The Wayback Machine - https://web.archive.org/web/20120413070711/http://www.de-cn.net:80/dis/zgh/his/de2705231.htm
Deutsch-Chinesisches Kulturnetz - Kulturaustausch zwischen Deutschland und China

Blick in die Geschichte

Chinesen in Deutschland – ein historischer Überblick

Copyright: Dagmar Yu-DembskiSpurensuche: Bürgersöhne, Kaufleute und Revolutionäre

Copyright: Dagmar Yu-Dembski
Studenten in Berlin
Die Geschichte der Chinesen in Deutschland beginnt Anfang des 19. Jahrhunderts. Der Dichter Heinrich Heine erwähnt in einem Brief von 1823 zwei Chinesen, die "für sechs Groschen auf der Behrenstraße" zur Schau gestellt werden. Die beiden Männer mit dem Familiennamen Feng - vermutlich Onkel und Neffe - waren aus der südchinesischen Hafenstadt Kanton über London nach Berlin gereist. Da die Berliner kein großes Interesse an der Vorführung der Chinesen zeigten, wurden sie in den Dienst des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm III. vermittelt. Goethe bezeichnete sie als Gelehrte, denn sie unterstützten den späteren Sinologen Wilhelm Schott bei seinem Studium der chinesischen Sprache und übersetzten religiöse Texte ins Chinesische. Der ältere Feng kehrte nach China zurück, während der Jüngere mit seiner Familie eine Villa in Potsdam bewohnte, die er für seine Dienste geschenkt bekommen hatte.

Bürgersöhne …

Nachdem 1861 ein Freundschafts- und Handelsvertrag zwischen dem chinesischen Kaiser und Preußen geschlossen worden war, wurden diplomatische Beziehungen aufgenommen und chinesische Gesandte kamen mit ihren Familien und Dienerschaft. Das Kaiserreich war nach den verlorenen Opiumkriegen und der Niederlage gegen Japan daran interessiert, seine Armee zu modernisieren. Daher wurden Soldaten nach Preußen geschickt, um westliche Waffentechnik und militärische Ausbildung kennen zu lernen. Doch nicht nur das Militär musste reformiert werden, auch das Bildungswesen entsprach nicht mehr den Anforderungen moderner Wissenschaft und Technik. Chinesen verließen ihre Heimat, um im Ausland Medizin, Philosophie, Naturwissenschaft und Technik zu studieren.

Ein Teil von ihnen kam auch nach Deutschland, wie der 1880 gegründete "Verein chinesischer Studenten" mit 40 Mitgliedern beweist. Für den späteren Rektor der Peking-Universität, Cai Yuanpei, war der Studienaufenthalt in Berlin und Leipzig von großer Bedeutung. Er hatte deutsche Philosophie und Kulturgeschichte studiert und orientierte sich nach der Rückkehr bei seinen Reformbemühungen an dem Humboldtschen Bildungsideal. Auch war er ein Förderer und Wegbereiter des studentischen Austauschs.

Besonders nach dem 1. Weltkrieg kamen Stipendiaten und Söhne aus wohlhabenden Familien zum Studium nach Deutschland. Im Vergleich zu Frankreich oder England war das Leben hier - besonders während der Inflationsjahre – viel preiswerter. 1923 sollen etwa 1.000 Chinesen allein in Berlin an der Technischen Hochschule, der Hochschule der Künste und der Friedrich-Wilhelm-Universität studiert haben.

Kaufleute…

Copyright: Dagmar Yu-Dembski
Alte Werbung fürs Restaurant
Bereits Ende des 19. Jahrhunderts waren Händler und Kaufleute aus der Provinz Zhejiang nach Europa gereist. Chinesen aus Wenzhou und Qingtian waren auf dem Landweg nach Deutschland gekommen. In der Hafenstadt Hamburg gab es rings um St. Pauli ein chinesisches Viertel, in dem ehemalige Seeleute und Händler Restaurants, Gemüseläden und Wäschereien betrieben. Auch in Berlin lebten am Schlesischen Bahnhof (am heutigen Ostbahnhof) Kaufleute, die von Haus zu Haus gingen und Steinschnitzereien, Porzellanvasen, Lackarbeiten und Fächer verkauften.

…und Revolutionäre

Zhou Enlai mit Freunden im Tiergarten
Die liberale Haltung der Weimarer Republik bot den politischen Aktivisten die Chance, sich in der Heimat von Marx und Engels mit revolutionären Ideen zu befassen. Von März 1922 bis Herbst 1923 lebte auch der spätere Ministerpräsident Zhou Enlai in Berlin. Gemeinsam mit chinesischen Freunden rekrutierte er Studenten für eine kleine kommunistische Vereinigung, in die auch Zhu De aufgenommen wurde. Der spätere Gründer der Roten Armee hatte sich in Göttingen für Sozialwissenschaften eingeschrieben und nahm in Berlin an den großen antiimperialistischen Kundgebungen teil. Sogar während des Naziregimes organisierten Chinesen antijapanische Aktionen. Nach Hitlers Entscheidung zugunsten Japans und der Kriegserklärung 1941 waren die Beziehungen lange Jahre unterbrochen.

Nach ihrer Gründung schlossen die Volksrepublik China und die DDR 1950 ein Kulturabkommen, durch das einige Hundert Chinesen zum Studium nach Ost-Berlin, Dresden, Jena, Leuna und Leipzig kamen. Doch mit dem Bruch zwischen der Sowjetunion und China Anfang der 60er Jahre wurde der Kulturaustausch auf Eis gelegt.

Erst 1980 schickte die chinesische Regierung die ersten Studenten in "das kapitalistische Ausland". In die Bundesrepublik Deutschland kamen 100 Studenten, die alle in kürzester Zeit das Studium absolvierten und mit der Promotion abschlossen. Seit der Reform- und Öffnungspolitik studieren nun Chinesen und Chinesinnen als Stipendiaten und Selbstzahler. Heute leben nach offiziellen Angaben über 76.000 Chinesen in Deutschland. Es sind Wissenschaftler, Mediziner, Studenten und Geschäftsleute. Sie sind nicht nur in der Gastronomie, sondern auch in der Medizin, Forschung, im Computerwesen, in der Kunstszene sowie im Im- und Export zu finden.
Text: Dagmar Yu-Dembski Geschäftsführende Leiterin des Konfuzius Instituts an der Freien Universtät Berlin und Vorsitzende der Gesellschaft für deutsch-chinesische Freundschaft in Berlin
Copyright: Deutsch-Chinesisches Kulturnetz
Oktober 2007

Im September 2007 erschien von Dagmar Yu-Dembski das Buch „Chinesen in Berlin“ im Berliner Verlag bebra, berlin edition

    Zeichensalat?

    Chinesische Namen werden in der deutschen Sprachversion dieser Webseite auch in chinesischen Zeichen wiedergegeben. Wenn Sie in ihrem Browser keinen chinesischen Zeichensatz installiert haben, werden statt chinesischer Zeichen Kästchen, Fragezeichen oder andere Symbole angezeigt