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Diss., Göttingen 2023 Meine kultur- und sozialgeschichtliche Arbeit untersucht muslimische Erinnerungskulturen im vormongolischen und mongolischen Zentralasien. Sie geht der Frage nach, welche religiösen, sozialen und politischen... more
Diss., Göttingen 2023

Meine kultur- und sozialgeschichtliche Arbeit untersucht muslimische Erinnerungskulturen im vormongolischen und mongolischen Zentralasien. Sie geht der Frage nach, welche religiösen, sozialen und politischen Funktionen Gräber als Erinnerungsorte für Musliminnen und Muslime in der Zeit des 12./6. bis 14./8. Jahrhunderts erfüllten. Die Quellenbasis der Arbeit bilden Inschriften. Sie beleuchten gesellschaftliche Bereiche, die in narrativen Werken unterbelichtet bleiben. Ich fokussiere in meiner Untersuchung auf die muslimischen politischen Eliten Zentralasiens in der Zeit des 12./6. bis 14./8. Jahrhunderts.

Meine epigraphische Arbeit wird durch die Quellengattungen strukturiert, die sie verwendet, und damit durch die Akteure, von denen diese Quellen erzählen: Zum Ersten untersuche ich Inschriften auf Grabsteinen, die einfache, nicht überbaute Gräber markierten, wie sie auf den Friedhöfen zentralasiatischer Städte und Dörfer zu finden waren. Die Grabsteine gedachten Angehöriger der lokalen Notabelnfamilien. Zum Zweiten analysiere ich Inschriften, mit denen Grabplatten und Kenotaphe in Mausoleen oder die Wände von Grabbauten geschmückt worden waren. Diese Inschriften gehen auf Angehörige der der zentralasiatischen Dynastien von Herrschern und hohen Militärführern (Amiren) zurück. Der größte Teil der analysierten Epigraphie ist arabisch, Persisch kommt vor allem in Bauinschriften vor.

In methodischer Hinsicht stützt sich meine Arbeit auf die Ergebnisse der kulturwissenschaftlichen Erinnerungsforschung und auf Arbeiten der Europa-Mediävistik zur memoria. Die vorliegende Arbeit untersucht die Funktion von Gräbern in der Erinnerungskultur der politischen Eliten Zentralasiens. Sie fragt danach, welche religiösen Vorstellungen und politischen Konzepte diese Gräber symbolisierten. Welche Erzählungen über die Vergangenheit und welche Normen versuchten die lokalen Notabeln und die großen Dynastien Zentralasiens an Gräbern zu etablieren? Und wie haben die politischen Eliten die Gräberlandschaft Zentralasiens mit ihren Vorstellungen, Zielen und Praktiken geprägt?

Im Zentrum meiner Arbeit stehen also die politischen Eliten Zentralasiens in vormongolischer und früher mongolischer Zeit, ihre religiösen Vorstellungen, ihre Selbstbilder und Gruppenentwürfe, ihre politischen Ziele und Strategien.

Meine Arbeit untersucht drei zentrale Funktionen des Erinnerungsortes Grab: a) Gebetsgedenken und Gottesnähe, b) Normsetzung, c) Identitätsstiftung und Legitimierung. Wie Gräber als Orte des Gebetsgedenkens funktionierten, offenbaren vor allem die Bittgebete, die in den Inschriften enthalten sind. Welche Normen und Werte die Auftraggeber der Grabsteine und  bauten vor Ort repräsentiert sehen wollten, lässt sich zuvorderst anhand der Epitheta und Titel nachvollziehen, die die Inschriften für die Verstorbenen verwenden. Wie Gräber schließlich zu Zwecken der Identitätsstiftung und der Legitimierung von Ansprüchen genutzt wurden, verrät in erster Linie Parallelüberlieferung. Für einige Fallbeispiele liegt diese in Form von narrativen Werken, Urkunden oder anderen Inschriften vor.

Meine Arbeit demonstriert den Mehrwert, den es erbringt, denkt man die religiösen mit den politischen und sozialen Funktionen von Gräbern in der Erinnerungskultur der politischen Eliten zusammen. Die Europa-Mediävistik hat dies mit ihren Forschungen zur memoria unter Beweis gestellt, und ich kann zeigen, dass ein solcher Ansatz auch mit Blick auf die islamisch geprägte Welt gewinnbringend sein kann.

Die lokalen Notabeln der Städte und Dörfer Zentralasiens nutzten Gräber, um ihrer verstorbenen Angehörigen zu gedenken und für deren Seelenheil vorzusorgen, aber auch, um Herrschaft zu repräsentieren und ihre Vormachtstellung zu legitimieren. Muslimische Gräber sind bisher meist im Kontext der Erinnerungskultur von Gelehrten und Sufis diskutiert worden. Die Landschaft der Gräber und Mausoleen in Zentralasien wurde jedoch maßgeblich von den politischen Eliten geprägt, deren Wirken bisher jedoch unterbelichtet blieb.

Die Erinnerung an die Toten wurde zunächst vor allem von deren Nachkommen getragen. Es bedurfte institutionalisierter Strukturen und religiös motivierter Rituale, um die Erinnerung auf Dauer zu stellen. Herrscherinnen und Amire förderten ebendies durch Schenkungen und Stiftungen zugunsten bestimmter Erinnerungsgemeinschaften und erkauften sich damit häufig auch politische Loyalität.

Die Inschriften, die meine Arbeit untersucht hat, erzählen von Personen, die in anderen Quellen nicht vorkommen: die Notabeln der Städte und vor allem der Dörfer, aber auch weibliche Angehörige der Herrscherdynastien und Amirsfamilien. Ihre Geschichten sind bisher selten erzählt worden.
Research Interests:
The Mamluk era (1250–1517 CE) was a period with phases of climate instability in the eastern Mediterranean. A trove of written sources has survived from this period but still awaits evaluation for climate history reconstruction in the... more
The Mamluk era (1250–1517 CE) was a period with phases of climate instability in the eastern Mediterranean. A trove of written sources has survived from this period but still awaits evaluation for climate history reconstruction in the Middle East.
In Arbeiten zur mittelalterlichen Sklaverei hat das östliche Europa seinen Platz als Region, die die islamische Welt mit Sklavinnen und Sklaven belieferte. Besonders viele Menschen, so wird mit Blick auf die in Ostmittel- und Osteuropa... more
In Arbeiten zur mittelalterlichen Sklaverei hat das östliche Europa seinen Platz als Region, die die islamische Welt mit Sklavinnen und Sklaven belieferte. Besonders viele Menschen, so wird mit Blick auf die in Ostmittel- und Osteuropa entdeckten Horte von Silbermünzen argumentiert, seien gegen Dirham nach Zentralasien verhandelt worden. Die Kaufleute, die sich im Sklavenhandel zwischen dem östlichen Europa und der islamischen Welt betätigten, seien meist Juden gewesen, und das Geschäft sei im 11. Jahrhundert zum Erliegen gekommen. Der vorliegende Beitrag kommt nach einer Analyse vor allem arabischer Überlieferungen des 9. und 10. Jahrhunderts zu ganz anderen Schlüssen und lenkt schließlich den Blick auf Formen der Sklaverei, die im östlichen Europa selbst praktiziert wurden und in der bisherigen Forschung kaum Beachtung fanden. Sklaverei war, so offenbaren die Quellen, weit verbreitet, und daran änderte auch die Christianisierung der politischen Eliten und weiter Teile der Bevölkerung nichts. Das Beispiel des östlichen Europa zeigt sich damit unvereinbar mit dem Narrativ vom sklavenfreien Europa.

Europe’s Slaves during the Middle Ages. Tracing Slavery in East Central and Eastern Europe:

In studies on medieval slavery, East Central and Eastern Europe figures first and foremost as a territory that supplied the Islamic world with slaves. Most notably – in the light of the numerous hoards of silver coins unearthed in Europe’s eastern part – Central Asia is described as a region where people were taken in exchange for dirham. The merchants who engaged in the slave trade between Europe’s eastern part and the Islamic world are believed to have been mainly Jews, while the trade is thought to have come to an end in the 11th century. The close reading of mainly Arabic sources stemming from the 9th and 10th centuries undertaken for the present study yields very different results, though. The article thereupon focusses on the forms of slavery practised in East Central and Eastern Europa which rarely caught the attention of historians. As the sources reveal, slavery was a wide-spread phenomenon that did not cease when ruling elites and large parts of the populace became Christians. The example of East Central and Eastern Europe thus contradicts the narrative which depicts Europe, following antiquity, as a region free of slaves.
Research Interests:
Der Beitrag beruht auf einem Vortrag im Rahmen einer Ringvorlesung an der Universität Luxemburg. Er gibt zunächst einen Überblick über den Forschungsstand zu abhängiger Arbeit und Zwangsmigration im früh- und hochmittelalterlichen Europa... more
Der Beitrag beruht auf einem Vortrag im Rahmen einer Ringvorlesung an der Universität Luxemburg. Er gibt zunächst einen Überblick über den Forschungsstand zu abhängiger Arbeit und Zwangsmigration im früh- und hochmittelalterlichen Europa und fokussiert hernach auf das Beispiel des östlichen Europa. Inhalt:
1. Europäische Identität und kolonialer Sklavereidiskurs
2. Sklaverei: eine Frage der Definition
3. Verschleppung, Menschenhandel und Unfreiheit im Spiegel der Überlieferung
4. Fallbeispiel östliches Europa
5. Fazit und Ausblick
The paper focuses on narratives that recount the conversions of medieval rulers to one of the universalist religions. Taking as examples the extant tales about the Arpads of the Carpathian Basin, who had converted to Christianity during... more
The paper focuses on narratives that recount the conversions of medieval rulers to one of the universalist religions. Taking as examples the extant tales about the Arpads of the Carpathian Basin, who had converted to Christianity during the 10th century, as well as the Qarakhanids of Central Asia, who had adopted Islam at about the same time, the paper explores how such narratives might be used in a fruitful way. Conversion tales were mostly recorded only a century after the first rulers and nobles had changed faith and are thus not likely to be extraordinary revealing about the events of the royal conversions themselves. Instead, the paper argues, conversion narratives, as they are among the earliest written sources which have come down to us from within the newly converted realms, make first-class sources for the history of the time when they were written down. Thus, they provide information on contemporary notions and mentalities, on political rivalry and factional strive as well as the state of affairs in the processes of Islamisation and Christianisation in the respective realms.
While gold had played a prominent role in representing, legitimising and exercising power during Late Antiquity and the Early Middle Ages, its importance subsequently decreased. At this time, the most important new strategy for... more
While gold had played a prominent role in representing, legitimising and exercising power during Late Antiquity and the Early Middle Ages, its importance subsequently decreased. At this time, the most important new strategy for legitimising the rule of newly emerging dynasties was to convert to one of the universalist religions. Taking the Arpads of the Carpathian Basin, who had converted to Christianity, as well as the Qarakhanids of Central Asia, who had adopted Islam, as examples for these developments, this paper presents an outlook on new forms of the representation and legitimation of ruling power during the High Middle Ages. It focuses on conversion narratives, as these are among the earliest written sources which have come down to us from within these two realms. The narratives provide information on contemporary conceptions of rule and strategies of visualising claims to power, but also reveal internal dynastic conflicts and factional identities within the High Medieval realms of the Arpads and the Qarakhanids.
Viele Zehntausend arabische Dokumente sind aus dem mittelalterlichen Ägypten überliefert. In ihnen spiegelt sich die einstige Diversität des Landes. Im Folgenden nehme ich Sie mit auf eine Reise durch drei ägyptische Archivlandschaften.
Literaturbericht 1) Einführungen, Handbücher, allgemeine Darstellungen zur islamischen Geschichte 2) Studien zur Spätantike und frühislamischen Zeit 3) Transkulturell vergleichende und globalhistorische Studien 4) Studien zur Neueren und... more
Literaturbericht

1) Einführungen, Handbücher, allgemeine Darstellungen zur islamischen Geschichte
2) Studien zur Spätantike und frühislamischen Zeit
3) Transkulturell vergleichende und globalhistorische Studien
4) Studien zur Neueren und Neuesten Geschichte
5) Übersetzungen arabischer Quellen

Besprochene Bücher:
Hamed Abdel-Samad: Der Untergang der islamischen Welt
Gilbert Achcar: Die Araber und der Holocaust
Tamim Ansary: Die unbekannte Mitte der Welt
Aygul Ashirova: Stalinismus und Stalin-Kult in Zentralasien
Thomas Bauer: Die Kultur der Ambiguität
Hans Belting: Florenz und Bagdad
Hartmut Bobzin: Der Koran
Doris Decker: Frauen als Trägerinnen religiösen Wissens
Wolfram Drews: Die Karolinger und die Abbasiden von Bagdad
Ralf Elger (Übers.): Die Wunder des Morgenlandes
Rizwi Faizer/Amal Ismail/AbdulKader Tayob (Übers.): The Life of Muhammad
Peter Feldbauer/Gottfried Liedl: Die islamische Welt 1000 bis 1517
Egon Flaig: Weltgeschichte der Sklaverei
Peter Gemeinhardt/Sebastian Günther (Hrsg.): Von Rom nach Bagdad
Tobias Georges/Jens Scheiner/Ilinca Tanaseanu-Döbler (Hrsg.): Bedeutende Lehrerfiguren
Monika Gronke: Geschichte Irans
Stephan Guth: Die Hauptsprachen der islamischen Welt
Heinz Halm: Kalifen und Assassinen
Peyman Jafari: Der andere Iran
Hans Jansen: Mohammed
Hannelies Koloska (Übers.): Das Buch der Weisungen für Frauen
Roman Loimeier: Eine Zeitlandschaft in der Globalisierung
Marijke Metselaar: Die Nestorianer und der frühe Islam
Angelika Neuwirth: Der Koran als Text der Spätantike
Jenny R. Oesterle: Kalifat und Königtum
Claudia Ott (Übers.): 101 Nacht
Jürgen Paul: Zentralasien
Margrit Pernau: Bürger mit Turban
Mathias Rohe: Das islamische Recht
Ulrich Rudolph/Renate Würsch: Philosophie in der islamischen Welt
Marco Schöller: Mohammed
Wolfgang Schwanitz: Islam in Europa, Revolten in Mittelost
Holm Sundhaussen: Sarajevo
Josef van Ess: Der Eine und das Andere
Research Interests:
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