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Leipzig ist die Boom-Stadt Deutschlands

| Lesedauer: 4 Minuten
Leiter "Places", Immobilien
München ist zu teuer, Hamburgs Szene kommt in die Jahre, und der Hype um Berlin ebbt ab

In den üblichen Ranglisten liegen fast immer jene Städte ganz vorne, die den größten Teil ihrer Erfolgsgeschichte bereits hinter sich haben. München ist auf dem Gipfel des Wohlstands angekommen, in Ingolstadt oder Wolfsburg strotzt der Arbeitsmarkt schon seit längerer Zeit nur so vor Kraft. Und in Berlin scheint der Zustrom neuer Bürger zwar noch anzuhalten, doch Skeptiker meinen ein Abflauen des Hauptstadt-Hypes beobachten zu können.

Was aber ist mit jenen Orten in der zweiten Reihe, die ihre Entwicklung noch vor sich haben? Eine Stadt sticht hier ganz besonders hervor: Es ist Leipzig, kreisfreie Stadt in Sachsen und erst seit wenigen Jahren die auffälligste unter Deutschlands Großstädten. Man kann nicht wirklich von Wohlstand sprechen, wenn bis vor drei Jahren noch 25 Prozent aller Haushalte Gefahr liefen, unter die offizielle Armutsgrenze zu fallen. Doch seit einiger Zeit legt Leipzig eine beeindruckende Aufholjagd hin. Einige Daten und Fakten zeigen deutlich, woran das liegt.

Innerhalb der nächsten 15 Jahre wird die Bevölkerung Leipzigs um knapp zehn Prozent wachsen. Selbst die Hauptstadt kommt an eine solche Quote kaum heran. Rund 35.000 Menschen kamen 2014 nach Leipzig. Die Wegzüge abgezogen, blieb immer noch ein Plus 13.000. Die Stadt ist selbst von dem enormen Zuzug überrascht, wie aus dem jüngsten Quartalsbericht hervorgeht. Ende 2014 hatte Leipzig 5137 mehr Einwohner als unter den positivsten Vorzeichen angenommen. Laut der optimistischen Prognosevariante soll Leipzig etwa im Jahr 2023 die 600.000-Einwohner-Marke knacken. Außerdem konnten die Leipziger im vergangenen Jahr eine demografische Sensation feiern: Es gab deutlich mehr Geburten als Todesfälle. So etwas gibt es zwar auch in Ausnahmegemeinden auf dem Land, wo für gewisse Zeiträume überdurchschnittlich viele junge Familien wohnen. Nicht jedoch in einer deutschen Großstadt. „Selbst jene Experten, die sich professionell mit dem Wohnungsmarkt beschäftigen, haben mit einer solchen Dynamik nicht gerechnet“, so Hardo Kendschek, Geschäftsführer der Marktforschungsgesellschaft Komet-Empirica Leipzig.

Wohnen ist in Leipzig, abgesehen von einigen Flecken in der City, so günstig wie in keiner anderen Universitätsstadt. Die Durchschnittsmiete liegt bei 5,70 Euro pro Quadratmeter. „Leipzig hat immer noch sehr hohe Leerstände, teilweise 20 Prozent“, erklärt Reiner Braun, Wohnungsmarktexperte und Vorstandsmitglied des Beratungsunternehmens Empirica. Leipzig sei heute deshalb „wie ein kleines Berlin“. „Das sind Keimzellen für eine bestimmte Szene wie in Prenzlauer Berg im Berlin der 90er-Jahre.“ Sein Kollege Kendschek bezeichnet seinen Heimatort deshalb auch als „Schwarmstadt“: „Die jungen Leute ziehen hierher. Viele wohnen in der Stadt und arbeiten im Umland.“ Das wird nicht mehr lange so bleiben. „Bis vor wenigen Jahren hatte Leipzig noch den Titel „Armutsstadt Sachsens“, sagt Kendschek, „Die Arbeitslosenquote war lange Zeit eine der höchsten im Bundesland.“ Das hat sich gründlich geändert. Während in Leipzig die Zahl der Erwerbstätigen 2014 um 5,27 Prozent stieg, waren es im übrigen Bundesland Sachsen nur 3,14 Prozent. Der gesamtdeutsche Zuwachs lag bei 0,9 Prozent. Ein Grund sind die großen Arbeitgeber, die sich innerhalb kürzester Zeit in Leipzig angesiedelt haben, etwa Porsche, DHL oder BMW.

Nicht zuletzt die niedrigen Steuern dürften viele Unternehmen angelockt haben. Der durchschnittliche Gewerbesteuer-Hebesatz liegt deutlich unter dem der meisten anderen Großstädte. Bei der Grunderwerbsteuer profitiert Leipzig von der investitionsfreundlichen Landespolitik. Während Bundesländer wie das Saarland oder Berlin, aber auch Hessen und Nordrhein-Westfalen die Steuer auf den Immobilienkauf auf sechs oder sogar 6,5 Prozent angehoben haben, beließ Sachsen diesen Steuersatz auf dem alten Niveau von 3,5 Prozent – und steht mit dem Freistaat Bayern damit bundesweit alleine da.

Leipzig war jahrhundertelang ein wichtiger Knotenpunkt für den Handel, sowohl in West-Ost- als auch in Nord-Süd-Richtung. Die Messe ist eine der ältesten in Deutschland. Heute will man daran anknüpfen, und die Stadt setzt alles daran, die Infrastruktur dafür bereitzustellen. Das Nahverkehrsnetz wurde in den vergangenen Jahren aufwendig modernisiert. Und nicht zuletzt der Flughafen Leipzig/Halle entwickelte sich zu einem wichtigen Drehkreuz in der Region. Für Frachtflüge ist er 24 Stunden am Tag geöffnet. Zwischenzeitlich war er sogar als Ersatz-Airport für den Hauptstadtflughafen BER im Gespräch. Das führte zu einem sprunghaften Anstieg des Frachtaufkommens und zur Ansiedelung weiterer Logistiker, etwa Amazon. Nicht zuletzt die Autobahnanbindung in alle Himmelsrichtungen zählt als Argument für eine Niederlassung solcher Unternehmen.

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