Nachruf
Stefan Banz ist tot: Die Kunst des Luzerners roch nach dem Benzin des Lebens

Der Schweizer Künstler und Autor Stefan Banz verstarb mit 60 Jahren an einem Herzinfarkt: Er arbeitete als Fotograf, Videokünstler, schuf Installationen und malte. Vor allem aber war er einer der wichtigen Kunstvermittler des Landes.

Daniele Muscionico
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Stefan Banz im Kunstmuseums-Provisorium in Luzern am 20. November 1999. Die Fotografien und das Video entstanden in seinem engsten Familienumfeld.

Stefan Banz im Kunstmuseums-Provisorium in Luzern am 20. November 1999. Die Fotografien und das Video entstanden in seinem engsten Familienumfeld.

Archivbild: Peter Appius

Wenn es den Handwerker gibt, dann gibt es den Kunstwerker. Und das war Stefan Banz, leise, zurückhaltend und doch besessen von seiner Mission: Vom Fusse des Napfs aus, wo er 1961 zur Welt kam, hat er mit seiner Energie Impulse bis nach New York gesetzt. Nun verstarb er am Wochenende unerwartet an den Folgen eines Herzinfarkts.

Stefan Banz hat in seinen unterschiedlichen Rollen, die er mit Lust spielte, und mit seinen verschiedenen Hüten, die er sich selber aufgesetzt hat, für die Kunst dieses Landes vor und hinter den Kulissen Wertvolles geleistet.

In die Wiege gelegt war ihm dieser Weg allerdings nicht. Banz wuchs als achtes Kind in der Familie eines Malers und damaligen Gemeindeammanns von Menznau auf. Dieser weckte im Jüngsten das Interesse für Kunst. Regelmässig soll er seinen Spross mit kleinen Kartonbildern von grossen Kunstreproduktionen versorgt haben, wie sie in jener Zeit an Schweizer Tankstellen zu kaufen waren.

Zwischen der Berufung zum Tankwart und zum Künstler gibt es keinen Unterschied

Klein Stefan wuchs auf mit den Grössten der Grossen, van Gogh, Monet und den niederländischen Meistern. Billige Reproduktionen auf Karton, doch das Erlebnis war prägend. Diese alltägliche Kunstvermittlung – und die Frage nach dem Wert des Originals – machte ihn später offen für kritisches Fragen: Wie ist es möglich, dass sich ein Kunstwerk in unserem Bewusstsein festsetzen kann? Für ihn hatte der Beruf des Künstlers nichts ­Sa­krales, sondern verband sich mit Handwerk, und auch mit dem Geruch von Benzin und Öl. Zwischen der Berufung zum Tankwart und zur Berufung des Künstlers machte er keinen Unterschied.

Banz’ erste fotografische Arbeiten und Video-Loops in den Neunzigerjahren entstanden im Umfeld seiner eigenen Familie. Für seine Werke fotografierte er seine Kinder oder filmte seine Nachbarn. Und so stand seine Bilder bisweilen im Ruf, voyeuristische Einblicke in Familien-Intimitäten zu geben. Auch diesbezüglich war er seiner Zeit voraus.

Stefan Banz

Stefan Banz

Chris Iseli

Tatsächlich interessierten ihn Privatheit, Gemeinschaft, Solidarität zeit seines Lebens. Ohne ihn hätten etwa die Zentralschweizer Künstler noch länger auf die Gründung der Kunsthalle Luzern warten müssen: Banz war Teil der treibenden Kraft, die 1989 die Institution ins Leben rief, und er war auch ihr erster künstlerischer Leiter. Und gerne geht vergessen: Als sich in den Neunzigerjahren der blutjunge St.Galler Galerist Iwan Wirth aufmachte, grössere Brötchen backen zu wollen, unterstützte ihn kein geringerer als Stefan Banz als künstlerischer Berater und Kurator. Heute zählt das Imperium Wirth zu den einflussreichsten Globalplayern des Kunstbetriebs.

Unkonform wie sein Vorbild Marcel Duchamp

Banz arbeitete als Fotograf und Videokünstler, er schuf Installationen und malte. Und mit Leidenschaft publizierte er – wiederholt über Marcel Duchamp. So hat er Quellenarbeit zu Richard Mutts’ (alias Marcel Duchamp) Arbeit «Fountain» betrieben und sie publizistisch ausgewertet. Und die Mikro-Kunsthalle Marcel Duchamp (KDM), die Banz in Cully bis 2016 unterhielt, war als Idee derart verrückt, dass der Meister seine Freude daran gefunden hätte.

Als Mitglied der eidgenössischen Kunstkommission entschied er über Förderbeiträge. Und nicht genug: 2005 kuratierte er den Schweizer Pavillon in Venedig. Dort zeigte er Positionen, die ähnlich wie er Privates mit Zeitgeschichte verbinden: Die Videokünstlerin Ingrid Wildi etwa, eine Chilenin mit Aargauer Wurzeln. Die heute in Genf lebende Künstlerin, die Stefan Banz sehr früh in die Öffentlichkeit rückte, geht in ihren Arbeiten oft von ihrer eigenen Geschichte aus; wenn sie die Suche nach ihrer Mutter in Chile thematisiert oder ihren an Depressionen leidenden und in einem Obdachlosenheim wohnenden Bruder befragt.

Mit dem Schweizr Multimediakünstler italienischer Herkunft, Gianni Motti stellte Banz gar einen Geistesverwandten aus, jemand, der präzise Blicke auf das westliche Wertesystem wirft. Um ethische Werte nicht nur in der Kunst ging es auch Stefan Banz. Er wurde im Alter von nur 60 Jahren zu früh aus dem Leben gerissen.