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TV-Ereignis "Die Passion" Jesus ist in Kassel auferstanden

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Auferstehung auf der Shopping Mall: Jesus feiert Comeback.

Auferstehung auf der Shopping Mall: Jesus feiert Comeback.

RTL bringt "die größte Geschichte aller Zeiten" erneut in moderner Version auf die Bildschirme. Herausgekommen ist ein Musik-Live-Event mit vielen trashig und schräg anmutenden Momenten. Wer die Botschaft der Nächstenliebe und Barmherzigkeit aber verstanden hat, lässt vor allem bei Hochverräter Judas Milde walten.

Okay: Wir müssen jetzt mal schauen, wie wir hier durchkommen. Die Aufgabe fühlt sich ein bisschen so an, als müsste man den Jordan überqueren. Tasten wir uns also ganz behutsam vor. Viele Zuschauer mögen der Meinung sein, unser RTL hat sich erneut versündigt, indem es "die Passion" - "die größte Geschichte aller Zeiten" auf die Bildschirme zurückgeholt hat, aber: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein!

Natürlich kann man jetzt frotzeln und sagen: Gut gemeint ist nicht gut gemacht, aber vor allem in Zeiten wie diesen sollte es auf die Botschaft ankommen. Und diese lautet: Seid nicht so hässlich zueinander! Reicht euch die Hände! Verzeiht! Und sehet bitte die größte Geschichte der Menschheit, die unser RTL nach mehr als 2000 Jahren zu neuem Leben erweckt, mit Humor! Die Welt steuert, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, auf den Abgrund zu. Haltet sie an!

Auch deshalb wird die Passionsgeschichte erzählt. Dafür geht es für Jesus nicht nach Jerusalem, sondern "ab nach Kassel". Es sind die letzten Tage des Heilands im Kreise seiner Apostel. Angereist wird schon lange nicht mehr auf einem Esel, sondern mit der Bahn, obschon man mit dem Maultier vermutlich pünktlicher und auch günstiger unterwegs ist. Erzählt wird die moderne Variante der Ostergeschichte von keinem Geringeren als dem Schauspieler und Aktivisten Hannes Jaenicke.

Wie in einem Fiebertraum durch Kassel

Es dauert nicht lange, da ist das TV-Event auch in den sozialen Medien Thema Nummer eins. Viele Zuschauer haben mit dem modernen Jesus, gespielt von dem Musiker Ben Blümel, ein minimales Problemchen. Fragen kommen auf, ob man dem Jesus nicht hätte eine Perücke aufsetzen können, aber höchstwahrscheinlich wären auch dem Sohn Gottes beim Haareraufen über die Dummheit der Menschheit irgendwann selbige verlustig gegangen. Von daher passt das schon irgendwie - nach dem ersten Glas Rotwein.

Fahren mit der Bahn nach Kassel: "Jesus" und seine Homies, die man früher "Apostel" nannte.

Fahren mit der Bahn nach Kassel: "Jesus" und seine Homies, die man früher "Apostel" nannte.

Und in der Tat ist auch Jesus selbst nicht ganz zufrieden mit seinem Äußeren, wie er, bevor Judas ihn verpfeift, einer großen deutschen Boulevardzeitung verriet. Er fühle sich eigentlich zu dick für seine Rolle und habe "eine kleine Plauze", aber das ergibt alles schon Sinn, wenn man weiß, dass die da bei RTL alle totale Fans von "Das Leben des Brian" sind.

Jesus kommt nun also mit seinen Jüngern in Kassel an. Alle haben gute Laune, obwohl H&M schon zu hat. Man zwitschert gemeinsam einen und der Zuschauer weiß nicht genau, ob das, was dort in der Glotze läuft, wirklich gerade LIVE genau so passiert oder ob es sich bei dem Gesehenen um einen schrägen Fiebertraum handelt.

In Kassel weilt dieser Tage, neben Jana, das Who's Who der coolsten Jünger und Jüngerinnen: Stefanie Hertel, Mola Adebisi, der Sänger Joey Heindle, Reality-Sternchen Larissa Marolt und der Tänzer Zsolt Sándor Cseke. Dieser ruhmreichen Promi-Schar nicht genug, schlawinern auch noch Reiner Calmund und die RTL-Moderatoren Bella Lesnik und Wolfram Kons durchs Bild. "Calli" sagt nix, sein kurzer Auftritt hallt aber nach.

Eines der ersten Highlights ist die blinde Jenny Elvers am Wegesrand, die dank Jesus zwar wieder sehen kann, aber wegen ihrer 33 Kilo schweren falschen Wimpern auf ihren Lidern nicht ganz den Durchblick zu haben scheint.

Ein Knall geht durch Deutschland

Und so zieht Jesus mit seinen Jüngern durch die Stadt, wo man sich schließlich in der Kassler Markthalle, Wildemannsgasse 1, zum letzten Abendmahl einfindet, der gute Hirte noch einmal im Beisein seiner Apostel das Brot bricht und schließlich von Judas (Jimi Blue Ochsenknecht) bei der Polente verraten wird. Respekt an dieser Stelle an die Officer, die so verstrahlt wirken, als habe man sie ungefragt aus einem "Beastie Boys"-Video in die Szenen geschnitten.

Judas findet, er "kriege nie genug vom Leben". Das mag stimmen. Aber wieso werden wir, die Zuschauer, dafür bestraft? Es ist ihm vollkommen egal, dass Millionen Menschen das Trommelfell platzt und ein lauter Knall durch Deutschland geht, als der elende Sünder anfängt zu singen und - ja, das macht er wirklich! - zu rappen! Tipp für RTL: Bitte nächstes Jahr für Judas Vanilla Ice anfragen!

Bei all der Qual in unseren Ohren sollten wir uns aber fragen, ob der Hochverräter, als der er seit jeher gilt, gar nicht "das personifizierte Böse" ist, sondern nur die dunklen Seiten verkörpert, die in uns allen schlummern.

Längst weiß Jesus von Pontius Pilatus (gespielt von Francis Fulton-Smith) und spürt den Hauch des Todes in seinem Nacken. Aber noch ist Zeit. Zeit zu beten, mit Petrus zu sprechen und zu Angela Finger-Erben zu schalten. Die "Schwiegertochter gesucht"-Moderatorin begleitet die Passions-Prozession durch die Straßen Kassels, wo Ehebrecher "wirklich bereuen", untreu gewesen zu sein und ihre Frauen ihnen vergeben. Wir lauschen Menschen, die an Gott gezweifelt haben. Die voller Wut waren und sich fragten, wie "der Allmächtige so viel Böses zulassen kann". Aber am nächsten Morgen sei alles gut und die Wut fort gewesen oder wie Frau Finger-Erben sagt: "Schön, dass du da bist!"

"Die beste Message ever"

In dieser Geschichte des Lebens, in der es um nicht weniger als Freundschaft, Verrat und Vergebung geht, sollte niemals untergehen, was einer der Kreuzträger sagt, nämlich, dass der Messias "vor 2024 Jahren die beste Message ever losgetreten hat". Liebt einander und eure Nächsten, vergebt und seid barmherzig! Habt Mitgefühl für die Bedürftigen und lasst bei Jimi Blue Ochsenknecht Milde walten, auch wenn dieser ohne mit der Wimper zu zucken Falcos Song "Out of the Dark" verhunzt. Judas ist nicht wirklich böse, er ist nur ein schlechter Rapper.

Natürlich kann man das Gesehene belächeln. Vollkommen legitim. Man kann aber auch sagen, dass unser RTL keine Mühen gescheut hat, zu versuchen, in diesen dunklen Zeiten eine positive Botschaft zu senden. Fast 250 Crewmitglieder ackerten wie die Berserker. 850 Scheinwerfer wurden aufgebaut, 75 Tonnen Technik kamen zum Einsatz und 65 Kilometer Kabel wurden verlegt. Es muss ein gewaltiger Kraftakt gewesen sein, um die Ostergeschichte im modernen Gewand zu erzählen. Oder wie Jesus von Nazareth sagen würde: "Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun."

Quelle: ntv.de

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