Tamino – voll und ganz zurück im Leben

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Auf der Kinderintensivstation wird Tamino engmaschig überwacht, bis der implantierte Defibrillator zuverlässig arbeitet. Immer an der Seite des Jungen: Vater Thomas Tarrach (r.), Kinderkardiologe Christoph Kampmann (2.v.l) und Herzchirurg Daniel Dürr, der die OP vornahm. Foto:hbz/Schäfer
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Mit 13 Jahren auf der Kinderintensivstation in Mainz: Beim Basketballtraining erlitt Tamino einen Herzstillstand. Ein implantierter „Defi“ wird sein Herz künftig im Takt halten.

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MAINZ. Als der 13-jährige Tamino einfach umfiel, weil sein Herz aufgehört hatte zu schlagen, befand er sich auf einem Basketballfeld in Ingelheim. Als er wieder erwachte, um ins Leben zurückzukehren, lag er auf der Kinderintensivstation in Mainz – und gut eine Woche war vergangen. Eine Woche, an die Tamino keine Erinnerungen hat, seine Familie und seine Ärzte dagegen sehr wohl. „Es war kaum auszuhalten, wie unser Sohn da im Koma lag“, sagt Taminos Vater Thomas Tarrach. Doch es war überlebensnotwendig, Taminos Körper in künstlichen Tiefschlaf zu legen– auch, um eine drohende Schwellung des Gehirns zu vermeiden, sagt Prof. Christoph Kampmann, Leiter der Kinderkardiologie an der Universitätsmedizin Mainz.

Langsam, Stück für Stück, fuhren die Mediziner Taminos Körperfunktionen wieder hoch und nahmen dabei im Herzkatheterlabor alle möglichen Untersuchungen vor: Warum war es zu dem Herzflimmern gekommen? Das wissen die Ärzte bis heute nicht, der 13-Jährige gilt als gesunder Junge ohne Vorerkrankungen, die Ursache ist – noch – nicht gefunden. Im Vordergrund stand und steht allerdings erst einmal: Der 13-Jährige darf nicht noch einmal einen lebensbedrohenden Anfall erleiden. Vor wenigen Tagen wurde dem Jungen ein Defibrillator implantiert. Das kleine Wunderwerk der Medizintechnik, nicht größer als eine Streichholzschachtel, wird fortan dafür sorgen, dass Taminos Herz im Takt bleibt.

Vor einiger Zeit noch hätte Tamino für die Operation in eine andere Klinik verlegt werden müssen. Mittlerweile wird der Eingriff in Mainz durchgeführt, wie viele andere Herz-OPs bei jungen Patienten: Die Kinder-Herzchirurgie wurde wieder aufgebaut, heute verfügt das Klinikum über Kinderherzchirurgen, die eng mit dem Kinderkardiologen Kampmann zusammenarbeiten. „Sie operieren auf hohem Niveau, wir sind glücklich, die Kollegen hier an Bord zu haben“, betont Kampmann. Auch für die Ausstattung der Kinderherzchirurgie sammelt die AZ mit „Leser helfen“ Spenden. Ganz oben auf der Wunschliste der Ärzte steht ein Gefäßdoppler-Schallkopf. Mit der Sonde können die Mediziner per Ultraschall winzig kleine Gefäße auffinden, um etwa einen Katheder zu legen. „Manche unserer Patienten wiegen nur 750 Gramm“, sagt Kampmann – bei so einem winzigen Frühchen haben selbst die „großen“ Blutgefäße nur einen Durchmesser von etwas über einem Millimeter.

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Viel zu früh geborene Säuglinge, Jugendliche wie Tamino – alle Patienten auf der Kinderintensivstation brauchen medizinische Versorgung auf höchstem Niveau, und sie bekommen sie. Doch alle High-Tech-Medizin bringt wenig, wenn sie zu spät kommt – und das hätte bei einem Fall wie dem Taminos leicht passieren können. Denn der Junge kippte in einer Sporthalle in Ingelheim um – weit weg von einem Krankenhaus und einem Ärzteteam. Doch Tamino hatte riesiges Glück: Ein Ersthelfer, der zufällig beim Basketballtraining vor Ort war, erkannte den Ernst der Lage. Er begann sofort mit der Reanimation und setzte die Herzdruckmassage fort, bis die Rettungssanitäter und der Notarzt vor Ort waren.

In der Aufregung wurde bislang noch nicht geklärt, wer der Retter war. Die Angaben sind unterschiedlich: Es könnte ein Lehrer gewesen sein oder ein Zuschauer beim Basketballtraining. Wie auch immer, für Tamino war es ein Segen, dass dieser Mann vor Ort war – und wusste, was zu tun ist. Die Herzdruckmassage habe er „vorbildlich, wirklich eins a“ ausgeführt, bescheinigt ihm Kinderkardiologe Kampmann. Das rettete Taminos Leben. Das Schicksal des Jungen zeigt auch, wie wichtig es ist, dass möglichst viele Menschen die Herzdruckmassage beherrschen – das ist ein großes Anliegen von dem KIKAM-Vorsitzenden und Oberarzt i.R. Ralf Huth, der sich seit Langem für die flächendeckende Durchführung von Wiederbelebungskursen starkmacht.

Sechs Wochen Klinikaufenthalt hat Tamino hinter sich, die erste im künstlichen Koma. Immer an seiner Seite: seine Mutter und sein Vater. Kampmann weiß, welche Belastungen die Eltern hinter sich haben. „Es sind unvorstellbare Momente, die man durchlebt, wenn man ein Kind auf der Intensivstation hat.“ Doch bei aller Schwere – Kampmann ist dankbar für die berührenden Augenblicke, die er miterleben durfte: Das Kind, das im Koma liegt, und von seinem Vater gehalten wird. „Es ist eines der beeindruckendsten Bilder, die ich in den letzten Jahren gesehen habe.“

Für den Sohn da zu sein, ihn das spüren zu lassen – das war in diesen schweren Tagen das Wichtigste für Thomas Tarrach. Auch Kampmann ist sicher: Ein im Koma liegendes Kind fühlt, wenn die Eltern bei ihm sind. „Wir sind sehr froh, dass man uns immer das Gefühl gegeben hat, willkommen zu sein“, sagt Thomas Tarrach. Überhaupt sei da immer die Gewissheit gewesen: „Unser Kind ist hier sehr gut aufgehoben“, sagt Taminos Vater. „Und uns als Eltern hat man immer mit einbezogen, hat uns Verständnis und Wertschätzung entgegengebracht.“

Noch ein paar Tage Erholung nach der OP, dann darf Tamino das Krankenhaus endlich wieder verlassen. Was er als erstes vorhat? „Meinen älteren Geschwistern Hallo sagen. Meinen Freund Paul wiedersehen. Und dann zur Oma in die Eifel fahren.“ Während er das erzählt, strahlen ihn sein Arzt und sein Vater an – Tamino, so jung er ist, hat längst begriffen, was wirklich zählt. Familie und Freunde. Für sie schlägt sein Herz, und dank der Ärzte schlägt es in Zukunft sicher.