Ein 62-jähriger Patient wurde 2019 mit einem Rektumkarzinom im Stadium mrT3 Npos. M1 diagnostiziert. Die Staging-Multidetektorcomputertomographie (MDCT) zeigte damals 8 Metastasen-suspekte Leberläsionen, weshalb zur weiteren Abklärung eine Magnetresonanztomographie (MRT) der Leber durchgeführt wurde, die mindestens 15 bilobäre Metastasen in sämtlichen Segmenten zeigte. Nach gemeinsamer Einschätzung einer palliativen Therapiesituation wurde eine Chemotherapie mit FOLFIRI und Cetuximab begonnen, welche nach sechs Monaten in eine Erhaltungstherapie mit 5‑FU und Bevacizumab übergeführt wurde.

Nach dem 4. Zyklus der Erhaltungstherapie wurde eine Kontrastmittel-verstärkte MDCT von Thorax und Abdomen durchgeführt. Es zeigte sich onkologisch eine Stable Disease mit größenkonstanten Lebermetastasen (Abb. 1). Neu aufgetreten zeigten sich aber Milchglas-artige Verdichtungen in beiden Lungen, vor allem in den Unterlappen, mit peripherer Betonung. Zum Teil zeigten sich auch Konsolidierungen vor allem im rechten Unterlappen (Abb. 2, Video 1). Die Veränderungen wurden daher als typisch für das Vorliegen einer COVID-19-Pneumonie eingeschätzt. Der Patient war zu diesem Zeitpunkt fieberfrei und klinisch asymptomatisch, und hatte lediglich eine mäßige Erhöhung der Akutphaseparameter. Der reverse transcription polymerase chain reaction (RT-PCR) Test auf SARS-CoV‑2 am Tag der MDCT-Untersuchung fiel negativ aus. Auch der PCR-Test auf Influenza A/B war negativ. Der Patient wurde daraufhin nach Hause transferiert und angewiesen, sich in 14-tägige Heimquarantäne zu begeben mit der Auflage, sich bei Auftreten von Symptomen jederzeit zu melden. Die Low Dose-CT Kontrolle des Thorax nach 14 Tagen zeigte eine deutliche Rückbildungstendenz der pulmonalen Veränderungen (Abb. 3). Auch der an diesem Tag durchgeführte zweite RT-PCR Test auf SARS-CoV‑2 war negativ. Allerdings zeigte ein Serum-Antikörpertest auf SARS-CoV‑2 deutlich erhöhte IgG-und IgA-Antikörperspiegel, was zusammen mit den radiologischen Lungenveränderungen einen sehr starken Hinweis für eine durchgemachte COVID-19-Infektion ergibt. Der Patient war weiterhin asymptomatisch. Der nächste Zyklus der Chemotherapie konnte daher plangemäß durchgeführt werden.

Abb. 1
figure 1

Die KM-verstärkte Staging-CT axial zeigt 2 kleine Metastasen im rechten Leberlappen (Pfeile)

Abb. 2a,b
figure 2

Die axialen CT-Bilder zeigen im Thorax vorwiegend peripher lokalisierte, milchglas-artige Verdichtungen und Konsolidierungen (Pfeile), mit Betonung der Unterlappen. Diese Veränderungen sind nicht typisch für Metastasen, sondern suspekt auf das Vorliegen einer COVID-19-Pneumonie

Abb. 3a,b
figure 3

Die Low-Dose-Kontroll-CT nach 14 Tagen zeigt eine deutliche Rückbildungstendenz der COVID-19-Pneumonie (Pfeile)

Die Coronavirus-Erkrankung 2019 (COVID-19) hat als von Wuhan, China, ausgehende Pandemie weltweit mittlerweile zu mehr als 4.200.000 Infektionen geführt und mehr als 280.000 Menschenleben gefordert (Stand 11.05.2020) [1]. Klinisch präsentiert sich COVID-19 meist als Viruspneumonie mit Fieber, Husten und Dyspnoe. Die Diagnose von COVID-19 wird mittels RT-PCR aus einem Nasen-Rachenabstrich oder aus dem Sputum gestellt. Allerdings ist die RT-PCR unzuverlässig, mit häufig falsch-negativen Ergebnissen. Bereits früh in der Pandemie zeigten mehrere Studien, dass die Thorax-CT sehr sensitiv ist und typische Zeichen einer Viruspneumonie mit Milchglas-artigen Verdichtungen und Konsolidierungen vor allem in den peripheren Lungenabschnitten zeigt [2,3,4]. Das Vorliegen von Pleuraergüssen, Perikarderguss oder Lymphadenopathie ist eher untypisch für eine COVID-19-Pneumonie [4]. Früh zeigte sich auch, dass die Thorax-CT der RT-PCR an Sensitivität überlegen ist (CT 98 % vs. RT-PCR 71 %) [5]. In einer retrospektiven Serie von 1014 Patienten mit Verdacht auf COVID-19-Infektion war die RT-PCR in 59 % positiv, die Thorax-CT jedoch in 88 % [6]. Bei Patienten mit negativer RT-PCR, jedoch positiver Thorax-CT wurde das Vorliegen einer COVID-19-Infektion insgesamt jedoch in 48 % als sehr wahrscheinlich und 33 % als wahrscheinlich eingeschätzt [6]. Die Low-Dose Thorax-CT wird deshalb mittlerweile bei Patienten mit klinischem Verdacht, jedoch negativem RT-PCR Test empfohlen, um eine Infektion mit hoher Wahrscheinlichkeit nachweisen zu können [7]. Die Thorax-CT zeigt auch überraschende Ergebnisse bei asymptomatischen oder oligosymptomatischen Patienten. Eine rezente Studie aus New York, einem der COVID-19-Hot Spots, an 23 Patienten, die wegen abdomineller Beschwerden einer Abdomen-CT-Untersuchung unterzogen wurden [8], zeigte typische CT-Veränderungen in der Lunge in 81 % (bei positiver RT-PCR). Es fanden sich aber auch CT-typische Veränderungen in weiteren 14 % bei negativer RT-PCR [8].

Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Low-Dose Nativ-CT des Thorax eine äußerst sensitive Methode ist, um COVID-19-typische Veränderungen der Lunge (im Sinne einer Viruspneumonie) auch bei oligosymptomatischen Patienten und Patienten mit klinischem Verdacht, jedoch negativem RT-PCR Test nachzuweisen. Die Thorax-CT ist daher mittlerweile im diagnostischen Algorithmus zu einer wichtigen Untersuchungsmethode geworden, um eine COVID-19-Infektion zu diagnostizieren, damit frühzeitig entsprechende Isolationsmaßnahmen ergriffen werden können.