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Kammerflimmern

Ein Schutzengel namens Lea

Lukas Greb und Lea Falkenhain trafen sich am Montag das erste Mal, nachdem der Mardorfer vor  fünf Wochen zusammengebrochen war und Falkenhain ihm das Leben rettete.

Lukas Greb und Lea Falkenhain trafen sich am Montag das erste Mal, nachdem der Mardorfer vor  fünf Wochen zusammengebrochen war und Falkenhain ihm das Leben rettete.

Amöneburg. „Ich war für mehrere Minuten tot.“ Wenn Lukas Greb an den 21. November zurückdenkt, ist das das erste, das ihm dazu einfällt. Er sagt es ruhig, unaufgeregt. Vielleicht, weil er von diesem Tag nichts mehr weiß und sich auf das Verlassen muss, was andere ihm darüber gesagt haben. Von dem Moment, in dem er während der Halbzeit in der Gästekabine des SV Schönstadt ohne Vorwarnung zusammenbricht. Es ist etwa 15.20 Uhr. Im Spiel des SV Mardorf beim SV Schönstadt ist gerade Halbzeit. Sportlich hat die Begegnung wenig Aussagekraft. Beide Mannschaften stehen aktuell im Tabellenmittelfeld. Es ist kalt, es regnet leicht und der Wind pfeift über das Sportgelände. Als sich die Zuschauer der Fußballpartie der Marburger A-Liga gerade mit Bratwurst und Bier für die zweite Halbzeit stärken, ahnen sie nicht, welche dramatischen Szenen sich nur wenige Meter entfernt von ihnen abspielen.

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Grebs Körper sinkt zu Boden

Die Spieler des SV Mardorf sitzen in ihrer Kabine. Greb ist Spielertrainer des Teams. Der 34-Jährige ist ein groß gewachsener, sportlicher und lebensfroher Mann. Früher spielte er unter anderem für den FSV Schröck in der Verbandsliga. Im gehobenem Fußballalter kehrte er zu seinem Heimatverein zurück, lässt seine Karriere ausklingen. Von seinen Spielern wird er geschätzt. Für viele ist er ein sportliches Vorbild. Gerade als alle Kicker gespannt auf seine Halbzeitansprache warten, geschieht das Unvorhergesehene. Grebs Körper sinkt zu Boden.

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Jörg Peil (von links), Vater von Lukas Grebs Verlobter Bianca, übergab einen Defibrillator an Helmut Kräling und Andreas Greb vom SV Mardorf.

Jörg Peil (von links), Vater von Lukas Grebs Verlobter Bianca, übergab einen Defibrillator an Helmut Kräling und Andreas Greb vom SV Mardorf.

Panik bricht aus. Schreie. In der Nebenkabine sitzen die Spieler des gastgebenden SV Schönstadt. Nur einer noch nicht. Er ruft instinktiv nach Lea Falkenhain. Sie ist die Freundin von SV-Trainer Nils Däuwel und arbeitet als Krankenpflegerin auf der Intensivstation für Früh- und Neugeborene am Universitätsklinikum. Sie ist erst wenige Minuten vor Ort, kommt gerade aus der Frühschicht. Falkenhain reagiert sofort, eilt in die Kabine und leistet Erste Hilfe. „Sie ist einer von zwei, drei meiner Schutzengel. Sie hat mein Leben gerettet“, sagt Greb. Denn das der 34-Jährige überlebt hat, hat er noch einem weiteren großen Zufall zu verdanken.

Als Falkenhain die Kabine betritt, findet sie Greb krampfend am Boden liegend. Sie setzt Schmerzreize, er reagiert nicht. Sie schickt die Spieler raus, auch dessen Bruder Johannes, der als letzter den Raum verlässt. „In solchen Momenten funktioniert man“, sagt Falkenhain, die routinemäßig an ihrer Arbeit für den Notfall trainiert. Nur wenig später trifft der erste Rettungswagen ein. Die Besatzung sollte ursprünglich einen Schönstädter Spieler mit einer Schienbeinverletzung abholen. Stattdessen rennen sie Falkenhain zur Hilfe. Das Elektrokardiogramm (EKG) zeigt, das Greb Kammerflimmern hat. Sie schocken ihn und Falkenhain fängt an, ihn zu reanimieren.

Lange Wiederbelebung

Knapp eine Fußballhalbzeit lang wird Greb wiederbelebt. Auch auf der Fahrt ins Krankenhaus, nachdem mittlerweile schon Notarzt und ein zweiter Rettungswagen eingetroffen sind. Als genug Ersthelfer vor Ort sind, zieht sich Falkenhain in den Hintergrund zurück. „Ohne sie hätte ich nicht überlebt“, sagt Greb knapp fünf Wochen später. „Alleine hätte ich nicht viel ausrichten können“, sagt wiederum Falkenhain.

Am Klinikum angekommen, kommt Greb auf die Intensivstation, wird ins künstliche Koma versetzt. Aus diesem wacht er schon drei Tage später wieder auf. Die Ärzte machen unzählige Tests mit ihm, um einen Grund für den Zusammenbruch zu entdecken. Doch sie finden: nichts. „Sie sind gesund. Haben ein gesundes Herz“, hat ein Arzt kurz vor seiner Entlassung zu Greb gesagt. Auch fünf Wochen später gibt es keinen Befund.

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Zweieinhalb Wochen nach dem Vorfall verlässt Greb das Krankenhaus. Auf eigenen Beinen und mit klarem Verstand. Er geht in Reha. Dort sollte er bis heute bleiben. Greb fragt, ob er schon zu Weihnachten nach Hause kommen kann und wird letztlich am 22. Dezember entlassen: dem Geburtstag seiner Verlobten Bianca Peil. Als er sie und die gemeinsame 14 Monate alte Tochter Mila wieder in die Arme nimmt, heult er „erst einmal zehn Minuten Rotz und Wasser“.

Schwiegervater spendet Defibrillator

Auf die Frage, ob er oft an das Geschehene zurückdenkt, sagt Greb entschieden: „Nein“. Er wolle nicht mit der Angst durch sein weiteres Leben gehen, dass so etwas wieder passieren könne. Gleichwohl „weiß ich aber, wieviel Glück ich gehabt habe. So ein großes Glück werde ich kein zweites Mal haben“, sagt er. Er ist dankbar für seine Lebensretter und für die vielen Nachrichten, die er erhalten hat. „Es kann sein, dass mich das noch einholen wird“, sagt er offen und betont: „Man muss sich aber nicht schämen, wenn man sich dafür dann Hilfe holt.“

Ein erstes Hilfsmittel hat er schon: Ein Defibrillator wurde ihm zur Sicherheit ans Herz eingesetzt. Er soll im Januar erstmals ausgelesen werden. Sein Schwiegervater Jörg Peil spendete zusätzlich einen für das Sportheim des SV Mardorf. In beiden Fällen bleibt zu hoffen, dass diese mechanischen Lebensretter niemals zum Einsatz kommen werden.

OP

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