Die Ursachen der Grabenbildung

Der Oberrheingraben gehört zu den am besten untersuchten Gräben der Welt. Die Ursachen seiner Bildung sind jedoch bis heute nicht sicher geklärt. Es gibt verschiedene Modellvorstellungen für seine Entstehung. Durch die vielen Untersuchungs-Ergebnisse über den Graben und seiner Umgebung gibt es auch eine Vielzahl von Fakten, die schlüssig vom Modell erklärt werden müssen. Pflug (1982) zählt folgende Fakten auf:

  1. Flache Aufbeulung und Abtragung eines Bereiches von ca. 400 km Durchmesser (der sogenannte "Rheinische Schild") während der Kreide-Zeit.
  2. Zusätzliche lokale Aufwölbung während der Kreide-Zeit im Bereich südlich von Strassburg mit knapp 100 km Durchmesser.
  3. Beginn vulkanischer Aktivität im Umkreis des lokalen Gewölbes vor ca. 100 Millionen Jahren (Wende Unter-/Oberkreide). Fortgesetzte vulkanische Aktivität während der Oberkreide zu beiden Seiten des lokalen Gewölbes und zunehmend jüngere Alter der Vulkanite mit steigender Entfernung vom Gewölbe.
  4. Zeitliches Zusammenfallen des Beginns vulkanischer Aktivität mit dem Einsetzen der Gebirgsbildung in den zentralen Alpen.
  5. Beginn vulkanischer Aktivität im Umkreis des späteren Nord-Endes des Grabens während der höheren Oberkreide und Höhepunkt in der Eozän-Zeit.
  6. Beginn der Graben-Einsenkung im Ober-Eozän mit zwei deutlich getrennten Senkungsfeldern südlich und nördlich der oben genannten lokalen Aufwölbung und nur geringe Absenkung im Bereich der lokalen Aufwölbung selbst. Diese Tendenzen setzen sich im Unter-Oligozän fort.
  7. Sehr gleichmäßige Sedimentations-Verhältnisse im ganzen Graben während des Mittel-Oligozäns.
  8. Starke Absenkung im mittleren und nördlichen Graben während des Ober-Oligozäns und Aquitans. Dabei keine wesentliche Absenkung im südlichen Graben.
  9. Sedimentations-Unterbrechung im höheren Miozän und Heraushebung mit Abtragung im mittleren Graben.
  10. Erneute Absenkung im Pliozän und Quartär im südlichen und nördlichen Graben und schwache oder fehlende Absenkung im mittleren Graben.
  11. Die gegenwärtige regionale Aufwölbung der Kruste-Mantel-Grenze im Umkreis des Oberrheingrabens und die lokale Aufwölbung unter dem südlichen Graben. Das Fehlen eines deutlichen Sprungs in den P-Wellen-Geschwindigkeiten an der Kruste-Mantel-Grenze unter dem Oberrheingraben. Das Auftreten von P-Wellen-Geschwindigkeiten, die zwischen normalen Krusten- und Mantel-Geschwindigkeiten liegen.
  12. Die Krusten-Ausdünnung unter dem Graben.
  13. Der heutige regionale Spannungszustand im Umfeld des Oberrheingrabens und die Erdbeben-Häufigkeit und -Verteilung.
  14. Die geodätisch ermittelten heutigen Senkungs- und Hebungs-Tendenzen.
  15. Die Heraushebung der Grabenflanken: auf der Ostseite stärker als auf der Westseite, im Norden schwächer als im Süden.
  16. Das mehrfache Pendeln der Achse stärkster Einsenkung vom Westrand zum Ostrand des Trogs und umgekehrt und die daraus ablesbare Gliederung des Trogs in zwei Teilgräben, die zeitlich verschoben eine ähnliche Entwicklung durchgemacht haben.
  17. Die Lage des Oberrheingrabens im stabilen Hinterland der Alpen und seine Stellung im regionalen Bruchfeld.

Die Modellvorstellungen zur Bildung des Oberrheingrabens lassen sich ganz grob sich drei Gruppen zuordnen (Pflug 1982):

(A) Aufdomung und Einbruch des Grabens im Scheitel des Gewölbes. Steuerung durch Prozesse im Erdmantel, weitgehend unabhängig von alten Anlagen und von der alpinen Gebirgsbildung.

(B) Alte Anlage einer Schwächezone (präkambrisch oder variskisch), die das ganze spätere Geschehen steuert.

(C) Grabenbildung als Reaktion des stabilen Hinterlandes auf die alpine Gebirgsbildung.

Die Grabenrand-Störungen mit ihren Versatzbeträgen von mehr als 1000 m sind ohne Zweifel in einem Spannungsfeld aufgerissen, dessen Haupt-Spannung vertikal und dessen geringste Spannung horizontal und quer zum Graben lag. Das heutige Spannungsfeld stimmt damit nicht überein. Es muss deshalb von einer zweiphasigen Entwicklung ausgegangen werden, deren erste prägende Phase zur Aquitan-Zeit abgeschlossen wurde.


Im Bereich des Oberrheingrabens ist die Kruste mit 24 km Dicke deutlich dünner als die normalen 30 km der Umgebung. Der Mantel ist also nach oben ausgestülpt. Das unten dargestellte Zugversagen-Modell nimmt an, dass der harte obere Teil des Mantels, die subkrustale Lithosphäre, äußeren Zugkräften nicht widerstehen konnte und gerissen ist. Das weiche Gestein der Asthenosphäre ist von unten her kommend in den Riss eingedrungen und hat die subkrustale Lithosphäre überschichtet. Dabei wurde die Kruste hochgewölbt. Im Scheitel des Gewölbes ist der Oberrheingraben eingebrochen.

Abb. 1: Querschnitt durch die Kruste und den obersten Mantel im Bereich des Oberrheingrabens nach den Vorstellungen des Zugversagen-Modells.

Informationen zum oberen Mantel.

Der Graben wird von Randstörungen begrenzt, die nach unten aufeinander zu gerichtet sind. Der Graben ist also keilförmig. Die Hauptbewegungsrichtung ist die Senkrechte. Ursache ist eine Dehnung senkrecht zur Grabenachse. Die Grabenschultern müssen auseinander weichen, damit der keilförmige Krustenstreifen dazwischen einsinken kann. Die Grabenschultern, also die den Graben einrahmenden Hochschollen, liegen dabei nicht horizontal oder fallen in Richtung zum Graben ein, im Gegenteil sie liegen höher als ihre Umgebung und sie fallen nach außen.

Bild 2: Scheitelgraben im Gewölbe. Fotografie eines Experiments, bei dem ein Gummikissen sehr langsam unter einem Tonkuchen mit Druckluft aufgeblasen wird. Aus Cloos (1939).

Bild 3: Scheitelgraben im Gewölbe. Nachzeichnung der Seitenansicht eines anderes Experiments, bei dem wieder ein Gummikissen sehr langsam unter einem Tonkuchen aufgeblasen wird. Man beachte das Ausklingen des Grabens nach unten und die zahlreichen auswärts fallenden Klüfte und Nebenverschiebungen. Aus Cloos (1939).

Ein freies Grabenende erweitert sich trompetenförmig, wird rasch seichter und gabelt sich schließlich durch das Auftauchen eines mittleren Horstes in zwei Zipfel (Südende des Oberrheingrabens). Diese Erscheinung ist nur durch den Auftreibungsvorgang bei der Gewölbebildung erklärbar.

 

 

Der Oberrheingraben
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