Antrag zur Jahreshauptversammlung:

Beendigung des Katar-Sponsorings beim FC Bayern

Liebe Bayern-Mitglieder,

bei der Jahreshauptversammlung am 25. November 2021 wollen wir unseren Verein dazu verpflichten, den Sponsoring-Deal mit Qatar Airways nicht weiter fortzuführen, da er mit den Werten unseres Vereins nicht vereinbar ist.

Wir rufen alle Mitglieder dazu auf, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen!

Rot-weiße Grüße
Michael Ott (Initiator)

Wortlaut des Antrags

„Die Mitgliederversammlung möge beschließen:

Der FC Bayern München e. V. wirkt unter Nutzung sämtlicher ihm zur Verfügung stehenden erforderlichen rechtlichen und tatsächlichen Einflussnahmemöglichkeiten dahingehend auf die FC Bayern München AG ein, dass Sponsoringverträge mit Qatar Airways oder anderen, mehrheitlich im Eigentum des Emirats Katar stehenden Unternehmen zum nächstmöglichen Zeitpunkt auslaufen gelassen werden und nicht verlängert oder neu abgeschlossen werden.“

Begründung

Qatar Airways steht zu 100 % im Eigentum des Emirats Katar. Dieses Land steht für massive Menschenrechtsverletzungen, zudem gibt es schwere Vorwürfe von Korruption im Sport. Statt Veränderungen zu bewirken, hilft der FC Bayern mit dem Sponsoring dem Emirat Katar aktiv dabei, von den Missständen abzulenken. Wenn der FC Bayern weiterhin zu der Situation in Katar schweigt, drückt unser Verein damit seine Gleichgültigkeit aus. Damit schädigt der FC Bayern seinen Ruf und wird seiner Vorbildstellung nicht gerecht.

Im Folgenden könnt Ihr Euch detailiert über die Gründe für diesen Antrag informieren.

1. Missstände

Die Vorwürfe gegen Katar reichen von der Ausbeutung der Gastarbeiter über die Rechte von Frauen und Homosexuellen, die Meinungs- und Pressefreiheit und die Terrorismusfinanzierung bis hin zur Korruption im Sport.

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Am bekanntesten ist – nicht zuletzt durch die Todesfälle auf WM-Baustellen – die Lage der ausländischen Arbeiter in dem Land. Tausende Gastarbeiter sind dort laut Presseberichten seit der WM-Vergabe gestorben, ca. 75 % der Todesfälle sind ungeklärt.[1] Und auch wenn genaue Zahlen umstritten sind, steht jedenfalls fest, dass es viel zu viele sind. Dennoch hat Katar Aufforderungen abgelehnt, diese Todesfälle zu untersuchen oder wirksame Reformen zum besseren Schutz der Arbeiter durchzuführen. Das Kafala-System, welches ausländische Arbeiter an ihre katarischen „Bürgen“ ausliefert und teilweise in ein sklavenähnliches Abhängigkeitsverhältnis bringt, ist zwar nach langem internationalem Druck (dem Namen nach) abgeschafft worden.[2] Die Reform wird aber nach Auskunft von Amnesty International und Human Rights Watch nicht wirksam umgesetzt. Das System besteht daher teilweise weiter fort. Die Fortschritte bleiben weit hinter den Versprechungen zurück. Nach wie vor gibt es Berichte über Arbeiter, die monatelang keinen Lohn bekommen, oder bis zur Zwangsarbeit hin erpresst werden können.[3] Zudem gibt es bereits Bestrebungen, die zaghaften Fortschritte wieder rückgängig zu machen.[4]

Auch bei unserem Sponsor Qatar Airways selbst stehen die Arbeitsbedingungen in der Kritik: In dem Unternehmen wurden ebenfalls Gastarbeiter ausgebeutet, es wurde von Experten als „eine der schlimmsten Fluggesellschaften der Geschichte, wenn es um die Behandlung der Arbeitnehmer geht“ bezeichnet.[5] Schwangerschaft soll einen Kündigungsgrund darstellen, genauso der Besitz von Alkohol, Zigaretten oder Schweinefleisch.[6] Auf Kritik der Vereinten Nationen an den Zuständen reagierte der Chef von Qatar Airways mit dem Kommentar, er „gebe einen Scheiß“ darauf.[7]

Allerdings können die Probleme in Katar nicht nur auf den Umgang mit Arbeitskräften reduziert werden. Wichtig sind auch zahlreiche andere Aspekte, die hier kurz zusammengefasst aufgezählt werden sollen: In Katar besteht laut den Vereinten Nationen ein de facto-Kastensystem, das auf nationaler Herkunft beruht und für systemischen und strukturellen Rassismus sorgt.[8]

Frauen werden gesellschaftlich im täglichen Leben, aber auch durch Gesetze, stark diskriminiert, etwa bezüglich Heirat, Scheidung, Erbe, Sorgerecht für Kinder, Staatsangehörigkeit, Berufswahl und Bewegungsfreiheit. Die Diskriminierung gipfelt darin, dass sie bei Anzeige einer Vergewaltigung selbst eine Haftstrafe für außerehelichen Geschlechtsverkehr riskieren.[9] Kinderehen sind in Katar erlaubt,[10] Homosexualität ist hingegen verboten und wird mit bis zu fünf Jahren Gefängnis bestraft.[11]

Ähnlich miserabel ist es um die Meinungs- und Pressefreiheit bestellt: Medienberichte über die Regierungspolitik werden systematisch kontrolliert und zensiert. Journalisten, die unbequeme Themen ansprechen, werden inhaftiert.[12] Politische Parteien oder Gewerkschaften sind nicht zugelassen.[13]

Darüber hinaus wird dem Staat regelmäßig Terrorfinanzierung vorgeworfen – von der Hamas über die Hisbollah bis hin zum Islamischen Staat.[14] Auch das Verhältnis zu Israel und dem Judentum ist mehr als fragwürdig, antisemitische Erzählungen werden beispielsweise im Bildungssystem nach wie vor gelehrt.[15] Kurt Landauer würde sich im Grabe umdrehen.

Zu guter Letzt wird Katar ständig mit Korruption im Sport in Verbindung gebracht. Hinsichtlich der Vergabe für die WM 2022 sind die Indizien beeindruckend,[16] unzählige weitere Vorwürfe stehen im Raum.[17] Nicht umsonst ist das gerade einmal 300.000 Staatsbürger zählende Land in wichtigen Positionen von zahlreichen internationalen Sportorganisationen vertreten und verschafft sich eine Sport-Spitzenveranstaltung nach der anderen.[18] Die Bilder von kollabierten Marathonläufern in der katarischen Hitze der Leichtathletik-WM 2019 werden noch Vielen in Erinnerung sein. Wem der Fußball am Herzen liegt, der darf sich nicht mit den Feinden des Sports einlassen!

2. Rechtfertigung?

Der Sponsoringvertrag mit Katar verpflichtet uns, aktiv für Katar bzw. deren Staatsunternehmen zu werben. Werben bedeutet zwangsläufig, eine positive Nachricht zu vermitteln, ein kritischer Umgang mit Katar ist somit nicht möglich. Damit hilft der FC Bayern, von dem Unrechtssystem abzulenken und unterstützt das bestehende System.

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Teilweise wird versucht, das Sponsoring damit zu rechtfertigen, dass man im Dialog mit Katar stehen würde, kritische Punkte „intern“ ansprechen würde und so zu Veränderungen beitragen könne. Allerdings muss man wissen, dass der FC Bayern vor dem Sponsoring bei Human Rights Watch um Rat gefragt hat. Diese haben ausdrücklich auf die Probleme in Katar hingewiesen und grundlegende, präzise und einfach umzusetzende Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Katar gegeben. Dazu gehörte insbesondere auch, öffentlich Reformen einzufordern.[19] Der FC Bayern hat diese Ratschläge ignoriert. Wenn es unserem Verein also wirklich um Veränderungen in dem Land geht, muss er sich die Frage stellen, warum er jegliche öffentliche Äußerungen scheut und bspw. vor Trainingslagern in Doha immer nur peinlich herumdruckst. Er muss sich genauso fragen, warum kein Vertreter des Vereins zu einer Podiumsdiskussion zum Thema Katar erscheint, zu der der Verein von Bayernfans ausdrücklich eingeladen wurde, und Vertreter des Vereins noch nicht einmal dazu bereit sind, unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit den Diskutanten zu sprechen.[20] Man weiß ja noch nicht einmal, zu welchen Veränderungen der FC Bayern denn konkret in Katar beitragen möchte, wenn er sich nicht dazu äußert. Angesichts von 5 Jahren voller öffentlichen Schweigens zu den Zuständen in Katar ist nicht zu erwarten, dass sich dies in Zukunft ändern wird. Daher bleibt keine andere Wahl, als das Sponsoring zu beenden.

Ohnehin muss sich unser Verein fragen, wie sich ein (angeblich) kritischer Umgang mit den Zuständen in Katar damit vertragen soll, aktiv für Katar bzw. deren Staatsunternehmen zu werben. Werben bedeutet zwangsläufig, eine positive Nachricht zu vermitteln, und unterstützt somit das bestehende System. Es handelt sich hierbei um einen unauflöslichen Widerspruch. Wir helfen Katar, ein modernes, weltoffenes Bild von dem Land zu verbreiten, und lenken damit von dessen ganz und gar nicht modernen oder weltoffenen Unrechtssystem ab. Dieses sogenannte „Sportswashing“[21] ist unwürdig für den FC Bayern!

Zwar ist es korrekt, dass in Deutschland inzwischen eine Aufmerksamkeit für die Probleme in Katar besteht. Diese Aufmerksamkeit besteht aber nicht, weil der FC Bayern selbst aktiv dazu beigetragen hätte. Hätte man nur die offizielle Kommunikation des FC Bayern verfolgt, hätte man von den Problemen in Katar schlicht nichts mitbekommen. Es ist allein den Medien und Fans zu verdanken, dass sie diese Aufgabe anstatt des FC Bayern übernommen haben. Dann kann sich aber der FC Bayern nicht mit diesen Lorbeeren schmücken.

Zu unterscheiden vom Sponsoring sind die Trainingslager in Doha. Diese bieten tatsächlich die Möglichkeit zur kritischen Kommunikation – wenn man sie denn wahrnimmt. In der Vergangenheit wurde während dieser Trainingslager ebenfalls in beschämender Weise zur Lage in Katar geschwiegen. Unsere FCB-Frauen haben zuletzt aber erfreulicherweise begonnen, sich während des Trainingslagers aktiv für Frauenrechte in Katar einzusetzen.[22] Zwar kommt das viel zu spät, dennoch sollte dem Verein nun zumindest noch die Möglichkeit eingeräumt werden, Ähnliches bei der nächsten Gelegenheit auch mit der Herren-Mannschaft umzusetzen.

3. Gleichgültigkeit?

Wir können zu den Zuständen in Katar nicht weiter schweigen, denn auch das Schweigen ist ein politisches Statement, nämlich eine Bekundung der Gleichgültigkeit gegenüber Menschenrechtsverletzungen und Korruption.

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Die Mitglieder des FC Bayern können angesichts einer solchen Unmenge an massiven Kritikpunkten an einem (Trikot!-)Sponsor nicht still bleiben, sondern müssen klar Stellung beziehen. Denn auch das Schweigen ist ein politisches Statement, nämlich eine Bekundung der Gleichgültigkeit gegenüber Menschenrechtsverletzungen und Korruption. Unser Verein kann sich nicht einerseits etwa über Beleidigungen gegen Herrn Hopp echauffieren und ein öffentliches Protestspektakel vom Zaun brechen, das seinesgleichen sucht, andererseits aber zu den krassen Missständen in Katar schweigen, während man deren Namen auf dem Trikot trägt und jeden Winter dorthin ins Trainingslager fliegt. Hier liegt ein inakzeptables Missverhältnis vor, das so nicht fortbestehen kann.

Wer all das abtut mit dem Vorwand „Fußball ist unpolitisch“, der stellt sich selbst einen Freibrief aus, alles tun und lassen zu können, sei es auch noch so unmoralisch. Das ist armselig. Das entspricht nicht dem Anspruch des FC Bayern.

Es geht hier nicht um politische Detailfragen, es geht um grundlegendste Werte von Moral und Menschlichkeit. Diese Werte sollten für jedes Mitglied des FC Bayern selbstverständlich sein – dann lasst uns auch danach handeln!

4. Vorbildstellung

Dass andere Fußballvereine ebenfalls von Katar oder ähnlichen Staaten gesponsert werden, entbindet uns nicht von unserer Vorbildfunktion! Nur wenn wir unser Geld aus seriösen Quellen bekommen, können wir auch in Zukunft stolz sein auf die Erfolge unseres Vereins.

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Zuzugeben ist, dass der FC Bayern nicht der einzige Fußballverein ist, der von Katar gesponsert wird, Paris Saint-Germain steht sogar im Eigentum von Katar. Auch andere Staaten mit ähnlicher Menschenrechtsbilanz sponsern zahlreiche Fußballvereine.

Der FC Bayern ist aber kein Klub wie jeder andere. Der FC Bayern war schon immer einzigartig und war schon immer Vorreiter, in jeder Hinsicht. Das müssen wir auch weiterhin bleiben. Lasst uns nicht mit dem Strom schwimmen, sondern ein klares Zeichen für Menschenrechte setzen. Damit heben wir uns ein weiteres Mal vom Gros der europäischen Spitzenvereine ab.

Wir sind zu Recht stolz darauf, dass wir uns unseren Erfolg durch harte Arbeit selbst erarbeitet haben. Kein anderer Spitzenklub in Europa kann das heutzutage noch von sich behaupten! Doch das Katarsponsoring bringt diese Leistung in Verruf, wir haben hier nicht mit lauteren Mitteln gearbeitet. Für das Geld aus einem solchen Deal muss man sich schämen. Das Ansehen unseres Vereins wird massiv beschädigt. Dies ist dringend zu korrigieren, damit wir auch in Zukunft noch stolz auf die Errungenschaften unseres FC Bayern sein können.

5. Umsetzung

Der Antrag ist bewusst offen gehalten und eröffnet verschiedene faktische und juristische Wege.

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Die Mitgliederversammlung des Vereins kann zwar nicht unmittelbar für die AG verbindliche Beschlüsse fällen. Sie kann aber mittelbar beeinflussen, wie sich die Vertreter des Vereins in den Organen der AG verhalten.

Es wird davon ausgegangen, dass die handelnden Personen, insb. der AG-Vorstand, den Beschluss der Vereinsmitglieder anerkennen und dessen Umsetzung gewährleisten. Sofern dies nicht gesichert ist, etwa durch eine öffentliche Erklärung, kann bspw. der Aufsichtsrat ein Zustimmungserfordernis für neue Verträge oder Vertragsverlängerungen mit Qatar Airways und anderen katarischen Staatsunternehmen beschließen. Sollte sich im aktuellen Aufsichtsrat keine Mehrheit dafür finden, kann der FC Bayern München e. V. als 75-prozentiger Anteilseigner der AG geeignete Aufsichtsräte berufen. Alternativ kann er auch eine Regelung zum Unternehmensgegenstand in der AG-Satzung beschließen.

Darüber hinaus kann der Antrag ganz allgemein zu einer Sensibilisierung der verantwortlichen Personen bei zukünftigen Kooperationen beitragen. Er könnte auch Anlass dazu geben, für die Zukunft gemeinsam mit Experten und Fans einen Wertekodex sowie klare Richtlinien für Sponsorings zu erarbeiten. So könnten weitere Konflikte vermieden werden.

 

Michael Ott

Der Initiator

Michael Ott ist 29 Jahre alt, seit seiner Kindheit Bayernfan und seit 2007 Mitglied des FC Bayern. Nach deutschen und französischen Universitätsabschlüssen in Rechtswissenschaft ist er derzeit Rechtsreferendar am Landgericht Mainz mit wirtschafts- und sportrechtlichem Interessensschwerpunkt.

Kontakt: info@katar-antrag.de

Unterstützer

Christian Nandelstädt (Blog: Am Ende des Tages)
Miasanrot.de
Manu Thiele (Sportjournalist)
Oliver Schmidt (Blog: Breitnigge)