Zusammenfassung
Nehmen tatsächlich in demokratischen Parteien die Kontrollmöglichkeiten der Mitglieder gegenüber der Führung kontinuierlich ab, wie schon Robert Michels konstatierte? Die Beantwortung der Frage ist anspruchsvoll, wenn unter Kontrolle nicht nur nachherige Aufsicht, sondern auch Mitsteuerung verstanden wird, da diese üblicherweise informell und daher einer Datenerhebung nicht unmittelbar zugänglich ist. Der Beitrag unterbreitet daher den Vorschlag, dass Ausmaß innerparteilicher Kontrolle anhand der Infrastruktur der Kontroll- und Mitsteuerungsmöglichkeiten abzuschätzen. Mit Hilfe erster erhobenen Daten wird gezeigt, dass das Instrument geeignet ist sowohl die Entwicklung diachron einzuschätzen, als auch Parteien intra- wie international zu vergleichen.
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Notes
- 1.
Aus einer empirischen Studie von Saglie und Heidar (2004, S. 401) geht etwa hervor, dass „[b]oth members and Congress delegates in all parties perceived personal connections and informal networks as crucial in the decision-making process“.
- 2.
Bei den Parteitagen wurde für den Fall, dass die Daten nicht über den Bericht der Mandatsprüfungskommission ermittelt werden konnten und auch keine anderweitigen Unterlagen verfügbar waren, die Zahl der abgegebenen Stimmen bei der Wahl zum Parteivorsitzenden erfasst. Diese Wahl ist von so großer Relevanz, dass anzunehmen ist, dass die allermeisten anwesenden Delegierten auch ihre Stimme abgeben.
- 3.
Der mittlerweile aufgelöste Landesring der Unabhängigen (LdU) erfüllte die Kriterien bis 1979 und stellt damit einen Grenzfall dar.
- 4.
So umfassen etwa manche Jahrgänge der im schweizerischen Bundesarchiv in Bern gelagerten Akten der CVP auch Absagemitteilungen und Notizzettel, während aus anderen überhaupt keine Aktenstücke vorliegen.
- 5.
Dies gilt etwa für die Bestände des Neuen Parteiarchivs der SPÖ (bis 1985) beim Verein für die Geschichte der Arbeiterbewegung in Wien oder die Parteiakten der CVP (bis 1996) im Bundesarchiv in Bern. Hervorzuheben ist allerdings die Bereitschaft der Archive, unsere Recherche zu unterstützen und die in ihrer Obhut befindlichen Daten, wenn irgend möglich, zugänglich zu machen.
- 6.
Zu einem gewissen Teil kann dies durch das dreiköpfige Co-Präsidium, welches 20 Mal tagte, wettgemacht werden. Angesichts der gewöhnlich starken Autonomie der schweizerischen Kantonalparteien kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich im Co-Präsidium ein elitärer Führungszirkel etablieren kann.
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Gast, H., Kranenpohl, U. (2016). Erosion der innerparteilichen Demokratie? Zur Entwicklung der Kontrollpotenziale in Deutschland, Österreich und der Schweiz. In: Bukow, S., Jun, U., Niedermayer, O. (eds) Parteien in Staat und Gesellschaft. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-05309-3_7
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