Zum Inhalt springen

Attacke auf Volker Beck Steinbach zieht in die Schlammschlacht

Für einen Schlagabtausch ist Erika Steinbach immer gut, jetzt trifft es Volker Beck: Der Grünen-Politiker hatte sich über Nazi-Aktivitäten in den Vertriebenen-Reihen beklagt. Verbandschefin Steinbach wirft ihm nun vor, er habe früher zu den Befürwortern der Pädophilie gehört.
BdV-Präsidenten Steinbach: "Durch und durch demokratische Organisation"

BdV-Präsidenten Steinbach: "Durch und durch demokratische Organisation"

Foto: TOBIAS SCHWARZ/ REUTERS

Berlin - Wenn die CDU-Politikerin Erika Steinbach einen Auftritt hat, dann ist eigentlich immer was los. Da macht es gar nichts, dass sie in ihrer Partei nicht mehr unbedingt zu den maßgeblichen Figuren gehört. Oder dass ihrem Bund der Vertriebenen (BdV) mehr als 60 Jahre nach dem Leid der Deutschen im Osten langsam die Themen und Mitglieder abhanden kommen.

Ganz im Gegenteil. Ein bisschen Konflikt geht immer. Vor allem, wenn man Volker Beck, den parlamentarischen Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, als Konterpart hat. Dann entsteht schnell ein bizarres Polit-Dramolett.

Und das geht so: Nach einem Bericht von "tagesschau.de" über mögliche Verbindungen zwischen Neonazis und der Schlesischen Jugend - die der im BdV organisierten Schlesischen Landsmannschaft nahe steht - forderte Grünen-Politiker Beck Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) auf, Zuwendungen an Steinbachs Vertriebenenverein zu prüfen und für den Fall der Zusammenarbeit mit Rechtsextremen das Geld zurückzufordern. Auch solle der BdV sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik bekennen.

"Stattliche Anzahl von Befürwortern der Pädophilie"

Soweit der Grünen-Abgeordnete Beck. Die CDU-Abgeordnete Steinbach revanchierte sich dann am Donnerstagmorgen in einem Interview mit dem "Deutschlandfunk". Erstmal ein paar Feststellungen zu den Nazi-Vorwürfen: Ihr Vertriebenenbund sei eine "durch und durch demokratische Organisation". Es habe insbesondere seit 1990 immer wieder Versuche zur Unterwanderung gegeben, "aber wir lassen uns von Extremisten nicht vereinnahmen". Dass bei der Schlesischen Jugend, insbesondere in Thüringen, "ein Problem" bestehe, "das ist offenkundig". Sie sei davon überzeugt, dass sich die Schlesische Landsmannschaft "früher oder später" von der Schlesischen Jugend trennen werde.

Dann knöpft sie sich Volker Beck und dessen Partei vor: "Die Grünen haben einen Außenminister gestellt, der eine gewalttätige Vergangenheit gehabt hat", sagt Steinbach - und weiter: "Sie haben eine stattliche Anzahl von Befürwortern der Pädophilie in ihren Reihen gehabt, Volker Beck gehörte ja auch mal dazu."

Stellst du mich in die Nähe von Neonazis, kontere ich mit Pädophilen. So geht das Spiel zwischen Steinbach und Beck.

Hintergrund ist, dass Beck im Jahr 1988 einen Aufsatz in dem Buch "Der pädosexuelle Komplex" veröffentlicht hat, in dem er die "zumindest teilweise Entkriminalisierung der Pädosexualität" forderte. Davon hat er sich seitdem mehrfach distanziert. "Mein Artikel wurde verfälscht abgedruckt, ich habe eine mögliche weitere Auflage des Buches rechtlich untersagen lassen", betont er. Zudem setze er sich für eine konsequente Strafverfolgung sexuellen Missbrauchs von Kindern ein. Steinbachs Angriffe gegen ihn seien "unterste Schublade", so Beck zu SPIEGEL ONLINE: "Aber ihr fehlt ohnehin der nötige Anstand, um sich zu entschuldigen."

"Als alleinige Begründung reicht Hitlers Gewaltpolitik nicht aus"

Seit Dienstag steht Steinbach ohnehin mal wieder im Zentrum einer Politikdebatte. Da hatte die Chefin zum BdV-Empfang nach Berlin geladen. In Anwesenheit von Innenminister Friedrich sorgte sie verbal erneut für Aufsehen. Der Nationalsozialismus sei eine Ursache für die Vertreibung der Deutschen, "aber als alleinige Begründung reicht Hitlers Gewaltpolitik nicht aus", betonte Steinbach. Sie verwies darauf, dass nach dem Krieg die Deutschen aus Belgien im Gegensatz zu Polen nicht vertrieben worden seien. Auch die Saarländer nicht.

Selbst in der CDU-Spitze reagierten sie im Anschluss genervt auf Steinbachs Rede, es ist ja auch nicht das erste Mal, dass sie mit ihren Sprüchen Unmut provoziert. Grünen-Politiker Beck sagt: "Steinbach betreibt Geschichtsklitterung, wenn sie die Nazi-Unterdrückung in Belgien und Polen miteinander vergleicht." Sie verkenne damit, "dass es im Osten einen Vernichtungskrieg gab". Der nächste Schlagabtausch zwischen den beiden hat also schon begonnen.

Bleibt noch die Sache mit den Nazis und den Schlesiern: Im Januar erst konstatierte der thüringische Verfassungsschutz, die Schlesische Jugend werde von "aktiven Rechtsextremisten" unterwandert. Für SPIEGEL ONLINE war die Organisation nicht erreichbar. Also nachgefragt bei der Schlesischen Landsmannschaft, in deren Vorstand qua Satzung der Vorsitzende der Jugendorganisation sitzt. Ja, sagt Landsmannschaftschef Rudi Pawelka, man habe in der Vergangenheit Schwierigkeiten gehabt mit der Schlesischen Jugend. Seitdem leite man keine Gelder mehr weiter. Aber aktuell? Da wisse er nichts von neuen Problemen.

Die Information des Thüringer Verfassungsschutzes kennt Pawelka laut eigener Aussage nicht. Zu seiner Entlastung verweist er im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE auf die Antwort des thüringischen Innenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion im Januar 2010. Tatsächlich heißt es in Parlamentsdrucksache 5/408, die Schlesische Jugend sei "bislang nicht durch rechtsextremistische Aktivitäten öffentlichkeitswirksam in Erscheinung getreten". Allerdings schreibt das Ministerium mit Blick auf die Frage, welche Kenntnisse über Kontakte der Schlesischen Jugend Thüringen zu Rechtsextremisten vorliegen: "Es liegen Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor."

Pawelka will trotzdem die Brücken zum Jugendverband nicht abbrechen: "Wir haben keine Erkenntnisse. Wenn wir die hätten, würde ich sofort handeln." Sein Verband wolle "da absolut sauber sein". Gerade am letzten Wochenende habe man einen Unvereinbarkeitsbeschluss gefasst: Wer bei Extremisten mitmache, der fliege raus. Nur wann?

Steinbach ihrerseits erhöht den Druck: "Solche Kräfte haben bei uns keinen Platz und dürfen auch keinen haben."