Zeitabschnitte > Germanen und Römer





 

1. Die Epoche der Römischen Kaiserzeit

 
 
 
Mit den Feldzügen der Römer in Germanien zwischen 12 vor und 16 n. Chr. rückte der westfälische Raum erstmalig in den Blickpunkt des Weltgeschehens. Mehrere Angehörige des Kaiserhauses standen als Feldherren an der Spitze dieser Aktionen. Durch den Sieg über den Statthalter Varus 9 n. Chr. gelang es dem Cheruskerfürsten Arminius zwar, die Oberhoheit der Römer abzuschütteln. Mit deren Rückzug an den Rhein war aber auch die Möglichkeit verloren, an den kulturellen Errungenschaften, die diese regelmäßig in ihren Provinzen einführten (modernes Handels-, Wirtschafts-, Kommunikations- und Verwaltungswesen, städtische Lebensweise) direkt teilzuhaben. Trotzdem übte die überlegene Kultur der Römer stets eine große Faszination auf die Germanen aus, und der Kontakt zu den Provinzen brach nie ab. Man bezeichnet die Jahrhunderte nach Christi Geburt, als in Rom Kaiser das Reich regierten, daher auch außerhalb der Grenzen des Imperiums als Römische Kaiserzeit.

Der Begriff "Germanen" ist in der antiken Literatur erstmals bei Poseidonios ca. 80 v. Chr. zu fassen, wird von Julius Cäsar in der Mitte des 1. Jh. v. Chr. häufig verwendet und bezeichnet bei allen Autoren die Gegner der Römer bei den Feldzügen um Christi Geburt.. Ob die so bezeichneten Stämme einen solchen Oberbegriff aus ihrer Sicht akzeptiert und zutreffend gefunden hätten, wissen wir nicht, da es keine einheimischen Schriftquellen gibt und wir daher auf die römischen Autoren und ihre Benennungen angewiesen sind.

Die Römische Kaiserzeit endete im Jahr 375, als mit dem Sieg der aus Asien vordringenden Hunnen über die germanischen Ostgoten die Völkerwanderungszeit begann. In ihrem Verlauf wurde die Rheingrenze, die das Reichsgebiet über Jahrhunderte vom freien Germanien getrennt hatte, zunehmend unsicherer, und mit dem Zusammenbruch des römischen Reichs im 5. Jh. standen den Germanen die ehemaligen Provinzen offen.
 Arminius - Varus. Die Varusschlacht im Jahre 9 n. Chr. Ein Kooperationsprojekt des Internet-Portals "Westfälische Geschichte mit dem LWL-Römermuseum Haltern und dem Lippischen Landesmuseum Detmold mit vielfältigen Informationen und Ressourcen.


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Römische Militärstützpunkte an Rhein und Lippe


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Römisches Kurzschwert (gladius)


Materialien für den Schulunterricht: Hermann-Josef Höper über
 Römerlager an der Lippe


Materialien für den Schulunterricht: Hermann-Josef Höper über das
 Alltagsleben römischer Legionäre
 
 
 
 
 
 

2. Die Germanen in der Phase der
römischen Präsenz

 
 
 
Nicht erst nach dem Ende der Okkupation, auch während des Aufenthalts der Römer befanden sich die beiden Parteien nicht im permanenten Kriegszustand. Es ist vielmehr, zumindest zeitweise, von einem wirtschaftlichen Austausch und friedlichen Zusammenleben auszugehen. Ein interessantes Beispiel dafür ist die germanische Siedlung, die 1971 nur ca. 100 m südwestlich des Legionslagers von Delbrück-Anreppen entdeckt worden ist. Das Fundmaterial aus der Siedlung, die u. a. aus mehreren Grubenhäusern bestand, ist zwar insgesamt eindeutig germanisch geprägt, zeigt aber auch einen hohen Anteil römischer Objekte, die sicher aus dem Lager stammen. Die germanischen Tongefäße stehen in jahrhundertelanger, eisenzeitlicher Tradition. Die Formen sind zumeist relativ schlicht, Schalen und Kümpfe kommen am häufigsten vor. Die römische Keramik aus der germanischen Siedlung weist ein großes Typenspektrum auf: Scherben von Krügen, Kochtöpfen und Amphoren sind ebenso vorhanden wie Feinkeramik in Form von Terra-sigillata-Geschirr und Trinkbechern.

Die Germanen in Anreppen bezogen zwar in erheblichem Umfang römische Güter, wirtschafteten aber auf ihre traditionelle Art und Weise. Die Grubenhäuser waren keine Wohngebäude, sondern werden mit handwerklichen Tätigkeiten in Verbindung gebracht. So handelte es sich also keinesfalls um Hilfstruppen der Römer, die von diesen versorgt wurden. Es ist vielmehr von einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, einem Güteraustausch zwischen zwei selbständigen Gruppen auszugehen. Dafür sprechen als archäologische Anhaltspunkte auch die vereinzelt in Abfallgruben des Militärlagers entsorgten einheimischen Gefäße, die als Behältnisse für Warenlieferungen, z. B. Honig oder Milchprodukte, interpretiert werden können. Vergleichbare Beobachtungen sind auch aus den anderen römischen Militärlagern an der Lippe bekannt: In Haltern wurden ebenfalls germanische Gefäße in Abfallgruben gefunden, und in Bergkamen-Oberaden belegen Pflanzenreste, dass die Römer einen gewissen Anteil ihrer Versorgung mit landwirtschaftlichen Produkten aus der näheren Umgebung bezogen haben.

Einen hervorragenden Einblick in eine germanische Siedlung der Jahrzehnte um Christi Geburt bieten die großflächigen Ausgrabungen, die von 1998 bis 2003 in der Flur "Saatental" bei Paderborn stattgefunden haben. Auf dem östlichen Hochufer des Flusses Alme legten die Grabungsteams über eine Distanz von rund 600 x 300 m Tausende von Siedlungsresten frei, darunter Grundrisse von ebenerdigen Pfostenbauten, Grubenhäusern, Backöfen, Rennöfen zur Eisengewinnung, Vorrats- und Abfallgruben aus der Zeit von der Mitte des 1. Jh. v. Chr. bis um die Mitte des 1. Jh. n. Chr. Unter den Gebäudespuren ist ein 31,50 m langes und 6,50 m breites Haus hervorzuheben. Seine Ausmaße sind am Verlauf der Gräbchen, in denen ursprünglich die Hauswände fundamentiert waren, genau erkennbar. In einem Haus dieser Größe und Konstruktion lebten Menschen und Tiere unter einem Dach. Durch die zweischiffige Konstruktion erreichte man für den Westteil einen weitgehend pfostenfreien, großzügigen Raum, der zum Wohnen und Arbeiten geeignet war. Im dreischiffigen Ostteil dagegen wird man das Vieh untergebracht haben. Hier könnten mit Hilfe der Innenpfosten Viehboxen abgetrennt worden sein. Im Osten des Hauses ist anhand der Wandgräbchen eine nur 2,25 m breite Kammer auszumachen. Schließlich lassen entsprechende Pfostensetzungen, jedoch ohne Wandgräbchen, darauf schließen, dass das Haus nachträglich um einen 4 m großen Anbau nach Osten erweitert worden ist. Die Wände bestanden aus lehmverputztem Flechtwerk und das Dach war mit Reet oder Stroh gedeckt.

Rund ein Dutzend Grundrisse dieser Art hat man im Saatental freigelegt. Sicher haben sie nicht alle gleichzeitig bestanden, sondern belegen eine Siedlung aus vielleicht drei oder vier Höfen, die etwa ein Jahrhundert lang existierte. Weitere Siedlungsplätze sind von den nördlich angrenzenden Uferbereichen der Alme bekannt, so dass sich das Bild einer intensiv besiedelten Landschaft abzeichnet. Dabei ist festzuhalten, dass sowohl die Zeit unmittelbar vor den römischen Feldzügen, als auch die Okkupationsphase selbst und der folgende Abschnitt belegt sind. Eine beträchtliche Anzahl von Objekten, die die Bewohner offensichtlich direkt oder indirekt von den römischen Truppen bekommen haben, deuten auf einen gewissen Austausch hin.

Die angesprochene Kontinuität ließ sich auch in Soest-Ardey beobachten, wo eine Hofanlage über drei Phasen von der späten vorrömischen Eisenzeit bis in die ersten Jahrzehnte nach Christi Geburt bestanden hat. In der frühen Römischen Kaiserzeit hat es also zumindest im Gebiet zwischen Lippe und Ruhr trotz der Feldzüge der Römer und der damit verbundenen Turbulenzen eine Konstanz im einheimischen Siedlungswesen gegeben. Archäologische Untersuchungen und naturwissenschaftliche Daten, z. B. Pollenanalysen, zeigen bereits für den Beginn unserer Zeitrechnung eine weithin erschlossene Kulturlandschaft.
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Grabungsplan der Nordwestecke des Lagers Oberaden


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Luftbild des Römerlagers Anreppen


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Modell des römischen Lagers Anreppen (Ausschnitt)


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Modell der Speicherbauten im römischen Lager Anreppen


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Modell des römischen Hauptlagers Haltern am See


Materialien für den Schulunterricht: Reinhard Stupperich über  Römischer Import in Westfalen


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Der Grundriss eines germanischen Wohn-Stallhauses in Paderborn-Saatental


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Paderborn-Saatental: Die Ausgräber haben die Standspuren ehemaliger Hauspfosten durch Hölzer markiert


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Römische Bronzefibel aus Paderborn-Balhorn
 
 
 

3. Westfalen nach dem Rückzug
der Römer

 
 
 

3.1 Siedlungen

 
 
 
Bereits in die Zeit nach den römischen Feldzügen gehört eine Ansiedlung germanischer Kunstschmiede in Warburg-Daseburg, die zwischen etwa 20/30 bis 50/60 n. Chr. existiert hat. Der 110 m x 80 m große Siedlungsplatz lässt sich grob in zwei Funktionsbereiche gliedern: einerseits den Wohn- und Wirtschaftsbereich und andererseits den Werkstattbereich. Besonders wichtig ist der Fundplatz wegen der Nachweise zur Buntmetallverarbeitung. In fast einmaliger Weise ist die Fibelproduktion in ihren einzelnen Arbeitsschritten nachvollziehbar. Dies bedeutet aber nicht, dass normale hauswirtschaftliche Tätigkeiten hier nicht stattgefunden hätten. Bei der Keramik, die wie in den früheren Epochen mit der Hand, ohne Einsatz der Töpferscheibe, geformt und im offenen Feuer gebrannt war, treten nun aber neue Gefäßtypen und Verzierungen auf. Damit entspricht das Repertoire der Daseburger Siedlung dem Keramikspektrum, das seit dem 1. Jh. n. Chr. für den gesamten germanischen Kulturraum zwischen Rhein und Weser charakteristisch war.

Die wohl bedeutendste Fundstelle der Römischen Kaiserzeit in Nordwestdeutschland liegt in Kamen-Westick, am Zusammenfluss von Seseke und Körne. Zu den wichtigsten Gebäudespuren zählten drei Wohnstallhäuser, von denen eines 48 m lang und 7,5 m breit war. Im Wohnteil dieses größten Hauses fanden sich Spuren eines Holzkästchens mit 55 römischen Münzen aus der Mitte des 4. Jh.. Die seit den 1920er Jahren in Westick zusammengetragenen Funde zeigen eine Platzkontinuität vom 1. Jh. v. Chr. bis mindestens zum 5. Jh.. Auffällig ist die Tatsache, dass sich unter dem Fundmaterial ein sehr hoher Anteil an Importwaren aus dem Römischen Reich befindet. So übertrifft die Vielfalt an römischen Gläsern, Fein- und Grobkeramik, Bronzegefäßen, Münzen, Schmuck, Zierbeschlägen, Möbelteilen, Pferdegeschirr usw. das aus anderen Siedlungen bekannte Aufkommen bei weitem. An bronzenen Götterstatuetten ist Mars zweimal vertreten, Minerva und Jupiter je einmal, dazu drei leere Sockel. Aber auch das Spektrum der germanischen Funde unterstreicht den außergewöhnlichen Reichtum: u. a. viele Bronzefibeln, ein goldener Armreif, ein vergoldeter Beschlag mit Tierdarstellung, weitere Objekte aus Gold und Silber.

Ein wesentlicher Faktor ist neben der Qualität auch die außergewöhnliche Quantität der Fundgegenstände. So liegen derzeit allein rund 1500 römische Münzen vor. Insgesamt gesehen haben wir es in Kamen-Westick mit einer germanischen Siedlung zu tun, die über sehr intensive Handelsbeziehungen mit den römischen Provinzen am Rhein verfügte. Daraus resultierte ein erheblicher Reichtum an den begehrten römischen Gütern, darunter auch Luxuswaren. Zudem ist aber auch Spezialhandwerk wie die Verarbeitung von Bronze, Silber und Gold nachzuweisen. Offensichtlich verwendeten die Feinschmiede in erster Linie Altmetall, das in Form von zerstückelten römischen Bronzegegenständen massenhaft in der Siedlung gefunden wurde. Da insbesondere das Metallaufkommen weit über den Bedarf einer einzelnen Siedlung hinausgeht, dürfte der Warenumschlag in das germanische Umfeld eine wichtige Rolle gespielt haben.

Zu vergleichbaren Ergebnissen führten die Grabungen in Borken-West. Auch hier wurde Buntmetallschrott römischer Herkunft weiterverarbeitet. Umfangreich ist das Spektrum der Keramik- und Metallobjekte, u.a. Fibeln und andere Trachtbestandteile, Bruchstücke lateinisch beschrifteter Bronzetafeln und 78 römische Münzen. Der chronologische Schwerpunkt liegt im 2. bis 4. Jh.. Auch der bereits erwähnte Siedlungsplatz Soest-Ardey tritt durch zahlreiche römische Importfunde und Münzen sowie Spuren der Buntmetallverarbeitung hervor. Neue Ausgrabungen der Jahre 2001 bis 2004 unterstreichen die erhebliche Ausdehnung des Siedlungsplatzes über mehrere Hektar. Besonders fällt das massenhafte Auftreten von Bleistücken und -barren in Auge.

In die Spätphase der Römischen Kaiserzeit, in das 4. und beginnende 5. Jh. gehört die Siedlung von Dortmund-Oespel. Auf einer Fläche von 1,5 ha befanden sich mehrere Pfostenbauten sowie rund 30 Grubenhäuser. Zwischen den Grubenhäusern standen Back- oder Töpferofen, sowie der Arbeitsplatz eines Buntmetallhandwerkers. In der Peripherie der Siedlung fanden sich mehrere Gruben, deren ungewöhnlicher Inhalt, z. B. ineinander gestellte Tongefäße und eine Pferdebestattung, an Kulthandlungen denken lässt. Die naturwissenschaftlichen Ergebnisse beleuchten beispielhaft Landwirtschaft und Umwelt. Mit rund der Hälfte aller Knochenreste war das Rind die häufigste Haustierart, gefolgt vom Schwein und Schaf bzw. Ziege. Vereinzelt wurden Pferde- und Eselknochen nachgewiesen, die aber nicht mit der Fleischversorgung in Verbindung stehen. Wildtiere sind kaum vorhanden; lediglich Relikte vom Rothirsch und ein Braunbärenknochen. Unter den Kulturpflanzen nimmt die Rispenhirse den ersten Rang ein. Auch Gerste wurde in erheblichem Umfang angebaut, dagegen kaum Weizen. Eine gewisse Rolle spielte auch der Anbau von Erbsen. An Wildfrüchten wurden Haselnuss und Schlehe gesammelt. Wie die Auswertung der Holzkohlespektren ergab, existierten in der Umgebung der Siedlung keine naturnahen Wälder mehr, sondern sog. Wirtschaftswälder als Ergebnis menschlicher Eingriffe wie Viehweide innerhalb des Waldes und Holzeinschlag.

Allgemein können wir zum Siedlungswesen festhalten: Die Bevölkerung lebte auf einzelnen oder in kleinen Gruppen beieinander liegenden Gehöften. Ein Betrieb bestand aus einem Wohnstallhaus als Hauptgebäude und mehreren Nebengebäuden wie Scheunen, Speichern und Grubenhäusern. Etwa alle 30 Jahre, also ungefähr in jeder Generation, musste man die Holzgebäude ersetzen, und damit ging oftmals auch eine Verschiebung der Siedlungsfläche einher. Dabei wurde auf die Nähe zu einem Fließgewässer geachtet. Größere Dörfer oder stadtähnliche Siedlungen existierten nicht, ebenso wenig bauten die Germanen Häuser aus Stein. Die bäuerliche Selbstversorgung durch Ackerbau und Viehzucht bildete die wirtschaftliche Grundlage, die Jagd spielte nur eine geringe Rolle. Handwerkliche Tätigkeiten wie die Herstellung von Textilien, Tongefäßen, Werkzeugen etc. sowie der Hausbau wurden im wesentlichen von den einzelnen Betrieben selbst geleistet. In diesem Bild der allgemeinen Subsistenzwirtschaft fallen aber Plätze auf, an denen offenbar spezialisierte Handwerker Überschüsse produzierten. Kaum noch mit bäuerlicher Subsistenzwirtschaft in Verbindung zu bringen sind Fundstellen wie Kamen-Westick. Der Standort übte offenbar zentralörtliche Funktionen aus, in diesem Fall die eines Umschlagplatzes für Waren (Fertigprodukte und Buntmetallschrott) aus dem Römischen Reich.
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Warburg-Daseburg: Rekonstruktion des germanischen Siedlungsplatzes der Schmiedesiedlung Daseburg von Süden


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Herstellungsreihe bronzener Armbrustfibeln mit hochgeschweiftem, massivem Bügel und verjüngtem Fuß (Form Almgren 18) vom Stabbaren-Teilstück über verschiedene Halbfabrikate bis zum fertigen Stück


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Blick über eine der Grabungsflächen in Kamen-Westick, August 1931


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Kamen-Westick: Dokumentation eines Grubenprofils durch eine Mitarbeiterin der LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe


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Modell eines germanischen Hauses im Gustav-Lübcke-Museum, Hamm


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Römischer Zierbeschlag vom Pferdegeschirr mit Gesicht der Medusa


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Mars-Statuette auf Sockel (Fotomontage).


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Vergoldeter Beschlag mit Tierdarstellung aus Kamen-Westick, hergestellt in Südskandinavien


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Keramik verschiedener Art aus der Siedlung von Soest-Ardey
 
 
 
 
 

3.2 Kleidung

 
 
 
Von der Kleidung der Germanen sind in den Siedlungen und auch in den Gräbern meist nur einzelne Metallteile wie Fibeln oder Gürtelelemente erhalten. Aufgrund von römischen Schrift- und Bildquellen, gut erhaltenen Moorfunden etc. lassen sich aber dennoch Vorstellungen vom Aussehen der Menschen entwickeln. So waren Frauen mit Gewändern unterschiedlicher Länge bekleidet, die auf den Schultern mit Fibeln sowie mit einem Gürtel zusammengehalten wurden. Dagegen trugen Männer Hosen und kittelartige Hemden mit breiten, durch Beschläge verzierten Gürteln. Hinzu kamen bei Männern und Frauen Mäntel bzw. Umhänge, die aus einem großen Stück Stoff bestanden und ebenfalls mit Fibeln verschlossen wurden. Neben Wolle und Leinen wurden auch Leder und Pelze zu Kleidung und Schuhen verarbeitet. Die mit aufwändigen Mustern gewebten Stoffe, die zudem durch pflanzliche Mittel gefärbt sein konnten, wirkten keineswegs primitiv. Als Haarschmuck gehörten Hauben oder Tücher, die durch Nadeln festgesteckt wurden, zur Frauentracht. An Waffen verfügten die Germanen im Wesentlichen über Lanzen, Speere, Schwerter und Schilde.
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Römische Bronzefibel mit Millefiorieinlage
 
 
 
 
 

3.3 Friedhöfe

 
 
 
Wie schon in der vorrömischen Eisenzeit wurden die Toten mitsamt ihrer Kleidung sowie Beigaben auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Dann sammelte man den Leichenbrand aus den Brandresten heraus und setzte ihn in einem Behältnis aus organischem Material, seltener in einer Urne aus Ton, in einer kleinen Grabgrube bei. Meist verfüllte man die Grube mit Rückständen des Scheiterhaufens, die verschiedentlich auch verbrannte Beigabenreste enthielten. In einer häufigen Variante wurden die gesamten Verbrennungsreste, also Leichenbrand und Scheiterhaufenreste, auch unsortiert in die Grabgrube geschüttet.

Das Gräberfeld von Porta-Westfalica-Costedt gehört zu den am besten erforschten Friedhöfen der Römischen Kaiserzeit in Westfalen. Insgesamt 44 Bestattungen erstrecken sich über den Zeitraum von der Mitte des 2. bis zur Mitte des 3. Jh.. Frauen- und Männergräber konnten sowohl anhand der Kleidungs- und Beigabenreste als auch durch anthropologische Untersuchungen der Knochen unterschieden werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug bei den Costedter Germanen fast 37 Jahre, manche der Toten waren über 60 Jahre alt geworden. Für zwei Frauen ließen sich ungefähre Körpergrößen von 1,58 bzw. 1,60 m rekonstruieren, für einen Mann eine Größe von 1,72 m. Auf der Basis der Beigaben, darunter auch römische Importgegenstände, ergibt sich auf dem Friedhof von Costedt das Bild zweier verschiedener Personengruppen, von denen die eine über drei Generationen hinweg erkennbar reichere Totenausstattungen hat als die andere.

Aufgrund der Schlichtheit der Gräber und ihrer meist geringen Ausstattung mit zudem bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Beigaben hat man in Westfalen bislang wesentlich weniger Friedhöfe als Wohnplätze entdeckt. Nur selten haben wertvolle Beigaben das Scheiterhaufenfeuer überstanden wie der kleine Goldanhänger aus Bad Salzuflen. Offensichtlich waren die Gräberfelder oft auch nicht sehr groß. In Enger-Siele umfasste ein vollständig freigelegter Friedhof nur 13 Bestattungen. Er dürfte auf eine kleine Gemeinschaft, etwa die Bewohner eines Gehöftes, zurückgehen, die hier im 4. Jh. ihre Toten beigesetzt hat. Das Urnengrab einer wohl weiblichen Person mit Beigaben aus Gold und Silber hob sich durch seinen Reichtum ab. Wie schon in Costedt war das Fehlen von Kinderbestattungen auffällig. Dies mag an der Grazilität von Kinderknochen und den daraus resultierenden schlechten Überlieferungsaussichten liegen. Eine andere Erklärung könnte im Bestattungsbrauchtum zu finden sein: Wurden Kinder überhaupt auf den Friedhöfen der Erwachsenen beigesetzt?Wie schon in der vorrömischen Eisenzeit wurden die Toten mitsamt ihrer Kleidung sowie Beigaben auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Dann sammelte man den Leichenbrand aus den Brandresten heraus und setzte ihn in einem Behältnis aus organischem Material, seltener in einer Urne aus Ton, in einer kleinen Grabgrube bei. Meist verfüllte man die Grube mit Rückständen des Scheiterhaufens, die verschiedentlich auch verbrannte Beigabenreste enthielten. In einer häufigen Variante wurden die gesamten Verbrennungsreste, also Leichenbrand und Scheiterhaufenreste, auch unsortiert in die Grabgrube geschüttet.

Das Gräberfeld von Porta-Westfalica-Costedt gehört zu den am besten erforschten Friedhöfen der Römischen Kaiserzeit in Westfalen. Insgesamt 44 Bestattungen erstrecken sich über den Zeitraum von der Mitte des 2. bis zur Mitte des 3. Jh.. Frauen- und Männergräber konnten sowohl anhand der Kleidungs- und Beigabenreste als auch durch anthropologische Untersuchungen der Knochen unterschieden werden. Die durchschnittliche Lebenserwartung betrug bei den Costedter Germanen fast 37 Jahre, manche der Toten waren über 60 Jahre alt geworden. Für zwei Frauen ließen sich ungefähre Körpergrößen von 1,58 bzw. 1,60 m rekonstruieren, für einen Mann eine Größe von 1,72 m. Auf der Basis der Beigaben, darunter auch römische Importgegenstände, ergibt sich auf dem Friedhof von Costedt das Bild zweier verschiedener Personengruppen, von denen die eine über drei Generationen hinweg erkennbar reichere Totenausstattungen hat als die andere.

Aufgrund der Schlichtheit der Gräber und ihrer meist geringen Ausstattung mit zudem bis zur Unkenntlichkeit verbrannten Beigaben hat man in Westfalen bislang wesentlich weniger Friedhöfe als Wohnplätze entdeckt. Nur selten haben wertvolle Beigaben das Scheiterhaufenfeuer überstanden wie der kleine Goldanhänger aus Bad Salzuflen. Offensichtlich waren die Gräberfelder oft auch nicht sehr groß. In Enger-Siele umfasste ein vollständig freigelegter Friedhof nur 13 Bestattungen. Er dürfte auf eine kleine Gemeinschaft, etwa die Bewohner eines Gehöftes, zurückgehen, die hier im 4. Jh. ihre Toten beigesetzt hat. Das Urnengrab einer wohl weiblichen Person mit Beigaben aus Gold und Silber hob sich durch seinen Reichtum ab. Wie schon in Costedt war das Fehlen von Kinderbestattungen auffällig. Dies mag an der Grazilität von Kinderknochen und den daraus resultierenden schlechten Überlieferungsaussichten liegen. Eine andere Erklärung könnte im Bestattungsbrauchtum zu finden sein: Wurden Kinder überhaupt auf den Friedhöfen der Erwachsenen beigesetzt?
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Bielefeld-Sieker: Brandgrab im jüngerkaiserzeitlichen germanischen Brandgräberfeld mit Urne (Tongefäß, Höhe 17 cm) und Resten des Scheiterhaufens (Grab 33) während der Ausgrabung 1964
 
 
 
 
 

3.4 Kult und Magie

 
 
 
Die Germanen verehrten ihre Gottheiten in der freien Natur, in heiligen Hainen, an Gewässern, Quellen oder Mooren. An diesen Opferplätzen wurden den Göttern wertvolle Güter wie Schmuck und Trachtbestandteile, kostbares Geschirr, Waffen, Tiere und offenbar sogar Menschen dargebracht. Unmittelbar östlich neben der Siedlung von Soest-Ardey liegt ein Quellteich, der 1826/1827 gereinigt worden ist. Die dabei gemachten und aufgezeichneten Beobachtungen lassen darauf schließen, dass ursprünglich ein Holzsteg in den Teich hineinführte, von dem aus man Opfergaben versenkt hat. So wurden hochwertige Tongefäße gefunden, die, vielleicht mit Speisen gefüllt, im Teich deponiert worden waren. Hinzu kommen Rinderhörner, Stücke von Hirschgeweih, Eberhauer und Pferdezähne, also Teile von Tierköpfen, die auf germanischen Opferplätzen überregional regelmäßig auftreten.

In Castrop-Zeche wurde 1991 bis 1995 ein bedeutender Fundplatz der jüngeren Kaiserzeit ausgegraben. Spuren einer dauerhaften Besiedlung waren nicht vorhanden, dafür aber Hinweise auf einen wichtigen Handelsplatz mit benachbartem Kult- und Opferplatz. Wie in Kamen-Westick ist vor allem der Handel mit Metallgegenständen und Altmetall nachzuweisen. Dazu passen die insgesamt 252 römischen Bronze- und Silbermünzen, die bei den Ausgrabungen geborgen wurden. Direkt neben dem Handelsplatz befand sich im 3. und 4. Jh. eine morastige Senke. Die Vielzahl von Wertgegenständen aus Metall und Münzen, die in der Senkenfüllung aufgefunden wurden, lässt sich nur durch absichtliche Opferungen erklären. Dies ist auch für die deponierten Pferdeköpfe und -beine sowie einzelne und zusammenhängende Teile von Rindern und Pferden anzunehmen. Ebenfalls kultischen Hintergrund haben Bestattungen von bestimmten Tierteilen in Gruben.

Einen Einblick in private magische Vorstellungen geben bronzene Orakelstäbchen, die man als Entscheidungshilfe benutzte: Dazu nahm man zwei prinzipiell identische Stäbchen, die sich nur durch Markierungen an den Schmalseiten voneinander unterschieden. Wenn man nun zur Klärung einer bestimmten Frage "blind" das eine oder das andere Stäbchen zog, hatte man eine entsprechende Entscheidung des Orakels. Solche Orakelstäbchen liegen z. B. aus Borken-West, Castrop, Kamen-Westick, Beelen, Soest-Ardey, Lichtenau-Helmern und Paderborn-Balhorn vor.
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Kamen-Westick: Bronzene Orakelstäbchen mit markierten Schmalseiten
 
 
 

4. Beziehung Germanen-Römer

 
 
 

4.1 Germanen in den römischen Schriftquellen

 
 
 
Da bei den Germanen die Schrift weitestgehend unbekannt war, beruhen unsere schriftlichen Überlieferungen auf den römischen Autoren und ihrer subjektiven Sichtweise. Interessante Angaben über verschiedenste Aspekte enthält z. B. die "Germania" des Tacitus. Exemplarisch sollen hier seine Beschreibungen der politischen Strukturen wiedergegeben werden:
"Könige wählen sie aufgrund ihres Adels, Heerführer nach ihrer Tapferkeit. Auch die Könige haben keine unumschränkte oder auch nur freie Gewalt. Die Führer befehligen mehr durch ihr Beispiel als durch Machtbefugnis [...]. Über weniger wichtige Angelegenheiten entscheiden die Fürsten, über wichtigere das Gesamtvolk, doch so, dass auch die Fälle, deren Entscheidung dem Volke zukommt, bei den Fürsten vorher eingehend behandelt wird [...]."

Wenngleich die Forschung gezeigt hat, dass nicht alle Aussagen römischer Autoren mit der Realität gleichgesetzt werden dürfen, so gibt der Bericht doch Kenntnis von einer hierarchisch gegliederten Gesellschaftsform der Germanen. Es ist bereits angeklungen, dass die "Germanen" keine Einheit im Sinne eines einzigen Volkes waren und auch keine Gruppe von fest zusammengeschlossenen Einzelstämmen. Sofern dies für die römischen Berichterstatter relevant und erkennbar war, kam es ständig zu Konflikten zwischen den verschiedenen Stämmen. Die Forschung tut sich schwer, aus den knappen Beschreibungen des Tacitus und anderer Autoren Informationen über die genauen Siedlungsgebiete der namentlich aufgeführten Stämme zu entnehmen. Schon fast erstaunlich wirkt auf dem Hintergrund der verschiedenen und teilweise gegensätzlichen Stämme an Rhein und Weser die absolute Gleichförmigkeit ihrer archäologischen Hinterlassenschaften. Dieser rhein-wesergermanische Formenkreis erstreckt sich vom Niederrhein bis in den Raum Osnabrück und die Gegend von Hannover, erreichte im Südosten Thüringen und im Süden den Main. Kulturelle Merkmale wie Hausformen, Grabsitten, Kleidung, Keramiktypen etc. haben bisher trotz intensiver Bemühungen noch keine sicheren Anhaltspunkte für die Abgrenzung eines Stammesgebiets von einem anderen geliefert.
 
 
 
Nachdem vor allem die deutschen Humanisten, unter ihnen Ulrich von Hutten, die positive Schilderung des Arminius und der Germanen überhaupt herausstellten, entstand im 18. und 19. Jh. eine Vielzahl von Schauspielen, Gedichten und Dramen über die "Hermannschlacht" und Arminius sowie zahlreiche Werke der bildenden Künste, die um die nationale Einigung, Selbstbehauptung und Identität der Deutschen kreisen. Sichtbares Zeichen dafür ist das 1875 eingeweihte Hermannsdenkmal bei Detmold, das noch bis in die Neuzeit für politische Propaganda genutzt wurde.
Materialien für den Schulunterricht: Anne Roerkohl über das  Hermannsdenkmal



Philipp von Hugo:  Rezeption der "Hermannschlacht" im Film
 
 
 
 
 

4.2 Fernhandel

 
 
 
Eine der wesentlichen kulturgeschichtlichen Entwicklungen in den Jahrhunderten nach Christi Geburt ist die starke Zunahme des Warenstroms aus dem Imperium in der jüngeren Römischen Kaiserzeit etwa ab dem fortgeschrittenen 2. Jh., u. a. mit dem Effekt, dass in Westfalen jetzt weitaus mehr Metall im Umlauf war als jemals zuvor.

Bisher ging man davon aus, dass die Germanen keine Geldwirtschaft, sondern einen reinen Tauschhandel praktizierten, einen Bedarf an Münzgeld hätten sie eigentlich nicht gehabt. Das germanische Interesse an römischen Münzen erklärt sich demnach aus dem Wert des Materials, das man problemlos einschmelzen konnte. Allgemein können wir für den westfälischen Raum ein erstaunlich hohes Aufkommen römischer Münzen konstatieren. In Kamen-Westick sind rund 1.500 Münzen gefunden worden. Somit ist Westick der reichste Fundplatz in Westfalen und benachbarten Gebieten Germaniens, gefolgt von Castrop-Zeche Erin und Soest-Ardey, die ebenfalls jeweils mehrere Hundert Münzen geliefert haben. In auffälliger Weise konzentrieren sich die Münzfunde im Einzugsbereich des Hellwegs, dem westfälischen Teilstück der West-Ost Kontinentalverbindung, deren überragende Bedeutung für das Mittelalter bekannt ist. Dabei gehört der weitaus größte Teil der Münzen in die erste Hälfte des 4. Jh., die Zeit des Kaisers Constantin und seiner Söhne. Während in den vorangegangenen Jahrhunderten Edelmetallmünzen, insbesondere die silbernen Denare, einen großen Teil der Münzen ausmachten, bestehen die Fundmünzen der constantinischen Ära fast alle aus Bronze. Der Rohstoffwert dieser Stücke für die Metallverarbeitung ist nur recht gering. Sehr wahrscheinlich hatte die germanische Bevölkerung zumindest in dieser Phase Anteil an der römischen Geldwirtschaft. Die Münzaufkommen von Siedlungen wie Kamen-Westick entsprechen sowohl in ihrer hohen Stückzahl als auch in ihrem Typenspektrum vollauf dem aus ländlichen Siedlungen innerhalb der Provinz bekannten Bild.

Durch überregionale Analysen des gesamten römischen Importmaterials in den provinznahen Bereichen Westfalens, Niedersachsens und der Niederlande, nicht nur der Münzen, konnten für die Zeit des 1. bis 5. Jh. schwankende Zuströme festgestellt werden, die man als Abbild der jeweiligen politischen Stimmungslage interpretiert. Über die Art der Waren, die im Austausch gegen die römischen Importe aus dem freien Germanien in die Provinz geliefert wurden, sind aus archäologischer Sicht kaum definitive Aussagen möglich. Es handelte sich wohl überwiegend um Naturprodukte wie Felle, Leder, Wild, Frauenhaar, Honig, Wachs o. ä. Dass der Hellweg für diesen Handelsverkehr von großer Bedeutung war, ergaben bereits die Münzfunde. Der entsprechende Handelsplatz auf römischer Seite dürfte Krefeld-Gellep, das antike Gelduba, gewesen sein. Daneben gibt es natürlich noch weitere Möglichkeiten des Warentransfers von Römern zu Germanen, z. B. als Beutegut, Soldzahlung oder als Geschenke an die Stammeseliten mit dem Ziel der politischen Einflussnahme. Bemerkenswert ist, dass außer Waren auch Technologie nach Germanien transferiert wurde. Wohl schon für das 3., sicher aber für das 4. Jh. gibt es Hinweise auf eine Keramikproduktion in römischer Technologie auch in Westfalen.

Aus Soest ist seit wenigen Jahren ein germanischer Standort des 1. Jh. bekannt, der auf die Verarbeitung von Blei spezialisiert war. Zum Fundmaterial gehören u. a. Bleibarren von mehreren Hundert Gramm Gewicht, wie sie auch in verschiedenen Siedlungen des nördlichen Sauerlandes und der sich daran anschließenden Bördenzone bis zur Lippe gefunden worden sind. Das Blei könnte durchaus im nördlichen Sauerland abgebaut worden sein. Allerdings scheinen die Germanen selbst kaum Bedarf daran gehabt zu haben. Ganz anders die Römer, bei denen eine große Nachfrage bestand. Daher ist es gut vorstellbar, dass in Westfalen Blei gewonnen und in die römischen Provinzen transportiert wurde. Das Soester Zentrum der Bleiverarbeitung ist ein Anhaltspunkt dafür, dass Bodenschätze Teil eines organisierten Güterverkehrs zwischen Germanen und Römern waren. Der Fernhandel hätte sich demnach auf einem viel höheren Niveau abgespielt hat, als bisher für möglich gehalten.
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Fundkarte römischer Importobjekte in Westfalen


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Übersichtskarte: Lebensräume der germanischen Stämme im nördlichen Bereich des rechtsrheinischen Gebietes und aufgefundene Römerlager, die während der Herrschaft des Kaisers Augustus errichtet worden sind


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Römische Münzen aus Gold, Silber und Kupfer aus Kamen-Westick


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Bleifunde aus Soest-Ardey
 
 
 
 
 

4.3 Germanische Söldner in
römischen Diensten

 
 
 
Eine interessante Fundgruppe der Römischen Kaiserzeit bzw. der nachfolgenden Völkerwanderungszeit sind die von vielen Plätzen bekannten Bestandteile spätrömischer Militärgürtelgarnituren. Angesichts der schweren Germanenüberfälle auf die römischen Provinzen des Rheinlands und Galliens ab dem 3. Jh. n. Chr. sah sich das Imperium zu einer grundlegenden Neuorganisation der Armee gezwungen, die besonders mit den Namen der Kaiser Constantin I. (306-337 n. Chr.) und Valentinian I. (364-375 n. Chr.) verbunden ist. Da zur Umsetzung dieser Reformen die bisherige Praxis der Rekrutierung unter der Reichsbevölkerung nicht mehr ausreichte, ging man dazu über, in großem Umfang Nichtrömer, "Barbaren", einzusetzen, insbesondere Angehörige rechtsrheinischer Stämme. Diese Söldner wurden nicht einzeln angeworben, sondern es kamen germanische Führer mitsamt ihrer Gefolgschaft. Ihre Ausrüstung, zu der neben den Waffen auch der charakteristische Militärgürtel gehörte, bezogen sie aus römischer Produktion. Im mittleren 5. Jh. n. Chr. bestand ein solcher Gürtel aus einem breiten Lederriemen mit Bronzezubehör wie Schnalle und Beschläge. Die westfälischen Nachweise solcher Militärgürtel dürften von germanischen Söldnern mitgebracht worden sein, die nach der Dienstzeit wieder in ihre Heimatgebiete zurückgekehrten. Von einem geradezu sagenhaften Reichtum zeugt der in der Innenstadt von Dortmund entdeckte Schatz aus 444 römischen Goldmünzen sowie drei goldenen Halsreifen. Er wurde im frühen 5. Jh. vergraben und ist der bei weitem reichste Schatz aus einer kleinen Gruppe entsprechender Funde. Als weitere Beispiele seien die Schatzfunde von Östrich-Letmathe und Beelen genannt. Sie werden als Ergebnis römischer Sold- oder auch Tributzahlungen an germanische Fürsten und ihre kriegerischen Gefolgschaften angesehen.

Die Anführer der germanischen Gefolgschaften stiegen in der römischen Armee oft in hohe Ämter auf. Im Laufe der Zeit kamen ganze Familienverbände mitsamt Frauen und Kindern in die römischen Provinzen. Während manche später wieder zurückkehrten, ließen sich andere für immer dort nieder. Somit ergibt das Verhältnis zwischen Römern und Germanen auch in der Spätphase der Römischen Kaiserzeit und Völkerwanderungszeit ein ambivalentes Bild: Einerseits bedrohen Germanen die Reichsgrenzen, andererseits werden germanische Stammesteile zur Verteidigung der Provinzen angeworben bzw. sogar hier angesiedelt. In diesem Zusammenhang fallen einzelne Schlaglichter der historischen Überlieferung auch auf den rechtsrheinischen Raum. Es ist von germanischen Fürsten und Königen die Rede und wir erfahren die Namen verschiedener Stämme, die verschiedentlich auch mit einer Art Sammelbegriff als Franken bezeichnet werden.
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Dortmunder Goldschatz


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Hort-Schatzfund von Beelen
 
 
 
 
 
 

5. Ende des Römerreichs

 
 
 
Die großen fränkischen Bevölkerungsgruppen, die sich im 4. und 5. Jh. in Nordgallien ansiedelten, trugen einerseits zu gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen in der römischen Provinz bei, wurden andererseits aber natürlich auch stark von der dortigen Kultur beeinflusst. Ein gutes Beispiel dafür ist die Aufgabe der traditionell germanischen Sitte der Brandbestattung zugunsten der provinzialrömischen Körperbestattung. Zudem kamen die Germanen im römischen Reich erstmalig mit dem Christentum in Kontakt, das im 4. Jh. Staatsreligion geworden war. Der kulturelle Kontakt zwischen den germanischen Gruppen innerhalb der Provinz und denen in den rechtsrheinischen Ursprungsgebieten blieb aber offenbar bestehen. Angesichts des Zerfalls der römischen Staatsstrukturen setzte bei den in Nordgallien lebenden germanischen Bevölkerungsgruppen ein politisch-gesellschaftlich tief greifender Prozess ein, der während des 5. und 6. Jh. n. Chr. zur Herausbildung des Reiches der Franken führte, das in kultureller Hinsicht stark romanisiert und christlich beeinflusst war. Wenngleich manche Neuerungen wie der Übergang zur Körperbestattung auch hier allmählich Eingang fanden, blieb die Bevölkerung in den rechtsrheinischen Ursprungsgebieten der fränkischen Stämme, z. B. im heutigen Westfalen, von diesen Entwicklungen doch noch weitgehend ausgeschlossen.
 
 
 
 

6. Literatur

6.1 Allgemeine Geschichte

Beck, Heinrich / Geuenich, Dieter / Steuer, Heiko (Hg.)
Germanen, Germania, germanische Altertumskunde. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Studienausgabe. 2., völlig neu bearb. und stark erw. Aufl. Berlin 1998.

Böhme, Horst Wolfgang
Neue Forschungen zur Spätantike. Ein Geschichtsbild ändert sich. In: Menghin, Wilfried / Planck, Dieter (Hg.), Menschen, Zeiten, Räume. Archäologie in Deutschland (Katalog zur Ausstellung "Menschen, Zeiten, Räume - Archäologie in Deutschland", Martin-Gropius-Bau, Berlin, 6. Dezember 2002 bis 31. März 2003; Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn, 9. Mai 2003 bis 24. August 2003), Stuttgart 2003, S. 293-305

Corpus der römischen Funde im europäischen Barbaricum (CRFB). Reihe des Deutschen Archäologischen Instituts. Bisher erschienen die Bände Berlin-Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen/Bremen und Schleswig-Holstein, Westfalen [in Druckvorbereitung]

Erdrich, Michael
Rom und die Barbaren. Das Verhältnis zwischen dem Imperium Romanum und den germanischen Stämmen vor seiner Nordwestgrenze von der späten römischen Republik bis zum Gallischen Sonderreich. Römisch-Germanische Forschungen, Bd. 58. Mainz 2001

Künzl, Ernst
Die Germanen. Geheimnisvolle Völker aus dem Norden. Stuttgart 2008

Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland (Hg.)
Rom und die Barbaren. Europa zur Zeit der Völkerwanderung. Ausstellungskatalog Venedig/Bonn 2008
 
 
 
 
 
 

6.2 Westfälische Geschichte

Neujahrsgruß. Jahresbericht der LWL-Archäologie für Westfalen und der Altertumskommission für Westfalen.
Der populär gehaltene Bericht der Bodendenkmalpflege, der LWL-Museen und der Altertumskommission erscheint jährlich und bietet in knapper Form aktuelle Informationen über die archäologischen Entdeckungen des jeweils vergangenen Jahres. Zudem werden neue Publikationen aufgeführt.

Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe (AFWL)
Die Fachzeitschrift der LWL-Archäologie für Westfalen enthält einerseits wissenschaftliche Beiträge und Grabungsberichte zu Bodendenkmälern und Aspekten der Ur- und Frühgeschichte Westfalens und andererseits eine wissenschaftliche Fundchronik. Mit dem aktuellen Band 10, erschienen 2007, wurde die Fundchronik bis zum Fundjahr 1995 fortgeschrieben. Die AFWL-Bände erscheinen unregelmäßig.

Bodenaltertümer Westfalens (BAW)
In dieser Reihe veröffentlicht die LWL-Archäologie für Westfalen archäologische Forschungsergebnisse in Form von Monographien oder Aufsatzsammlungen. Die Bände beinhalten sowohl einzelne Ausgrabungen als auch kulturgeschichtliche Auswertungen. Für die Römische Kaiserzeit sind folgende Bände von besonderer Bedeutung, aufgeführt in der Reihenfolge des Erscheinens:
Günther, Klaus: Schmiedesiedlung der älteren Römischen Kaiserzeit bei Warburg-Daseburg. Bodenaltertümer Westfalens 24, Münster 1990
Halpaap, Rainer: Der Siedlungsplatz Soest-Ardey. Bodenaltertümer Westfalens 30, Mainz 1994
Siegmund, Frank: Das Gräberfeld der jüngeren Römischen Kaiserzeit von Costedt. Bodenaltertümer Westfalens 32, Mainz 1996
Bérenger, Daniel: Zur Chronologie der vorrömischen Eisenzeit und Römischen Kaiserzeit in Nordost-Westfalen. Bodenaltertümer Westfalens 38, Mainz 2000
Eggenstein, Georg: Das Siedlungswesen der jüngeren vorrömischen Eisenzeit und der frühen römischen Kaiserzeit im Lippebereich. Bodenaltertümer Westfalens 40, Mainz 2002.

Polenz, Hartmut
Römer und Germanen in Westfalen. Einführung in die Vor- und Frühgeschichte Westfalens, Heft 5. Münster 1985
Das Büchlein gibt einen umfassenden Überblick über die Römische Kaiserzeit in Westfalen, wobei sowohl die römische als auch die germanische Seite beleuchtet werden. Dazu führt der Autor sowohl die römischen Schriftquellen als auch zahlreiche konkrete archäologische Befunde an. So behalten viele Grundaussagen ihre Gültigkeit, auch wenn die Grabungsergebnisse der letzten Jahrzehnte naturgemäß fehlen.

Brink-Kloke, Henriette / Meurers-Balke, Jutta
Siedlungen und Gräber am Oespeler Bach (Dortmund) - eine Kulturlandschaft im Wandel der Zeiten. In: Germania 81, 2003, S. 47-146
Dieses von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt zeigt beispielhaft auf, wie wichtig die interdiziplinäre Zusammenarbeit bei der Auswertung von Ausgrabungen ist. Zoologische, botanische, geologische und metallurgische wurden in die archäologischen Forschungen mit einbezogen. Dies war in der westfälischen Forschung, speziell zur Römischen Kaiserzeit, bisher zu selten möglich.

Eggenstein, Georg
Die Römische Kaiserzeit in Westfalen. In: Archäologie in Ostwestfalen 9, 2005, S. 53-70
Ziel dieses Aufsatzes war es, einen aktuellen Überblick über die westfälischen Fundstellen der Römischen Kaiserzeit zu geben, im Rahmen einer Sammlung entsprechender Darstellungen zu den anderen Epochen der Ur- und Frühgeschichte. In Anbetracht der Veröffentlichung in der Reihe Archäologie in Ostwestfalen liegt der Schwerpunkt ein wenig auf diese Region.

Eggenstein, Georg (Hg.)
Vom Gold der Germanen zum Salz der Hanse. Früher Fernhandel am Hellweg und in Nordwestdeutschland (anlässlich der Ausstellung "Vom Gold der Germanen zum Salz der Hanse - Früher Fernhandel am Hellweg und in Nordwestdeutschland", Gustav-Lübcke-Museum Hamm, 7. September 2008 bis 4. Januar 2009; Haus der Kamener Stadtgeschichte, Februar bis April 2009). Bönen: 2008
In der Ausstellung, zu der dieses Begleitbuch erschien, spielte der Siedlungs- und Handelsplatz Kamen-Westick eine zentrale Rolle. In verschiedenen Beiträgen konnten die überaus reichen und wichtigen Funde, die über Jahrzehnte hinweg hier entdeckt worden sind, erstmals im Überblick vorgestellt werden. Zudem werden erste Ansätze zur wissenschaftlichen Auswertung des Komplexes deutlich, etwa in der Gegenüberstellung zu reichen germanischen Siedlungsplätzen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt.

Melzer, Walter / Capelle, Torsten (Hg.)
Bleibergbau und Bleiverarbeitung der römischen Kaiserzeit im rechtsrheinischen Barbaricum. Soester Beiträge zur Archäologie, Bd. 8. Soest 2007
Der Band enthält die Beiträge eines wissenschaftlichen Kolloquiums, das 2006 von der Altertumskommission für Westfalen und der Stadtarchäologie Soest durchgeführt wurde. Dabei stehen, ausgehend von aktuellen Ausgrabungen in Soest, Fragen zu Bleiverarbeitung und -handel durch die Germanen in Westfalen sowie die Bleinutzung im römischen Imperium im Vordergrund. Es werden aber auch weitere Aspekte einer möglichen Handelswirtschaft zwischen Römern und Germanen beleuchtet.

Zelle, Michael (Hg.)
Terra Incognita? Die nördlichen Mittelgebirge im Spannungsfeld römischer und germanischer Politik um Christi Geburt. Akten des Kolloquiums im Lippischen Landesmuseum Detmold vom 17. bis 19. Juni 2004. Mainz 2008
Im Jahr 2004 fand in Detmold ein Kolloquium unter dem gleichen Titel statt, dessen Akten in diesem Buch vorgelegt werden. Der geographische Schwerpunkt liegt auf Ostwestfalen-Lippe, und auch angrenzende Regionen Niedersachsens sind mit einbezogen worden. In chronologischer Hinsicht teilen sich die Beiträge auf in solche zur vorrömischen Eisenzeit und solche zur älteren Römischen Kaiserzeit.
 
 
 
Stand des Haupttextes: 2004.