Tempobeschränkung für Autos, kein Netflix mehr: So sieht der Notfallplan des Bundesrats bei einer Strommangellage aus

Der Bundesrat hat seinen Notfallplan für eine Strommangellage im Winter vorgelegt. Er sieht weitreichende Einschränkungen und Verbote vor, die weit in den privaten Bereich gehen. So könnten etwa Haushalte nur noch maximal mit 40 Grad waschen.

Christof Forster
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Bundesrat Guy Parmelin informierte am Mittwoch über den Notfallplan des Bundesrates im Fall einer Strommangellage.

Bundesrat Guy Parmelin informierte am Mittwoch über den Notfallplan des Bundesrates im Fall einer Strommangellage.

Peter Klaunzer / Keystone

In der Schweiz würde man eine schwere Strommangellage daran erkennen, dass Frauen und Männer mit zerknitterten Blusen und Hemden herumlaufen. Bereits in der zweiten Eskalationsstufe könnte der Bundesrat den Haushalten zwecks Stromsparen verbieten, ihre Kleider zu bügeln. Das erinnert stark an die Pandemie, in der die Regierung Mikromanagement betrieb und vorgab, wie viele Familienmitglieder an Weihnachten um den Tannenbaum sitzen dürfen. In Stufe 3 wird auch das Gamen und das Konsumieren von Filmen verboten, sei es per DVD oder via Streaming-Dienste wie Netflix.

Die am Mittwoch vom Bundesrat in die Vernehmlassung geschickten Verordnungsentwürfe sind weitreichend und detailliert. Neben offensichtlichen Stromfressern wie Saunas und Dampfbädern will der Bundesrat auch den Einsatz von elektrischen Laubbläsern, das Warmwasser in öffentlichen Toiletten oder Sitzheizungen von Sesselliften verbieten. Dies gilt bereits in der ersten von insgesamt vier Eskalationsstufen. Auch die Beleuchtung von Gärten und Privatwegen wäre nicht mehr möglich, ausser sie dient der Sicherheit. Ebenso könnten private Haushalte ihre Wäsche nur noch mit maximal 40 Grad waschen und dürften ihren Kühlschrank nicht kälter als 6 Grad einstellen.

Wirtschaftsminister Guy Parmelin räumte vor den Medien ein, dass die vorgesehenen Einschränkungen und Verbote weit in den privaten Bereich der Bevölkerung reichten. Die Massnahmen würden aber nur in Kraft treten bei einer Strommangellage. Eine solche ist zwar für diesen Winter nicht ausgeschlossen, aber unwahrscheinlich. Zu diesem Schluss kam eine Anfang November publizierte Analyse der nationalen Netzgesellschaft Swissgrid. An dieser Einschätzung hat sich laut den Experten des Bundes nichts geändert.

Schlimmeres verhindern

Parmelin rechtfertigte die Eingriffe auch damit, dass auf diese Weise noch gravierendere Massnahmen verhindert werden sollen. Dazu zählt die Kontingentierung von Strom für 34 000 Grossverbraucher, die rund die Hälfte des Stromverbrauchs der Schweiz ausmachen. Dies wäre mit grossen wirtschaftlichen Schäden verbunden. Der Betrieb von Infrastrukturen, welche das Land mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen versorgen, soll jedoch sichergestellt sein. Deshalb ermöglicht der Bundesrat eine flexible Weitergabe von Kontingenten.

Noch schlimmer als Kontingentierungen wären Netzabschaltungen für einige Stunden, die laut dem Wirtschaftsminister unbedingt zu verhindern seien. Sie sollen erst zum Zug kommen, wenn ein Blackout anders nicht mehr abzuwenden ist. Lebenswichtige Dienstleister wie Spitäler, Wasserversorger und Blaulichtorganisationen könnten aus technischen Gründen nur vereinzelt von den Abschaltungen ausgenommen werden.

Ähnlich wie beim Gas würden auch beim Strom je nach Situation die Massnahmen stufenweise verschärft. Zeichnet sich ein Strommangel ab, würde der Bundesrat zunächst alle Verbraucher eindringlich zum Sparen aufrufen. Parallel dazu könnte er bereits die Verwendung von nicht zwingend benötigten Anlagen einschränken oder verbieten. Dazu gehören der Betrieb von privaten Saunas oder Heizstrahlern.

Dann folgen weitere Verbote und Einschränkungen aus den detaillierten Listen der Eskalationsstufen 1 bis 4. Diese sind so aufgebaut, dass die Einschränkungen zunächst nur zu Komforteinbussen führen und die Wirtschaft möglichst verschonen sollen. Betroffen wären beispielsweise Beleuchtungen, Leuchtreklamen oder Minibars in Hotels. Falls sich die Situation weiter zuspitzt, würde der Betrieb von Schwimmbädern, Eisfeldern, Spielhallen und Casinos verboten. Erst in dieser Stufe 4 dürften dann Beschneiungsanlagen und Skilifte nicht mehr laufen. Auch dies ist eine Parallele zur Pandemie, als zeitweise praktisch alle Läden und Restaurants geschlossen waren, aber Skianlagen und Terrassen jedoch davon ausgenommen waren.

Wie bei den Covid-19-Verordnungen enthält auch das umfassende Regelwerk zur Strommangellage Widersprüche und Ungereimtheiten. In der Stufe 4, wenn die Lage bereits recht dramatisch ist, dürfen Hotels weiterhin ihre Wellness-Anlagen betreiben. Eingeschränkt werden soll lediglich die Betriebszeit – auf maximal sieben Stunden pro Tag. Bastian Schwark, Energiekrisenmanager des Bundes, begründete dies vor den Medien mit Abwägungen. Es gehe darum, den Tourismus in einer gewissen Form aufrechterhalten zu können. Bei geschlossenen Skigebieten könnten sich die Feriengäste immerhin noch in den Wellnessanlagen aufhalten. Der Bund hat die Verordnungen zusammen mit der Wirtschaft ausgearbeitet.

Widersprüchliche Vorgaben

Widersprüchlich sind auch die Vorgaben für private Haushalte zur Maximaltemperatur. Vergangene Woche legte der Bundesrat den Höchstwert für Gebäude mit Gasheizungen auf 20 Grad fest, falls das Gas knapp wird. Ursprünglich waren 19 Grad vorgesehen. Parmelin hatte den Entscheid auch juristisch begründet. Man will Klagen vor Gericht verhindern. Beim Strom sieht der Bundesrat jetzt aber bei einer Zuspitzung der Lage eine Maximaltemperatur von lediglich 18 Grad vor. Dies gilt für Gebäude, die mit Elektroheizungen und Wärmepumpen geheizt werden.

Ebenfalls nicht schlüssig erklärt wird die Tempobeschränkung auf 100 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen. Diese gilt nicht nur für Elektroautos, sondern auch für Benziner. Sie wird damit begründet, dass damit Mineralöl gespart werde, das für Notstromaggregate und Zweistoffanlagen genutzt werden könne. Mit dieser Argumentation müsste der Bundesrat aber auch Maximaltemperaturen für Gebäude mit Ölheizungen erlassen. Auch damit würde Heizöl gespart.

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