The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20110808040633/http://www.stol.it:80/Artikel/Politik-im-Ueberblick/Politik/Otto-von-Habsburg-ist-tot
Montag, 08. August 2011
© 2011 APA/EPA Otto von Habsburg mit Ehefrau Nancy Regina, Prinzessin von Sachsen-Meiningen © 2011 APA/AFP Otto von Habsburg mit Ehefrau Nancy Regina, Prinzessin von Sachsen-Meiningen Auch der katholische Glaube war ihm ein Anliegen, die Selbstdisziplin eine seiner großen Charakterstärken © 2011 APA/EPA Auch der katholische Glaube war ihm ein Anliegen, die Selbstdisziplin eine seiner großen Charakterstärken Insgesamt sind vier Requien geplant: am Samstag in Pöcking, am kommenden Montag in München, am Mittwoch darauf im österreichischen Wallfahrtsort Mariazell und schließlich am Samstag (16. Juli) in Wien. © 2011 APA/EPA Insgesamt sind vier Requien geplant: am Samstag in Pöcking, am kommenden Montag in München, am Mittwoch darauf im österreichischen Wallfahrtsort Mariazell und schließlich am Samstag (16. Juli) in Wien. Für viele galt Otto von Habsburg als Visionär, stellte er sich doch nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den Dienst eines vereinten Europas. © 2011 APA/AFP Für viele galt Otto von Habsburg als Visionär, stellte er sich doch nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den Dienst eines vereinten Europas.
Politik

Otto von Habsburg ist tot

Otto von Habsburg ist tot. Der älteste Sohn des letzten regierenden Kaisers von Österreich und Königs von Ungarn starb am Montagmorgen im Alter von 98 Jahren in seinem Haus in Pöcking am Starnberger See.

Nach Angaben seiner Sprecherin Eva Demmerle waren alle sieben Kinder bei ihm, als er friedlich einschlief. Ihre letzte Ruhe sollen Otto und Regina von Habsburg, die im Februar 2010 starb, laut Demmerle in der Wiener Kapuzinergruft finden, der Kaisergruft der Habsburger. Der Sarg von Regina von Habsburg werde von der Veste Heldburg in Südthüringen umgebettet.

Vier Requien geplant

Es seien für den Kaisersohn insgesamt vier Requien geplant, am Samstag in Pöcking, am kommenden Montag in München, am Mittwoch darauf im österreichischen Wallfahrtsort Mariazell und schließlich am Samstag (16. Juli) in Wien. Im Anschluss daran würden dann beide Särge in der Kapuzinergruft beigesetzt.

SEIN LEBEN UND WIRKEN

Sein bewegtes Leben führte Otto von Habsburg nach Spanien, Belgien, Frankreich und in die Vereinigten Staaten, seine letzte Ruhestätte findet Otto von Habsburg in seinem Vaterland Österreich, mit dem er erst 1961 Frieden schloss.

Die Geschichte war für Otto von Habsburg etwas ungemein Lebendiges, hatte sie doch sein Schicksal von klein auf bestimmt und sein Leben immer wieder eingeholt: Als erstgeborener Sohn des österreichischen Kaisers Karl I. und dessen Ehefrau Zita, geborene Prinzessin von Bourbon-Parma, wurde er auf eine zukünftige Herrscherrolle vorbereitet.

Es sollte anders kommen: Er bestieg nicht als Monarch den Thron, sondern wurde zum „souveränen Europäer“, der immer wieder mahnend seinen Finger hob. Dabei waren ihm die europäischen Minderheiten und damit auch das Schicksal der Südtiroler immer ein besonderes Anliegen.

KINDHEITSJAHRE UND DAS LEBEN IM EXIL

Geboren als „Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit Franz Joseph Otto Robert Maria Anton Karl Max Heinrich Sixtus Xaver Felix Renatus Ludwig Gaetan Pius Ignatius, Kaiserlicher Prinz, Erzherzog von Österreich, Königlicher Prinz von Ungarn“ am 20. November 1912 im niederösterreichischen Reichenau an der Rax waren seine Kindheitsjahre geprägt von der Auflösung der Doppel-Monarchie am Ende des Ersten Weltkrieges und vom Leben im Exil – das ihn und seine Familie zunächst in die Schweiz und später nach Portugal auf die Insel Madeira führte.

„Mein Vater war ganz plötzlich 1917 nach seiner Krönung in eine fast unlösbare Situation an die Spitze der Regierung getreten“, erinnerte sich Otto von Habsburg zu Lebzeiten zurück.

Die „unlösbare Situation“ endete für die Kaiserfamilie im Exil, wo Otto von Habsburg unter strenger Aufsicht seiner Mutter stand, die ihn zu einem römisch-katholischen Monarchen zu erziehen versuchte, in der Hoffnung, dass das Kaisertum erhalten bleibe.

„NATIONALISMUS UND KOMMUNISMUS ALS GEISSELN DER MENSCHHEIT“

Der Untergang der Monarchie war jedoch besiegelt, Nationalismus und Kommunismus als „Geißeln der Menschheit“ (Otto von Habsburg) wurden zu den bestimmenden Ideologien, die im 19. Jahrhundert ideengeschichtlich gereift waren und im 20. Jahrhundert ihre zerstörerische Kraft über Europa entluden.

Habsburg hielt bereits damals an der Idee fest, dass das „schmerzlich geteilte Europa eine gemeinsame Zukunft hat“, wie er immer wieder betonte. Er wollte seinen eigenen Beitrag dazu leisten, und begann sich in den 30er Jahren politisch zu engagieren, als er offen gegen den Nationalsozialismus auftrat und Widerstand gegen den Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich leistete.

DEN NAZI EIN DORN IM AUGE

Von den Nazis wurde er steckbrieflich verfolgt. Otto von Habsburg, seiner Mutter und den Geschwistern wurde auf Befehl Hitlers die Reichsbürgerschaft entzogen. Das enteignete Vermögen ging an das Großdeutsche Reich über, nach dessen Untergang übernahm es die Republik Österreich.

Als die Wehrmacht im März 1938 in Österreich einfiel, flüchtete Otto von Habsburg über Paris nach Spanien, von wo aus er Tausenden von Menschen, darunter zahlreichen Juden, bei der Flucht nach Übersee verhalf.

Während des Zweiten Weltkrieges wirkte er in den USA für die Wiederherstellung Österreichs, engagierte sich gegen die Vertreibung der Deutschen aus dem Sudetenland und setzte sich für die Selbstbestimmung Südtirols ein. Dabei gab es rege Kontakte zu Präsident Franklin Roosevelt bzw. Winston Churchill.

Umstritten bleibt sein angeblicher Einsatz, mit dem er Luftangriffe auf Österreich von den USA aus zu verhindern versuchte. In Österreich wird dieses Engagement bis dato angezweifelt.

FREUND-FEIND-BEZIEHUNG ZU ÖSTERREICH

Das Verhältnis zwischen Otto von Habsburg und Österreich blieb lange angespannt. Österreich war für den Erzherzog zwar ein Herzensanliegen, er für die Alpenrepublik nicht. Zu unterschiedlich waren lange Zeit die Vorstellungen, in welche Richtung sich Österreich zu entwickeln habe, zu groß die Angst vor einer Habsburgerrenaissance im Land.

So setzte sich Otto von Habsburg nach dem Zweiten Weltkrieg zwar für die staatliche Eigenständigkeit seines Vaterlandes ein: Allerdings arbeitete er an der Realisierung seiner Idee eines neuen Vielvölkerstaates nach dem Vorbild Belgiens.

Nicht zuletzt wegen dieser Pläne, aber auch weil er Präsident Truman vor der Anerkennung der provisorischen Staatsregierung unter der Leitung des Sozialdemokraten Karl Renner in Wien warnte, wurde er 1946 erneut des Landes verwiesen, nachdem er nach Kriegsende nach Innsbruck und damit in die französische Zone zurückgekehrt war.

Otto von Habsburg wurde zum „Staatslosen“, er behielt zwar seine österreichische Staatsbürgerschaft, eine Einreise in das Land blieb ihm allerdings bis 1961 verwehrt.

1958 verzichtete Otto von Habsburg erstmals auf seine Herrschaftsansprüche und bekannte sich als Bürger der Republik. Zwei Versprechen, die 1961 in der „Verzichtserklärung“ offiziell protokolliert wurden. Sein Name lautet seit damals auf Otto Habsburg-Lothringen, da sein bisheriger Adelsname in Österreich und Deutschland verbürgerlicht wurde.

Fuß auf österreichischen Boden setzte Otto von Habsburg erst Jahre später und zwar 1966, was zu heftigen Protesten und zu einem Streik von rund 250.000 Arbeitnehmern in Österreich führte.

Detail am Rande: 1961 bot Francisco Franco, spanischer Diktator und Staatschef, Otto von Habsburg an, nach seinem Tode die Monarchie wieder aufleben zu lassen und testamentarisch Otto von Habsburg als König von Spanien zu bestimmen, da die Habsburger das Land fast 200 Jahre lang regiert hatten. Otto von Habsburg lehnte ab.

Ruhe in das angespannte Verhältnis zwischen Otto von Habsburg und Österreich kehrte am 4. Mai 1972 mit dem „historischen Handschlag“ zwischen Otto von Habsburg und dem damaligen österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky ein.

Von da an wurden Aufenthalte des ehemaligen Erzherzogs nicht mehr diskutiert, das Verhältnis zwischen der Republik Österreich und der Familie Habsburg entspannte sich.

DER PRIVATE OTTO VON HABSBURG

Zu einer endgültigen Rückkehr in das Vaterland kam es nicht: Otto von Habsburg besuchte Österreich zwar immer wieder – als Politiker, Publizist, Vortragender und Reisender. Seinen Lebensmittelpunkt hatte er seit 1954 aber in Bayern, wo er sich gemeinsam mit seiner Ehefrau Nancy Regina, Prinzessin von Sachsen-Meiningen, in der „Villa Austria“ in Pöcking am Starnberger See niederließ.

Dort wuchsen auch seine sieben Kinder auf. Später wurde die Habsburg-Villa in Bayern zum Treffpunkt der 22 Enkelkinder. Einer seiner Enkelkinder, Severin Meister, absolvierte sein Studium an der Freien Universität Bozen.

Seine Ehefrau, Regina von Habsburg, die am 3. Februar 2010 nach langer schwerer Krankheit verstarb, beschrieb Otto von Habsburg als treusorgenden Vater. Spiele erfand er oft selbst. Diese sollten die Kinder interessieren und informieren. Auch wollte er seine Kinder am politischen Leben teilhaben lassen. Sie waren daher immer willkommene Zuhörer auf seinen Vortragsveranstaltungen.

„Als Hausmann ungeeignet“

Auf Sprachen legte er großen Wert; sprach er doch selbst sieben Fremdsprachen, darunter Ungarisch, Kroatisch, Englisch, Spanisch, Französisch und Latein. Zu Hause galt die Devise: während der Ferien muss alle zwei Stunden eine andere Sprache gesprochen werden.

„Während der zwei Stunden, in denen Deutsch erlaubt war, sprachen alle Kinder durcheinander, sonst war es meist herrlich ruhig“, erinnerte sich Regina von Habsburg zu Lebzeiten an diese Zeit zurück.

Auch der katholische Glaube war ihm ein Anliegen, die Selbstdisziplin eine seiner großen Charakterstärken. „In der Zeit, die andere vertrödeln, weil sie auf Busse, auf Züge oder auf Besprechungen warten, schreibe ich Bücher, Hintergrundberichte und meine wöchentlichen Artikel“, wurde er zitiert.

Kein so gutes Zeugnis stellte ihm Regina von Habsburg in Sachen „Hausmann“ aus: „Für Haushaltsarbeit wie Kochen oder Bügeln ist er ungeeignet, nicht der ‚richtige Hausmann‘“, meinte sie einst augenzwinkernd. Auch mit Schnellrestaurants konnte er nichts anfangen. Allerdings schaffte er es in einem Straßburger McDonalds, Messer und Gabel für seine zwei Big Mac zu erhalten.

Außerdem war Otto von Habsburg ein begeisterter Spaziergänger. Verhalten war er aber was seine Gefühlswelt betraf. „Er ist ungeheuer unsentimental und lässt sich negative Gefühle nicht anmerken. Aber auch positive Gefühle bringen ihn nur ganz selten zum Überschäumen. Glück, Liebe und Dankbarkeit drückt er immer sehr gemessen aus“, so Regina von Habsburg.

„Ich rauche nur am Weltnichtrauchertag“

In einem Stern-Interview verriet von Habsburg einst, dass nicht Monarch zu sein, auch Vorteile habe.

„Sie müssen nicht jeden Politiker, der ein Esel ist, Exzellenz nennen. Außerdem habe ich ein Leben, wo ich mich nicht langweile.“

Im Interview outete er sich als Fan der James-Bond-Filme („die sind alle gut“) und als Ein-Tage-Raucher: „Ich rauche nur am Weltnichtrauchertag“.

DER POLITISCHE OTTO VON HABSBURG

Für viele galt Otto von Habsburg als Visionär, stellte er sich doch nach Ende des Zweiten Weltkrieges in den Dienst eines vereinten Europas. So wurde Otto von Habsburg bereits 1936 Mitglied der von Richard Coudenhove-Kalergi gegründeten Paneuropa-Union, seit 1957 war er deren Internationaler Präsident, 1973 wurde er zum Präsidenten der Union. In dieser Funktion verpflichtete er sich bis zu seinem Lebensende für die weitere Einigung Europas einzutreten und die Verteidigung der Freiheit und der Menschlichkeit voranzutreiben.

1979 wurde Otto von Habsburg Mitglied des Europäischen Parlamentes, wo er für die CSU bis Juli 1999 als Obmann der christdemokratischen EVP-Fraktion im Außenpolitischen Ausschuss, als Präsident und Vizepräsident der Ungarn-Delegation sowie als Altpräsident des Europäischen Parlaments tätig war. Für ihn war das Europäische Parlament eine „Stimme des Gewissens“.

Seine größten politischen Leistungen: die Einrichtung eines leeren Stuhls für die unterdrückten Völker Europas, die Wiederentdeckung des Mitteleuropa-Begriffes, die Entwicklung einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und sein Engagement für die Öffnung der Staaten Mittel- und Osteuropas in Richtung Europäische Union.

Im Gegensatz zu jenen, die die Europäische Gemeinschaft lediglich als Freihandelszone betrachteten, setzte er sich – erfolgreich – für die paneuropäische Vision ein: eine politische Gemeinschaft, die nicht am Eisernen Vorhang aufhören durfte. Hier ein Auszug seiner Europa-Idee:

„Europa muss wachsen wie ein Baum, und darf nicht hingestellt werden wie ein amerikanischer Wolkenkratzer. Wer sich mit der Einigung unseres Erdteils befasst, muss deshalb Geduld haben und das Gewachsene aus der Distanz einiger Jahre betrachten“.

So war Otto von Habsburg am 19. August 1989 Schirmherr des „Paneuropa-Picknicks“ in Sopron, bei dem über 600 DDR-Deutsche die erste Massenflucht wagten. Auch für den Gottes-Bezug in der Europäischen Verfassung setzte er sich vehement ein.

Habsburg und die österreichische Opferthese

Allerdings: Otto von Habsburgs politisches Engagement stieß nicht immer nur auf Begeisterung. So wurde ihm lange zum Vorwurf gemacht, u. a. Österreichs Opferthese zu verteidigen und damit Österreich als erstes Opfer Nazi-Deutschlands zu bezeichnen.

So sagte Otto von Habsburg einst: „Was eigentlich ein Skandal war, nämlich die Diskussion hier in Österreich über die Frage, ob Österreich ein Mitschuldiger war oder ob es ein Opfer war. Meine Damen und Herren, ich glaube es gibt keinen Staat in Europa, der mehr Recht hat, sich als Opfer zu bezeichnen, als es Österreich gewesen ist.“

Auch dass er den Begründer des austro-faschistischenStändestaats Engelbert Dollfuss immer wieder verteidigte, sorgte bei seinen Kritikern für politischen Unmut.

Sprachminderheiten und sein Engagement dafür

Ein besonderes Anliegen waren Otto von Habsburg die Sprachminderheiten in Europa: Vielleicht weil seine Vorfahren ein Vielvölkerreich regierten, vielleicht auch weil der vielsprachige Kaisersohn auf seinen Weltreisen so viele dieser Schicksale studieren konnte. In diesem Sinne besuchte er auch Südtirol oft und gerne.

Außerdem wird alljährlich der Otto-von-Habsburg-Preis an Journalisten verliehen, die im Rahmen ihrer Arbeit für Minderheiten-Rechte eintreten bzw. auf die Situation von Minderheiten hinweisen.

OTTO VON HABSBURG UND SÜDTIROL

Otto und Regina von Habsburg waren große Südtirol-Freunde und –Kenner. Die großen Verdienste von Habsburg für Südtirol hob 2003 der ehemalige SVP-Europaparlamentarier Michl Ebner anlässlich eines Südtirol-Besuches des Ehepaares hervor: Er erinnerte an das Südtirol-Memorandum, das Otto von Habsburg mit Richard Coudenhove-Kalergi 1944 verfasst hatte. Dabei hatte er für die Südtiroler absolute Garantien gefordert.

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich vehement für das Selbstbestimmungsrecht für Südtirol ein. 2008 erhielt er auf Schloss Tirol das „Große Verdienstorden des Landes Südtirol“.

Zahlreiche Besuche führten ihn immer wieder nach Südtirol, außerdem war er Mitglied mehrerer Südtiroler Schützenverbände.

Auf einer seiner Südtirol-Reisen wurde er auf die Nachhaltigkeit seines Namens angesprochen. Daraufhin meinte er: „Dieser Name ist eine Verpflichtung, Tradition und moderne Zeiten zu verbinden. Ich versuche, dieser Verpflichtung seit 90 Jahren nachzukommen und, so glaube ich zumindest, bin es auch.“

joi

Fotos: Kaisersohn Otto Habsburg 98-jährig verstorben - Quelle: apa/epa

Klicken Sie auf ein Bild um in den Vollbildmodus zu gelangen
Video:
Video needs JavaScript and Flashplayer

Hier können Sie den Artikel bewerten
 
Anzeige
 
Anzeige