Kritischer Gesundheitsamt-Chef versetzt: Über 130 Ärzte protestieren scharf

Friedrich Pürner, Ex-Chef eines Gesundheitsamtes, wurde versetzt, nachdem er staatliche Corona-Maßnahmen kritisierte. Pürner spricht von  „Strafversetzung“.

Friedrich Pürner, Ex-Leiter des Gesundheitsamtes, demonstriert den Abstrich eines Coronatests. Nach Kritik an den Coronamaßnahmen der bayerischen Staatsregierung wurde Pürner als Leiter des Gesundheitsamtes abberufen.  
Friedrich Pürner, Ex-Leiter des Gesundheitsamtes, demonstriert den Abstrich eines Coronatests. Nach Kritik an den Coronamaßnahmen der bayerischen Staatsregierung wurde Pürner als Leiter des Gesundheitsamtes abberufen.

München-Der Mediziner und ehemalige Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg in Bayern ist abgesetzt. Der Beamte soll stattdessen auf Weisung der bayerischen Regierung im Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit arbeiten. Als Grund dafür vermutet der Arzt seine Kritik an der bayerischen Landesregierung im Umgang mit der Corona-Pandemie. Wörtlich sagte Pürner in einer virtuellen Pressekonferenz am Freitag: „Mit dieser Strafversetzung soll ein Exempel statuiert werden. Das ist meine persönliche Meinung, so empfinde ich das. Damit soll ein Zeichen gesetzt werden, dass sich keine weiteren Amtsärzte mehr beschweren über Vorgänge und Maßnahmen.“

Pürner hatte in der Vergangenheit in sozialen Netzwerken wie Twitter und in vielen Medien wie auch dem bayerischen Rundfunk mehrfach den Anti-Corona-Kurs der Staatsregierung kritisiert. So rief Pürner zur „Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen“ auf und kritisiert zudem den gegenwärtigen Fokus auf die Inzidenzwerte. Der jetzt versetzte ehemalige Gesundheitsamt-Chef bezweifelt zudem außerdem die Wirksamkeit von Alltagsmasken aus Stoff.

In einem offenen Brief an die bayerische Staatsregierung protestieren jetzt über 130 Ärzte (Stand Sonntagmorgen, 7.30 Uhr) gegen die Absetzung des kritischen Mediziners. Initiiert wurde das Schreiben von Dr. med. Steffen Rabe, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin aus München sowie Dr. med. Martin Hirte, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, ebenfalls München. Mittlerweile wurde das Protestschreiben von Mediziner verschiedener Fachrichtungen aus dem ganzen Land unterzeichnet. 

„Ein wissenschaftlicher Diskurs muss in einer demokratischen Gesellschaft jederzeit auch öffentlich geführt werden können, vor allem in einer Situation, in der die Politik weitreichende Eingriffe in das menschliche Miteinander und in viele demokratische Grundrechte mit dem Verweis auf ‚die Wissenschaft‘ zu rechtfertigen versucht“, heißt es hier wörtlich. 

Friedrich Pürner habe „als Wissenschaftler und Arzt von diesem unverbrüchlichen Recht der freien Meinungsäußerung Gebrauch gemacht, ohne dass seine Dienstpflichten als Leiter des Gesundheitsamtes Aichach-Friedberg hierunter gelitten hätten“. Die von ihm als „Arzt und Epidemiologe geäußerten Positionen zu unter Fachleuten ohnehin umstrittenen Maßnahmen und Verordnungen der bayerischen Regierung“ waren nach Ansicht der Verfasser des Protestbriefes „zu jedem Zeitpunkt wissenschaftlich fundiert und ohne jedes parteipolitische Konnotat“.

Seine Absetzung von der leitenden Funktion am Gesundheitsamt stellen nach den Worten der Ärzte einen „in unseren Augen inakzeptablen autoritären Versuch dar, legitime und in der aktuellen Situation besonders notwendige ärztlich-wissenschaftliche Diskussionen zu unterdrücken“. Zudem würden die „unzumutbar belastenden Rahmenbedingungen, unter denen diese Maßnahme stattfindet (Wechsel des Tätigkeitsortes binnen einer Woche)“ zudem den Verdacht nahelegen, dass „hier ein Exempel statuiert werden soll, mit gewollt abschreckender Wirkung“.

Die über 130 Ärzte fordern nun , dass „die geplante Versetzung rückgängig gemacht wird und Herr Dr. Pürner in seiner bisherigen Position weiter tätig sein kann“. Das Vorgehen der Landesregierung sei „eines freiheitlich-demokratischen Staates in jeder Hinsicht unwürdig“.

„Ärzte dürfen nicht schweigen. Niemals!“

Pürner selbst hatte in einer virtuellen Pressekonferenz am Freitag betont, er wolle eine fachliche Diskussion und nicht in die Ecke der Corona-Leugner gestellt zu werden. Auch er habe „die Wahrheit nicht gepachtet“. Allerdings sprach Pürner nach Angaben des BR am Freitag auch von einer „Überdramatisierung“ der Lage. Grundsätzlich wünscht sich der Mediziner mehr Eigenverantwortung der Bürger, auch bei der Frage, ob in der Öffentlichkeit eine Maske getragen werden muss.

Bereits vor wenigen Tagen hatte der Mediziner über seinen Twitteraccount mitgeteilt: „Nach Kant hat entweder alles einen Preis oder eine Würde. Ich wähle die Würde! Den Preis zahle ich gerne. Ärzte dürfen nicht schweigen. Niemals!“

Bayerns Gesundheitsstaatssekretär Klaus Holetschek, CSU, sagte dem Bayerischen Rundfunk in diesem Zusammenhang, dass die neue Stelle eine „spannende Herausforderung“ für Pürner sei. Der Gesundheitsstaatssekretär wies darauf hin, dass keine disziplinarischen Maßnahmen eingeleitet worden seien. Vielmehr brauche man für das neue Sachgebiet am Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit einen erfahrenen Arzt, der bereits ein Gesundheitsamt geleitet habe und auch das Landesamt kenne.

Erst vor wenigen Tagen hatte Holetschek zudem gesagt, man solle sich angesichts gestiegener Corona-Zahlen „auf die Sache konzentrieren, statt eine Personalie hochzuspielen, an der es nichts hochzuspielen gibt“.