. dt. mir ist, lat. mihi est. Während die Pronomina Numerus und Genus markieren, werden Tempus und Modus durch die Formen der 3. Sg. von bezañ ausgedrückt, z. B. Präsens eus, Futur bo, Imperfekt boa, Konjunktiv I befe usw. Die Pronomina der zweiten Personen mutieren den Anlaut b- zu p-. Das d- im Anlaut der 3. Personen im Präsens geht auf ein Kompositum *de-vout zurück, das die unkomponierten Formen suppletiv ergänzt (Favereau 1997: 212 ff.; Hemon 1975: 218; Schrijver 2011: 406). Präsens Futur Imperfekt Konjunktiv I 1. Sg. am eus am bo am boa am befe 2. Sg. ac’h eus az po az poa az pefe 3. Sg. mask. en deus en do en doa / devoa en defe 3. Sg. fem. he deus he do he doa / devoa he defe 1. Pl. hon eus hon bo hon boa hon befe 2. Pl. hoc’h eus ho po ho poa ho pefe 3. Pl. o deus o do o doa / devoa o defe Übersicht 3: Schriftsprachliches Paradigma von en devout (kaout) ‚haben‘ (Auszug) Die Periphrase wurde als transitives Verb lexikalisiert, wobei das ursprüngliche Subjekt als Objekt und das den Possessor bezeichnende Pronomen als Subjekt reanalysiert wurde (Poppe 2005: 171 ff.). In Bsp. (17) kongruiert die feminine Form des Verbs he deus mit dem femininen Subjekt ar soubenn ‚die Suppe‘. Da das Pronomen he auf dieselbe Entität referiert wie die NP ar soubenn, ist es nicht mehr als Pronomen, sondern als verbaler Marker zu analysieren. (17) Favereau 1997: 219 blaz mat he deus Geschmack gut PRON.3SG.F haben.PRS.3SG ‚Die Suppe hat einen guten Geschmack.‘ ar ART soubenn Suppe Während die in Übersicht (3) genannten Formen in der Schriftsprache verwendet werden, zeigt die gesprochene Sprache der einzelnen Dialekte unterschiedlich starke Angleichungen der haben-Periphrase an die Flexion der übrigen Verben. In den zentralen Dialekten des Trégor und der Cornouaille erhalten 81 82 BRITTA IRSLINGER die Pluralformen die Verbendungen -(o)mp, -(o)c’h, -(o)nt (Übersicht 4). Die periphären Dialekte des Leon und Vannetais sind dagegen konservativer und näher an der Schriftsprache. Umgangssprache / Dialekte10 Schriftsprache Léon, Vannetais 1. Sg. 2. Sg. 3. Sg. mask. 3. Sg. fem. 1. Pl. 2. Pl. 3. Pl. ’meus, ’beus (L) ’c’heus, z’ peus ’neus ’deus ’beus, ’neus ’peus ’deus am eus ac’h eus en deus he deus hon eus hoc’h eus o deus Cornouaille, Trégor Basse-Cornouaille ’meus ’c ’heus, z’ peus, ’feus, ’teus ’neus ’neus ’neusomp ’meump ’neusoc ’h ’peuc’h ’neusont ’neus, ’neuint, ’deuint Übersicht 4: kaout / endevout ‚haben‘, Indikativ Präsens In der gesprochenen Sprache werden die unbetonten Pronomina auf ihre konsonantischen Morpheme reduziert und mit dem Verb verschmolzen. Dadurch beschränkt sich die Numerus- und Genusmarkierung auf die unterschiedlichen konsonantischen Anlaute, die aus dem Futur, Imperfekt usw. auch auf das Präsens eus übertragen wurden. In der 3. Sg. mask. wird en deus zu ’neus assimiliert, während feminines ’deus im Léon und Vannetais erhalten bleibt (Bsp. 18, 19). In den Dialekten des Trégor und der Cornouaille wird ’neus auch für das Femininum verwendet, wodurch die Genusunterscheidung verloren geht (20). (18) Favereau 1997: 219 daoulagad glas zwei-Augen blau ‚er hat blaue Augen‘ ’neus M.haben.PRS.3SG (19) Favereau 1997: 215, Vannetais, Arrée choajet ’deus eno wählen.PTC F.haben.PRS.3SG dort ‚sie hat dort ein Zimmer gewählt‘ (20) Favereau 1997: 215 hi ’neus PRON.3SG.F haben.PRS.3SG ‚sie hat zu mir gesagt‘ ur ART laret sagen.PTC gampr Zimmer din zu.1SG 2.2.3.2 eme ‚sagt(e)‘ Das defektive Verb eme ‚sagt(e)‘ wird ausschließlich nach direkter Rede verwendet und kann wie flektierte Präpositionen mit suffigierten Pronomina kombiniert werden. Die genusunterscheidenden Formen der 3. Sg. sind emezañ 10 Favereau 1997: 212 ff., 218. GENUS IM BRETONISCHEN mask. ‚sagt(e) er‘, emezi fem. ‚sagt(e) sie‘. Sie finden sich vor allem in älteren Texten und traditionellen Liedern (Favereau 1997: 416 f.; Hemon 1975: 245 f.). 2.2.4 Kardinalzahlen Die unterschiedliche Form der maskulinen und femininen Kardinalzahlen daouL mask., divL fem. ‚zwei‘, triS mask., teirS fem. ‚drei‘ und pevarS mask., pederS fem. ‚vier‘ ist aus dem Urindogermanischen ererbt. Sie tritt lediglich bei attributiver Verwendung auf, vgl. (21) mit den Substantiven kanerez fem. ‚Sängerin‘ und jao mask. ‚Pferd‘. Die Zahlwörter verursachen Anlautmutationen, die jedoch nicht genusunterscheidend sind (Favereau 1997: 131 f.; Hemon 1975: 8 f., 12, 165). (21) Favereau 1997: 131 div ganerez brudet zwei.F LEN.Sängerin berühmt.PTC ‚zwei berühmte Sängerinnen‘ vs. Favereau 1997: 132 daou jao zwei.M Pferd ‚zwei Pferde‘ 2.3 Genus von Komposita Bei Komposita, die aus einem Substantiv sowie aus einem nicht-substantivischen Wort bestehen, z. B. Präfix, Adjektiv, Partizip oder Zahlwort, wird das Genus des Substantivs in der Regel beibehalten (22). Hierzu gibt es jedoch gelegentliche Ausnahmen (23). (22) amzer fem. ‚Zeit‘ + tremenet ptc. ‚vergangen‘ → amzer-dremenet fem. ‚Vergangenheit‘ skol fem. ‚Schule‘ + meur adj. ‚groß‘ → skol-veur fem. ‚Universität‘ hanter adj. ‚halb‘ + eur fem. ‚Stunde‘ → hantereur fem. ‚halbe Stunde‘ div fem. ‚zwei‘ + bronn fem. ‚Brust‘ → divronn fem. ‚Brust, (beide) Brüste‘ (23) ken- ‚gemeinsam‘ + gwerzh fem. ‚Verkauf, Wert‘ → kenwerzh mask. ‚Handel, Geschäft‘11 teir fem. ‚drei‘ + gwern fem. ‚Mast‘ → teirgwern mask. ‚Dreimaster, Segelschiff, das drei Masten hat‘12 Scheinbare Ausnahmen können aber auch das Resultat einer falschen Analyse sein. Analysiert man droug-hirnez ‚Melancholie‘ als Kompositum mit substantivischem Vorderglied, so ist maskulines Genus zu erwarten (24), wie es auch in den meisten Wörterbüchern verzeichnet ist. Lediglich Deshayes 2003: 333 gibt das Wort als feminin an, offenbar basierend auf der Analyse mit adjektivischem Vorderglied (25). 11 Nicht alle Wörterbücher klassifizieren kenwerzh als Maskulinum; Favereau 1993: 399 gibt fem. (und mask.), Deshayes 2003: 307 fem. an. Für die einzelnen Bedeutungen des Hinterglieds gwerzh setzt Favereau unterschiedliches Genus an, d. h. gwerzh fem. ‚Verkauf‘, mask. ‚Wert‘. Da kenwerzh die Bedeutung *‚gemeinsamer Verkauf‘ voraussetzt, kann dies jedoch nicht ausschlaggebend sein. Das Genus von kenwerzh mask. ‚Handel, Geschäft‘ wäre jedoch regelmäßig, wenn es das Denominale zum Verb kenwerzhañ ‚handeln‘ darstellt oder als solches reanalysiert wurde. 12 teirgwern übernahm das Genus von gouelier mask. ‚Segelschiff‘ oder lestr mask. ‚Schiff‘, dessen (gedachte) Apposition es bildet, vgl. frz. le tempsMASK. après-guerreFEM. → l’après-guerre mask. und fem. ‚die Nachkriegszeit‘ (Hoberg 2004: 38). 83 84 BRITTA IRSLINGER (24) droug mask. ‚Übel, Schmerz‘ + hirnez fem. ‚Melancholie‘ → droug-hirnez mask. ‚Melancholie‘ (wörtl. *‚Melancholie-Schmerz‘) (25) droug adj. ‚schlimm, schlecht‘ + hirnez fem. ‚Melancholie‘ → droug-hirnez fem. ‚Melancholie‘ (wörtl. *‚schlimme Melancholie‘) Bei den aus zwei Substantiven bestehenden Determinativkomposita gibt wie im Deutschen das Genus des Determinatums den Ausschlag, unabhängig davon, ob es an erster oder an zweiter Stelle steht (26):13 (26) mor mask. ‚Meer‘ + gast fem. ‚Hure‘ → morc’hast fem. ‚Hundshai‘ (wörtl. ‚Meereshure‘) gavr fem. ‚Ziege‘ + mor mask. ‚Meer‘ → gavr-vor fem. ‚Krabbe, Garnele‘ (wörtl. ‚Meeresziege‘) Zusammenrückungen von Nominalphrasen mit substantivischem Kopf haben das Genus dieses Substantivs (27) (andere Zusammenrückungen s. u. 3.3.3). (27) bag-dre-dan fem. ‚Dampfer‘ ← bag fem. ‚Schiff‘ + dre ‚durch‘ + tan mask. ‚Feuer‘ tro-war-tro fem. ‚Umgebung‘ ← tro fem. ‚Drehung, Umkreis‘ + war ‚auf‘ + tro fem. ‚dass.‘ kont-a-gil fem. ‚Rückwärtszählen‘ ← kont fem. ‚Rechnung‘ + a ‚von‘ + kil mask. ‚Rückseite‘ karr-dre-dan mask. ‚Automobil, Kraftwagen‘ ← karr mask. ‚Wagen‘ + dre ‚durch‘ + tan mask. ‚Feuer‘ deiz-ha-bloaz mask. ‚Jahrestag, Geburtstag‘ ← deiz mask. ‚Tag‘ + ha ‚und‘ + bloaz mask. ‚Jahr‘ ur pezeiz mask. ‚eines schönen Tages‘ ← pe ‚welche(r, s)‘ + deiz mask. ‚Tag‘ peanv mask. ‚Zeug, Dings; Herr So-und-So‘ ← pe ‚welche(r, s)‘ + anv mask. ‚Name‘ milendall mask. ‚Irrgarten, Labyrinth‘ ← mil ‚tausend‘ + hent mask. ‚Weg‘ + dall ‚blind‘ 3. Analyse des substantivischen Lexikons 3.1 Datenbasis Basis der Datensammlung bildet der bretonisch-deutsche Teil von Gérard Cornillet, Geriadur Brezhoneg-Alamaneg hag Alamaneg-Brezhoneg. Bretonisch-deutsches und deutsch-bretonisches Wörterbuch (2000).14 Dieses Wörterbuch, das sich an deutschsprachige Bretonischlerner richtet, basiert auf einer Liste der 15.000 häufigsten Wörter, die von der Redaktion des einsprachigen Wörterbuchs Geriadur Brezhoneg von An Here ermittelt wurde. An dieser Liste hat der Autor selbst einige nicht näher erläuterte Ergänzungen vorgenommen.15 Die untersuchte Varietät ist damit der überregionalen, an der Schriftsprache orientierten Standardsprache zuzuordnen. Auch handelt es sich um ein Lernerwörterbuch, bei dem der derivierte Wortschatz nur in Auswahl aufgenommen wurde. Die Bedeutungen seltenerer produktiver bzw. 13 Vgl. Favereau 1997: 82, Kervella 1995: 201, § 299, Pilch 1996: 71. Die deutsch-bretonische Sektion ist nicht identisch und enthält zusätzliche Substantive. 15 Diese wurden offensichtlich nicht immer nach quantitativen Kriterien ausgewählt, da sie auch Wörter umfassen, die z. B. Favereau als selten oder sehr selten einstuft, wie morlu mask. ‚(Kriegs-)Flotte‘, ein als Neologismus wiederbelebtes Wort aus dem Altbretonischen. 14 GENUS IM BRETONISCHEN regelhafter Bildungen sollen sich die Nutzer mit Hilfe einer Liste von Prä- und Suffixen selbst herleiten (Cornillet 2000: 12, 15). Ein Textkorpus, das die Auswertung nach types und tokens erlaubt, existiert für das Bretonische bislang nicht. 3.2 Quantitative Verteilung der Genera Für die Datensammlung wurden alle Substantive mit Ausnahme der Personennamen aufgenommen. Die Auszählung der Datensammlung ergab die in Übersicht (5) dargestellte quantitative Verteilung der Genera. Danach sind Maskulina mit einem Anteil von 58,32 % deutlich häufiger als die Feminina, die 33,37 % ausmachen. Getrennt aufgelistet wurden Substantive mit variablem Genus, Kollektiva und Pluraliatantum. Anzahl Anteil Substantive gesamt 6183 100,00 % Maskulina 3606 58,32 % Feminina 2063 33,37 % 109 1,76 % Variables Genus gesamt mask./fem. 95 fem./mask. 14 Kollektiva gesamt (einschl. variable) (Singulativa fem., nicht in Zählung enthalten) 366 (366) Kollektiva 328 koll./mask. 35 koll./fem. 3 Pluraliatantum keine Angabe (Städtenamen) 23 16 5,92 % 0,37 % 0,26 % Übersicht 5: Quantitative Verteilung der Genera im Bretonischen 3.2.1 Pluralia und Pluraliatantum Bei einem Teil der Substantive, die als Lemma im Plural ohne Genusangabe gelistet sind, ist das Genus bekannt, weil der zugehörige Singular entweder in Cornillet selbst oder einem der anderen Wörterbücher einen eigenen Eintrag besitzt. Diese Wörter wurden wie maskuline oder feminine Substantive im Singular gezählt. Daneben gibt es 23 Pluraliatantum wie anaon ‚die Seelen der Verstorbenen‘, ismodoù ‚Umstände, Manieren, Allüren‘, argouroù ‚Mitgift‘, moch ‚Schweine‘, echedoù ‚Schachspiel‘ (vgl. frz. échecs Pl.), reputailhoù ‚Schrott, Alteisen‘ (vgl. frz. rebut ‚Abfall‘, auch rebuts Pl. ‚Abfälle‘, ferailles Pl. ‚Alteisen‘). 85 86 BRITTA IRSLINGER Aufgrund der eingeschränkten Kongruenz im Plural lässt sich bei diesen Substantiven kein Genus feststellen.16 3.2.2 Kollektiv-Singulativ-Paare Im Bretonischen gibt es ein sogenanntes Kollektivum, von dem ein Singulativum mit dem femininen Suffix -enn deriviert werden kann. Das Kollektivum bezeichnet eine Sammlung gleichartiger Elemente und findet sich bei Substantiven, die den Klassen der Aggregate angehören, insbesondere bei Bezeichnungen für Pflanzen und kleine Tiere, aber auch bei Materialien wie Haare, Zweige oder Getreide. Bezeichnungen für Substanzen wie Sand oder Glas, die zu den Massennomina gerechnet werden, gehören ebenfalls hierher (Übersicht 6). Kollektiv de(i)l mask. ‚Laubwerk, Blätter‘ delienn logod mask. ‚Mäuse(schar)‘ logodenn fem. ‚Maus‘ blev mask. ‚Haar(e), Pelz‘ Singulativ fem. ‚Blatt‘ blevenn fem. ‚einzelnes Haar‘ gwer ‚Glas; Glasscheibe, Fensterglas‘ gwerenn fem. ‚(Trink-)Glas; Glasscheibe, Fensterglas‘ traezh ‚Sand‘ traezhenn fem. ‚Sandkorn, Sandfläche, Strand‘ Übersicht 6: Kollektiv-Singulativ-Paare Die Kollektiva beruhen etymologisch häufig auf ursprünglichen Pluralen, weshalb kongruierende Verben und Pronomina meist ebenfalls im Plural erscheinen, wo es aufgrund der eingeschränkten Kongruenz keine Genusunterscheidung gibt. Bei der selteneren singularischen Konstruktion zeigen die Kollektiva hingegen maskuline Kongruenz (Favereau 1997: 50, 66; Irslinger 2014: 95).17 Da die Kollektiva weder eindeutig zu den Maskulina noch zu den Pluralen gerechnet werden können, erscheint es am besten, sie als eigene Gruppe zu listen. Ein weiteres Problem ist die Behandlung der zugehörigen femininen Singulativa: 16 Ein Sonderfall ist tud ‚Menschen, Leute‘, das als suppletiver Plural zu den mask. ‚Mensch‘ fungiert. Nach dem Artikel zeigt diese Personenbezeichnung Lenition, und auch ein attributives Adjektiv wird leniert, sofern es nicht mit den stimmlosen Konsonanten [k], [t] oder [p] anlautet, vgl. an dud, tud vad. Favereau 1993: s. v., 1997: 152 analysiert das Wort in Übereinstimmung mit seiner Etymologie – es wird mit air. túath fem. ā ‚Volk, Stamm, Gebiet‘ verglichen und aus urkelt. *teutā- oder *toutā- fem. hergeleitet (Irslinger 2002: 363 f.) – als Femininum. Es kann allerdings nicht ausgeschlossen werden, dass das Wort einen Genuswechsel erfahren hat, denn die kymr. Entsprechung tud ‚Land, Volk, Region‘, die als Singular verwendet wird, ist ebenfalls maskulin und nur gelegentlich feminin. Im Bretonischen wären die Mutationen bei einer maskulinen Personenbezeichnung im Plural regelkonform. 17 Vgl. auch Irslinger 2010c: 47 f. GENUS IM BRETONISCHEN Zwar unterscheiden sich diese nicht von den übrigen Feminina und könnten zu diesen hinzugezählt werden, wodurch sich der Anteil der Feminina erhöhen würde. Allerdings würde dies eine unzulässige Doppelung der Lemmata bedeuten, da die Kollektiv-Singulativ-Opposition bei Substantiven aus der Gruppe der Aggregate und Substanzen der Singular-Plural-Opposition der Individuativa entspricht und Letztere auch nur einmal gezählt werden. 3.2.3. Genusdistribution bei unkomponierten Substantiven Zur Ermittlung der Anzahl der unterschiedlichen Substantive (types) wurden alle Komposita aussortiert, deren genusbestimmendes Substantiv bereits als Simplex vorhanden ist. Mitgezählt wurden jedoch Komposita, die ein anderes Genus als das zugehörige Simplex haben oder zu denen kein Simplex (mehr) vorhanden ist. Berücksichtigt man nur diesen Teil des Wortschatzes, ist die Differenz zwischen Maskulina und Feminina etwas kleiner,18 d. h. der Anteil der unterschiedlichen femininen Substantive ist tatsächlich höher, während die Maskulina häufiger in Komposita vorkommen (Übersicht 7). Gesamt 6183 100,00 % mask. fem. 3606 2063 58,32 % 33,37 % Unkomponiert 4785 100,00 % mask. fem. 2684 1698 56,09 % 35,49 % Übersicht 7: Genusdistribution bei unkomponierten Substantiven (ohne Kollektiva und mask./fem.) 3.2.4 Vergleich mit anderen Sprachen Parallelen bestehen zwischen den Genussystemen der britannischen und der romanischen Sprachen, wo nach dem Verlust des Neutrums ähnliche Umstrukturierungen stattfanden. So ist in beiden Sprachzweigen das Maskulinum das Defaultgenus für Konversiva und Neunominalisierungen (s. u. 3.3.3). Zwar ist in allen in Übersicht (8) gelisteten Sprachen das Maskulinum das zahlenmäßig stärkste Genus, doch ist die Differenz zum Femininum unterschiedlich groß. Vergleicht man die für das Bretonische ermittelten Zahlen mit verwandten und benachbarten Sprachen, so zeigt sich, dass die größte Ähnlichkeit zum Französischen besteht. Im Bereich der Suffixbildungen resultiert der im Vergleich zum Kymrischen und Kornischen höhere Anteil von Feminina daraus, dass das Bretonische feminine Suffixe neugebildet oder aus dem Lateinischen und Französischen entlehnt hat und dass bei einem Teil der ererbten Suffixe ein Genuswechsel Maskulinum → Femininum stattgefunden hat (Irslinger 2014: 95 ff.). 18 Maskulina (Faktor 1,34, p < 0.05), Feminina (Faktor 1,21, p < 0.05). 87 88 BRITTA IRSLINGER Außerdem haben sich die Suffixvarianten kymr., korn. -yn(n) mask., -en(n) fem. im Bretonischen lautgesetzlich zu femininem -enn entwickelt. Dieses Suffix bildet nicht nur Singulativa, sondern ist darüber hinaus in weiteren Funktionen sehr produktiv.19 Die in Cornillet gelisteten enn-Bildungen machen mehr als ein Drittel aller abgeleiteten Feminina aus (s. u. 3.3.6.3). Eine detaillierte Analyse des underivierten Lexikons des Bretonischen, die möglicherweise weitere Genuswechsel zu Tage fördern würde, steht bislang noch aus. Bretonisch20 Kymrisch21 Kornisch (1900+)22 Französisch23 Spanisch24 mask. 58,32 % 69,7 % 66 % 61,2 % 51,6 % fem. 33,37 % 27,5 % 34 % 38,8 % 45,4 % 1,76 % 2,8 % k. A. k. A. 3,0 % mask./fem. Übersicht 8: Vergleichende quantitative Analyse 3.3 Regeln für die Genuszuweisung Im folgenden Abschnitt werden die für die Genuszuweisung relevanten Faktoren diskutiert, die relativ große Substantivgruppen erfassen. 19 Siehe Irslinger 2010c: 43 ff., Kersulec 2015: 41 ff. 20 Ohne Kollektiva. 21 Siehe Surridge 1989b: 190. Surridges Sammlung umfasst 1469 Substantive, die eine Stichprobe aus dem Wörterbuch Y Geiradur Mawr (Evans / Thomas 1983) darstellen. Im Gegensatz zu Cornillet 2000 umfasst dieses Werk als Großwörterbuch auch seltene und veraltete Wörter. Die Anzahl der Stichwörter wird allerdings nicht genannt. Surridge nahm die Substantive auf jeder neunten Seite auf, wobei sie stillschweigend davon ausgeht, dass ihre Stichprobe repräsentativ ist und dass der prozentuale Anteil der Genera dem eines größeren Korpus entspricht. 22 Für die Angaben zum Kornischen danke ich Dr. Ken George. Die Zahlen basieren auf der Auszählung der seinem Wörterbuch (George 1993) zugrunde liegenden Datenbanken. Auch das Kornische enthält eine kleine Anzahl von Wörtern mit variablem Genus, die George jedoch nicht berücksichtigt hat. „Kornisch 1900+“ bezeichnet das ab 1900 wiederbelebte Kornisch, also eine künstliche, von Sprachaktivisten gestaltete Sprache. Für das traditionelle Kornisch, das in einer Zeitspanne von ca. 600 bis 1800 in Quellen belegt ist, ermittelte George 77 % Maskulina und 23 % Feminina. Die sehr hohe Anzahl von Maskulina ist jedoch zumindest teilweise der Praxis früher Lexikographen geschuldet, bei Fehlen explizit femininer Genuskongruenz das Substantiv als Maskulinum zu klassifizieren, vgl. Irslinger 2014: 75 ff. Die höhere Anzahl der Feminina im wiederbelebten Kornisch dürfte u. a. daraus resultieren, dass fehlende Substantive aus dem Bretonischen ergänzt und die Genuszuweisungsregeln für Suffixe angepasst wurden. 23 Quantitative Analyse von Tucker / Rigault / Lambert 1970: 280, die nur die Anzahl der Maskulina angibt. Es ist unklar, ob die übrigen 38,8 % sämtlich Feminina sind oder ob es auch Substantive mit wechselndem Genus gibt. Während im Französischen noch gegen Ende des 17. Jh. das Verhältnis von Maskulina (51 %) und Feminina (49 %) fast ausgeglichen war, nahm das Maskulinum im Laufe der letzten drei Jahrhunderte zu (Surridge 1984: 69). 24 S. Bull 1965: 109. GENUS IM BRETONISCHEN 3.3.1 Defaultgenus Das Defaultgenus25 bezeichnet das Genus, das in bestimmten Situationen automatisch eintritt, wobei für Teilbereiche des Lexikons abweichende Defaultregeln gelten können. Nach Corbett / Fraser 2000: 74 ff. ist zwischen zwei Arten von Default zu unterscheiden, in denen im Bretonischen jeweils das Maskulinum erscheint. Das Maskulinum wird selektiert, wenn keine der Regeln greift, die explizit das Femininum zuweist (‟normal case default”). Dies ist z. B. der Fall bei den unten diskutierten sexusindifferenten Personenbezeichnungen (3.3.2) und Neunominalisierungen (3.3.3). Das Maskulinum tritt weiterhin bei Referenzproblemen oder bei nicht-prototypischem Bezugswort (‟exceptional case default”) ein. Zu Ersteren gehört die Referenz auf gemischtgeschlechtliche Gruppen, die ausschließlich über das Maskulinum erfolgt, vgl. Bsp. (28) mit Frañzes mask. ‚Franzose‘, Galian mask. ‚Gallier‘ sowie gourdad mask. ‚Vorvater‘. (28) An Here 2001: 508 s. v., Galian Desket e vez lehren.PTC PTCL sein.PRS.HAB.3SG d’ zu an ART holl alle Frañzisien Franzose.PL ez eo o gourdadoù ar sein.PRS POSS.3PL Vorvater.PL ART ‚Allen Franzosen wird beigebracht, dass die Gallier ihre Vorväter sind.‘ PTCL C’halianed. Gallier.PL Bei nicht-prototypischem Bezugswort ist die Konstituente, die die Kongruenz kontrolliert, hinsichtlich des Genus unterspezifiziert. In diesem Fall tritt das Maskulinum als Defaultgenus ein. Ein Beispiel hierfür ist die Konstruktion des Determinativpronomens hini. Bei definiter Verwendung verhält es sich in Bezug auf die Mutation eines attributiven Adjektivs so wie das Substantiv, das es vertritt (29). Bei indefiniter Verwendung ist hini jedoch ausschließlich maskulin (30). (29) Favereau 1997: 121 an hini kozh m. ART DET.SG alt ‚der alte‘ mask. vs. an hini gozh f. ART DET.SG LEN.alt ‚die alte‘ f. (30) Favereau 1997: 121 hini kozh m. DET.SG alt ‚ein alter‘ m. Bei unpersönlichen Konstruktionen tritt im Bretonischen in der Regel das Maskulinum ein, vgl. (31, 32), wobei dieses durch das Objektpronomen 25 Vgl. auch Köpcke / Zubin 2009: 149. 89 90 BRITTA IRSLINGER 3. Sg. mask. en repräsentiert ist. In (32) ist das Subjekt im finiten Verb enthalten. Während in Sprachen mit drei Genera hier das Neutrum eintritt (vgl. das dt. unpersönliche es), hat im Bretonischen, wie in den romanischen Sprachen, das Maskulinum diese Funktion übernommen. (31) Favereau 1997: 112 M’ en PRON.1SG PRON-OJ.3SG.M ‚Ich werde es dir beibringen!‘ (32) Favereau 1997: 112 hag en und PRON-OJ.3SG.M ‚und er glaubte es‘ desko lehren.FUT dit! zu.2SG krede glauben.IPF.3SG Daneben gibt es aber auch den unpersönlichen Gebrauch des Femininums, der bereits im Mittelbretonischen belegt ist (Hemon 1975: 115). In der Regel werden die femininen Formen flektierter Präpositionen verwendet, während das Objektpronomen extrem selten ist (33).26 Keine der Grammatiken äußert sich zum genauen Umfang dieses Phänomens, doch scheint es im Wesentlichen auf idiomatische Ausdrücke beschränkt zu sein (34–37).27 Hierzu gehören Aussagen über das Wetter (36, 37), bei denen Kervella 1995: 255, § 428 den impliziten Bezug auf amzer fem. ‚Wetter, Zeit‘28 vermutet, jedoch auch auf die Substantive mit wechselndem Genus (Neutra) verweist. Auch Bihan 2015: 7 sieht in diesem Gebrauch, der auch vereinzelt im Kymrischen belegt ist, einen Hinweis auf ursprünglich neutrales Genus. (33) Hemon 1975: 115; mbret., 16. Jh. scryfet hy schreiben.IMP.2PL PRON-OJ.3SG.F ‚schreibt es!‘ (wörtl. ‚schreibt sie!‘) (34) Hemon 1975: 115; 1870 a-raok staga gant-hi bevor festmachen.INF mit-PRON.3SG.F ‚bevor wir damit beginnen‘ (wörtl. ‚bevor festmachen mit-ihr‘) 26 Alle bei Hemon angeführten mbret. Belege stammen aus demselben Text, Buhez Sant Gwenole. Dieser liegt nur in einer Abschrift aus dem Jahr 1716 von Dom Louis Le Pelletier vor, die auf zwei verschollenen Handschriften aus den Jahren 1580 und 1608 basiert, vgl. Widmer / Jørgensen 2011: 5 f. Für das Pronomen in Bsp. (33) erwägen Widmer / Jørgensen (2011: 68, Anm. zu Zeile 473) die alternative Analyse als 3. Pl. y. 27 Vgl. Kervella 1995: 344, § 597 zu a, 356, § 633 zu ouzh, 357, § 636 zu war, 360, § 646 zu gant, Favereau 1997: 427, § 789 zu a, 429, § 800 zu da, 436, § 841 zu gant, 441, § 872 zu war. Weitere Beispiele liefert Bihan 2015: 7. 28 Allerdings zeigt amzer fem. ‚Wetter, Zeit‘ teilweise maskuline Kongruenz bei Zahlwörtern und Pronomina (s. u. 3.3.7.4). GENUS IM BRETONISCHEN (35) Favereau 1997: 436 erru omp pell ganti angekommen sein.PRS.1PL weit mit.3SG.F fig. ‚die Grenzen sind überschritten / wir werden (damit) nicht weiter gehen‘ (wörtl. ‚wir sind weit gekommen mit-ihr‘) (36) Hemon 1975: 115; 1890 glao a zo enn-hi Regen PTCL sein.PRS in.PRON.3SG.F ‚Es wird regnen.‘ (wörtl. ‚Regen ist in-ihr.‘) (37) Kervella 1995: 255, § 428 Yen eo anezhi. kalt sein.PRS.3SG von.3SG.F ‚Es ist kalt.‘ (wörtl. ‚Kalt ist von-ihr.‘) 3.3.2 Semantische Regeln Bei dieser Art der Genuszuweisung ist allein die Semantik eines Wortes ausschlaggebend, morphologische und phonetische Kriterien spielen keine Rolle.29 Die bei Kervella 1973: 196 f., 1995: 196 f., § 295, Trépos 1982: 79 ff. und Favereau 1997: 66 f. angeführten semantischen Regeln wurden anhand der Datenbasis auf ihre Gültigkeit überprüft. Die größte Gruppe bilden Personenbezeichnungen, bei denen sich das Genus in der Regel am Sexus, dem biologischen Geschlecht des Referenten, orientiert (Übersicht 9). Generische Bezeichnungen sind jedoch fast ausschließlich maskulin. Underivierte sexusneutrale Bezeichnungen mit maskulinem Genus sind z. B. den mask. ‚Mensch‘, bugel mask. ‚Kind‘, ar geizh mask. Pl. ‚die Armen‘ (zu kaezh adj. ‚arm‘). Ausnahmen bilden die mit dem Suffix -enn fem. abgeleiteten Neologismen hinienn fem. ‚Individuum‘ und penntudenn fem. ‚Hauptperson (literarisch)‘. Wenn speziell auf weibliche Personen referiert wird, so werden in der Regel nicht die generischen Substantive, sondern Feminina verwendet. Hierbei handelt es sich entweder um eigene Lexeme wie merc’h fem. ‚Mädchen, Tochter‘, moereb fem. ‚Tante‘ oder aber um Motionsfeminina, die mit dem Suffix -ez von einer maskulinen Basis abgeleitet werden, wie santez fem. ‚Heilige‘ : sant mask. ‚Heiliger‘, mignonez fem. ‚Freundin‘ : mignon mask. ‚Freund‘, parrezianez fem. ‚weibliches Gemeindemitglied‘ : parrezian mask. ‚Gemeindemitglied‘. Dies gilt auch für Berufsbezeichnungen wie kemenerez fem. ‚Schneiderin‘ : kemener mask. ‚Schneider‘. Diese produktiven Ableitungen sind bei Cornillet nicht durchgängig gelistet, so dass die Zahl der femininen Personenbezeichnungen relativ niedrig ist. 29 Vgl. Corbett 1991: 7 ff., zum Französischen Surridge 1989a, zum Kymrischen Surridge 1989b: 200 ff., zum Deutschen u. a. Köpcke / Zubin 1996: 479 ff.; 2009: 133 ff., Hoberg 2004: 28 f., Di Meola 2007: 141 ff. 91 92 BRITTA IRSLINGER Mit -ez können weiterhin feminine Adjektive gebildet werden, die unregelmäßig und, mit Ausnahme von dougerez adj. ‚schwanger‘, fem. ‚Schwangere‘, ausschließlich in prädikativer Stellung und mit Bezug auf Personen verwendet werden, vgl. z. B. mezvez : mezv ‚betrunken‘ (Bsp. 38; Favereau 1997: 83). Cornillet 2000 enthält keine Beispiele dieses Typs, bei dem es sich um die adjektivische Verwendung des Motionssuffixes -ez handelt, vgl. doug-erez fem. ‚Schwangere‘ : douger mask. ‚Träger‘, adj. ‚tragend‘, dougen ‚tragen‘. Gelegentlich werden auch enn-Bildungen so gebraucht. (38) Favereau 1997: 83 mezvez ’oa-hi betrunken.F sein.IPF.3SG-PRON.3SG.F ‚sie war betrunken‘ vs. ur plac’h vezw Frau betrunken ‚eine betrunkene Frau‘ ART Sehr selten sind auch Substantive, die je nach Sexus des Referenten mit maskuliner oder femininer Kongruenz erscheinen, z. B. lousken mask./fem. ‚schmutziger Mensch‘, karantez mask./fem. ‚Geliebte(r)‘, ranezenn mask./ fem. ‚Schwätzer(in)‘. Die beiden letztgenannten sind ursprüngliche Feminina; ranezenn ist durch das Suffix -enn overt als solches gekennzeichnet. Bildungen, deren Genus nicht zum Sexus des Referenten passt, weil semantische oder morphologische Regeln dominieren, sind insgesamt aber rar und finden sich ausschließlich bei metaphorischen Verwendungen von Tier- und Objektbezeichnungen, die teilweise pejorative Konnotationen ausdrücken, vgl. z. B. yar fem. ‚Huhn; böser und schlauer Mensch‘, Kabellig Ruz mask. ‚Rotkäppchen‘ (Diminutiv zu kabell mask. ‚Kappe‘), penn-sardin mask. ‚Frau aus Douarnenez; Trachtenhaube aus Douarnenez‘ (wörtl. ‚Sardinenkopf‘), higenn fem. ‚Angelhaken; Witzbold, Schlaukopf‘. Doch besteht auch bei metaphorischer Verwendung die Tendenz der Korrelation des grammatischen Genus der Bezeichnungen mit dem Sexus der Referenten.30 Einen Genuswechsel bei Verwendung als Personenbezeichnung zeigt z. B. istrogell fem. ‚seltsames Ding, Kuriosität‘, mask. ‚Sonderling, komischer Kauz‘. Unregelmäßige Anlautmutationen zeigt plac’h fem. ‚Mädchen, Magd‘ (39), wobei der Grund dafür in der Etymologie des Wortes vermutet wird (Favereau 1997: 71). Auch attributive Adjektive verhalten sich je nach Region unterschiedlich, wobei auch Mutation und Nichtmutation gleichzeitig auftritt (Kervella 2016: 41 ff.).31 30 Cornillet 2000 enthält keine Beispiele wie dt. Tunte fem., Schwuchtel fem., bei denen Feminina für männliche Referenten zur pejorativen Bezeichnung „unmännlicher“ Verhaltensweisen dienen. 31 Die Etymologie des Wortes ist umstritten, doch müsste ein ursprüngliches Maskulinum oder Neutrum zugrunde liegen wie in dt. Mäd-chen neutr. oder air. caile mask. ‚Dienerin‘, nir. cail-ín mask. ‚Mädchen‘. LEIA C-12 vermutet bei caile eine ursprünglich pejorative Bezeichnung. De GENUS IM BRETONISCHEN (39) ar plac’h ‚das Mädchen‘ (keine Mutation nach Artikel im Sg. wie Mask.) div blac’h ‚zwei Mädchen‘ (mit der femininen Form des Zahlworts) ar plac’hed Pl. ‚die Mädchen‘ (keine Mutation) plac’h bihan ‚kleines Mädchen‘ (Adj. unmutiert) neben plac’h vat ‚gutes Mädchen‘ (Adj. mutiert) Anzahl Anteil am subst. Lexikon (6183) 32 Personenbezeichnungen mask. fem. mask. oder fem. (je nach Sexus) Pl. tantum (tud + 2 Komposita, tudoù, tudigoù) 860 711 144 5 5 13,91 % 11,50 % 2,33 % 0,08 % 0,08 % Übersicht 9: Semantische Genuszuweisung bei Personenbezeichnungen Hierher gehören auch die Bezeichnungen für Haustiere, bei denen die Sexusunterscheidung wichtig war. Neben den Paaren mit jeweils unterschiedlichen Lexemen wie buoc’h fem. ‚Kuh‘ : tarv mask. ‚Stier‘, yar fem. ‚Huhn, Henne‘ : kilhog mask. ‚Hahn‘, gavr fem. ‚Ziege‘ : bouc’h mask. ‚Bock‘ können mit -ez aus den überwiegend maskulinen generischen Substantiven Bezeichnungen für das weibliche Tier gebildet werden, vgl. kiez fem. ‚Hündin‘ : ki mask. ‚Hund‘ oder bleizez ‚Wölfin‘ : bleiz mask. ‚Wolf‘.33 Doch ist bei Vogelnamen wie yar fem. ‚Huhn‘, gwaz fem. ‚Gans‘ : garz mask. ‚Ganter‘, bran fem. ‚Rabe‘ : malbran mask. ‚männlicher Rabe‘ das Femininum das Generikum.34 Bernardo Stempel 1995: 432 Fn. 40 rekonstruiert caile als *kʷl̥h1-i̯̯os mask. ‚Diener‘ zu *kʷelh1‚eine Drehung machen, sich umdrehen, sich (um-, zu-)wenden‘, bret. plac’h ‚Mädchen‘ wäre *kʷl̥h1-sko- > *kwalsko- > *kwlasko- > *plasko- (de Bernardo Stempel 1987: 61, Anm. 110a). Diese Herleitung von air. caile ist lautlich problematisch, weil nach McCone 1996: 118 nach Labiovelar die Rundung von *a zu *o, d. h. *coile zu erwarten wäre, vgl. auch Zair 2012: 91. Unsicher ist daher auch der alte Vergleich der kelt. Wörter mit tochar. A kuli, B klyiye fem. ‚Frau‘, s. Adams 2013: 242 f. Alternativ wurde plac’h als Lehnwort erklärt. Allerdings kann Deshayes’ Herleitung aus vlat. *placca < lat. pallaca fem. ‚Konkubine‘ (Deshayes 2003: 582) die Unregelmäßigkeiten im Kongruenzverhalten nicht erklären. Dasselbe gilt für Henrys 1900: 224 Vorform *pal-ac’h, das er mit air. caile vergleicht und als Entlehnung von griech. byz. παλλακή fem. oder lat. pellex fem. ‚Konkubine‘ interpretiert. Bihan 2015: 7 Fn. 8 erwägt eine Umbildung aus bret. floc’h mask. ‚Page, junger Mann‘, das in mkorn. flogh mask. ‚Kind, Junge, junger Mann‘ eine Entsprechung hat. Ohne Parallele bleibt allerdings der Wechsel des Anlauts von f → p. (Vergleichbar ist vielleicht das bei Lehnwörtern gelegentlich auftretende Rückgängigmachen einer vermeintlichen Mutation, z. B. frz. voyage mask. ‚Reise‘ → bret. beaj fem.). 32 Diese Zahl enthält auch metaphorisch gebrauchte Bezeichnungen, von denen 24 Objekt- (15 mask., 8 fem., 1 mask./fem.) und 18 Tierbezeichnungen (14 mask., 4 fem.) sind. 33 S. Kervella 1995: 202, § 302 mit einer Liste. 34 Vgl. Kervella 1995: 203, § 303 mit einer Liste der sexusspezifischen Bezeichnungen. 93 94 BRITTA IRSLINGER Semantisches Genus findet sich weiterhin bei kleinen, klar definierten Teilbereichen des substantivischen Lexikons, d. h. bei Namen, die häufig mit einem klassifizierenden Substantiv auftreten, das sie semantisch einordnet und nach dem Leitwortprinzip sein Genus auf alle Elemente der Gruppe überträgt (Übersicht 10). Ohne Ausnahme maskulin sind Namen für Monate, Wochentage und Feste, feminin sind Ländernamen. Städtenamen, für die Cornillet kein Genus angibt, sind nach Kervella 1995: 197, § 295 feminin wie kêr fem. ‚Stadt‘, vgl. Roma gozh ‚das alte Rom‘, außer wenn als Name ein synchron transparentes Maskulinum verwendet wird. Namen für Berge sind hingegen maskulin wie menez mask. ‚Berg‘, das allen in Cornillet enthaltenen Namen vorangestellt ist, vgl. Menez Du (‚Schwarzer Berg‘, frz. Montagnes Noires).35 Weniger einheitlich verhalten sich Namen für Flüsse, von denen jedoch einige üblicherweise mit stêr fem. ‚Fluss‘ verwendet werden, vgl. (ar) stêr Aon ‚(der) Fluss Aulne, die Aulne‘. Die quantitative Auswertung semantischer Gruppen ist teilweise schwierig, da unklar bleibt, welche Beispiele zusätzlich zu den von den Handbüchern genannten dazugehören sollen, und weil die Interpretation semantischer Inhalte teilweise subjektiven Kriterien unterliegt. Auch sind sie bezüglich des postulierten Genus nicht immer homogen, so dass die Autoren selbst auf Ausnahmen hinweisen, die z. B. bei den Bezeichnungen für Zeiträume ungefähr dem generellen Anteil der Feminina entsprechen. Da das Maskulinum das Defaultgenus darstellt, ist zu erwarten, dass sehr kleine Gruppen zufällig keine Feminina enthalten. Außerdem ist der Erkenntnisgewinn in diesen Fällen gering. Interessanter sind größere Gruppen wie die, denen Favereau einen „valeur collective ou générique (éléments, métaux, bois...)“ zuschreibt. Die Definition ist auch hier unpräzise und die Abgrenzung schwierig, da Massennomina im Bretonischen auch als Kollektiva36 konzeptualisiert sein können, vgl. z. B. glaou ‚Kohle‘, sabl ‚Sand‘, wobei die Wörterbücher bei der Klassifikation dieser Substantive als Kollektiva oder Maskulina nicht immer übereinstimmen. Man kann allerdings festhalten, dass in dieser mindestens 250 Lemmata umfassenden Gruppe von wenigen Ausnahmen wie huzil fem. ‚Ruß‘ oder roc’h fem. ‚Felsblock, Gestein‘ abgesehen keine Feminina zu finden sind. 35 Die Namen beziehen sich auf in der Bretagne liegende Berge mit Ausnahme von Menez Kalvar ‚Golgatha‘, Menez-Olived ‚Ölberg‘ und dem Plural Alpoù ‚Alpen‘. 36 Vgl. Irslinger 2010c: 48. GENUS IM BRETONISCHEN Maskulina Anzahl Anteil Ausnahmen Monatsnamen, vgl. mi mask. ‚Monat‘ z. B. ar Genver ‚Januar‘ 12 0,19 % keine Wochen- und Feiertage, vgl. deiz mask. ‚Tag‘ z. B. ar meurzh ‚Dienstag‘ 21 0,34 % keine Feste, vgl. gouel mask. ‚Fest‘ z. B. Pask ‚Ostern‘ 11 0,18 % keine ? Himmelsrichtungen z. B. gwalarn ‚Nordwesten‘ 13 0,21 % regional feminin, vgl. Favereau 1997: 66 ? Jahreszeiten37 ? Zeiträume z. B. pred ‚Zeitpunkt, Augenblick‘, mare ‚Zeitabschnitt‘, deiz ‚Tag‘, miz ‚Monat‘, bloaz ‚Jahr‘, beure, mintin ‚Morgen‘, enderv ‚Nachmittag‘, abardaez ‚Abend‘, derc’hent ‚Vorabend‘ Bergnamen, vgl. menez mask. ‚Berg‘ z. B. ar C’halvar ‚der Kalvarienberg‘ Menez Kalvar ‚Golgatha‘ Menez Bre Generika, Bezeichnungen für Elemente, Metalle, Hölzer Feminina 7 0,11 % nevez-amzer mask./fem. ‚Frühling‘ > 45 0,73 % sizhun fem. ‚Woche‘ + 2 Komposita eur fem. ‚Stunde‘ + 1 Kompositum noz fem. ‚Nacht‘ + 2 Komp. + 1 Abl. amzer fem. ‚Zeit‘ + 7 Komposita munut mask., aber munutenn fem. ‚Minute’ eilenn fem. ‚Sekunde‘ 6 0,10 % (alle Bergnamen in Cornillet mit Determinativ menez) > 250 4,04 % huzil fem. ‚Ruß‘ u. a. zahlreiche Kollektiva Anzahl Anteil Ausnahmen 38 Ländernamen, vgl. bro fem. ‚Land‘ 31 0,50 % keine Städtenamen, vgl. kêr fem. ‚Stadt‘ 16 0,26 % keine Genusangabe in Cornillet Flussnamen, vgl. stêr fem. ‚Fluss‘ Unbelebte gesamt 7 0,11 % Blavezh mask. 419 6,78 % Übersicht 10: Semantische Genuszuweisung bei Bezeichnungen für Unbelebte 37 Kervella 1995: 196, § 295 nennt die vier Jahreszeiten hañv ‚Sommer‘, goañv ‚Winter‘, nevezamzer ‚Frühling‘, diskar-amzer ‚Herbst‘, die er alle als maskulin klassifiziert. Cornillet 2000 gibt nevez-amzer mask./fem. ‚Frühling‘, außerdem die Komposita nevezhañv mask. ‚Sommer‘, dilosthañv mask. ‚Herbst‘, rageost mask. ‚Herbst‘. 38 Komponierte Toponyme mit gorre mask. ‚Oberseite, Oberfläche‘ und goueled mask. ‚Unterseite, Boden‘ sind maskulin, da der Ortsname lediglich Attribut ist, vgl. Gorre-Breizh (auch GorreVreizh) ‚Ostbretagne‘, Goueled-Breizh (Goueled-Vreizh) mask. ‚Westbretagne‘ gegenüber Breizh fem. ‚Bretagne‘. Goueled-Breizh ist bei Cornillet wider Erwarten feminin, bei Hemon 1995 jedoch maskulin. Die übrigen Wörterbücher machen keine Angabe. 95 96 BRITTA IRSLINGER Die Personenbezeichnungen sind mit einem Anteil von 13,91 % die größte Gruppe mit semantischer Genuszuweisung. Zusammen mit den übrigen Gruppen und den Kollektiva beträgt der Anteil der Substantive mit semantischer Genuszuweisung mindestens 26,61 % am Gesamtlexikon. Personenbezeichnungen Unbelebte „echte“ Kollektiva Semantische Genuszuweisung (gesamt) Anzahl 860 419 366 Anteil am Gesamtlexikon 13,91 % 6,78 % 5,92 % 1645 26,61 % Übersicht 11: Semantische Genuszuweisung 3.3.3 Funktionale Regeln Im Zusammenhang mit den semantischen Gruppen führen Favereau 1997: 67, Kervella 1995: 196 f., § 295 auch Konversiva39 an, weil diese formal unmarkiert sind. Es scheint jedoch adäquater, mit Di Meola 2007: 143 die Genuszuweisung anhand der „Integration bzw. Verwurzeltheit im mentalen Lexikon“ zu postulieren, wonach Wörter, die im nominalen Lexikon eine marginale Stellung haben, ein bestimmtes Genus als Defaultgenus annehmen. Zu den Substantiven mit geringem Intergrationsgrad gehören z. B. rezente Lehnwörter, Gelegenheitsbildungen und Neu-Nominalisierungen, die im Deutschen Neutra sind. Im Bretonischen wird Gelegenheitsbildungen und Neu-Nominalisierungen maskulines Genus zugewiesen.40 Zu den Gelegenheitsbildungen gehören u. a. substantivierte Interrogativa (40), Pronomina (41) und Präpositionen (42) sowie Komposita mit Pronomina (43) (Favereau 1997: 66 f.). (40) Favereau 1997: 66 gouzout ar penaos hag kennen.INF ART wie und ‚das Wie und das Warum kennen‘ ar ART perak warum (41) Kervella 1995: 229, § 368 ar me, an te ART ich ART du ‚das Ich, das Du‘ 39 Konversiva sind Neu-Nominalisierungen, die durch produktive Nullableitung (Konversion) entstanden sind (Di Meola 2007: 144). 40 S. zur diachronen Entwicklung Irslinger 2014: 83 f. Bei den Lehnwörtern unterscheidet sich das Bretonische mit intensivem Kontakt zum Französischen als dominanter Sprache grundlegend vom Deutschen und kann hier nicht weiter untersucht werden. Es zeigte sich allerdings, dass, falls das Genus des Lehnworts nicht übernommen wird, der Wechsel frz. Femininum → bret. Maskulinum häufiger ist als der umgekehrte Fall. GENUS IM BRETONISCHEN (42) araog mask. ‚Vorderteil‘ : a-raok ‚vorne, davor‘ diaraog mask. ‚Vorderteil‘41 : a-raok ‚vorne, davor‘ (43) hini-kreñv ‚Schnaps, Weinbrand‘ (wörtl. ‚ein Starker‘)42 peb-all mask. ‚der Rest, das Übrige‘ ← peb ‚jede(-r, -s)‘ + all ‚andere(-r, -s)‘ Hierher gehören auch zahlreiche Wörter der Kindersprache, soweit ihre Basen onomatopoetisch oder anderweitig singulär sind. Meist sind diese mit -ig erweitert (44). Auch die Buchstabennamen (45) sind als marginal zu betrachten. Satzartige Zusammenrückungen (46, 47) sind ebenfalls maskulin, wobei der Typ in (47), bei dem zwei Konstituenten durch ein Possessivum der 3. Sg. mask. verbunden sind, relativ frequent ist.43 (44) boubou mask. ‚Wehwehchen‘ toutouig mask. ‚Heia, Schlaf‘ (45) Kervella 1995: 196, § 295 daou a, tri b zwei.M a drei.M b ‚zwei a, drei b‘ (46) petrefe mask. ‚Dingsda‘ penefi mask. ‚(Herr/Frau) So-und-so‘ ← petr(a) ‚was‘44 + ’vefe ‚wäre‘, d. h. ‚was wäre (es)‘ ← pe ‚welche(-r, -s)‘ + anv ‚Name‘ + eo ‚ist‘ + hi ‚sie‘45 ‚Welcher Name ist ihr?‘, ‚Welchen Namen hat sie?‘ (47) lonk-e-sizhun mask. ‚Trunkenbold‘ ← lonk ‚schluckt/schluckend‘ + e (POSS) + sizhun fem. ‚Woche‘ kar-e-vro mask. ‚Patriot‘ ← kar ‚liebt/liebend‘ + e (POSS) + bro fem. ‚Land‘ lip-e-bav mask. ‚Leckerbissen‘ ← lip ‚leckt/leckend‘ + e (POSS) + pav mask. ‚Pfote‘ hej-e-lost mask. ‚Bachstelze‘ ← hej ‚schüttelt/schüttelnd‘ + e (POSS) + lost mask. ‚Schwanz‘ Maskulin sind Substantivierungen von Adjektiven46 (48, 49) einschließlich ihrer Steigerungsformen (50) und Adverbien, die Abstrakta bzw. Unbelebte bezeichnen, während Bezeichnungen für Belebte je nach Sexus des Referenten maskulines oder feminines Genus haben (51) (Favereau 1997: 66, 31). 41 Komponiert mit der Präposition di- ‚da‘. 42 Vgl. Favereau 1997: 122 und oben (3.3.1). 43 Vgl. Favereau 1997: 82, Trépos 1996: 79. Das erste Element ist mehrdeutig, da es einerseits als finites Verb in der 3. Person Singular Präsens interpretiert werden kann und dann vergleichbar wäre mit Komposita wie dt. Vergissmeinnicht, Stelldichein, die mit einen Imperativ beginnen. Andererseits können Verbstämme auch adjektivisch gebraucht werden, d. h. lonk- ‚schluckend, der schluckt‘ (Favereau 1997: 97 f.). 44 Das Interrogativum petra ‚was‘ ist seinerseits komponiert aus pe ‚was‘ + tra mask. ‚Ding‘. 45 Siehe Le Gonidec 1850: 477. 46 Hierher gehören auch Farbbezeichnungen, bei denen es sich um die substantivische Verwendung der jeweiligen Adjektive handelt, z. B. gwenn mask. ‚das Weiß‘ : gwenn ‚weiß‘. Diese sind maskulin wie im Französischen, vgl. zu Letzterem Surridge 1989a: 32. Alternativ ist die Konstruktion mit liv mask. ‚Farbe‘ möglich, d. h. liv ruz ‚rote Farbe, Rot‘. 97 98 BRITTA IRSLINGER (48) Favereau 1997: 31 ur brav eo deoc’h! ART schön sein.PRS.3SG zu.2PL ‚das ist ein Glücksfall für Euch!‘ (ur brav wörtl. ‚etwas Schönes, eine schöne Sache‘) (49) An Here 2001: 580, s. v. gwenn ar Gwenn-ha-Du mask. ‚das Schwarz-und-Weiß‘ (Name der bretonischen Fahne, cf. banniel mask. ‚Fahne‘) (50) Kervella 1995: 195, § 295 ar gwashañ a zo ART schlimm.SUP REL.PTCL sein.PRS.REL ‚das Schlimmste, was es gibt‘ (51) ar geizh mask. ‚die Armen‘ dous fem. ‚Geliebte‘ Daneben gibt es auch ältere, überwiegend maskuline Eigenschaftsabstrakta, vgl. (52). Bei den drei in Cornillet enthaltenen femininen Substantiven, die mit Adjektiven homonym sind, handelt es sich nicht um Neunominalisierungen (53). Bei kumun fem. ‚Gemeinde‘ wird Beeinflussung durch frz. commune fem. ‚Gemeinde‘ angenommen, während reizh fem. ‚Recht, Justiz; Ordnung, Gesetz; (grammat.) Geschlecht‘ in kymr. rhaith fem. ‚Gesetz‘ eine feminine Entsprechung hat (zu tenn s. u.).47 (52) uhel mask. ‚Höhe, Erhebung‘ : uhel ‚hoch‘ mad mask. ‚Gutes, Wohl, Wohltat; Gut, Habe‘ : mat ‚gut‘ (53) reizh fem. ‚Recht, Justiz; Gesetz; (grammat.) Geschlecht‘ : reizh ‚gerecht, rechtschaffen, gerade‘ kumun fem. ‚Gemeinde‘ : kumun ‚gemeinsam, zusammen‘ tenn fem. ‚Gespann‘ : tenn ‚hart, mühsam, gespannt‘ Maskulin sind außerdem substantivierte Infinitive (54) sowie Deverbativa, d. h. Substantive, die mit dem Verbalstamm identisch sind (55, 56). Letztere werden bei suffigierten Infinitiven wie in (55) durch Weglassen des Infinitivsuffixes gebildet, d. h. berr-aat Inf. ‚kürzen, kürzer machen‘ → berr mask. ‚Kürzung, Kürzen‘. Bei Infinitiven ohne Infinitivsuffix sind beide Bildungen identisch wie in (56), d. h. bale Inf. ‚marschieren‘ → bale mask. ‚Marsch‘. (54) Favereau 1997: 67, Poher da c’hortoz ar paeo zu warten.INF ART bezahlen.INF ‚um die Zahlung zu erwarten‘ (wörtl. ‚um das Bezahlen zu erwarten‘) 47 Vgl. noch abret. reith gl. lex uel regula, mkymr. reith, kymr. rhaith fem. ‚Gesetz, Eid, Urteil, Wiedergutmachung‘, mkymr. cyfreith fem. ‚Gesetz, Brauch‘. Diese Wörter werden mit air. recht (urspr. neutr.?, mask. u) ‚Gesetz, Recht‘ verglichen und aus dem ursprünglichen Neutrum *h3regtu- zu *h3reg- ‚gerade richten, ausstrecken‘ (LIV 270, IEW 854 f.) hergeleitet (Irslinger 2002: 120). Allerdings würde das Genus der britannischen Wörter eher für eine andere Stammbildung sprechen, z. B. einen ti-Stamm. GENUS IM BRETONISCHEN (55) Favereau 1997: 67, Groix gober ur berr machen.INF ART Kürzung ‚das Seil kürzen‘ (wörtl. ‚eine Kürzung machen‘) (56) Favereau 1997: 67 ober ur bale ART Marsch machen.INF ‚einen Marsch machen‘ Anzahl Konversiva mask. (gesamt) 54 Anteil 0,87 % 11 2 7 5 5 4 1 19 Adjektive (A: 3 fem.) Adverbien Pronomina Infinitive Zahlwörter Präpositionen / Adjektive (+ 11 mit -(ed)ig, s. u. 3.3.6.1) Kindersprache (+ 11 mit -ig, s. u. 3.3.6.1) satzartige Zusammenrückungen Übersicht 12: Konversiva mit maskulinem Defaultgenus In Cornillet 2000 gibt es 663 underivierte Substantive, deren zugehöriges Verb identisch ist (respont mask. ‚Antwort‘ : respont ‚antworten‘) oder sich lediglich durch ein Infinitivsuffix und ggf. Umlaut des Wurzelvokals unterscheidet (karg fem. ‚Last‘ : kargañ ‚beladen‘, rog mask. ‚Riss‘ : regiñ ‚reißen‘).48 Diese Substantive sind überwiegend maskulin und fungieren als Nomina actionis bzw. deren typische Lexikalisierungen (Nomina subjecti, objecti, loci, instrumenti oder resultativa) (Übersicht 13). Anzahl Anteil Substantiv = Infinitiv (± Infinitivsuffix) 663 100,00 % mask. fem. koll. variabel (3 mask./koll., 5 mask./fem.) 567 78 10 8 85,52 % 11,76 % 1,51 % 1,21 % Übersicht 13: Genus von Substantiven mit zugehörigen Verben Die maskulinen Deverbativa wie in Bsp. (57) aus Kervella 1995: 197, § 295 unterscheiden sich formal jedoch in keiner Weise von primären Verbalabstrakta mit danebenstehendem denominalem Verb, d. h. von Paaren, bei denen die 48 Diese relativ niedrige Zahl resultiert aus dem selektiven Ansatz des Wörterbuchs, während es tatsächlich erheblich mehr solcher Substantiv-Verb-Paare gibt. Nicht berücksichtigt wurden in Übersicht (13) Infinitive auf -aat und -a, die denominale Verben bilden. 99 100 BRITTA IRSLINGER Ableitungsrichtung entgegengesetzt und das zugrunde liegende Substantiv ggf. ein ererbtes oder entlehntes Femininum ist (58).49 In seltenen Fällen gibt es zwei homonyme Bildungen mit unterschiedlichem Genus (59), wobei das Maskulinum hier die deverbative Bedeutung ausdrückt. (57) troc’h-añ ‚einschneiden‘ → troc’h mask. ‚Einschnitt, Unterbrechung‘ (58) gwerzh fem. ‚Verkauf‘ karg fem. ‚Last, Bürde‘ → gwerzh-añ ‚verkaufen‘ → karg-añ ‚beladen‘ (59) gwask-añ ‚drücken, pressen‘ ↔ gwask mask. ‚Druck, Zwang‘ gwask fem. ‚Presse, Druckmaschine; Wäschemangel, -klammer‘ Noch schwieriger ist die Bestimmung des Ausgangspunkts der Sippe in (60). Während tenn mask. ‚Schuss‘ als Deverbativum zu tennañ ‚schießen, (aus-, weg-)ziehen‘ analysiert werden kann, dürfte tenn fem. ‚Gespann, Joch‘ eher auf das homonyme Adjektiv zu beziehen sein und könnte, auch aufgrund der konkretisierten Bedeutung, ein ursprüngliches Femininum fortsetzen.50 (60) tennañ ‚schießen, (heraus-, weg-)ziehen‘ tenn adj. ‚hart, mühsam, gespannt‘ → tenn mask. ‚Schuss‘ ↔ tenn fem. ‚Gespann, Joch‘ Allerdings lassen sich die Feminina meist aufgrund ihrer Semantik als primäre Substantive erkennen, die, wie die Bsp. (59, 60 und 61) zeigen, keine Nomina actionis, sondern Konkreta bezeichnen. Eine Untergruppe sind Bezeichnungen für Gefühle, psychische Zustände oder geistige Tätigkeiten (62). Zudem lassen sich diese Substantive z. T. als deriviert analysieren, wenngleich die betreffenden Suffixe unproduktiv oder entlehnt sind (kaou-ed, tru-ez, faltaz-i, stud-i). (61) kaoued fem. ‚Käfig‘ krib fem. ‚Kamm‘ noz fem. ‚Nacht‘ kador fem. ‚Stuhl‘ → kaouedañ ‚in einen Käfig sperren‘ → kribañ ‚kämmen‘ → noziñ ‚Nacht werden‘ → kadoriañ ‚ernennen, in ein Amt einsetzen‘ (62) kounnar fem. ‚Zorn‘ truez fem. ‚Mitleid‘ doan fem. ‚Kummer‘ faltazi fem. ‚Phantasie‘ studi fem. ‚Studium‘ → kounnariñ ‚zürnen‘ → trueziñ ‚bemitleiden‘ → doaniañ ‚bekümmern‘ → faltaziañ ‚sich vorstellen‘ → studiañ ‚studieren‘ 49 Bret. gwerzh fem. ‚Verkauf‘ < urkelt. *gʷertā- fem., cf. air. gert fem. ā alle Rinderprodukte außer den Kälbern, i. e. ‚Milch‘, ‚Dung‘ (Schrijver 1996: 201; Irslinger 2002: 144). Mask. oder Neutr. sind allerdings die Entsprechungen mkymr., kymr. gwerth mask. ‚Wert, Preis‘ und germ. *werþo- in got. waírþ neutr.? a ‚Preis‘, ahd. werd mask./neutr., ae. weorþ neutr. ‚Wert, Preis‘ usw. Casaretto 2004: 93 rechnet im Germ. mit Substantivierungen des Adjektivs germ. *werþa- ‚wert‘. Ein solcher adjektivischer Ursprung könnte auch die Genusunterschiede im Keltischen erklären. Bret. karg fem. ‚Last‘ < vlat. *carrica fem. ‚Last, Ladung‘ (Deshayes 2003: 371; Ernoult-Meillet 1976: 182). 50 Vgl. zur Etymologie LEIA-T 49 s. v. tenn, tendait. GENUS IM BRETONISCHEN 3.3.4 Abstraktere Klassifizierungsprinzipien Zahlreiche Forscher postulieren die Korrelation von Genus mit abstrakteren, nicht auf den ersten Blick erkennbaren Klassifizierungsprinzipien, bei denen die Substantivkategorie eine Rolle spielt. Im Deutschen sind z. B. Oberbegriffe bzw. Kollektiva meist Neutra, vgl. Obst neutr., Tier neutr., während die zugehörigen Unterbegriffe Maskulina oder Feminina sind, vgl. Apfel mask., Birne fem., Hund mask., Katze fem. Allerdings können Kollektiva auch mit Suffixen gebildet sein, die nicht immer neutrales Genus zeigen, vgl. Ge-birge neutr., Mann-schaft fem. Auch Massennomina sind oft neutral, vgl. Wasser neutr., Salz neutr., Öl neutr., aber keineswegs ausschließlich, vgl. Sand mask., Essig mask., Schrott mask., Lauge fem., Kohle fem., Milch fem. (Köpcke / Zubin 2009, Di Meola 2007: 143). Ein anderes Klassifizierungsprinzip postuliert Weber 2000: 506; 2001: 113 ff. Nach ihr liegt die Funktion von Genus in der Perspektivierung von Nomina anhand des Nominalaspekts, insbesondere anhand des Merkmals [± partikularisierend]. Dieses Merkmal umfasst Unterscheidungen wie [± Begrenztheit], [± innere Strukturierung] und [± Teilbarkeit], die den traditionelleren Termini wie Individuativa vs. Kontinuativa bzw. zählbare Substantive vs. Massennomina und Kollektiva oder Konkreta vs. Abstrakta zugrunde liegen.51 In Zwei-Genus-Systemen sei jeweils ein Genus mit der An- bzw. Abwesenheit dieses Merkmals korreliert. Im Deutschen sei das Maskulinum mit Individuativa [+ partikularisierend], das Femininum mit Abstrakta [– partikularisierend] und Kollektiva/Massennomina mit dem Neutrum [– partikularisierend] assoziiert. Diese Unterscheidung sei auch innerhalb des Sekundärwortschatzes präsent. Die deverbalen Bildungen Dreh mask. / Drehung fem. / Drehen neutr. belegen verschiedene Positionen innerhalb des Kontinuums von Individualität und Kontinuativität. Die Überprüfung des Sekundärwortschatzes der britannischen Sprachen lieferte jedoch keine vergleichbare Korrelation von Femininum und Abstraktion (Irslinger 2014: 96 f.). Vielmehr wechselten im Urbritannischen viele Abstraktsuffixe ins Maskulinum. Im Kymrischen hat sich diese Entwicklung fortgesetzt, während im Bretonischen durch lateinischen und französischen Einfluss feminine Suffixe zugenommen haben. Zwar kodiert das Bretonische bei verschiedenen Bildungen des Sekundärwortschatzes Nominalaspekt, doch ist diese Kodierung nicht an ein bestimmtes Genus gekoppelt, vgl. z. B. die femininen Suffixe -adenn fem. und -adeg fem. Ersteres bezeichnet eine einzelne 51 S. die ausführliche Diskussion dieser Hypothese in Irslinger 2010a und 2014. 101 102 BRITTA IRSLINGER Handlung, Letzteres eine komplexe Handlung oder ein Ereignis mit vielen Teilnehmern wie in (ober un) neunviadenn ‚(allein) schwimmen, (eine Schwimmtour machen)‘ vs. redadeg ‚Wettrennen‘. Für den kleinen Teilbereich der Kollektiv-Singulativ-Paare kann die Korrelation von Genus mit Nominalaspekt bejaht werden. Hier erfolgt die Markierung allerdings nicht primär durch Genus, weil die Singulativa das zusätzliche Suffix -enn tragen (Irslinger 2014: 95). Ausgehend von dieser Gruppe wurde die Korrelation des Maskulinums mit den Merkmalen [+ generell, abstrakt, komprehensiv, kollektiv] und des Femininums mit den Merkmalen [+ punktuell, konkret, individuell, singulativ] in gewissem Umfang produktiv, s. u. 3.3.7.3. 3.3.5 Formale Regeln: Phonetische Faktoren 3.3.5 Silbenzahl und Wurzelvokal Wie für zahlreiche Sprachen festgestellt wurde, können, abgesehen von den Ausgängen, weitere phonetische Faktoren wie die Farbe von Wurzel- oder Suffixvokalen, Phoneme und Phonemfolgen im Anlaut sowie Wortstruktur und Silbenzahl bei der Genuszuweisung eine Rolle spielen.52 So sind nach Surridge 1989b: 203 im Kymrischen z. B. Wörter mit den Anlauten gl-, gn-, go- und grganz überwiegend maskulin. In zahlreichen Sprachen wurde eine Korrelation von Silbenzahl und Genus festgestellt. Im Deutschen sind Einsilbler tendenziell eher maskulin und einsilbige künstliche Wörter werden von Muttersprachlern mehrheitlich als maskulin klassifiziert (Di Meola 2007: 140).53 Im Bretonischen besitzen Feminina durchschnittlich mehr Silben aufgrund der Tatsache, dass sie überwiegend deriviert sind. Betrachtet man allerdings ausschließlich underivierte, unkomponierte Lexeme,54 so zeigt sich, dass der Anteil von Ein- und Zweisilblern bei beiden Genera fast identisch ist (Übersicht 14). Die Durchsicht einer Stichprobe ergab außerdem keinen Zusammenhang zwischen der Farbe des Wurzelvokals oder dem Auslaut (Konsonant oder Vokal) und dem Genus eines Wortes. 52 Vgl. zum Französischen z. B. Tucker / Lambert / Rigault 1977: 57, Surridge 1984: 70; 1989a: 18 ff., zum Schottisch-Gälischen Ó Muirí 1986: 423 ff., zum Irischen Hickey 2011: 159 ff., zum Deutschen Köpcke / Zubin 1996: 475 ff.; 2009: 136 f. 53 Surridge 1989b: 206 vermutet im Kymrischen einen Zusammenhang zwischen Silbenzahl und Genus, hat diesen jedoch nicht untersucht. S. zu den Regeln bei Einsilblern im Irischen Ó Muirí 1992: 231 ff. 54 Mitgezählt wurden jedoch die derivierten oder komponierten Substantive mit unerwartetem Genus wie plijadur f. ‚Vergnügen‘, kennerzh f. ‚Trost‘, korfken(n) f. ‚Korsett‘. GENUS IM BRETONISCHEN Maskulina (1441 Substantive) Feminina (418 Substantive) einsilbig 732 50,80 % 202 48,32 % zweisilbig 630 43,72 % 175 41,87 % dreisilbig 76 5,27 % 38 9,09 % viersilbig 3 0,21 % 3 0,72 % Übersicht 14: Genus und Silbenzahl 3.3.5.2 Mutationsfähigkeit des Anlauts Phonetische Faktoren können Genuswechsel bewirken. Z. B. zeigen Wörter mit vokalischem Anlaut im kanadischen Französisch die Tendenz zum Wechsel ins Femininum, vor allem im niedrigen Register (Surridge 1984: 70). Dies korrespondiert mit der Feststellung von Tucker / Rigault / Lambert 1977: 57, dass Lerner des Französischen größere Probleme bei der richtigen Genuszuweisung bei Wörtern mit vokalischem Anlaut haben, weil weder der Artikel noch die Possessiva über differenzierende Formen verfügen. In ähnlicher Weise könnten im Bretonischen mutationsfähige Anlaute als overte Genusmarker für das Femininum stabilisierend wirken, während nicht-mutationsfähige Anlaute Genusschwankungen oder den Übertritt ins Maskulinum begünstigen. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde exemplarisch die Frequenz von Maskulina und Feminina bei Substantiven mit vokalischem Anlaut untersucht, wobei die komplette Datensammlung inklusive Derivate und Komposita herangezogen wurde (Übersicht 15). Der Anteil der Feminina ist bei Substantiven mit vokalischem Anlaut in der Tat signifikant niedriger als bei den Substantiven insgesamt (Faktor 1.23, p < 0.05). Andererseits ist er aber auch nicht so niedrig, dass man schließen könnte, dass bei dieser Gruppe das Femininum im Schwinden begriffen sei oder dass sich daraus eine Regel ableiten ließe, die bei vokalischem Anlaut maskulines Genus zuweist. Anlaut55 Lexeme <a> <e> <i> <o> <u> gesamt Anteil 246 145 76 79 27 573 100,00 % Maskulina 151 100 46 41 16 354 61,78 % Feminina 72 32 21 21 10 156 27,23 % Übersicht 15: Genusdistribution bei underivierten Substantiven mit vokalischem Anlaut (ohne Kollektiva und mask./fem.) 55 Das Graphem (einschließlich seiner Kombinationen) steht für die von ihm repräsentierten Anlautvokale sowie zugehörige Diphthonge. 103 104 BRITTA IRSLINGER 3.3.6 Formale Regeln: Suffixe und Ausgänge Im Gegensatz zur vorausgehenden, formal heterogenen Gruppe ist bei dem mit Suffixen abgeleiteten Teil des Wortschatzes das Genus an das Suffix gekoppelt und damit prinzipiell overt. Ausnahmen bilden einerseits Suffixe, die das Genus der Basis beibehalten, sowie andererseits homonyme Suffixe, bei denen das unterschiedliche Genus der Bildungen mit unterschiedlichen Bedeutungen korreliert. Neben der Pluralbildung ermöglicht hier vor allem die Semantik die eindeutige Zuordnung. Die Klassifizierung eines Wortes als Suffixbildung setzt also eine synchrone Wortbildungsregel voraus, die die Zerlegung in Ableitungsbasis und Suffix erlaubt, wobei bei einer substanziellen Anzahl der Bildungen die jeweiligen Basen auch vorliegen müssen. Fehlen entsprechende Wortbildungsregeln und Ableitungsbasen, so liegen keine Suffixe, sondern lediglich „Ausgänge“ vor, d. h. identische Phonemfolgen am Wortende, die mit den Suffixen jedoch homonym sein können.56 Homonyme Ausgänge haben nicht zwingend denselben Ursprung, sondern können auf ererbten, unanalysierbar gewordenen Suffixbildungen beruhen, verdunkelten Komposita sowie Lehnwörtern, die entweder ebenfalls ein Suffix enthalten, oder die zufällig dieselbe Phonemfolge aufweisen, vgl. z. B. Personenbezeichnungen auf -ad mask. (63): (63) a. Breizhad mask. ‚Bretone‘ b. retredad mask. ‚Rentner’ : Breizh fem. ‚Bretagne‘ : retred mask./fem. ‚Rente‘ < frz. retraite fem. ‚Rente‘ c. abad mask. ‚Abt‘ < abret. apat, britann. Lehnwort < lat. abbātem, Akk.Sg. zu abbās mask. ‚Abt‘ d. kamelad mask. ‚Kamerad‘ < frz. camarade mask. ‚Kamerad‘57 Breizhad (63a) und retredad (63b) sind Suffixbildungen, wobei erstere von einer einheimischen, letztere von einer entlehnten Basis abgeleitet wurde. Hingegen liegen bei (63c, d) Ausgänge unterschiedlichen Ursprungs vor (63c lat. stammbildendes *-at-, 63d span. -ado- < lat. Suffix *-atu-), die synchron jedoch mit dem produktiven Wortbildungsmuster assoziiert werden können. Was im konkreten Fall zutrifft, lässt sich nur mit Hilfe diachroner Analysen entscheiden. Eine strenge Trennung zwischen beiden ist nicht immer möglich, da in etlichen Fällen ererbte oder entlehnte Substantive modifiziert und damit formal an eine mit produktivem Suffix abgeleitete Gruppe angeglichen wurden. So erscheint ab dem Fnbret. (al)hueder mask. ‚Lerche‘ mit dem Ausgang -er neben ererb56 Strikt synchrone Untersuchungen rechnen die Ausgänge nicht zu den morphologischen, sondern zu den phonetischen Faktoren, vgl. z. B. Bull 1965: 108 f., Tucker / Rigault / Lambert 1970, 1977. Ansätze, die nur die Form berücksichtigen und diese Suffixe dann als mehrdeutig klassifizieren, gelten jedoch inzwischen als überholt, vgl. Nelson 2005: 23 ff. 57 Ursprünglich ‚Zimmergenosse (beim Militär)‘ < span. camarada ‚dass.‘ (Deshayes 2003: 362). GENUS IM BRETONISCHEN tem alc’hwedez, vgl. mbret. huedez, ehuedez, kymr. ehedydd (64a). Nach Deshayes 2003: 312 stammt bret. gwiñver ‚Eichhörnchen‘ aus lat. vīverra fem. ‚Frettchen‘ (64b). Die Assoziation mit den maskulinen Nomina agentis auf -er bewirkte offensichtlich einen Genuswechsel, dessen Reichweite die Wörterbücher unterschiedlich einstufen, vgl. Cornillet, An Here: mask./fem., Hemon 1995, Deshayes 2003: mask., Meurgorf: mask. und manchmal fem., Favereau 1993: mask., fem. im Tregerieg. (64) a. bret. alc’hweder mask. ‚Lerche‘ ← bret. alc’hwedez mask. ‚Lerche‘ mbret. huedez, ehuedez, kymr. ehedydd mask. ‚Lerche‘ b. bret. gwiñver mask./fem. ‚Eichhörnchen‘ < lat. vīverra fem. ‚Frettchen‘ 3.3.6.1 Suffixe, die das Genus der Basis beibehalten -(i)ad58 Ableitungen auf -(i)ad bezeichnen je nach Semantik der Basis Inhalte, Schläge oder an bestimmten Körperteilen lokalisierte Krankheiten, vgl. z. B. bagad fem. ‚Fracht‘ : bag fem. ‚Boot‘, begad mask. ‚Bissen‘ : beg mask. ‚Mund, Schnabel‘, jodad fem. ‚Ohrfeige‘ : jod fem. ‚Wange‘, meudad mask. ‚Daumenleiden; Fingerspitze, Prise‘ : meud mask. ‚Daumen‘. Bei friad mask. ‚Nasenleiden; Schlag auf die Nase; Prise Schnupftabak‘ : fri mask. ‚Nase‘ sind alle drei Bedeutungen belegt. Maskulin sind Bildungen, die synchron keine substantivische Basis besitzen (vgl. 3.3.3 zum Genus von Substantivierungen). Hierzu gehören z. B. kementad ‚Menge‘ : kement adj. ‚soviel, all, jede(r, -s)‘, martezead ‚Annahme, Hypothese‘ : marteze adv. ‚vielleicht‘, meuriad ‚Volksstamm‘ : meur adj. ‚groß‘ sowie piñsad ‚Fingerspitze, Prise‘ : pinsañ ‚einklemmen, kneifen‘ und kavad ‚Fund, Einfall‘ : kavout ‚finden‘, die nur auf Verben bezogen werden können. Nach Hemon 1975: 28 besteht im Leoneg die Tendenz, Bildungen mit diesem Suffix feminines Genus zuzuweisen. -ig Das Suffix -ig bildet Diminutiva wie karrig mask. ‚Wägelchen‘ : karr mask. ‚Wagen‘, rannig fem. ‚Partikel‘ : rann fem. ‚Teil‘, steredennig fem. ‚Sternchen‘ : steredenn fem. ‚Stern‘ (Favereau 1997: 79). Bei diesen Bildungen handelt es sich um Diminutiva im engeren Sinn, d. h. die ig-Bildung bezeichnet eine kleinere oder jüngere Form des Referenten. Weiterhin ist -ig häufig in Namen für kleine Tiere, Vögel, Insekten, Blumen und Kräuter, wo es, ähnlich wie in dt. Rotkehlchen, Schneeglöckchen oder Glühwürmchen teilweise als verblasst gelten kann. Beispiele sind yarig-Doue fem. ‚Ma58 Vgl. Favereau 1997: 73, Hemon 1975: 27 f., Trépos 1982: 42–45. 105 106 BRITTA IRSLINGER rienkäfer‘ (yar fem. ‚Huhn‘ + doue mask. ‚Gott‘), penndu(ig) mask. ‚Kohlmeise‘ (penn mask. ‚Kopf‘ + du ‚schwarz‘), karv(ig)-lann mask. ‚Heuschrecke‘ (karv mask. ‚Hirsch‘ + lann mask. ‚Heide‘), erminig mask. ‚Hermelin‘ (ermin mask. ‚dass.‘), tommheolig mask. ‚Gänseblümchen‘ (tomm ‚heiß‘ + heol mask. ‚Sonne‘). Bei anderen ig-Bildungen drückt das Suffix eher Emphase aus, vgl. z. B. allazig mask. ‚Streicheln, Liebkosung‘ : allaz ‚Ach!‘ (Interjektion) sowie Wörter aus der Kindersprache, vgl. z. B. toutouig mask. ‚Heia, Schlaf‘. Diese Bildungen sind maskulin, ebenso wie deadjektivische Objektbezeichnungen, vgl. madig mask. ‚Bonbon, Süßigkeit‘ : mat ‚gut‘, bravig mask. ‚Schmuck, Spielzeug‘ : brav ‚schön‘ (s. o. 3.3.3). Das Suffix -vezh bezeichnet Zeiträume, z. B. devezh mask. ‚Dauer eines Tages‘ : deiz mask. ‚Tag‘, nozvezh fem. ‚Dauer einer Nacht‘ : nozh fem. ‚Nacht‘ (Favereau 1997: 81). Nach Hemon 1975: 28 besteht auch hier im Leoneg die Tendenz, Bildungen mit diesem Suffix feminines Genus zuzuweisen. Anzahl Anteil 209 189 20 3,38 % -ig (gesamt) Diminutiva Tier- und Pflanzennamen Emphatische Bezeichnungen Kindersprache deadjektivisch -ig (7), -edig (4) 71 21 25 3 11 11 1,15 % -vezh 20 0,32 % -ad (gesamt) Inhalt, Kollektiv, Gesamtheit Schläge, Krankheiten Dauer, Zeitraum Übersicht 16: Suffixe ohne Genuswechsel 3.3.6.2 Homonyme Suffixe Die Suffixe -eg und -erezh bilden Ableitungen mit maskulinem wie auch mit femininem Genus unterschiedlicher Bedeutung: -eg bildet feminine Bezeichnungen für Orte oder Sammlungen wie segaleg fem. ‚Roggenfeld‘ : segal mask./koll. ‚Roggen‘ oder levraoueg fem. ‚Bibliothek‘ : levr mask. ‚Buch‘. Bezeichnungen für Sprachen sind maskulin, vgl. brezhoneg mask. ‚Bretonisch‘, saozneg mask. ‚Englisch‘ (Favereau 1997: 76). -erezh bildet desubstantivische maskuline Tätigkeitsbezeichnungen wie peskerezh mask. ‚Fischerei(handwerk)‘ : pesk mask. ‚Fisch‘ sowie feminine Ortsbezeichnungen, z. B. peskerezh fem. ‚Fischgeschäft‘ : pesk mask. ‚Fisch‘ (Favereau 1997: 77). GENUS IM BRETONISCHEN 3.3.6.3 Umfang formaler Markierung bei Maskulina und Feminina Der unterschiedliche Umfang formaler Marker bei beiden Genera ergibt sich aus den Übersichten (17, 18), die sowohl Suffixbildungen59 umfassen wie auch größere Gruppen mit identischen Ausgängen. Wie die Übersicht zeigt, gilt bei einer Reihe homonymer Suffixe bzw. Ausgänge zusätzlich eine semantische Regel. Übersicht (17) gibt die Anzahl der Substantive sowie den prozentualen Anteil bezogen auf die Gesamtheit der Datensammlung (6183 Lemmata) an. Komposita wurden als eigene Lemmata mitgezählt. In der rechten Spalte ist jeweils die Anzahl der regelkonformen Substantive gelistet. Ausnahmen, die nur vereinzelt auftreten, erscheinen in der linken Spalte nach „A:“. Insgesamt sind die Gruppen sehr einheitlich. Die Liste der Ausgänge könnte noch erweitert werden, insbesondere, wenn man höhere Ausnahmequoten akzeptiert. Problematisch sind allerdings sehr kleine Gruppen, da das Fehlen von Feminina mitunter dem begrenzten Umfang der Datensammlung von Cornillet 2000 geschuldet ist. Drei Lehnwörter auf -ist (kolist mask. ‚Messdiener‘, sakrist mask. ‚Küster‘, tourist mask. ‚Tourist‘) werden als Personenbezeichnungen bereits über das semantische Genus als Maskulina klassifiziert. Bemerkenswert ist der Genuswechsel zahlreicher frz. Entlehnungen auf -ique fem., von denen lediglich bret. republik ‚Republik‘ und barrik fem. ‚Fass‘ das feminine Genus bewahren. Das Letztere besitzt die suffigierte Nebenform barrikenn, mit -enn fem. (65). (65) frz. musique fem. ‚Musik‘ frz. mécanique fem. ‚Mechanik‘ frz. politique fem. ‚Politik‘ frz. république fem. ‚Republik‘ frz. barrique fem. ‚Fass‘ → bret. muzik mask. cf. bret. sonerezh mask. ‚Musik‘ → bret. mekanik mask. ‚Dreschmaschine, Maschine, Werkzeug‘ → bret. politik mask. cf. bret. politikerezh mask. → bret. republik fem. → bret. barrik fem. ‚Fass‘, Nebenform: barrikenn fem. Einen Genuswechsel zeigen auch Sprachbezeichnungen auf -eg, z. B. Brezhoneg mask. ‚bretonisch(e Sprache)‘ gegenüber kymr. Brythoneg fem. ‚britisch‘ < *Brittonikā oder britann.-lat. Brittanica (lingua). Den Ausschlag gab die Analyse als substantiviertes Adjektiv, vgl. frz. le breton (Irslinger 2014: 90). Übersicht (18) gibt die entsprechende Aufstellung für die Feminina. Auch hier sind Ausnahmen selten, abgesehen vom Suffix -ell. Als produktives Suffix ist es feminin, und dieses Genus haben auch die erweiterten Suffixe -idell, -igell usw. Daneben gibt es jedoch zahlreiche Lehnwörter aus dem Lat. und Frz., so dass 137 femininen Bildungen 23 nicht-feminine gegenüberstehen, was einem Anteil von 16,79 % entspricht. 59 Vgl. zu den einzelnen Suffixen Favereau 1997: 73–81, zu den Abstrakta bildenden Suffixen und ihrer diachronen Entwicklung Irslinger 2014: 71 ff. 107 108 BRITTA IRSLINGER Bei den enn-Bildungen60 sind die beiden Ausnahmen amanenn mask. ‚Butter‘ und tevenn mask. ‚Steilküste, Felswand, Düne‘, die maskuline Entsprechungen im Kymrischen besitzen, vgl. kymr. ymenyn, menyn, emenyn mask. ‚Butter‘, mkymr., kymr. tywyn mask. ‚Strand, Küste, Düne‘. Es handelt sich damit nicht um bretonische Neubildungen mit produktivem femininen -enn, sondern um Erbwörter, die ihr angestammtes Genus beibehalten haben. Während im Kymrischen die Suffixvarianten -yn mask. und -en fem. erhalten sind, fiel im Abret. die maskuline mit der femininen Variante lautlich zusammen und verschwand, so dass nur -enn fem. fortgesetzt ist (Irslinger 2014: 105). Ausgänge mit femininem Genus sind selten. Zu -añs und -ion, -sion kommen noch die mehrheitlich femininen Bildungen auf -tur, von denen Cornillet jedoch nur zwei listet. Anzahl Bezeichnungen für Männer, Berufsbezeichnungen Nomina agentis -er (253), -our (64) Einwohner -ad (21) Tiere -er (9, davon 5 Ausgänge; A61: 1 mask./fem.) Maschinen, Geräte -er (32 + 2 frz.), -our (2 frz.) (A: 2 fem.: kaoter62 + 1 Komp.) Anteil 347 36 60 Die Gruppe enthält auch einige wenige Bildungen, die synchron keine Ableitungsbasis besitzen, wie aotenn fem. ‚Rasiermesser‘ oder telenn fem. ‚Harfe‘, d. h. bei denen -enn kein Suffix, sondern Ausgang ist. Dasselbe gilt für dienn mask. ‚Sahne‘, das, falls es nach Favereau 1993: 147 zu kymr. dien ‚fein, schön, klar‘ gehört, ein substantiviertes Adjektiv und keine mask. enn-Bildung fortsetzt. Unklar ist die Zugehörigkeit zweier Lehnwörter, bret. pallenn mask. ‚Decke‘ und plankenn mask. ‚Planke‘, die in Cornillet mit jeweils zwei Komposita gelistet sind und damit sechs maskuline ennBildungen stellen. Bret. pallenn wird von lat. palla fem. ‚Obergewand, Mantel‘ hergeleitet und besitzt eine feminine Entsprechung in kymr. pall fem./mask.? ‚Mantel, Vorhang, Decke‘, Diminutiv pallen fem. (Deshayes 2003: 554). eGPC erwägt für das kymr. Wort die Entlehnung über afrz. paile (auch paille, palle, pale usw.) ‚wertvolles Gewebe, Vorhang, Teppich‘, für das Godefroy 1888, Bd. 5, 87b mask. und fem. Genus gibt. Bret. plankenn ist entlehnt aus normann.-frz. planque, plance, planke fem. ‚kleine Holzbrücke‘, frz. planche fem. (Deshayes 2003: 583). Favereau 1993: s. vv. listet die Substantive als planken(n) und pallen(n) und erwägt damit offensichtlich alternativ den Ausgang -en. 61 62 A = Ausnahme. Bret. kaoter fem. ‚Kochtopf, Kessel‘ setzt wie akorn. caltor gl. cacabus, mkymr., kymr. callawr, callor fem. ‚Kessel‘ ein gesamtbritann. Lehnwort aus lat. caldāria fem. ‚Warmbadzelle, Kochtopf‘ fort (Haarmann 1973: 24). Der Erhalt des ursprünglichen Genus ist in Anbetracht der Masse maskuliner er-Bildungen bemerkenswert (falsch kaoter mask. in Deshayes 2003: 369). GENUS IM BRETONISCHEN Anzahl Eigenschaftsabstrakta -der/-ter63 Sprachen -eg Nomina loci -va (7) Komposita mit ti mask. ‚Haus‘ (14 Typ ti-kêr ‚Rathaus‘, 16 Typ maerdi ‚Rathaus‘)64 Ordinalzahlen -ved (2) Anteil 27 25 37 2 Nomina actionis -adur (48; A: 1 fem.), -aj/-ach (46; A: 1 fem., 1 mask./fem.), -amant (18; 1 fem.)65, -erezh (80) 192 Gesamt: Suffixe 666 Ausgänge (Auswahl) -ac’h in Mehrsilblern (7; A: 1 mask./Koll.) -ad: Personen (41) -an: Personen (28), Tiere (15; A: 2 fem., 1 Koll.) -ard: Personen (8), Tiere -ard (2), sonstige (A: 1 fem.) -eg: Tierbezeichnungen (16) (A: 2 fem.: kazeg ‚Stute‘ + 1 Komp., 1 Koll.) -ik (Lehnwörter) (9; A: 1 fem.) -ist Personen (3) -od: Personen (7) -où z. T. urspr. Plurale (19; A: 2 Koll.) -str (16; A: 1 Koll.) -tr (4) 165 Maskulina mit overter Genusmarkierung (Suffixe + Ausgänge) 831 10,77 % 13,44 % Übersicht 17: Formale Genuszuweisung bei Maskulina 63 Nach Favereau 1997: 76 mit einigen Ausnahmen. 64 Umstritten sind Genus und Ursprung von abati ‚Abtei‘. Nach Le Menn 2005: 36 ist das Wort entlehnt aus lat. abbātia fem. ‚Abtei‘. Belege für fem. Genus sind z. B. das lenierte Epithet in Abaty Velrepos (GReg 103b, 1732) sowie in den modernen Dialekten Phrasen wie an abati zu ‚die schwarze Abtei‘ (mit leniertem Adj., Langonet). Zahlreiche Lexikographen analysieren das Wort jedoch als Kompositum aus abad mask. ‚Abt‘ + ti mask. ‚Haus‘ und geben mask. Genus an (u. a. Deshayes 2003: 45, GIB, Favereau 1993, Cornillet 2000, Hemon 1995). Auch nach Meurgorf ist das Wort mask., die gelegentlichen fem. Belege seien durch frz. oder lat. Einfluss zu erklären. 65 Enthält auch Lehnwörter sowie 3 Bildungen mit -imant, von denen batimant ‚Schiff‘ fem. ist. Dialektal sind weitere Bildungen wie gouarnamant ‚Regierung‘, paeamant ‚Bezahlung‘ fem. 109 110 BRITTA IRSLINGER Anzahl Motionsfeminina zur Markierung von weibl. Sexus (gesamt) Personen -ez (43), -erez (22), -ourez (4) Tiere -ez (15), -erez (1) Metaphorisch, ohne Sexusbezug: -ez (2), -erez (8) 95 Maschinen, Instrumente, Artefakte -erez (41) -ell, einschl. -adell, -idell, -igell, -ikell, -itell, -odell usw. (81) (A: 4 mask., 2 mask./fem.) Sonstige Bildungen auf -ell (57) (A: 12 mask., 2 mask./fem., 1 fem./mask., 2 K) ABER: ell-Bildungen, die keine Feminina sind (23) 179 enn-Bildungen Personenbezeichnungen auf -enn (22) (A: 1 mask./fem.) Sonstige Bildungen auf -enn (528) (A: 2 mask.) (Singulativa zu Kollektiva 366, nicht mitgezählt) 550 Abstrakta -ded/-ted (29; A: 1 mask.); -ezh (4), -adurezh (16), -idigezh (39), -egezh (24), -elezh (20), -iezh (27), -oniezh (13), -ourezh (1), -ouriezh (13); -antez (3), -entez (13), -enti/-inti (4), -iz (5), -nez (5), -ni (1), -oni (12) 229 Nomina loci, Sammlungen -erezh (10), -eg (15 fem. + 1 fem./mask.) Abstrakta, z. T. auch konkretisiert -eri/-iri (13, davon 2 frz. Lw.) Nomina actionis -adenn (108), -adeg (31), -añs (12; A: 1 mask.), -ijenn (8), -ien (2) Ausgänge -añs in Lehnwörtern (12; A: 3 mask., 2 umstritten, 1 Pl. tantum) -ion, -sion in abstrakten Lehnwörtern (8; A: 1 mask.)66 Gesamt: Feminina mit overter Genusmarkierung Anteil 25 13 161 20 1272 20,57 % Übersicht 18: Formale Genuszuweisung bei Feminina Der Anteil der Substantive, deren Genus durch ihr Suffix bestimmt wird, beträgt mindestens 34,01 % und ist damit größer als die Gruppe der Substantive mit semantischer Genuszuweisung. Der Anteil der derivierten Bildungen ist bei den Feminina erheblich höher als bei den Maskulina.67 Er beträgt 20,57 % des Gesamtlexikons, wobei die Gruppe der Singulativa nicht mitgezählt wurde. 66 D. h. feminin sind Substantive wie relijion fem. ‚Religion‘, kofesion fem. ‚Beichte‘, aber nicht Konkreta wie camion mask. ‚Lastwagen‘. 67 Dies wurde auch für andere idg. Sprachen wie das Deutsche festgestellt, vgl. Vogel 2000: 479. GENUS IM BRETONISCHEN Die Mehrzahl der bretonischen Feminina ist overt durch Suffixe markiert. Dies ist auch der Fall bei vielen der eigentlich semantisch definierten Personenbezeichnungen, die dadurch doppelt charakterisiert sind. Teilweise greift das Motionssuffix sogar über auf den Kernwortschatz femininer Personen- und Tierbezeichnungen, vgl. c’hoar fem. : c’hoarez fem. ‚Schwester‘, yar fem. : yarez fem. ‚Henne‘. Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass Substantive auf -ad und -vezh im Leoneg dazu neigen, zu Feminina zu werden (Hemon 1975: 28). Dies stellt die konsequente Weiterentwicklung der Korrelation von Femininum und Deriviertheit dar. Anzahl Anteil 100,00 % Feminina gesamt 2063 Feminina mit overter Genusmarkierung 1272 61,66 % Feminina ohne overte Genusmarkierung 791 38,34 % 418 20,26 % abzüglich: Substantive mit semantischer Genuszuweisung Länder-, Städte- und Flussnamen Personen- und Tierbez. mit Sexusunterscheidung Doppelungen Komposita Bildungen auf -ad, -ig, -vezh Feminina ohne Genuszuweisungsregeln Anteil am Gesamtlexikon (6183 Substantive) 6,76 % Übersicht 19: Feminina ohne Genuszuweisungsregeln Bereinigt man die Gruppe der Feminina ohne overte Genusmarkierung um die Substantive mit semantischer Genuszuweisung und um lexikalische Dubletten, so bleiben 418 feminine Substantive übrig, für die keine Genuszuweisungsregeln gelten. Dies sind 20,26 % aller Feminina bzw. 6,76 % des Gesamtlexikons. Das Fehlen eindeutiger Zuweisungsregeln gilt auch für die Gruppe mit variablem Genus. 3.3.7 Genus bei Substantiven ohne Genuszuweisungsregeln Wie die bisherige Untersuchung gezeigt hat, ist das Femininum einerseits mit weiblichem Sexus bei Belebten assoziiert, andererseits mit Abstrakta und Singulativa. Die beiden Letztgenannten sind immer mit Suffixen markiert, besitzen also eine klare formale Genuszuweisung, die fast keine Ausnahmen aufweist. Bei den Belebten ist die Semantik ausschlaggebend, zu der noch eine redundante formale Markierung kommen kann. 111 112 BRITTA IRSLINGER Potenzielle Unklarheiten bestehen damit in der Gruppe der underivierten Substantive, die keine Personenbezeichnungen sind. Im Folgenden wird eine Reihe von Phänomenen besprochen, die bei dieser Gruppe auftreten. 3.3.7.1 Homonyme mit unterschiedlichem Genus Bei einigen homonymen Wörtern sind unterschiedliche Bedeutungen mit verschiedenen Genera korreliert. Etymologisch verschiedene Wörter liegen in (66, 67) vor (Favereau 1997: 70, § 129, weitere Bsp. siehe Kervella 1995: 200 f., § 298): (66) Favereau 1997: 70 a. bagad (tud) mask. ‚Truppe, Gruppe (Menschen)‘ < *bācātus, -ā ‚mit Beeren versehen, Traube, Ansammlung, Gruppe, Bund‘ zu lat. bāca fem. ‚Beere‘ vgl. kymr. bagad mask./fem. ‚Ansammlung, Bund‘ b. bagad (pesked) fem. ‚Ladung (Fische)‘ < bag fem. ‚Boot‘ + -ad (Inhalt) (67) Favereau 1997: 70 a. gouel fem. ‚Segel‘ < lat. vēla, Pl. zu vēlum neutr. ‚Segel‘ (Deshayes 2003: 281) b. gouel mask. ‚Fest‘ < abret. guil ‚Wache, Überwachung‘, guilou Pl. ‚Feste‘ < lat. viglia < vigilia fem. ‚Nachtwache, nächtliche Feier‘68 vgl. mkymr. gwyl, kymr. gŵyl fem. ‚(religiöses) Fest, Feiertag‘, air. féil fem., i ‚(religiöses) Fest‘ 3.3.7.2 Regionale Differenzen Alle Handbücher betonen regionale Genusunterschiede bei einer nicht genau bestimmbaren Menge an Substantiven. Nach Kervella 1973: 71 ff. liegt dies einerseits an der geringen Standardisierung des Bretonischen, während andererseits bei vielen Lehnwörtern das Genus aufgrund mangelnder Integration ins Lexikon schwanke. Große Unterschiede gibt es bei der Frage, welche Wörter konkret betroffen sind. Favereau 1997: 70 f., § 132 gibt 12 Beispiele für Substantive, die je nach Region und Gebrauch maskulin oder feminin sind, sowie zusätzlich 26 Maskulina und 22 Feminina (§ 134, 135), deren Genus oft falsch verwendet wird. Kervellas 1995: 200, § 298 Liste enthält 61 Substantive, deren Genus je nach Sprecher schwanken kann. Diese beiden Listen sind nur teilweise deckungsgleich und auch nicht mit den als „mask./fem.“ markierten Substantiven in Cornillet 2000 identisch. 3.3.7.3 Umkategorisierung Gleichzeitig stehen jedoch in zahlreichen regionalen Varietäten Substantive mit doppeltem Genus nebeneinander, bei denen die Genera komplementär in verschiedenen syntaktischen Konstruktionen auftreten und z. T. unterschiedliche Bedeutungen haben. In (68a) wird son mit maskulinem Zahlwort konstruiert, in (68b) jedoch mit leniertem Adjektiv. Beide Substantive setzen lat. 68 Haarmann 1973: 25, Fleuriot 1964: 191 f., Deshayes 2003: 281. GENUS IM BRETONISCHEN sonus mask. ‚Laut, Ton, Klang, Geräusch‘ fort und sind homonym mit afrz. son mask. ‚Laut, Klang; Stimme; Lied, Gesang‘, frz. son mask. ‚Laut, Klang, Ton‘ desselben Ursprungs. (68) Favereau 1997: 70: son ‚Laut, Lied‘ a. an tri son (kleier) ART drei.M Laut Glocken ‚das dreimalige Läuten (der Glocken zur Messe)‘ (wörtl. ‚die drei Laute (der Glocken)‘) b. ur son vrav ART Lied LEN.schön ‚ein schönes Lied‘ < lat. sonus mask. ‚Laut, Ton, Klang, Geräusch‘, vgl. kymr. sŵn mask. ‚Klang, Lärm, Geräusch; Gerücht‘, air. son mask. ‚Klang, Stimme, Wort‘69 Die Behandlung dieser und ähnlicher Dubletten in den Handbüchern ist unterschiedlich. Während Cornillet, ebenso wie Hemon 1995: s. vv. und An Here 2001: s. vv., die Homonyme son1 mask. ‚Laut‘ und son2 fem. ‚Lied‘ ansetzen, geht Favereau 1997: 70, ebenso 1993: s. v. von einem einzigen Substantiv aus, bei dem die Verwendungen in bestimmten Kontexten und Syntagmen jedoch zur Korrelation von Genus mit einer bestimmten Semantik tendieren. Die bislang umfassendste Diskussion des Phänomens findet sich in Kersulec 2010: 216 ff., der die Beispiele der Untersuchungen von Kervella 1973: 71 ff., Favereau 1997: 69 f. und Plourin 2000: 13 ff. behandelt. Diese lassen sich in verschiedene Untergruppen einteilen: 1) Femininum zum Ausdruck von Partikularisierung Nach Kersulec 2010: 216 zeigt das Bretonische in bestimmten Teilbereichen des Wortschatzes die Resemantisierung von Genus. Hierbei ist das Maskulinum mit den Merkmalen [+ generell, abstrakt, komprehensiv, kollektiv] korreliert, das Femininum mit den Merkmalen [+ punktuell, konkret, individuell, singulativ]. In (69a) erscheint kouign ‚Kuchen‘ nach dem Artikel mit Spiransmutation (ar c’houign), die maskulines Genus markiert. Die Aussage bezieht sich auf Kuchen im Allgemeinen. In (69b) ist von konkreten Kuchen die Rede, die angeboten werden. gouign ist leniert und damit als Femininum markiert, das mit der femininen Form des Zahlworts (div) kongruiert. (69) Kersulec 2010: 231 a. Kalz tud a gav mat ar c’houign. viel Leute PTCL finden.PRS gut ART SPI.Kuchen ‚Viele Leute mögen gern Kuchen.‘ (wörtl. ‚den Kuchen‘) b. kinnig ur gouign pe ziv da anbieten.INF ART LEN.Kuchen oder LEN.zwei.F zu ‚jedem einen Kuchen oder zwei anbieten‘ 69 Haarmann 1973: 24, LEIA S-171, Deshayes 2003: 677, Kersulec 2010: 230. bep hini jede(-r, -s) 113 114 BRITTA IRSLINGER Nach Trépos 1982: 268 können die Bedeutungen [+ generell, abstrakt] vs. [+ punktuell, konkret] auch durch Paare bestehend aus einem underivierten maskulinen Substantiv und einer femininen enn-Ableitung realisiert sein, vgl. Bsp. (70) in dem lod mask. ‚Anteil‘ vor der Teilung verwendet wird, lodenn fem. ‚Anteil‘ danach. (70) Trépos 1982: 268 a. Pep hini ’no e jede(-r, -s) haben.FUT.3SG.M POSS.3SG.M ‚Jeder wird seinen Anteil bekommen.‘ b. Brasoc’h eo e groß.COMP sein.PRS POSS.3SG.M ‚Sein Anteil ist größer.‘ lod. Anteil lodenn. Anteil Die Kollektiv-Singulativ-Opposition mit ihrer typischen Korrelation von maskulinem Kollektivum und femininem Singulativum wurde hier auf andere Substantive übertragen und findet sich nach Kersulec 2010: 275 in manchen Dialekten sogar bei derivierten Substantiven (Irslinger 2014: 102). In vielen Fällen erfolgt die Umkategorisierung von Kontinuativa zu Individuativa allerdings nicht durch Genus, sondern durch die Kombination des Substantivs im Singular mit Verben und Pronomina im Plural, vgl. (71), in dem douar mask. ‚Erde, Boden, Land‘ in der Kombination mit der 3. Pl. des Verbs vint digoret ‚sie werden urbar gemacht‘ die Bedeutung ‚Landstück, Acker, Parzelle‘ erhält (Plourin 2009: 163 ff.): (71) Plourin 2009: 166 Kalz a zouar na vint viel von LEN.Land NEG LEN.sein.FUT.3PL ‚Viele Parzellen werden nicht urbar gemacht werden.‘ ket NEG digoret öffnen.PTC Ähnlich verhalten sich z. B. barw mask. ‚Bart‘ / ‚Barthaare‘, boued mask. ‚Essen, Nahrung‘ / ‚Nahrungsmittel‘, arc’hant mask. ‚Silber‘ / ‚Geld, Münzen‘, derw mask. ‚Eiche‘ / ‚Eichenzweige, -scheite‘, gwlan mask. ‚Wolle‘ / ‚Wollfäden, gesponnene Wolle‘, foenn mask. ‚Heu‘ / ‚Sorten Heu‘, ed mask. ‚Weizen‘ / ‚Weizenpflanzen‘, lojeis mask. ‚Unterkunft‘ / ‚Zimmer (einer Wohnung)‘ (Plourin 2009: 165 ff.). 2) Femininum zum Ausdruck einer Evaluation Eine Evaluation durch den Sprecher bezieht sich jeweils auf einen konkreten Gegenstand oder Zustand, wobei das betreffende Substantiv feminine Kongruenz zeigt, vgl. Bsp. (72) mit ment mask. ‚Größe‘. In (72a) wird ment mit der maskulinen Form des Zahlworts konstruiert, das genusunabhängig Lenition verursacht und eine generelle oder neutrale Proposition ausdrückt. In (72b) markiert die Lenition des Adjektivs brav ‚schön‘ zu vrav die subjektive Beurteilung der Größe durch den Sprecher. GENUS IM BRETONISCHEN (72) Kersulec 2010: 223, Kervella 1973: 74 a. Ne oa nemet daou vent anezhe NEG sein.IPF.3SG nur zwei.M LEN.Größe von.3PL ‚Es gab nur zwei Größen davon im Laden.‘ b. ment vrav Größe LEN.schön ‚schöne Größe‘ er in-ART stal. Laden Auch bei Bsp. (68) oben könnte eine Evaluation zugrunde liegen. Die semantische Differenzierung von son mask. ‚Klang, Geräusch‘ und son fem. ‚Lied‘ dürfte sich dann dadurch ergeben haben, dass zu Liedern und Melodien eher subjektive Aussagen gemacht werden als zu Geräuschen. Dieses System besitzt allerdings nur beschränkte Verbreitung. Die involvierten Substantive sind großteils Bezeichnungen für Maße, Gewichte und Preise, die äußere Erscheinung sowie sensorische Wahrnehmungen (73). Diese werden überwiegend mit den drei einsilbigen Adjektiven mat ‚gut‘, bras ‚groß‘ und brav ‚schön‘ kombiniert (Kersulec 2010: 230). (73) – Maße, Gewichte und Preise: ment ‚Größe‘, pouez ‚Gewicht‘, priz ‚Preis‘, pae ‚Bezahlung‘ – äußere Erscheinung: neuz ‚Aussehen‘, stumm ‚Form‘, stad ‚Zustand‘, doare ‚Art, Weise; Form, Aussehen‘, seblant ‚Gestalt, Aussehen, Erscheinung‘ – sensorische Wahrnehmungen: blaz ‚Geschmack‘, c’hwez ‚Geruch‘, trouz ‚Lärm‘ – Adjektive: mat ‚gut‘, bras ‚groß‘, brav ‚schön‘ In den Dialekten des Vannetais findet sich die Lenition des attributiven Adjektivs mat auch bei Aussagen mit optativischer Bedeutung, vgl. (74) mit hent mask. ‚Weg‘: (74) Kersulec 2010: 227, Berné Hent vat doc’h ! Weg LEN.gut zu.2PL ‚Gute Reise!‘ (wörtl.: ‚Guter Weg (zu) Euch!‘) 3) Phonetische Lenition des Adjektivs bei Substantiven auf -r und -l? Daneben gibt es nach Kersulec 2010: 224, 230 auch Fälle von Lenition ohne semantische oder pragmatische Konnotationen. Eine lediglich phonetische Mutation des Adjektivs postuliert er bei einigen Substantiven mit den Auslauten -r und -l, nämlich amzer ‚Zeit, Wetter‘, aer ‚Luft‘, avel ‚Wind‘, labour ‚Arbeit‘, revr ‚Hintern, Hinterteil‘, skouer ‚Beispiel‘. Wenngleich diese Auslaute als Resonanten besonders lenitionsaffin sind, da sie im Gegensatz zu anderen Auslauten bei den normalen Feminina auch attributive Adjektive mit den Anlauten p-, t- und k- lenieren (s. o. 2.2.1, Bsp. 7), so erklärt Kersulec nicht, warum der Effekt nur bei dieser kleinen Gruppe von Substantiven auftritt, während die große Masse davon unberührt bleibt. 115 116 BRITTA IRSLINGER Die traditionelle Erklärung für die unregelmäßige Kongruenz, nämlich, dass es sich um ursprüngliche Neutra handelt, wird im nächsten Abschnitt diskutiert. 3.3.7.4 Ursprüngliche „Neutra“ amzer ‚Zeit, Wetter‘ gilt als Femininum und löst Lenition bei einem attributiven Adjektiv aus (75). Allerdings kongruiert es in bestimmten Kollokationen mit den maskulinen Formen der Numeralia (76) oder mit einem maskulinen Pronomen (77). Im Gegensatz dazu gilt tra ‚Sache, Ding‘ als maskulin, wird aber nach dem Artikel wie ein Femininum leniert (79) und leniert seinerseits ein attributives Adjektiv (78). Bei einem vorangestellten Numerale wird hingegen die maskuline Form selektiert (78), ebenso beim Pronomen. Bsp. (79) enthält einen indirekten Relativsatz mit einer flektierten Präposition als Resumptivum (anezhañ 3. Sg. mask.), die in Genus und Numerus mit dem Kopf des Relativsatzes (an dra) kongruiert. (75) Kervella 1995: 99, § 158 amzer vat, amzer deñval Wetter LEN.schön Wetter LEN.dunkel ‚schönes Wetter, dunkles Wetter‘ (76) Favereau 1997: 72; Kervella 1995: 201, § 298 ar pevar amzer ART vier.M Zeit ‚die vier Jahreszeiten‘ (77) Favereau 1997: 72 ema ’n amzer sein.LOC ART Zeit ‚die Zeit verstreicht‘ oc’h PTCL ober machen.INF e dro POSS.3SG.M LEN.Runde (78) Favereau 1993: IX, Absatz 2 daou dra vras zwei.M LEN.Sache LEN.groß ‚zwei große Dinge‘ (79) Favereau 1993: IX, Absatz 2 an dra a gomzan anezhañ ART LEN.Sache PTCL.REL LEN.sprechen.PRS.1SG von.3SG.M ‚die Sache, von der ich spreche‘ Ähnlich verhalten sich avel fem./mask. ‚Wind‘, re mask. ‚Paar‘, und revr, reor mask. ‚Hinterteil‘, die wie amzer und tra von mehreren Handbüchern auf ursprüngliche Neutra zurückgeführt werden.70 Ein Nachweis ist freilich schwierig, weil diese Bildungen keinen idg. Anschluss haben, also nur im Keltischen belegt sind, oder weil ihre Etymologie 70 S. Favereau 1997: 72, Kervella 1995: 200 f., § 298, 99 f., §§ 157–160, 1973: 71 ff., Hemon 1975: 29. S. zu avel Matasović 2009: 47, zu amzer Matasović 2009: 33 f., LEIA A-3 s. v. aimser fem., Guyonvarc’h 1967: 240 f., zu re LEIA R-10 s. v. ré fem. GENUS IM BRETONISCHEN umstritten ist. Dass ursprüngliche Neutra im Neubretonischen nicht mit einem bestimmten Kongruenzmuster assoziiert sind, zeigt sich bei solchen Wörtern, deren ursprünglich neutrales Genus aufgrund der idg. Kognaten als sicher gelten kann. Hierzu gehören ererbte Wörter wie arc’hant mask. ‚Silber, Geld‘, ti mask. ‚Haus‘ oder dour mask. ‚Wasser‘ (80–83): (80) bret. arc’hant mask. ‚Silber, Geld‘, vgl. akymr. argant, mkymr. ariant mask., air. argat neutr., o ‚Silber‘ < urkelt. *arganto- neutr. < uridg. *h2 g- t-o- neutr. ‚Silber‘ arc’hant ‚Silber‘ zeigt das regelmäßige maskuline Kongruenzmuster, sofern es nicht als Kollektiv bzw. Plural der Bedeutung ‚(Silber-)Münzen, Geld(stücke)‘ konstruiert wird (s. o. 3.3.7.3). (81) bret. ti mask. ‚Haus‘, vgl. akymr. tig, kymr. ty mask., air. tech neutr. s ‚Haus‘71 < urkelt. *tegos- < uridg. *teg-os neutr. ‚Decke, Dach‘ zu *(s)teg- ‚decken, bedecken‘ ti ‚Haus‘ leniert im Nbret. und im Nkymr. gelegentlich substantivische Attribute (82), was Favereau nach Morris-Jones 1931: 39 als Hinweis auf das ursprüngliche Genus interpretiert.72 Da diese Art der Lenition jedoch genusunabhängig enge syntaktische Zusammengehörigkeit markiert, wird diese Erklärung auch von Morris-Jones alternativ in Erwägung gezogen. Die Annahme eines ursprünglichen Neutrums ist daher nicht zwingend. (82) Favereau 1997: 72 bret. ti Bêr Haus LEN.Pêr ‚Pêrs Haus‘ kymr. tŷ Bedr Haus LEN.Pedr ‚Pedrs Haus‘ 71 S. Matasović 2009: 376, Stüber 2002: 152 f., LEIA T-39 f. Bei bret. tu mask. ‚Seite‘ liegt trotz gelegentlicher Unregelmäßigkeiten (an tu c’hounit ‚die Gewinnerseite‘ mit Spiransmutation von gounit ‚gewinnen‘, vgl. Favereau 1997: 72) kein ursprüngliches Neutrum vor. Die Entsprechungen in den verwandten Sprachen sind mask., vgl. mkymr. tu mask. ‚Seite‘ und air. taeb, tóeb mask. o, später fem. ā und mask. u ‚Seite, Flanke‘. Für den neutralen s-Stamm, den IEW 1018 postuliert, gibt es insbesondere im Air. keine Evidenz. Matasović 2009: 387 rekonstruiert urkelt. *toi̯bo- ‚Seite‘. 72 Morris-Jones 1931: 39 geht von schwankendem Genus aus, da ty ‚Haus‘ im Mittelkymrischen gelegentlich mit femininem Adjektiv kongruiere, wie in: Morris-Jones 1931: 39, note, WM 47, Mitte 14. Jh. yny vyd y ty yn burwen am eu penn bis sein.PRT.3SG ART Haus PTCL LEN.reinweiß um POSS.3PL Kopf ‚bis das Haus um sie herum reinweiß (d. h. weiß-glühend) war‘ Das Kompositum pur-wen ‚rein-weiß‘ enthält gwyn mask., gwen fem. ‚weiß‘, das zu den wenigen Adjektiven gehört, die im Mkymr. noch eine Genusunterscheidung zeigen. Die Mutation ist in diesem Fall kein Genusmarker, sondern wird in prädikativer Konstruktion von der Partikel yn ausgelöst. Nach Mühlhausen 1925, 1988: 126 ist bur-wen eine ältere Schreibung für gwyn mask., also kein Femininum. 117 118 BRITTA IRSLINGER dour mask. ‚Wasser‘ könnte ein Neutrum fortsetzen, das im gall. Gewässernamen Uerno-dubrum belegt ist und das auf der Substantivierung des Adjektivs uridg. *dhub-ro/ah2- ‚tief‘ basiert (83). (83) bret. dour mask. ‚Wasser‘, vgl. akymr. dubr, mkymr. dwfyr, kymr. dwfr, dŵr mask. ‚Wasser‘, air. dobur adj. o/ā ‚dunkel, schmutzig‘, dobur o ‚Wasser‘, gall. Uerno-dubrum Gewässername (‚Erlenbach‘) < urkelt. dubro- neutr. ‚Wasser‘ < uridg. *dhub-ro/ah2- ‚tief‘73 Bihan 2015: 7 stuft bret. dour jedoch als zweifelhaft ein, weil die Mutationen zwar unregelmäßig sind, aber nicht eindeutig auf ein Neutrum weisen. Neben unmutiertem oder leniertem Adjektiv oder Attribut gibt es noch die Spiransmutation (84). Nach Bihan geht dour c’hlav auf die Phrase *dour-a-c’hlav zurück, d. h. die Lenition wurde nicht von dour, sondern von der ausgefallenen Präposition a ‚von‘ verursacht. (84) Kervella 1973: 75; Bihan 2015: 7 a. dour tomm dour domm Wasser heiß Wasser LEN.heiß ‚heißes Wasser‘ ‚heißes Wasser‘ b. dour glav dour c’hlav Wasser Regen Wasser LEN.Regen ‚Regenwasser‘ ‚Regenwasser‘ dour zomm Wasser SPI.heiß ‚heißes Wasser‘ dour c’hlouar Wasser SPI.lauwarm ‚lauwarmes Wasser‘ Maskulin sind außerdem einige frühe, d. h. urbritannische Lehnwörter (85, 86), die im Irischen neutrales Genus haben. Es lässt sich nicht feststellen, ob diese Wörter als Neutra ins Britannische entlehnt wurden oder ob die Maskulina, die sich bereits im Vulgärlateinischen entwickelt hatten,74 zugrunde liegen. (85) bret. gwin mask. ‚Wein‘, vgl. akymr., mkymr. guin, kymr. gwin mask., air. fín neutr. u ‚Wein‘ < vlat. vīnus mask. oder klass.lat. vīnum neutr. ‚Wein‘ (86) bret. aour mask. ‚Gold‘, vgl. mkymr. eur, aur, awr, kymr. awr mask., air. ór neutr., o (später mask.) ‚Gold‘ < vlat. aurus mask. oder klass.lat. aurum neutr. ‚Gold‘ Seltener ist der Übergang ins Femininum, der bei lat. offerendum neutr. ‚Messe‘ im Britannischen, aber nicht im Irischen stattgefunden hat (87). Zahlreiche Handbücher nehmen daher als Ausgangspunkt den Plural offerenda neutr. ‚Darzubringendes, Opfer‘ an.75 73 S. LEIA D-123, Delamarre 2003: 152, NIL 122 ff. S. zum Genus im Vlat. Väänänen 1981: 102 f. und Rheinfelder 1976: 12. Nach Väänänen 1981: 103 erscheint der Großteil der Neutra auf -um in nicht-literarischen Texten des 7. und 8. Jh. als Maskulina auf -us. 75 Haarmann 1973: 24: Bret. und Kymr. < lat. offerendum; Deshayes 2003: 545, eGPC s. v. offeren, eDIL s. v. oifrend: < lat. offerenda; LEIA O-17: < lat. offerendum oder offerenda. Falls das Wort im Singular entlehnt wurde, wäre im Britannischen ein Genuswechsel aufgrund der phonetischen Regel möglich, dass Wörter mit -e- in der Endsilbe tendenziell Feminina sind, vgl. Irslinger 2014: 84 f. 74 GENUS IM BRETONISCHEN (87) bret. oferenn fem. ‚Messe‘, vgl. mkymr. efferen fem., kymr. offeren fem., air. oifrend mask. o, nir. aifreann mask. ‚Messe‘ < lat. offerendum oder offerenda neutr. ‚Darzubringendes, Opfer‘ Favereau 1997: 72, § 138 gibt darüber hinaus eine Liste mit weiteren Substantiven, bei denen es sich aufgrund von Auffälligkeiten bei der Kongruenz wie bei tra ‚Ding‘ ebenfalls um ursprüngliche Neutra handeln soll. Hierzu gehören u. a. aer mask. ‚Luft‘, fin fem. ‚Ende, Schluss‘, labour mask. ‚Arbeit‘, mod mask. ‚Art‘ oder sin mask. ‚Zeichen‘. Im Wörterbuch (Favereau 1993) werden diese mit „n.“ für Neutrum klassifiziert. Ein Teil der Liste besteht aus Substantiven lateinischer Herkunft, die über das Altfranzösische bzw. über dessen Vorläufer, das gesprochene Latein Galliens, ins Bretonische gelangt sind. Wenn hier wirklich Reflexe ursprünglicher Neutra vorliegen sollten, so müssten die betreffenden Entlehnungen sehr alt sein, da das Neutrum bereits im Altbritannischen, das ab dem späten 8. Jh. in Texten belegt ist, vollständig verschwunden ist (Schrijver 2011: 41). Auch im frühen Altfranzösisch (ab Mitte des 9. Jh.) war das Neutrum bereits stark zurückgegangen. In einer zufällig ausgewählten Stichprobe von Substantiven in den Straßburger Eiden (842) und den Eulalia (884) beträgt der Anteil der Neutra nach Polinsky / Jackson 1999: 44 nur noch 4,6 % gegenüber 18,4 % im Vulgär- und 21,3 % im klassischen Latein. Andererseits dürfte zumindest bei einem Teil der Substantive das Genus im Französischen zum Zeitpunkt der Entlehnung eine Rolle spielen. Das lat. Maskulinum labōr ‚harte Arbeit‘ war im Altfranzösischen überwiegend feminin. Es hat jedoch eine Nebenform labeur, die sich in der Verwendung teilweise überschneidet mit labour mask. ‚Bodenbearbeitung‘ und dann mask. Genus hat (FEW V, 103, 105). Das Genus des aus dem Afrz. entlehnten mbret. labour ist nicht belegt. Im Nbret. ist das Wort maskulin und selektiert wie tra ‚Ding‘ das maskuline Numerale bei gleichzeitiger Lenition eines attributiven Adjektivs in daou labour vad ‚zwei gute Arbeiten‘ (mat ‚gut‘) (88). Es scheint daher möglich, dass bret. labour entweder zunächst Femininum war und dann wie das Französische einen Genuswechsel erfahren hat, oder aber dass bestimmte Syntagmen vom Französischen beeinflusst sind. Das Wort war jedoch weder im Lateinischen noch im Britannischen jemals Neutrum. Mkymr., nkymr. llafur mask. setzt das ursprüngliche lateinische Genus fort. (88) lat. labor mask. ‚Mühsal, Arbeit‘ → mkymr. llafur mask. ‚harte Arbeit‘ → afrz. labor, labeur fem. ‚harte Arbeit‘ afrz. labour mask. (seit 1180), labeur mask. ‚Bodenbearbeitung‘ → nfrz. labour mask. → nbret. labour mask. ‚harte Arbeit‘, aber: daou labour vad 119 120 BRITTA IRSLINGER Ähnlich komplex sind die Verhältnisse bei den Fortsetzern von lat. sīgnum neutr. ‚Zeichen‘ und modus mask. ‚Maß‘, wo im Afrz. und Mfrz. Bildungen mit unterschiedlichem Genus und unterschiedlicher Semantik nebeneinanderstehen (89, 90).76 Lat. fīnis mask., selten fem. ‚Grenze, Ende‘ ist im Afrz. überwiegend feminin, selten auch mask. (91). Lat. āēr mask. ‚Luft‘ ist aus dem Griechischen entlehnt und hat die Akkusative āera und āerem (92). Im Afrz. und im nfrz. Standard ist das Wort zwar maskulin, zahlreiche regionale Varianten zeigen aber feminines Genus. (89) lat. sīgnum neutr. ‚Zeichen‘ → afrz. seign mask. ‚Zeichen‘, seingne fem. ‚Feldzeichen, Schild‘ (90) lat. modus mask. ‚Maß‘ → afrz. moet, mo, mou mask., mfrz. meuf mask. ‚Modus (Grammatik, Musik)‘ → mfrz., nfrz. mode fem. ‚Mode‘, mode mask. ‚Art, Modus‘ (ab 1611) (91) lat. fīnis mask., selten fem. ‚Grenze, Ende‘, Akk. fīnem → afrz. fin fem., aber auch mask. (92) lat. āēr mask. Akk. āera, āerem ‚Luft‘ → frz. air mask. und regional air fem. Außer bei lat. sīgnum liegen auch hier keine ursprünglichen Neutra vor, so dass dies nicht als Ursache der Genusschwankungen gelten kann. Die Kongruenzirregularitäten bei den bretonischen Lehnwörtern reflektieren vielmehr Schwankungen zwischen Maskulinum und Femininum im Französischen. 3.3.7.5 Einfluss der Datenbasis Cornillet 2000 enthält insgesamt 147 Fälle von unklarem bzw. wechselndem Genus, was 2,38 % aller gelisteten Substantive entspricht (Übersicht 20). Substantive gesamt Variables Genus gesamt mask./fem. fem./mask. mask./koll. fem./koll. Anzahl 6183 147 Anteil 100,00 % 2,38 % 95 14 35 3 Übersicht 20: Unklares Genus Auch die anderen Grammatiken weisen darauf hin, dass es eine nicht genau bestimmbare Menge an Substantiven mit wechselndem Genus gibt. Neben den in den vorausgegangenen Abschnitten diskutierten Substantiven fallen die Genusangaben der Handbücher auch in anderen Fällen unterschiedlich aus. Verständlich ist dies bei Favereau 1993, dessen Wörterbuch auf dem Dialekt von Poher basiert und damit einen regionalen Schwerpunkt hat. 76 S. zu sıgnum FEW XI, 605a, zu modus FEW VI.3, 19b, zu fīnis FEW III, 568a, Anm. 1, zu aer FEW XXIV, 221a, 226b. GENUS IM BRETONISCHEN Davon abgesehen sind Ursachen für die Unterschiede zwischen den einzelnen Wörterbüchern aber oft nicht nachvollziehbar und es entsteht teilweise der Eindruck, dass die Klassifikation „m./f.“ weniger den tatsächlichen unterschiedlichen Gebrauch als vielmehr unterschiedliche Angaben in den Wörterbüchern reflektiert, vgl. (93): (93) samm ‚Last, Bürde‘ : sammañ ‚aufladen‘ mask. Hemon 1995, GIB, Favereau 1993, An Here 2001, Deshayes 2003 fem. Meurgorf fem./mask. Cornillet 2000 Da neben samm das Verb sammañ ‚aufladen‘ steht, kann samm synchron als maskulines Deverbativum analysiert werden (s. o. 3.3.3). Aus diachroner Sicht ist das Substantiv allerdings primär, da es wie afrz. somme fem. ‚Last‘ auf ein umgangssprachliches lat. samma < vlat. sagma, -ae fem. ‚Packsattel, Last‘ zurückgeführt wird.77 Der Genuswechsel dieses ursprünglichen Femininums wäre anhand der synchronen Regeln leicht zu motivieren. Obwohl das Wort seit dem Mittelbretonischen belegt ist, gibt es keine Textstellen, aus denen das Genus erkennbar ist. L’Armeyries Dictionnaire François-Breton ou François-Celtique du dialecte de Vannes (Leide 1744) gibt sam mask. ‚charge d’un cheval‘ (S. 53), ebenso Le Gonidec, Dictionnaire CeltoBreton ou Breton-Français (Angoulême 1821), samm mask., ar samm (S. 394). Die Ausgabe von 1850 enthält einen fast identischen Eintrag, doch wurde beim Beispielsatz ar samm zu ar zamm geändert, was als Lenition des Anlauts und damit als Hinweis auf feminines Genus zu interpretieren sein könnte. Allerdings lautet die auf das Lemma folgende Genusangabe nach wie vor „mask.“ (94). (94) Le Gonidec 1850: 518 samm s. m. Somme, charge, fardeau que peut porter un cheval et autre bête likid ar zamm war gein va marc’h laden.IMP.2PL ART LEN.Last auf LEN.Rücken POSS.1SG Pferd ‚Ladet die Last auf den Rücken meines Pferdes.‘ Ähnlich verhält es sich bei dem aus frz. dance fem. entlehnten bret. dañs ‚Tanz‘, das ebenfalls synchron als Deverbativum aufgefasst werden kann (95). Favereau 1993 und Deshayes 2003 geben hier jedoch feminines Genus, während Meurgorf keine Angabe macht. Ein uneinheitliches Bild ergibt sich auch bei den übrigen Substantiven auf -añs, die alle aus dem Frz. entlehnt sind und überwiegend auf Feminina basieren. Das vlat. Wort ersetzt klass.lat. sagma, -atis neutr., das seinerseits aus griech. σάγμα, -ατος neutr. ‚Packsattel‘ entlehnt ist, vgl. Deshayes 2003: 642, Ernoult / Meillet 1979: 1039, Rheinfelder 1976: 11. 77 121 122 BRITTA IRSLINGER (95) dañs ‚Tanz‘ : dañsal ‚tanzen‘ mask. Cornillet 2000, GIB, Hemon 1995, An Here 2001 fem. Favereau 1993, Deshayes 2003 k. A. Meurgorf Es ist damit festzuhalten, dass die Zahlen zur Genusdistribution im Bretonischen in größerem Maß von den ausgewerteten Wörterbüchern abhängen als bei anderen, stärker standardisierten Sprachen. 4. Schlussfolgerungen Die quantitative Analyse des bretonischen Lexikons auf der Basis von Cornillet 2000 hat gezeigt, dass das Genus von Substantiven weitgehend anhand semantischer, morphologischer und phonetischer Faktoren sowie Kombinationen derselben vorhersagbar ist. Das Bretonische bestätigt damit eine Aussage, die auch für die Genussysteme zahlreicher anderer Sprachen getroffen wurde. Parallelen bestehen zwischen den Genussystemen der britannischen und der romanischen Sprachen im Allgemeinen sowie zwischen dem Bretonischen und dem Französischen im Besonderen. Der Verlust des Neutrums führte zur Entstehung von Zwei-Genus-Systemen mit dem Maskulinum als Defaultgenus. Weitgehende Übereinstimmungen gibt es bei den semantischen und funktionalen Genuszuweisungsregeln. Dies kann zwar auf unabhängigen Parallelentwicklungen beruhen, allerdings lässt die sehr ähnliche quantitative Distribution der Genera im Bretonischen und Französischen arealen Einfluss vermuten. Eine Besonderheit des Bretonischen ist das gelegentliche Auftreten des Femininums bei unpersönlichen Subjekten. Wenn eindeutige Genuszuweisungsregeln fehlen, ist das Genus Schwankungen unterworfen. Dieser Verlust der Klassifizierungsfunktion führt jedoch nicht automatisch zum Genusverlust. Zumindest in Teilbereichen des Lexikons wurden die Genera mit neuen Merkmalen korreliert, die die produktive Umkategorisierung ermöglichen oder zum Ausdruck pragmatischer Funktionen dienen. Diese Entwicklung lässt sich jedoch nur mit Hilfe von Korpora, nicht anhand der ausgewerteten Datenbasis ablesen. Problematisch ist die oft wiederholte Hypothese, dass Kongruenzunregelmäßigkeiten bei Substantiven im Neubretonischen ursprüngliche Neutra reflektieren. Mehrere gesicherte ursprüngliche Neutra aus dem Keltischen oder Lateinischen wurden ins Maskulinum überführt und verhalten sich regelmäßig, während bei anderen Substantiven Unregelmäßigkeiten auftreten, das neutrale Genus aber nur vermutet werden kann. Dieselben Unregelmäßigkeiten finden sich bei einer Reihe von Lehnwörtern aus dem Altfranzösischen, die keine Neutra waren, aber zwischen Maskulinum und Femininum schwankten. GENUS IM BRETONISCHEN LITERATURVERZEICHNIS GReg: De Rostrenen, Grégoire. 1732. 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