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YouTuber Rezo im Interview: "Ich sage nicht, dass die Verantwortung für alle Probleme bei der CDU liegt"

Dieser Beitrag wurde am 22.05.2019 auf bento.de veröffentlicht.

Rezo ist auf YouTube eigentlich eher für Musik und Unterhaltung bekannt, mal rappt er schnell, mal probiert er ekelhaftes Essen oder zeigt Bilder aus seiner Kindheit. Aber seit ein paar Tagen mischt er mit einem fast einstündigen Video die deutsche Politik auf. "Die Zerstörung der CDU" hat er es genannt. Am Samstag ging das Video online, mittlerweile hat es über 3,3 Millionen Aufrufe (Stand: Mittwochnachmittag). 

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Zum Vergleich: Die Bildzeitung wird täglich knapp 1,5 Millionen mal verkauft (IVW  ), die Tagesschau sahen am Dienstagabend 10 Millionen Menschen. 

Eine offizielle Reaktion der CDU steht noch aus. Einzelne Mitglieder gehen Rezo in sozialen Medien aber scharf an, der Bundestagsabgeordnete Matthias Hauer bezeichnete das Video als "Fake News". 

Als Regierungspartner der letzten Jahre wird auch die SPD scharf kritisiert. Der 26-Jährige untermauert seine Aussagen mit hunderten Quellen, die er in einem Dokument zur Verfügung stellt. (SPIEGEL ONLINE)

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Rezo bezeichnet sich selbst als politisch interessierten Menschen, der sich privat für Tierschutz engagiert, vegan lebt und dem Wissenschaft und Forschung am Herzen liegen - er hat selbst einen Master in Informatik. Wie andere prominente YouTuber auch hat er gegen die mittlerweile beschlossene EU-Urheberrechtsreform gekämpft. 

Wir haben mit Rezo gesprochen.

Im Interview erzählt er, welcher Aufwand hinter seinem Video steckt, warum er die CDU/CSU so hart attackiert und was er von den Reaktionen hält.

Rezo, warum hast du ein Video zur Politik der Union gemacht?

Ich will Leute damit aufklären und dafür sorgen, dass mehr Menschen über die angesprochenen Themen diskutieren. Durch die anstehende Wahl interessieren sich gerade mehr Leute für Politik, deswegen hat sich der Zeitpunkt angeboten. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass meine Erwartungen übertroffen wurden.

Also bist du überrascht davon, dass das Video so eingeschlagen ist?

Auf jeden Fall. Ich wusste, dass meine Fans und Follower sich das anschauen werden. Aber dass sich das außerhalb meiner Bubble so stark verbreitet, dass sogar Bundestagsabgeordnete wie Anke Domscheit-Berg das teilen, ist schon erstaunlich. Außerdem überrascht mich, dass die meisten Reaktionen positiv sind. Ich spreche mich in dem Video gegen die Parteien aus, die ein Großteil der Menschen in diesem Land wählen.

Ich dachte also eher, dass ich mindestens zur Hälfte Hate und Gegenwind bekomme.

Trotzdem kommt das Video bei den meisten positiv an, nur ganz wenige disliken oder schreiben negative Kommentare.

Du erreichst mit deinen Videos sehr viele Menschen. Das bringt auch eine Verantwortung mit sich, wenn du politische Inhalte verbreitest und dich so klar gegen einzelne Parteien aussprichst. Wie gehst du mit der Verantwortung um?

Indem ich meinen Zuschauern gegenüber transparent mache, welche Fakten ich für meine Argumentation benutze, und alle Quellen offenlege. Und indem ich zusammen mit meinem Mitarbeiter TJ hunderte Stunden Arbeit in dieses Video investiert habe. Die letzten zwei Wochen vor Veröffentlichung haben wir quasi durchgearbeitet und nicht einmal Essenspausen eingelegt.

Hattet ihr dabei irgendwelche Korrektur-Mechanismen?

Mehrere Freunde und auch mein Vater haben das Video geschaut und auf mögliche Fehler überprüft, wir haben es mehrmals überarbeitet. Wenn man wochenlang durcharbeitet, ist man nicht mehr ganz auf der Höhe und braucht Externe, die sich das anschauen und Feedback geben. Man kann sich ja vorstellen, wie sich Leute auf den kleinsten inhaltlichen Fehler stürzen würden. 

Zerstör-Videos sind ein beliebtes YouTube-Format. Warum glaubst du, dass dieses Format und der Duktus auch für den politischen Diskurs geeignet sind?

"Zerstörung" heißt in der YouTube-Subkultur eigentlich, dass jemand argumentativ ziemlich plattgemacht wurde. Deshalb glaube ich, dass das hier passt. 

Politischer Diskurs darf mit jedem Slang stattfinden. Auch mit der Sprache, die auf Youtube gesprochen wird.

An einigen Stellen verkürzt du Zusammenhänge und tust so, als würden die Fakten keine andere Deutung zulassen als deine. Beispiel: Am Ende des Wirtschaftsteils sagst du, dass die soziale Ungleichheit "nüchtern betrachtet das Ergebnis vom Kurs der CDU" sei. Müsstest du nicht klarer machen, dass das deine Interpretation der Fakten ist, keine unumstößliche Wahrheit?

Ich denke nicht, dass das eine Interpretation ist. In der angesprochenen Zeit war eben hauptsächlich die CDU und mit ihr die SPD in Deutschland an der Macht. Und damit war es ihre Aufgabe, die Stellschrauben ihrer Politik so zu stellen, dass zum Beispiel die Schere zwischen Arm und Reich nicht weiter auseinander geht. 

Es ist eine nüchterne Feststellung zu sagen: Das haben sie nicht geschafft.

Ist das in einer globalisierten Welt mit vielen Faktoren nicht ein wenig unterkomplex?

Ich stimme zwar zu, dass auch andere Mächte und Faktoren da mitspielen, aber ich sage im Video mit keinem Wort, dass die komplette Verantwortung für alle Probleme bei der CDU liegt. Ich sage nur, dass es die Aufgabe der regierenden Parteien wäre, diese äußeren Faktoren mit ihrer Politik aufzufangen. Und natürlich verkürze ich auch. Das ist nicht nur Aufgabe und Notwendigkeit bei vielen Zeitungsartikeln, sondern auch bei meinem Video.

Warum forderst du so klar dazu auf, CDU, SPD und auch die AfD nicht zu wählen?

Ich denke nicht, dass es irgendeine Rechtfertigung dafür gibt, die Zerstörung der Zukunft unseres Planeten hinzunehmen. Wenn die Wissenschaft also klar sagt, dass der Kurs dieser Parteien in der Klimapolitik falsch ist, dann benenne ich das auch so klar und sage, dass man die deshalb nicht wählen soll.

Es stimmt, Wissenschaftler fordern mehr Radikalität beim Klimaschutz. Die findet man aber nur bei wenigen Parteien. Gerade, weil dein Video auch andere Themen anspricht: Wäre da nicht etwas mehr Raum für Zweifel und Differenzierung angemessen?

Ich beziehe die Wahlempfehlung klar auf die Klimapolitik der Parteien. Wenn ich jetzt nur über die amerikanischen Atomwaffen in Deutschland gesprochen hätte, wäre ich vorsichtiger gewesen. Ich finde das zwar nicht gut, es gibt aber Argumente für die Gegenseite. Die Klimakrise ist aber so bedrohlich, dass es hier keine zwei Meinungen mehr geben kann, dass eine drastische Änderung notwendig ist. Außerdem sage ich im Video, dass auch Grüne und Linke noch viel radikaler in der Klimapolitik werden müssten.

Was verdienst du an dem Video?

Gar nichts, weil ich keine Werbung darin geschaltet habe. Ich habe damit ein dickes Minusgeschäft gemacht, weil ich meine Mitarbeiter natürlich dafür bezahlt habe und in der Zeit auch andere Videos hätte machen können, mit denen ich etwas verdiene. Mir war es aber wichtiger, dass das Video nicht von nervigen Werbeclips unterbrochen wird, weil mir diese Sache so wichtig ist. Außerdem kann man sich vorstellen, dass sofort der Vorwurf gekommen wäre, ich wolle ja nur Klicks und Geld machen. 

Wer schaut deine Videos hauptsächlich? Sind die meisten davon überhaupt wahlberechtigt?

Beim CDU-Video zeigen mir die Analytics von YouTube an, dass fast die Hälfte der Zuschauer zwischen 18 und 24 Jahre alt sind. Nur 11 Prozent sind minderjährig, der Rest ist älter als 24. Meine Fans sind nicht so jung, wie immer alle denken.

Hast du schon Reaktionen aus der Politik bekommen?

Persönlich hat sich niemand bei mir gemeldet. Aber Axel Voss hat zum Beispiel im WDR gesagt, ich würde Leute aufstacheln, das kann man sich in der Mediathek  ansehen. Ein Landesvorsitzender der Jungen Union hat gesagt, dass ich ein "linksgrüner Aktivist" sei, der in seinem gläsernen Loft in Berlin-Mitte sitzen würde. Ich wohne übrigens in Aachen.

Es ist ziemlich peinlich, dass die CDU auf mit Fakten hinterlegte Kritik mit Diskreditierung und dummen Behauptungen reagiert, anstatt darauf einzugehen.

Hast du vor, noch öfter politische Videos zu machen?

Irgendwann bestimmt, Ideen habe ich schon. 

Jetzt muss ich aber erstmal ein paar Wochen wieder entspanntere Sachen machen, der Stress war schon enorm.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, dass am Dienstagabend 4,9 Millionen Menschen die Tagesschau gesehen hätten. Das war aber nur die Einschaltquote in der ARD, hinzu kommen die Dritten Programme. Wir haben die Zahl aktualisiert. 

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