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Südafrika Dit was lekker

Die beiden weißen Volksgruppen Südafrikas sind nicht frei von einer Krankheit, die gemeinhin Schwarzen zugeschrieben wird -- Tribalismus.
aus DER SPIEGEL 27/1972

In lässiger Kleidung begab sich Kriminalpolizist Gerd Pretorius, 20, unter weiße südafrikanische Studenten, die bessere Bildungschancen für Schwarze forderten. Er sollte die Rädelsführer feststellen.

Später stürzte sich Pretorius zusammen mit uniformierten Kollegen prügelnd auf die Demonstranten. Sein Kommentar nach getaner Arbeit: »Dit was lekker!«

Der weiße Jungpolizist hatte Freude am Knüppel-Einsatz gegen weiße Altersgenossen, die zwar seine Landsleute sind, von denen ihn aber doch Welten trennen:

Er -- wie die meisten Polizeibeamten -- ist Buren-Sohn und spricht Afrikaans; er kommt aus einer kinderreichen Familie, ärmlichen Wohnverhältnissen und verdient ein bescheidenes Gehalt. Die langhaarigen Studenten aber sprechen Englisch, sind durchweg Kinder wohlhabender Eltern und werden aufgrund ihrer Bildung einst weit mehr verdienen als Konstabler Pretorius und seine Kameraden.

Siebzig Jahre nachdem sich weiße Kolonialisten britischer und burischer Herkunft im Burenkrieg blutige Schlachten lieferten, hat sich unter den weißen Stämmen am Kap »eine Kluft aufgetan« (Johannesburgs »Rand Daily Mau") zwischen

* 2,2 Millionen Buren-Nachfahren ("Afrikaaner"), die zwar seit 1948 in Südafrika unangefochten regieren, zum größten Teil aber zu den niedrigeren Einkommensgruppen der Arbeiter und Angestellten gehören, und

* 1,4 Millionen englischsprachigen Bürgern, die Südafrikas Wirtschaft beherrschen, die meisten Facharbeiter und leitenden Angestellten stellen sowie in den freien Berufen dominieren.

Die weltaufgeschlossenen Briten-Nachkommen befürworten eine gewisse Lockerung der Apartheidspolitik gegenüber den 17 Millionen Nichtweißen -- ihre Unternehmen brauchen dringend Arbeitskräfte. Das aber erbost die Buren, Nachkommen holländischer, hugenottischer und deutscher Siedler, denn Schwarze und Braune würden nur ihnen Konkurrenz machen, kaum aber den besser gebildeten anglophonen Bürgern.

»Diese Spaltung könnte so viele Spannungen hervorrufen wie jene zwischen Schwarz und Weiß«, klagte Englands konservativer »Daily Telegraph« über den weißen Tribalismus am Kap, der mit schwarzafrikanischen Stammesgegensätzen vergleichbar ist: Burische und britische Südafrikaner haben nicht nur ihre eigenen Sprachen, Zeitungen und Parteien, sondern sogar Geheimgesellschaften -- den »Broederbond« und die »Sons of England«. Die frühe Geschichte ihrer Beziehungen ist von Kriegszügen geprägt.

So hatten die Engländer zur Zeit der napoleonischen Kriege die Buren vom Kap verdrängt und später deren Republiken im nördlichen Hinterland annektiert, nachdem die Buren dort Gold und Diamanten gefunden hatten.

Schlimmer als die Niederlage war für die Buren, daß sie im 19. Jahrhundert die Städte gemieden und die urbane Wirtschaft den Engländern, europäischen Neueinwanderern und -- nichtweißen Arbeitskräften überlassen hatten. Die Verfassung der 1910 gegründeten Südafrikanischen Union brachte den Buren zwar die Gleichberechtigung -- doch da konnten sie den Vorsprung der Briten nicht mehr aufholen. Die entstehende Industrie erforderte zudem große Investitionen, die nur die Engländer -mit ihren guten Verbindungen zum Mutterland -- aufbringen konnten.

1948 feierten die Buren den Wahlsieg der von ihnen beherrschten Nationalpartei als »Korrektur des Burenkriegs«. Ihre Regierungen unter den Premiers Malan, Strijdom, Verwoerd und Vorster schalteten durch Rassentrennungsgesetze die farbige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt aus. Die ganz »armen Weißen« -- durchweg Buren -- verschwanden.

Doch die Vormachtstellung der wirtschaftlich stärkeren und gebildeteren Anglo-Südafrikaner tastete kein Buren-Premier an: Angesichts der riesigen schwarzen Mehrheit mußten die Weißen zusammenhalten.

In den letzten Wochen jedoch riß Vorsters Regierungspartei »die nationale weiße Einheit in Stücke« ("Rand Daily Mau") -- aus parteipolitischen Erwägungen: Nachdem seine Nationalpartei bei Nachwahlen zahlreiche Stimmen verloren hatte, appellierte sie an den verborgenen Tribalismus ihrer burischen Stammwähler:

Die englischsprachigen Mitbürger. so Vorsters Gefolgsleute im Parlament, machten sich des »Boerehaat« schuldig, seien Burenhasser. Der burische Studentenführer S. Morkel warnte vor »langen Haaren« und »kommunistischer Unterwanderung«. Vorsters Hauszeitung »Die Transvale« kritisierte die »Hanskakies« (ein Schimpfwort aus dem Burenkrieg), die mit den Engländern gemeinsame Sache machten, und deklamierte auf der Kinderseite: »Spuckt in die Hände und poliert die Gewehre ... denn wir kämpfen gegen die Engländer.«

Premier Vorster lobte den Kampf seiner Schutzleute gegen die Studenten, bei dem wehrlose Frauen verprügelt und anglikanische Kathedralen gestürmt worden waren: »Ich wäre persönlich enttäuscht gewesen, wenn sich die Polizei anders verhalten hätte.« * Mit Kaiser Hirohito.

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