The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20160306010731/http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/inhalt/asylpaket-2-familiennachzug-wirkungslos-100.html

41

Asylpaket II und Familiennachzug Kaum Auswirkungen auf Deutschlands Asylbewerber

In Berlin schnürt das Kabinett derzeit das zweite Asylpaket II. Es soll helfen, die Flüchtlingszahlen in den Griff zu bekommen. Die Union feiert die Änderung als "Durchbruch" bei der Eindämmung der Flüchtlingszahlen und damit als Erfolg. Doch was ändert sich konkret beim Familiennachzug?

Von: Susanne Pfaller

Stand: 08.02.2016

Flüchtlingsfamilie in Deutschland | Bild: picture-alliance/dpa/ Patrick Pleul

Adel Namo Yousef ist glücklich. Vor Jahren ist der Jeside aus Mossul geflohen, dem Terror der IS entkommen. Seine Familie rettete sich in der Türkei, er selbst schaffte es bis nach Schweitenkirchen im Kreis Pfaffenhofen. Nun hat er seine Familie nachholen können. Doch ohne amtliche Hilfe steht Adel mit Frau und Kindern auf der Straße. Er hat sich deshalb an Schweitenkirchens Bürgermeister Albert Vogler gewandt.

"Für Obdachlosigkeit ist die Gemeinde zuständig. Das heißt: Ich muss für die was finden."

Albert Vogler (CSU), Bürgermeister von Schweitenkirchen

Kommunen müssen für die Unterbringung von Wohnungslosen sorgen

Vor dieser Aufgabe stehen alle Kommunen. Denn der Bund billigt den anerkannten Flüchtlingen Privilegien, für deren Umsetzung jedoch die Kommunen zu sorgen haben, moniert Uwe Brandl (CSU), Präsident des Bayerischen Gemeindetags. Und das bringt genau die Probleme für die Kommunen. Denn zuständig für die Unterbringung von Wohnungslosen sind die Gemeinden, nicht der Staat.

"Jeder anerkannte Flüchtling, der innerhalb von drei Monaten nach Anerkennung seinen Antrag auf Familienzusammenführung stellt, hat zwei Privilegien. Das eine ist, dass die Familie den gleichen Schutzstatus genießt wie er. Das andere ist, dass er einen Rechtsanspruch darauf hat, dass der Staat seine Familie auch unterbringt."

Uwe Brandl (CSU), Präsident des Bayerischen Gemeindetags

Für 99 Prozent der Flüchtlinge ändert das Asylpaket II gar nichts

Bürgermeister Vogler und seine Kollegen haben deshalb sehr genau hingehört, als das Berliner Kabinett das zweite Asyl-Paket beschlossen hat. CSU-Chef Horst Seehofer feierte es als Erfolg, dass der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt werden soll. Doch wen betrifft dieses Moratorium? Bürgermeister Vogler, der spätestens seit der Herbergssuche für Adels Familie weiß, wie sehr der Familiennachzug die Kommunen fordert, hat nachgeforscht. Die Statistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge belegt: Für 99 Prozent der Flüchtlinge ändert das Asylpaket II gar nichts.

"Das ist Augenwischerei. Das BAMF hat im vergangenen Jahr bei seinen positiven Bescheiden fast zu 99 Prozent den Flüchtlingsstatus nach der Genfer Konvention gewährt. Das waren fast alle Syrer und viele Iraker. Und für diese Gruppe ändert sich durch das Asylpaket erst mal gar nichts."

Albert Vogler (CSU), Bürgermeister von Schweitenkirchen

Flüchtlinge nach der Genfer Konvention sind nicht betroffen

Es stimmt: Die geplanten Änderungen betreffen nicht Flüchtlinge nach der Genfer Konvention: Diese können auch künftig ihre Familien nach Deutschland nachholen, und wenn sie obdachlos sind, müssen die Kommune für sie auch weiterhin eine Bleibe finden.

"Die Aussetzung des Familiennachzugs betrifft nur Flüchtlinge mit subsidiärem Schutz. Diesen Status haben im vergangenen Jahr gerade mal 1.707 Flüchtlinge erhalten. Das ist gerade ein Prozent aller positiven Entscheidungen. Da frage ich mich schon, ob das Asylpaket II für uns Kommunen mit Blick auf den Familiennachzug eine Nullnummer ist und überhaupt irgendwas bringt."

Albert Vogler (CSU), Bürgermeister von Schweitenkirchen

Diese Frage will zur Zeit niemand beantworten. In der bayerischen Staatskanzlei setzt man darauf, dass sich die Zahl der eingeschränkt Geschützten deutlich erhöhen wird - genauer gesagt, dass künftig auch Flüchtlinge aus Syrien vermehrt den schlechteren Schutz-Status erhalten und damit das Recht auf Familiennachzug verlieren.

Einzelfallprüfung soll bei Verringerung der Asylbewerberzahlen helfen

Angela Merkel und Sigmar Gabriel am 03.02.2016 im Kabinett | Bild: picture-alliance/dpa zum Video mit Informationen Kabinett verabschiedet Asylpaket II Deutschland zieht die Tür ein Stück zu

Schon im November hatten die drei Koalitionsparteien das "Asylpaket II" gepackt. Allerdings wurde es kurz danach wieder aufgeschnürt. Nun haben sich die Koalitionäre geeinigt. Das Bundeskabinett hat das Paket jetzt auf den Weg gebracht. Von Ivo Marusczyk und Katja Strippel [mehr]

Seit Jahresbeginn prüft das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) alle Anträge von Flüchtlingen wieder einzeln, auch die von Syrern. Sie hatten bislang nach einem vereinfachten Verfahren durchweg den höheren Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention erhalten. Doch wird sich ihr Flüchtlings-Status nun durch die Einzelfallprüfung ändern, so wie das die bayerische Staatsregierung annimmt? Gegenüber dem Bayerischen Rundfunk versichert das BAMF, dass es keine ministerielle oder politische Anweisung gibt, ab sofort tendenziell in Richtung schlechterer Schutz-Status zu entscheiden. Aussagen darüber, welchen Schutzstatus die Syrer und andere Flüchtlinge künftig mehrheitlich bekommen, müssen folglich als Spekulation gelten.

Sicher ist hingegen, dass alle Flüchtlinge, die vor in Kraft-Treten des Asylpakets II ihre Anerkennung erhalten, noch von den günstigeren Altregeln profitieren. Null Änderung also in den nächsten Monaten. Von großen, planbaren Einschränkungen beim Familiennachzug keine Spur.


41