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Briefappell Union erhöht in Pädophilie-Affäre Druck auf grüne Spitze

Frauen aus der Union schalten sich in die Debatte um die Pädophilie-Vergangenheit der Grünen ein. Sie verlangen in einem Brief eine klare Position von Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt: "Als Mutter" dürfe sie zu den Verstrickungen von Jürgen Trittin "nicht schweigen".
Grüne Spitzenkandidaten Göring-Eckardt, Trittin: Vorwürfe vor der Wahl

Grüne Spitzenkandidaten Göring-Eckardt, Trittin: Vorwürfe vor der Wahl

Foto: JOHN MACDOUGALL/ AFP

Berlin - Wenige Tage vor der Wahl erhöht die Union den Druck auf die Spitzenkandidaten der Grünen. In einem gemeinsamen Brief, der der "Leipziger Volkszeitung" vorliegt, fordern mehrere Unionsfrauen die Co-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt auf, sich aktiv in die Aufklärung der "Pädophilie-Verstrickungen" von Jürgen Trittin einzuschalten. "Als Mutter zweier Söhne dürfen Sie zu sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen nicht schweigen", heißt es in dem Schreiben.

Unterzeichner sind die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU -Bundestagsfraktion, Dorothee Bär, sowie sechs Frauen aus dem Bundesvorstand der Jungen Union (JU). Sie fordern Göring-Eckardt auf, "einen übergreifenden Konsens für eine Null-Toleranz-Politik gegenüber Pädophilie" zu erarbeiten.

Der Hintergrund: Wie kurz vor der Wahl am 22. September bekannt wurde, zeichnete Trittin 1981 für ein Kommunalwahlprogramm verantwortlich, in dem Straffreiheit für gewaltfreie sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen und Kindern gefordert wurde. Das schrieben die Politologen Franz Walter und Stefan Klecha in einem Beitrag für die Tageszeitung "taz". Trittin räumte dies als Fehler ein. "Die Position ist falsch, war falsch und wurde von uns zu spät korrigiert", sagt er am Montag. Trittin war damals Student und Göttinger Stadtratskandidat.

Göring-Eckardt hatte sich am Montag bereits schützend vor ihren Co-Kandidaten gestellt. Diesem sei nicht bewusst gewesen, dass er vor mehr als drei Jahrzehnten als Verantwortlicher für die Veröffentlichung des Kommunalwahlprogramms aufgeführt gewesen sei.

Für die Grünen kommen die neuen Enthüllungen zur Unzeit. In Bayern fuhren sie bei der Landtagwahl ein schwaches Ergebnis ein - und auch die Prognosen für die Bundestagswahl sind alles andere als rosig. Klar, dass das politische Gegenlager sich diese Chance zum Angriff nicht entgehen lässt.

Auszug aus dem von Trittin verantworteten Wahlprogramm von 1981

Auszug aus dem von Trittin verantworteten Wahlprogramm von 1981

Foto: Grüne Göttingen

Die Forderungen der Union bewegen sich dabei durchaus in einem Spektrum. So forderte der Unionsfraktionschef Volker Kauder die Grünen auf, in der Partei einen Beauftragten für die Angelegenheiten von Missbrauchsopfern zu ernennen. "Die Grünen sind dabei, ihre moralischen Ansprüche, die sie jahrelang als Maßstab ihrer Politik geltend gemacht haben, zu verspielen", sagte Kauder der "Welt".

Einen Schritt weiter ging die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt: Sie forderte Trittin zum Rückzug von der Spitzenkandidatur auf. Ginge es um den politischen Gegner, wäre Trittin "einer der ersten, die sich entrüstet und einen Rücktritt gefordert hätten", sagte Hasselfeldt der "Rheinischen Post". Ähnlich hatten sich bereits JU-Chef Philipp Mißfelder und CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt geäußert.

Dagegen warf der grüne Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn der politischen Konkurrenz in der "Stuttgarter Zeitung" vor, das Thema Pädophilie gegen seine Partei wahlkampfstrategisch zu instrumentalisieren.

Mitautor Stefan Klecha unterstellte den Grünen indes ein unterentwickeltes Bewusstsein für die eigene Geschichte. Dass die Studie überhaupt in Auftrag gegeben wurde, sei zwar gut, sagte der Politologe der "Passauer Neuen Presse". "Aber grundsätzlich gilt: Man erinnert sich so schlecht an das, was gewesen ist, besser gesagt: Man erinnert sich nicht gerne. Die Vorgänge sind jedoch noch nicht so lange her."

jok/dpa