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Wolfgang Gentner

1906-1980

von

Ulrich Schmidt-Rohr
Heidelberg

WOLFGANG GENTNER war einer der großen Gelehrten unserer Zeit, der als Physiker zur Kernphysik, zur Geochronologie, zur Kosmophysik und zur Archäometrie wesentlich beigetragen hat. Er hat die Entwicklung der Kern- und Elementarteilchenphysik von Apparaturen im Labortischformat bis zu den großindustriellen Dimensionen der internationalen Beschleunigerlaboratorien an führender Stelle mitgestaltet.

WOLFGANG GENTNER wurde am 23. Juli 1906 als Sohn eines Fabrikdirektors in Frankfurt am Main geboren. Das Interesse des Schülers des humanistischen Kaiser Wilhelm-Gymnasiums wurde schon früh durch die Schülervorlesungen des Physikalischen Vereins und der Senckenberg-Gesellschaft auf die Physik gelenkt. Während seines ersten Studiensemesters an der Universität Erlangen starb sein Vater. Er kehrte deshalb zu seiner Mutter zurück und setzte sein Studium an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main fort. Dort promovierte er 1930 bei FRIEDRICH DESSAUER. FRIEDRICH DESSAUER war Direktor des Instituts für die physikalischen Grundlagen der Medizin. Er galt als Pionier der Röntgenmedizin und Strahlenphysik und beriet in diesen Jahren als Reichstagsabgeordneter der Zentrumspartei Reichskanzler BRÜNING. Sein Einfluß auf den Stil der wissenschaftlichen Arbeit und die politische Position von GENTNER ist unübersehbar.

Die wissenschaftlichen Untersuchungen GENTNERs, meist zusammen mit BORIS RAJEWSKI und SCHWERIN, befaßten sich mit der Wirkung von kurzwelliger Strahlung und schnellen Elektronen auf Gewebe. Thema seiner Doktorarbeit war: Untersuchungen an einer Lenard-Coolidge-Röhre. Ihre maximale "Beschleunigungsspannung" betrug damals 220 kV! Als Detektor diente eine 3-Gitterionisationskammer. Die gemessenen praktischen Reichweiten füllten die Lücke zwischen den bekannten Reichweiten mittelschneller Kathodenstrahlen einerseits und beta-Strahlen andererseits. Für seinen Lebensunterhalt während dieser Jahre mußte ein Stipendium der Freunde der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main reichen. In diese Zeit fällt auch die Eheschließung mit ALICE PFAEHLER und die Geburt ihres Sohnes RALPH.

Wolfgang Gentner als Stipendiat der Oswalt-Stiftung, 1933

Durch ein Empfehlungsschreiben von DESSAUER wurde GENTNER 1933 als Stipendiat der Oswalt-Stiftung der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und der Carnegie-Stiftung am Radium-Institut der Universität Paris - damals noch unter der Leitung von Madame PIERRE CURIE - angenommen.

Experimente von LIESE MEITNER und HUPFELD bzw. MEITNER und PHILIPP einerseits sowie von IRENE CURIE und JOLIOT bzw. CHAO, GRAY und anderen hatten damals für den Durchgang harter gamma-Strahlung durch Materie unterschiedliche und von der exponentiellen Intensitätsabnahme abweichende Resultate gebracht. GENTNER und JOLIOT erhielten deshalb den Auftrag, Klarheit in dieses unverstandene Phänomen zu bringen. Die Gammastrahlung von ThC" aus einer 100 mC RdTh-Quelle wurde dazu durch 3 cm Blei gefiltert, an einer Aluminiumplatte gestreut und mit einem GEIGER-MÜLLER-Zählrohr nachgewiesen. Auch die energiereiche Gammastrahlung aus Ra alpha + Be und Po alpha + Be wurde damals schon verwendet. Das Ergebnis war, daß alle Daten durch Kombination von Photoeffekt, Comptonstreuung und Paarbildung erklärbar waren, wenn die Bremsstrahlung der Elektronen im Streukörper und die Vernichtungsstrahlung angemessen berücksichtigt wurden. Auf die Nachricht von CHADWICK und GOLDHABER hin, daß Deuteronen durch gamma-Strahlung gespalten werden, untersuchte GENTNER mit seinen starken Pariser Gammastrahlungsquellen - unabhängig von SZILARD und CHALMERS - den Wirkungsquerschnitt des Kernphotoeffektes am Beryllium.

Ende 1935, nach Ablauf seines Pariser Stipendiums, führten ihn seine Arbeitsthemen zu WALTHER BOTHE nach Heidelberg. BOTHE war zusammen mit HORN bei seinen Untersuchungen zum Durchgang harter Gammastrahlung durch Materie zu ähnlichen Ergebnissen wie GENTNER gekommen und untersuchte ebenfalls Neutronen aus Kernreaktionen.

GENTNER setzte seine Pariser Arbeiten in Heidelberg einerseits mit BOTHE, andererseits mit FLEISCHMANN nahtlos fort. Bei dem Versuch, die Energieabhängigkeit des Kernphotoeffektes am Be zu bestimmen und bei Überlegungen über die Fortsetzung dieser Arbeiten wurde klar, daß die Energie der ThC" - und Ra - Gammastrahlung relativ zur Bindungsenergie der Neutronen im Kern zu klein ist und daß Gammastrahlungsquellen mit deutlich höherer Energie und mit deutlich größerer Intensität benötigt werden. BOTHE und GENTNER beschlossen daraufhin, einen Bandgenerator nach VAN DE GRAAFF zu bauen. Dieses mit den wesentlichen Merkmalen und Instrumenten moderner elektrostatischer Beschleuniger ausgestattete Gerät wurde von GENTNER unglaublich schnell aufgebaut. Seine Frau half dabei tatkräftig. Sie nähte das Band für den Ladungstransport. Schon im November 1936 war die Anregungsfunktion für 11B(p,gamma)12C bis 500 keV Energie gemessen und im Sommer 1937 lagen umfangreiche Daten über den Kernphotoeffekt der 17 MeV 7Li(p,gamma) Strahlung an vielen mittelschweren und schweren Kernen vor. Der Wirkungsquerschnitt ergab sich um zwei Zehnerpotenzen größer als von BETHE und PLACzEK berechnet.

Die Entdeckung des Kernphotoeffektes an mittelschweren und schweren Kernen war der bedeutendste Erfolg des Botheschen Instituts in diesen Jahren. Dieser Erfolg verschaffte GENTNER in gewisser Weise eine Sonderstellung.

BOTHE pflegte einen barschen Umgangston, der Doktoranden und jüngeren Assistenten gegenüber oft dem eines Rekrutenfeldwebels nahe kam. Auch Kollegen gegenüber äußerte er sich manchmal wenig verbindlich. Das hatte seinen Ursprung wohl einmal in dem militärischen Ton, der in seinen Jugendjahren in Teilen der kaiserlichen Physikalisch Technischen Reichsanstalt üblich war. Zum anderen entsprang er der Haltung der Planckschen Schule. LISE MEITNER hat dazu festgestellt: "daß er nie etwas getan oder nicht getan hat, weil es ihm nützlich oder schädlich hätte sein können. Was er für richtig erkannt hat, hat er durchgeführt ohne Rücksicht auf seine eigene Person." Diese Devise war für die Arbeit im Institut und die Position des Instituts unter den politischen Umständen der dreißiger und vierziger Jahre nicht unbedingt förderlich. GENTNER wirkte hier ausgleichend. Er wurde von BOTHE voll respektiert und konnte zum Wohl des Instituts und insbesondere der jüngeren Mitarbeiter die großzügige weltoffene Atmosphäre der Frankfurter und Pariser Laboratorien, die er in seinen Jugendjahren kennengelernt hatte, zur Geltung bringen.

Das Verhältnis zwischen der Universität und dem Kaiser Wilhelm-Institut war 1937 so gespannt, daß eine Habilitation in Heidelberg ausgeschlossen war. GENTNER reichte deshalb seine Habilitationsschrift über "Die Absorption, Streuung und Sekundärstrahlung harter Gamma-Strahlen" bei der naturwissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main ein. Diese Schrift ist die beste deutschsprachige Darstellung dieses Anfang der 30er Jahre von vielen bekannten Physikern bearbeiteten Gebietes.

Die regelmäßigen Bahnfahrten zu seinen Vorlesungen nach Frankfurt am Main hat er dann aber als Belastung empfunden.

Der schnelle Erfolg beim Bau des Bandgenerators führte BOTHE und GENTNER Ende 1937 zu dem Plan, ein Zyklotron aufzubauen. Schon im November ging ein Bericht an den Präsidenten der Kaiser Wilhelm-Gesellschaft und BOTHE begann, bei der Helmholtz-Gesellschaft, dem Badischen Kultusministerium, den I.G. Farben, der Planck-Stiftung und verschiedenen Reichsstellen die erforderlichen finanziellen Mittel zu erbitten. Erste Zusagen führten schon im September 1938 zur Bestellung des Magneten bei SIEMENS. Die weitere Finanzierung erwies sich dann aber als äußerst problematisch.

In dieser Zeit setzte GENTNER seine Versuche zum Kernphotoeffekt fort. Zur Klärung der Energieabhängigkeit sollte neben der 7Li(p,gamma)- auch die 11B(p,gamma)-Reaktion eingesetzt werden, die erst bei höherer Protonenenergie genügend Intensität liefert. Dazu mußte die Energie des Bandgenerators erhöht werden. Nach Verdoppelung des Durchmessers des Hochspannungsterminals, dem Einbau einer vierten Beschleunigerröhre und der Verbreiterung des Ladebandes konnten schließlich knapp 1 MV erreicht werden. Als Ergebnis wurde schon 1938 die später für die Riesenresonanzen der Kerne wichtige Tatsache gefunden, daß sich der Wirkungsquerschnitt für den Kernphotoeffekt im Gegensatz zur Erwartung mit zunehmender gamma-Energie zwischen 11 MeV und 17 MeV etwa verdoppelt. Außerdem konnte die Niveaufolge der von BOTHE und GENTNER vorher entdeckten Kernisomerie am 80Br geklärt werden. Im Anschluß an diese Arbeiten konzentrierte sich GENTNER ganz auf die Probleme des geplanten Zyklotrons.

Wie schon beim Bau des Bandgenerators ging BOTHE auch beim Zyklotron nach der Devise vor, daß man sich nicht damit aufhalten dürfe, von anderen entwickelte Komponenten neu zu erfinden, und daß man sich ganz auf die kritischen Parameter konzentrieren sollte. Er setzte sich zum Ziel, "ein Zyklotron nach LAWRENCE" zu bauen. Ein "Zyklotron nach SIEMENS" konnte von ihm aus an anderer Stelle entwickelt werden. Nur wenige Parameter, wie z. B. das für BOTHEs Magnetkonstruktionen charakteristische vorgezogene Joch wurden anders als bei LAWRENCE konstruiert, weil BOTHE bei seinen ionenoptischen Rechnungen die Bedeutung der azimutalen Symmetrie des Magnetfeldes erkannt hatte. Um möglichst viele Unterlagen für den Bau der Anlage zu erhalten und Erfahrung im Umgang mit Zyklotrons zu sammeln, wurde GENTNER Ende 1938 mit Mitteln der HELMHOLTZ-Gesellschaft nach Berkeley entsandt.

Das Radiation Laboratory in Berkeley hatte sich damals gerade zum internationalen Zentrum der kernphysikalischen Grundlagenforschung entwickelt, und GENTNER lernte dort viele der bedeutendsten Fachkollegen kennen. Die Nachricht von der Entdeckung der Kernspaltung durch OTTO HAHN und die Reaktion der amerikanischen Physiker hinterließen bleibende Eindrücke. Besonders eng arbeitete er mit EMILIO SEGRE und COOKSEY zusammen.

Nach seiner Rückkehr nach Deutschland und dem bald folgenden Kriegsausbruch wurde GENTNER vom Heereswaffenamt zum sogenannten "Uranverein" eingezogen. Die Hochspannungsanlage, damals eine der intensitätsreichsten deutschen Neutronenquellen, wurde daraufhin zur Messung der Maximalenergie der Spaltungsneutronen und zur Bestimmung der Energie der Spaltprodukte eingesetzt. Als Neutronenquelle diente die 12C(d,n)13N bzw. 9Be(d,n)10B Reaktion. Die Neutronenenergie konnte durch Ausmessen der alpha-Spuren aus 14N(n,alpha) mit Photoplatten bestimmt werden. Für die Messung der Spaltprodukte war von FLAMMERSFELD und PETER JENSEN eine Doppelionisationskammer gebaut worden. Diese Arbeit stand am Anfang der bald enger werdenden Zusammenarbeit zwischen GENTNER und PETER JENSEN, die zu freundschaftlicher Verbundenheit führte. In diese Zeit fällt auch die Geburt seiner Tochter DORIS.

Nach dem Waffenstillstand zwischen Deutschland und Frankreich im Sommer 1940 erhielten BOTHE und GENTNER den Auftrag, das Pariser Zyklotron, dessen Bau JOLIOT in Angriff genommen hatte, zu inspizieren. Es zeigte sich, daß alle wesentlichen Teile montiert waren. Der Sender, der die Hochspannung für die Dee-Elektroden liefern sollte, war aber nicht funktionsfähig.

Im September 1940 erhielt GENTNER den Offiziellen Auftrag, eine Gruppe deutscher Physiker und Techniker zusammenzustellen und das Pariser Zyklotron in Gang zu setzen. Es mußte ein neuer Sender gebaut werden, dessen Teile aus Deutschland bezogen wurden. DR. DÄNZER aus Frankfurt am Main war der Fachmann, der diese Aufgabe kompetent erledigte.

GENTNER konnte in dieser Zeit viel für seine französischen Kollegen tun. In dem für die Kriegszeit typischen Gewirr von Dienststellen der Wehrmacht, der Partei und der zivilen Verwaltung operierte er souverän. Es gelang ihm, sowohl JOLIOT wie auch LANGEVIN, die beide in dieser Zeit verhaftet wurden, aus dem Gefängnis zu befreien. Ende des Winters 1941/42 konnte dann das Zyklotron zum ersten Mal in Gang gesetzt und ein Deuteronenstrahl von 7 MeV ausgelenkt werden. Mit seiner starken Neutronenstrahlung wurden Uran- und Thoriumpräparate bestrahlt, die Gentner dann zu OTTO HAHN nach Berlin brachte. Im Frühjahr 1942 wurde GENTNER nach Denunziation durch einen etwas jüngeren deutschen Kollegen aus Paris abkommandiert. Man warf ihm zu entgegenkommendes Verhalten den Franzosen gegenüber vor. Er erreichte aber noch, daß WOLFGANG RIEZLER aus Bonn als sein Nachfolger eingesetzt wurde. RIEZLER setzte seine Arbeit mit Mut und Takt fort.

Der nächste Auftrag des Heereswaffenamtes betraf den Aufbau des Heidelberger Zykltrons. BOTHE war es im Laufe des Jahres 1941 gelungen, die erforderlichen Geldmittel und Bescheinigungen zusammenzubringen und alle wesentlichen Teile endgültig zu bestellen. So konnte sofort mit dem Aufbau der Stromversorgungen und des Senders begonnen werden. Anfang März 1943 wurde der Magnet angeliefert und schon im Dezember wurden zum ersten Mal Deuteronen beschleunigt. Dieser unglaublich knappe Terminplan zeigt, mit welch ungewöhnlichem Arbeitseinsatz und mit wieviel Geschick damals gearbeitet wurde.

Die Aufträge des Heereswaffenamtes hatten zur Folge, daß GENTNER 1941 als Dozent mit Lehrauftrag an der Universität Heidelberg zugelassen wurde. Er scheute sich nicht, dort für die Relativitätstheorie und die Quantenmechanik einzutreten, die damals in der Hochburg der "deutschen Physik" verpönt waren. Für das Sommersemester 1944 kündigte er sogar mit MAIER-LEIBNITZ eine Vorlesung mit dem Titel: "Der Durchgang von Röntgen- und Gammastrahlen durch Materie" an, obwohl die Verwendung des Begriffs Röntgenstrahlen statt x-Strahlen im Philipp Lenard-Institut als Sakrileg galt. GENTNERs Ernennung zum außerordentlichen Professor erfolgte 1945.

Die Verbindung mit der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main riß aber nicht ganz ab. HERMANN DÄNZER hatte nach dem Erfolg in Paris auch in Heidelberg die schwierige Aufgabe der Inbetriebnahme des Senders übernommen und überzeugend gelöst.

Am Zyklotron standen 1944 die Herstellung radioaktiver Isotope und die Nutzung der sehr großen Neutronenintensitäten im Vordergrund. Bei dem Versuch, den Strahl abzulenken, stellte sich heraus, daß man die erreichbare Ablenkspannung überschätzt hatte und daß nur ein Deuteronenstrahl von 7 MeV bei stark abgesenktem Magnetfeld ausgelenkt werden konnte. Daraufhin wurde eine Reihe von originellen Sonden mit verschiedenen Geometrien gebaut, die sich durch ein großes Schieberventil am Kammerfenster einschleusen und in den Strahl schieben ließen.

Die Einweihungsfeier für das Zyklotron am 2. Juni 1944 war eine der typischen Institutsfeiern, wie sie in den 40er und 50er Jahren in den damals noch kleinen physikalischen Instituten üblich waren. Im familiären Stil gab es Wurf-, Vakuum- und Präparatwettbewerbe, an denen auch die Ehefrauen teilnahmen. GENTNER war in Heidelberg und Freiburg einer der großen Meister dieser Feiern. Ende des Jahres 1944 machten sich die berüchtigten Feinlecks im Rotguß der Zyklotronkammer mehr und mehr bemerkbar, die in zermürbender Kleinarbeit bekämpft werden mußten. Die Besetzung Heidelbergs durch amerikanische Truppen setzte dann dem Institutsbetrieb ein vorläufiges Ende.

Damit fand auch die fast zehnjährige Zusammenarbeit mit WALTHER BOTHE ihren Abschluß, die sich als so fruchtbar erwiesen hat, weil GENTNER mit seinem Blick für das Wesentliche, mit seiner Großzügigkeit und seiner auf solider Gesundheit gegründeten Arbeitskraft BOTHE in glücklicher Weise ergänzte.

Schon bald nach Kriegsende erhielt GENTNER eine Anfrage aus Hamburg, ob er bereit wäre, dort die Leitung des physikalischen Instituts zu übernehmen. Die Verhandlungen zogen sich lange hin, bis er schließlich einen Ruf auf das Ordinariat für Experimentalphysik an der Universität Freiburg erhielt, den er annahm. GENTNER hat mit gutem Grund später häufig davon gesprochen, wie risikoreich die Arbeit auf dem esoterischen Gebiet der Kernphysik der 30er Jahre gewesen ist und daß er und seine Kollegen sich damals immer sagen mußten: "Die Hochschullaufbahn endet auf einem Ordinariat oder im Straßengraben". Sein Mut zum Risiko und seine Arbeitsleistung hatten ihm jetzt glanzvolle Zukunftsperspektiven eröffnet.

GENTNERS Vorgänger STEINKE war ein Schüler von HESS. Er hatte in Freiburg mit Ionisationskammern an Hand von Dauerregistrierungen den Tages- und Sternzeitgang der kosmischen Ultrastrahlung bestimmt. Aus politischen Gründen war er nach 1945 nicht zu halten. Sein Institut war durch Bomben völlig zerstört. GENTNER ließ sich in zwei stehengebliebenen Hälften des recht neuen pharmazeutischen Instituts an der Katharinenstraße nieder, die er relativ schnell in einen benutzbaren Zustand versetzte. weitere Neubauten folgten. Von BOTHEs Assistenten ging PETER JENSEN mit ihm nach Freiburg und setzte mit Hilfe von Gastaufenthalten in ausländischen Laboratorien seine Arbeiten zum Kernphotoeffekt und zur (n,2n) Reaktion fort.

Von Freiburg aus wurden die Kontakte zu den Pariser Kollegen wieder enger geknüpft. JOLIOT-CURIE war in Frankreich zum Hochkommissar für Atomenergie ernannt worden. Er veranlaßte, daß GENTNER die Verwaltung der Forschungsinstitute in der französischen Besatzungszone übertragen wurde. Von 1947 bis 1949 war GENTNER außerdem Prorektor der Universität Freiburg.

Das Hauptproblem der Hochschullehrer dieser Zeit war, an die vielen Studenten angemessene Diplom- und Doktorarbeiten zu vergeben. GENTNER verfolgte dabei zwei Richtungen. Von SITTKUS, CITRON u. a. wurden Arbeiten über die kosmische Strahlung und die Elementarteilchen in Gang gebracht, die später in das Programm von CERN einmündeten. GENTNERs persönliches Interesse konzentrierte sich aber mehr auf die Altersbestimmung von Gesteinsproben, die radioaktive Isotope enthalten. Dieses Gebiet hatte der Physikochemiker v. HEAVESY in Freiburg viele Jahre lang bearbeitet. Es konnte ohne starke Radiumquellen oder größere Teilchenbeschleuniger mit einer hochentwickelten Zähltechnik und Massenspektrographen erfolgreich angegangen werden. Als wichtigstes Untersuchungsobjekt erwiesen sich bald die Proben aus dem benachbarten Kalibergwerk Buggingen.

Die Kalium-Uhr war vom Prinzip her seit Anfang des Jahrhunderts bekannt. Es war aber nicht gelungen, den K-Einfang des 40K zum 40A physikalisch nachzuweisen. Die geologischen Verhältnisse der Bugginger Kalisalze gestatteten es GENTNER und seinen Mitarbeitern, den Argongehalt und das Alter unter Berücksichtigung von Diffusion und Luftverunreinigungen recht genau zu bestimmen. Die 40K-40A-Uhr war damit geeicht. Aufgrund der Verbreitung von Kalium und der leichten Meßbarkeit der Argonisotope mit Massenspektrometern stand damit die bei weitem wichtigste Methode der radioaktiven Altersbestimmung geo- und kosmophysikalischer Objekte zur Verfügung. Sie wurde in einem langjährigen Programm von GENTNERs Schülern, insbesondere von ZÄHRINGER und FECHTIG, auf Gesteinsproben, Meteorite, Tektite und Mondproben vielfältig angewandt.

Bei häufigen Besuchen in der Schweiz, in Paris und in den U.S.A. wurden dann die ersten Gespräche zur Gründung eines europäischen Laboratoriums für Hochenergiephysik geführt. GENTNER war neben HEISENBERG von Anfang an Vertreter der Bundesrepublik Deutschland und nahm seit 1951 an allen wichtigen Besprechungen teil. Nach Gründung des CERN-Rates im Februar 1952 begannen gleich die Planungen für das Synchrozyklotron und das Protonensynchrotron, bei denen GENTNER zusammen mit CITRON und SITTKUS wichtige Teilaufgaben bearbeitete. GENTNERs wichtigste Stütze in seinem Amt als Vorsitzender der Schutzkommission des Bundesministers des Inneren war damals SITTKUS, der seine umfangreichen Kenntnisse zum Strahlenschutz bei den CERN-Planungen einbringen konnte. Von großer Bedeutung für die Bauplanung waren neben GENTNERS Weitblick seine Erfahrungen aus dem Wiederaufbau der Universität Freiburg. Es war charakteristisch für ihn, daß er weit voraus an Dinge dachte, die erst Jahre später ins allgemeine Bewußtsein rückten. So hielt er schon 1952 in Heidelberg, zum Erstaunen von BOTHE und den BOTHE-Schülern, einen Vortrag über Mondkrater.

Sehr bald nach der offiziellen Gründung des CERN-Laboratoriums in Genf im Jahre 1954 wurde GENTNER zum Direktor der Abteilung Synchrozyklotron und Direktor der FOrschung des CERN ernannt. Parallel zur Anfrage vom CERN hatte er von der Stuttgarter Landesregierung als erster die Leitung des Kernforschungszentrums Karlsruhe angeboten bekommen, dessen Bau damals gerade beschlossen worden war. Er lehnte mit der Begründung ab, daß er lieber auf dem Gebiet der reinen Grundlagenforschung arbeiten wolle.

In Genf herrschte damals Pionieratmosphäre. Von einem kleinen Raum in einer Baracke am Rande des Flughafens aus dirigierte GENTNER die vielen tatendurstigen jungen Physiker und Ingenieure, die aus allen Teilen Europas nach Meyrin gekommen waren. Das Problem der noch nicht überwundenen Ressentiments aus der Kriegszeit und der verschiedenen Nationalitäten meisterte er souverän.

Das Synchrozyklotron lieferte schon am 1. August 1957 den ersten Strahl. GENTNERS Name ist der erste in der Liste der Physiker, die im Protokollbuch den Vermerk der erfolgreichen Inbetriebnahme unterschrieben haben.

Die Position beim CERN erforderte viele Reisen und in der Anfangszeit auch unzählige Fahrten zwischen Freiburg und Genf. GENTNER, nach dem Krieg einer der ersten mit eigenem spprtlich aufgemachtem Auto, war ein routinierter Autofahrer. Regelmäßig - noch ohne Autobahn am frühen Morgen loszufahren und Genf vor 9 Uhr zu erreichen, stellte aber selbst für ihn auf die Dauer eine zu große physische Belastung dar. Er mietete schließlich ein Haus am Ufer des Genfer Sees, dessen Veranda in den Abendstunden oft den gesellschaftlichen Mittelpunkt für CERN und seine Besucher bildete. Bei günstigem Wetter schied man mit dem unvergeßlichen Eindruck der Strahlen der untergehenden Sonne auf Mont Blanc und See.

Nach BOTHES TOd im Februar 1957 stand die Zukunft seines Heidelberger Instituts längere Zeit zur Diskussion. Stimmen, die vorher für Schließung plädiert hatten, traten schließlich in den Hintergrund, weil die Physiker der Heidelberger Universität die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit des Instituts zur Geltung brachten. Das umgebaute Zyklotron war seit 1956 in Betrieb und es liefen weltweit anerkannte Arbeiten über die Nichterhaltung der Parität in der schwachen Wechselwirkung. RUDOLF MÖSSBAUERS Experimente, die zur Entdeckung des nach ihm benannten Effektes führten, waren schon im vollen Gang.

Ende 1957 nahm der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, OTTO HAHN, Verhandlungen mit GENTNER auf, die im Mai 1958 zum Senatsbeschluß zur Gründung eines Max-Planck-Instituts für Kernphysik führten. Am 1. Oktober 1958 wurde GENTNER zum Direktor des Max-Planck-Instituts für Kernphysik ernannt. Die Universität berief ihn gleichzeitig auf ein Ordinariat.

Schon während des Krieges hatten BOTHE und GENTNER Pläne für ein neues Kaiser-Wilhelm-Institut mit größeren Teilchenbeschleunigern ausgearbeitet. GENTNER griff diese Ideen wieder auf und trat in langwierige Verhandlungen mit der Stadt Heidelberg über ein geeignetes Baugelände. überlegungen, das Institut eventuell in Freiburg zu errichten, führten im Juli 1959 zum Beschluß des Heidelberger Gemeinderates, ein weitläufiges Gelände am Abhang des Königstuhles 200 m über der Stadt zur Verfügung zu stellen. In engem Kontakt mit den Kernphysikern der Universität, insbesondere mit O. HAXEL und J. H. D. JENSEN, nahm GENTNER als ersten Schritt die Aufstellung eines Tandem-Beschleunigers mit einer Maximalspannung von 6 MV in Angriff. Außerdem wurde ein besonderes Gebäude für Kosmophysik vorgesehen, um mit radioaktiven Methoden Altersbestimmungen an Meteoriten durchzuführen. Zu beiden Arbeitsgebieten kamen jüngere Physiker aus Freiburg mit GENTNER nach Heidelberg. Sie hatten mit STIERLIN an den Freiburger Bandgeneratoren Kernreaktionen leichter Kerne untersucht oder an Massenspektrometern gearbeitet.

Mit dem Aufbau der Kosmophysik begannen ZÄHRINGER und FECHTIG schon 1958 im alten Institut an der Jahnstraße.

Praktisch gleichzeitig mit dem Max-Planck-Institut für Kernphysik wurden die Kernforschungszentren in Karlsruhe und Jülich aufgebaut. Es war die Zeit, in der die kernphysikalische Forschung in der Bundesrepublik geordnet werden mußte. Das war auch Anlaß für das Manifest der Göttinger 18 zur Atomwaffenproduktion. GENTNER gehörte wie J. H. D. JENSEN nicht zu den Göttinger 18. Wenn auch mit dem Anliegen der Erklärung solidarisch, lehnte er die implizit damit verbundene moralische Entrüstung über die Handlungsweise amerikanischer Kollegen ab. Er meinte, daß sich die Kernphysiker nicht einfach aus diesem Problem davonstehlen könnten. Man müsse sich klar darüber sein, daß die großzügige finanzielle Förderung der Kernphysik, die in den 50er Jahren zu ihrer explosionsartigen Entwicklung mit großen Beschleunigern und Forschungsreaktoren führte, nicht aufgrund öffentlichen Interesses an der Grundlagenforschung sondern wegen der Bedeutung von Kernwaffen und Kerntechnik in Gang gekommen sei.

Mitte 1959 gab GENTNER seine Position beim CERN ab und konzentrierte sich auf den Aufbau des neuen Max-Planck-Instituts. Die Anerkennung als Wissenschaftler und seine einmalige Erfahrung im Bau von Instituten und der Organisation moderner physikalischer FOrschung führten dazu, daß die neuen Labor- und Werkstattgebäude funktionsgerecht und außerordentlich schnell aufgebaut wurden. Schon im Oktober 1961 begann die wissenschaftliche Arbeit am Tandembeschleuniger und Ende 1963 konnte das Hauptgebäude, das Walther-Bothe-Laboratorium, bezogen werden. In dem vierköpfigen Planungsstab, dem neben dem renommierten Architekten LANGE der erfahrene Ingenieur WEIMER angehörte, dominierten GENTNERs Argumente, Ideen und Vorschläge bis in die Fragen der Bautechnik.

Als zweiten Schritt hatte GENTNER den Aufbau eines Synchrozyklotrons für Protonen von einigen 100 MeV ins Auge gefaßt. Dieser Plan stieß Ende 1963 auf den entschiedenen Widerstand HEISENBERGs und des Präsidiums der Max Planck-Gesellschaft und mußte deshalb fallen gelassen werden. Der weitere Aufbau von nicht zu aufwendigen Beschleunigern für schwere Ionen wurde dagegen gutgeheißen. GENTNERs wissenschaftliches Interesse konzentrierte sich daraufhin stärker auf die Kosmophysik und die Arbeiten am CERN, mit dem er immer in engem Kontakt blieb. Dort war er von 1969-71 Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses und von 1972-74 Präsident des Rates.

Durch Vermittlung von DR. COHN und AMOS DE SHALIT in Genf hatten GENTNER und OTTO HAHN schon 1959 eine Einladung erhalten, das Weizmann-Institut in Rehovot zu besuchen. während dieses Besuchs wurden der Austausch junger Wissenschaftler aus Israel und Deutschland und gemeinsame wissenschaftliche Arbeiten vereinbart. Mit Hilfe der Stiftung Volkswagenwerk gelang es GENTNER bald, ein ständiges Komitee für die Zusammenarbeit zwischen dem Weizmann-Institut und der Max Planck-Gesellschaft zu gründen. ADENAUER sorgte bei seinem Besuch in Israel dann dafür, daß dieses Unternehmen ab 1963 unter dem Namen MINERVA vom deutschen Wissenschaftsministerium großzügig unterstützt wurde. GENTNER richtete als Vorsitzender des MINERVA-Komitees in Heidelberg ein Sekretariat ein und organisierte regelmäßige Treffen in Israel und Deutschland. Das Weizmann-Institut ernannte ihn 1965 zum Ehrenmitglied und 1975 zum einzigen deutschen Mitglied des Board of Governors. Nach seinem Tod wurde ein GENTNER-Lehrstuhl am Weizmann-Institut eingerichtet und die regelmäßigen MINERVA-Symposien erhielten den Namen GENTNER-Symposien.

Eine weitere wissenschaftliche Institution, um die sich GENTNER Mitte der 60er Jahre verdient gemacht hat, ist die Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Die Akademie hatte ihn schon 1957 vor seiner Übersiedlung nach Heidelberg zum ordentlichen Mitglied gewählt und ihm 1964 das Amt des Präsidenten übertragen. Ihr Ziel, neben interfakultativen und interuniversitären Gesprächen interdisziplinär wissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen, wurde 1965 durch drastische Etatkürzungen im Kultusministerium des Landes und im Bundesforschungsministerium in Frage gestellt. Der größte Teil der Mittel in den meist langzeitigen Projekten wurde für das Personal eingesetzt. Dessen Besoldung war plötzlich nicht mehr gesichert. Außerdem hatte die Raumnot der Akademie einen bedrohlichen Zustand erreicht. GENTNER fand Hilfe bei der Stiftung Volkswagenwerk und dem Stifterverband. Er erreichte, daß die Akademie die Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erhielt und daß die Etatisierung beim Land gesichert wurde.

In der zweiten hälfte der 60er Jahre konnte GENTNER auch vielen Freunden beim Aufbau wissenschaftlicher Institutionen behilflich sein. Mit seinen Kenntnissen über die Organisation der französischen Wissenschaftsverwaltung half er MAIER-LEIBNITZ bei der Gründung des Instituts Laue-Langevin in Grenoble, und er unterstützte SCHMELZER bei den Vorarbeiten und dem Aufbau der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt. Zusammen mit BERNARDINI war er 1968 in Florenz Mitbegründer der Europäischen Physikalischen Gesellschaft.

Wolfgang Gentner, 1965

Sein wissenschaftliches Interesse galt in diesen Jahren in erster Linie den Einschlagkratern. Schon 1959 hatten J. zÄHRINGER und H. FECHTIG Messungen an Tektiten gemacht. Bei der Klärung des Diffusionsmechanismus von Argon, der für die Kalium-Argon-Uhr wichtig ist, wurden besonders sorgfältig die Moldavite untersucht. Dies sind Tektite aus Böhmen, die als reine Glasmasse keine Gitterstruktur besitzen. Mineralogische Untersuchungen von Proben aus dem Meteoritenkrater von Arizona und vom Nördlinger Ries hatten zu dieser Zeit die Diskus sion der 30er Jahre über den meteoritischen oder vulkanischen Ursprung des Rieskraters neu belebt. LIPPOLT untersuchte daher Glasproben aus einem Stein bruch am Ostrand des Rieses und ermittelte ein Alter von etwa 15 10**6 Jahren. Das stimmte innerhalb kleiner Fehler mit dem Alter der Moldavite überein. Dieses Ergebnis, dem viele weitere Untersuchungen bis zum Ende des Jahrzehnts folgten, machten GENTNER zum bedeutendsten Vertreter der Meteoritenkraterhypothese.

Um die Herkunft der Tektite aus Einschlagkratern von Meteoriten zweifelsfrei zu beweisen, nahm er 1963 die Strapazen einer Expedition zum Bosumtwi-See 300 km landeinwärts von der Küste Ghanas auf sich. Messungen von ZÄHRINGER und WAGNER an dem gefundenen Kraterglas bestätigten die für die Tektite der Elfenbeinküste ermittelten Alter. Damals wurde auch schon die später viel verwendete Spaltspurenmethode zur Altersbestimmung eingesetzt.

Nach der Apollo-Mission war es naheliegend, die über irdische Einschlagkrater gewonnenen Erkenntnisse auf die Mondkrater und später auch auf die Kraterbilder von Mars und Merkur anzuwenden. GENTNER sprach Anfang der 70er Jahre bei vielen Gelegenheiten darüber, meist unter dem Titel: "Die Narben im Antlitz der Himmelskörper." Im Laufe der Jahre nahmen die historischen Einleitungen in seinen Vorträgen einen immer größeren Raum ein. Sie leiteten über zur Archäometrie, seinem letzten Forschungsgebiet.

GENTNER hatte sich schon einige Zeit mit der Archäometrie befaßt und hatte nach geeigneten Partnern Umschau gehalten, als er 1974 begann, zusammen mit WAGNER und MüLLER Spurenelemente und isotopische Zusammensetzung in altgriechischen Silbermünzen zu untersuchen. Der Vergleich mit Gesteinsproben, die auf oft mühevollen Exkursionen in alten Bergwerken gesammelt wurden, zeigte die Herkunft des Münzsilbers. Die Kombination von Neutronenaktivierungsanalyse, Bleiisotopenanalyse, Thermolumineszenzdatierung und Radiokohlenstoffdatierung führten bald zu überraschenden Ergebnissen über das Alter des Bergbaus in Europa. Mit nahezu 5000 Jahre alten Blei-Silber-Gruben wurde die früheste bisher bekannte Blei-Silber-Gewinnung entdeckt.

Den größten Teil seiner Arbeitskraft beanspruchte in diesen Jahren aber das Amt des Vizepräsidenten der Max-Planck-Gesellschaft. GENTNER war schon von 1967-70 Vorsitzender der physikalisch-chemisch-technischen Sektion der Max-Planck-Gesellschaft gewesen und hatte dabei für langanstehende Probleme einiger Max-Planck-Institute überzeugende und realisierbare Lösungsvorschläge vorgelegt. In diese Zeit fällt z. B. die Gründung des Max-Planck-Instituts für Astronomie in Heidelberg.

Das Ende seiner Amtszeit als Sektionsvorsitzender wurde dann durch zwei Operationen überschattet, die ihn jeweils viele Monate von seinem Institut fernhielten. Die eine betraf die Linsen seiner Augen. Dort hatten sich die berüchtigten Katarakte gebildet, die etwa 25 Jahre nach starker Neutronenbestrahlung auftreten. Sie hatten ihren Ursprung in seiner Pariser Zeit. Durch ein Fenster in der Kammer des Zyklotrons hatte er dort häufig nach der Position des umlaufenden Strahls gesehen.

Anfang 1972 war er aber soweit wiederhergestellt, daß er das Amt des Vizepräsidenten der Max-Planck-Gesellschaft in freundschaftlicher Zusammenarbeit mit LÜST übernehmen konnte. So bestimmte er in den schwierigen Jahren der Konsolidierung nach mehr als 10 Jahren stürmischer Expansion die Geschicke der Max-Planck-Gesellschaft mit. Seine Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen und Freundschaften zu pflegen, half ihm dabei genauso wie die bewundernswerte Bereitschaft seiner Frau ALICE, private Anliegen und dienstliche Verpflichtungen in Einklang zu bringen.

GENTNER wurde eine große Zahl hoher Ehrungen zuteil. Er war Mitglied vieler wissenschaftlicher Akademien und des Ordens Pour le merite für Wissenschaft und Künste. Ausgezeichnet wurde er mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern der Bundesrepublik Deutschland, dem Officier de la Legion d'Honneur, dem Ernst-Helmut-Vits-Preis, der Cothenius-Medaille in Gold und dem Otto Hahn-Preis der Stadt Frankfurt.
Er starb am 4. September 1980 in Heidelberg.