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War auf schnelle Maskenlieferung angewiesen: Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

© dpa/Kay Nietfeld

Einflussnahme oder willkommene Hilfe?: Wer beim Maskenkauf mitmischte – Gesundheitsministerium legt Abgeordnetenliste vor

Spahns Ministerium hat eine Liste mit 40 Abgeordneten vorgelegt, die Kontakte zu Maskenherstellern vermittelten. 37 kommen aus der Union.

Nun also doch: Am Dienstag hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) den Mitgliedern des Gesundheitsausschusses im Bundestag eine Liste mit den Namen aller Bundestagsabgeordneten zugesandt, die im Frühjahr 2020 Kontakte zu Herstellern von Atemschutzmasken und anderer Corona-Schutzausrüstung vermittelt hatten - und zwar auch von solchen, die mit einer öffentlichen Namensnennung nicht einverstanden waren.

Es handelt sich dabei um insgesamt 40 Mandatsträger, davon 37 aus der Union. Aufgelistet werden in dem Verzeichnis jedoch nur Abgeordnete, bei denen es nach ihrem Engagement auch tatsächlich zu Vertragsabschlüssen kam.

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Und in einem Begleitbrief wird den Ausschussmitgliedern versichert, dass dem Ministerium - bezogen auf die genannten Abgeordneten oder Unternehmen und abgesehen von den öffentlich bekannten Fällen - "keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten, Provisionszahlungen oder die Gewährung irgendwelcher anderen Vorteile" vorlägen.

Tatsächlich finden sich in der Liste keine weiteren Erläuterungen über Hintergründe der Kontaktanbahnungen, die jeweilige Motivation der Beteiligten dafür oder auch die Summen, um die es bei den Verträgen ging. Betont wird allerdings, dass sich das Ministerium damals kurz nach Ausbruch der Pandemie aufgrund eines leergefegten Weltmarkts bei den dringend benötigten Schutzmasken in einer Notsituation befunden habe und für jeden Hinweis auch aus dem Bundestag dankbar gewesen sei.

Bedenken gegen zu viel Transparenz

Zuvor hatte es gegen die Transparenzoffensive, mit der Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eigens seinen nicht mit einem Bundestagsmandat ausgestatteten Staatssekretär Thomas Steffen beauftragt hatte, im Parlament einige Bedenken gegeben.

So hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) höchstselbst betont, dass Abgeordnete nach einschlägiger Rechtsprechung "ein berechtigtes Interesse an der Vertraulichkeit von personenbezogenen Daten" hätten, die "von der Freiheit des Mandats geschützt" seien.

Allerdings drohte die Affäre um Abgeordnete wie den mittlerweile zurückgetretenen Unions-Fraktionsvize Georg Nüßlein (CSU), der dem BMG Maskendeals gegen Provisionen in sechsstelliger Höhe vermittelt haben soll, den C-Parteien im Wahlkampf ohne weitere Aufklärung mächtig auf die Füße zu fallen.

Und ein eigens beauftragter Staatsrechtler kam zu dem Befund, dass "das BMG zur Erteilung von Auskünften nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet" sei, wenn und soweit dem "überwiegende öffentliche oder private Interessen nicht entgegenstehen" - was nicht der Fall sei.

Aus dem Ministerium war zu hören, dass man zwar das Ziel gehabt habe, rückblickend größtmögliche Transparenz zu schaffen.

Allerdings habe man dabei "nicht einfach nur aufs Knöpfchen drücken" können, sondern zwischen verschiedenen Interessen und Rechten abwägen müssen: dem Interesse der Öffentlichkeit und presserechtlichen Auskunftsansprüchen, dem Geheimhaltungsinteresse von Unternehmen und den Persönlichkeitsrechten der involvierten Abgeordneten. Dafür habe man die Empfehlungen des Gutachters "Eins zu Eins" übernommen.

Namensnennung auch ohne Einverständnis

Bei dem zugeschalteten Experten handelt es sich um Matthias Rossi, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Augsburg.

Auf seinen Rat hin beschränkte sich das BMG auf die bloße Herausgabe einer Liste aller Namen von Abgeordneten, auf deren Hinweis hin es tatsächlich auch zu Vertragsabschlüssen kam - in standardisierter Form, ohne jegliche Bewertung. Und egal, ob die Betroffenen dieser Veröffentlichung zugestimmt hatten oder nicht.

Wie aus dem Gesundheitsressort verlautete, hatten sich solcher Namensnennung mitsamt der betroffenen Unternehmen nur "einige wenige" Mandatsträger komplett widersetzt. Etliche hätten sich allerdings gewünscht, dass mit der Nennung ihres Namens gleichzeitig auch ihre Sicht der Dinge dargestellt würde.

Dies sei jedoch nicht Aufgabe des Ministeriums, hieß es dort. Man selber habe "neutral" bleiben wollen, die Genannten könnten nach der Veröffentlichung jederzeit individuell die genaueren Umstände ihres Engagements erläutern. Die meisten Betroffenen hätten nichts gegen ihre Namensnennung gehabt.

"Dankbar für jeden Hinweis"

Tatsächlich habe man sich im Frühjahr in einer "Extremsituation" befunden, wurde im Ministerium betont. Weltweit habe es viel zu wenig Schutzmasken gegeben, die Preise dafür seien explodiert.

Klinikdirektoren hätten vor der Schließung ihrer Häuser gewarnt, da ihre Mitarbeiter nicht ohne entsprechende Ausrüstung arbeiten könnten. "Wir waren dringend auf Hilfe angewiesen und dankbar für jeden Hinweis." In einer Sitzung der Unionsfraktion appellierte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) diesbezüglich sogar persönlich an die Abgeordneten.

Staatssekretär Steffen betont dies auch in seinem Begleitbrief an die Mitglieder des Gesundheitsausschusses. "Angesichts der hochgradig angespannten Situation bei der Beschaffung von Persönlicher Schutzausrüstung im vergangenen Frühjahr und der erheblichen Gefährdung für das deutsche Gesundheitswesen waren Beschaffungshinweise an die Bundesregierung in hohem Maße erwünscht", heißt es darin.

"Vor diesem Hintergrund darf die Tatsache, dass Abgeordnete im Zusammenhang mit der Beschaffung von Schutzausrüstung mit dem BMG in Kontakt traten, nicht negativ ausgelegt werden, zumal überwiegend Kontakte erst nach Vertragsschluss zu verzeichnen waren."

Abgeordnete sieht Rufschädigung

Verärgert äußerte sich die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindholz (CSU), sie kritisierte die Nennung der Namen als potenziell rufschädigend. „Ich habe keine Masken vermittelt, sondern versucht, bei einer Streitschlichtung behilflich zu sein“, sagte Lindholz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Ähnlich äußerte sie sich bei der Funke Mediengruppe. „Der Veröffentlichung hatte ich zugestimmt, allerdings unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, dass kein missverständlicher Eindruck entsteht. Genau das ist jetzt bedauerlicherweise passiert, weil das Bundesgesundheitsministerium offensichtlich nicht in der Lage ist, differenzierter zu arbeiten.“ Sie sagte: „Nicht nur mein guter Ruf, sondern auch der Ruf vieler mittelständischer Unternehmen steht auf dem Spiel.“

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