Die Welt der Geheimdienste, Privatagenten und Strippenzieher bleibt der Öffentlichkeit normalerweise verborgen. Nur selten geht der Vorhang ein Stückchen auf und erlaubt intime Einblicke. Ein solcher Fall spielt sich derzeit ab: zwischen Berlin, Brüssel und der katarischen Hauptstadt Doha. Es geht um Geld und große Politik, um Waffenhandel und Terrorismus. Und nicht zuletzt um eine Frage der Moral: Wie weit darf eine angesehene deutsche PR-Agentur bei ihren Geschäften gehen?

Die Geschichte beginnt mit Jason G.*, einem Private Contractor, der immer wieder für verschiedene Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste arbeitet, eine eigene kleine Firma betreibt und den seine Einsätze um die halbe Welt geführt haben, unter anderem nach Doha. Katar, ein kleines, reiches Emirat am Persischen Golf, das in zwei Jahren die Fußballweltmeisterschaft ausrichten will, ist ein erstaunlich umtriebiger Akteur in der Schattenwelt der Geheimdienste und steht immer wieder wegen der angeblichen Unterstützung islamistischer Gruppen in der Kritik.

In Doha stieß G. auf einiges an unappetitlichen Informationen. Da war ein angeblicher Waffendeal mit Kriegsmaterial aus Osteuropa, der mutmaßlich über eine Firma in Katar abgewickelt werden sollte. Und da waren angebliche Geldflüsse mehrerer reicher Katarer und Exillibanesen aus Doha an die Hisbollah – jene Organisation, die im Libanon Teil der Regierung ist, international aber als Terrororganisation geächtet wird und in Deutschland seit April verboten ist. Die Spenden sollen mit Wissen einflussreicher Regierungsbeamter über eine Charity-Organisation in Doha abgewickelt worden sein.

So entstand ein dickes Dossier mit kompromittierendem Material, das die ZEIT in Teilen einsehen konnte und das einige Brisanz besitzt: Israel und die USA versuchen seit Langem, die Hisbollah auszutrocknen. Ein konkreter Beweis, dass Geld vom Golf an Terrorgruppen fließt, würde den Druck auf Katar erhöhen und womöglich zu Sanktionen führen. Was also tun mit dem Dossier?

Ende 2017 lernte Jason G. einen bestens in der deutschen Politik vernetzten Anwalt kennen, der ihn wiederum mit dem Berliner Politikberater Michael Inacker bekannt machte. Inacker arbeitet seit 2014 bei dem Beratungsunternehmen WMP, seit 2015 ist er Vorsitzender des Vorstandes. Zuvor wechselte er jahrelang zwischen der Welt der Medien und der Konzerne, er arbeitete für die FAZ, war Mitglied der Chefredaktionen von Handelsblatt und Wirtschaftswoche, die wie die ZEIT zum Holtzbrinck-Verlag gehören, war für DaimlerChrysler tätig und bei der Metro AG. Inacker ist ein Schwergewicht der Branche. "Kommunikation ist die Conditio aller Schlachten", prangt als Zitat des Gründers Hans-Hermann Tiedje, Ex-Bild-Chef, auf der WMP-Website: "Wer überzeugt, gewinnt!"

Michael Inacker © WMP Eurocom AG

Bis zu zehn Millionen Euro könnte das Geheimdossier wert sein

Jason G. präsentierte sowohl dem Anwalt als auch Inacker das belastende Material aus Doha. Die Frage war, wie viel man mit einem solchen Dossier erlösen könnte. Die Schätzungen reichten bis zu zehn Millionen Euro. Dies sei "möglicherweise der (Ziel-)Betrag, den sich der Informant selbst beziehungsweise sein Anwalt aus einem Verkauf erhofften", sagt Inacker heute. Ihm sei das Material "für die Bekämpfung der Finanzierung des islamistischen Terrors potenziell bedeutsam vorgekommen", deshalb habe er dabei geholfen, einen Kontakt zu deutschen Sicherheitsbehörden zu vermitteln, "um dort eine Einschätzung vornehmen zu lassen". Der Vorgang ging bis hinauf in die Topetagen der Dienste. Die deutschen Experten sollten den Informanten und seine Geschichte beurteilen. Das Ergebnis: potenziell interessant, potenziell relevant.

Mögliche geschäftliche Einnahmen, so sehen es mehrere Verträge und Absprachen vor, sollten aufgeteilt werden. Für ein paar Monate schien es, als könnten mehrere Männer reich werden.
Aber wer hat das größte Interesse, das heikle Dossier aufzukaufen? Katars Gegner? Oder vielleicht sogar das Emirat selbst, das ein vitales Bedürfnis haben könnte, die mutmaßlich kompromittierenden Informationen verschwinden zu lassen?