Leipzig Seit Monaten dürften Leipzigs Tourismusmanager ihr Glück kaum fassen können. Immer häufiger erscheinen jetzt Berichte, die Leipzig zur hippen Szene-Stadt erklären. „Vergesst Prenzlberg!“ titelte „faz.net“. Und „Spiegel Online“ fand Leipzig „Wie Berlin, nur besser“. Die Lobhudelei ist in der Stadt inzwischen als „Hypezig“ bekannt - und wird zwiespältig gesehen. Nervt der Hype um Leipzig? Oder ist er gut fürs Image? Und was ist überhaupt dran an „Hypezig“?
„Die Stadt ist schön. Es lohnt sich, hier zu leben“, sagt der Blogger und Künstler André Herrmann. Auf diesen kleinsten gemeinsamen Nenner können sich die „Hypezig“-Kritiker und -Befürworter alle einigen. Leipzig hat mit dem Waldstraßenviertel das größte zusammenhängende Gründerzeitviertel Deutschlands. Leipzig hat nette Kneipenmeilen und mit der Baumwollspinnerei ein Kunstzentrum, in dem Maler-Stars wie Neo Rauch ihr Atelier haben. Vor den Toren der Stadt ist aus grauen gefluteten Braunkohle-Tagebauen ein Freizeitparadies entstanden. Zum jährlichen Wave-Gotik-Treffen freuen sich sächsische Omis über „die Schwarzen“ aus der meist dunkel gekleideten Fanszene.
Zum Symbol für das junge „Hypezig“ ist inzwischen die unscheinbare Sachsenbrücke über den Fluss Elster geworden. Irgendwer hat die Geländer bunt angemalt, an warmen Tagen sitzen auf den Fußwegen der Brücke unzählige Grüppchen. Sie trinken, sie quatschen, während nebenan jemand Gitarre spielt oder seine Jonglierkünste zeigt. Aber dass nicht alle „Hypezig“ gut finden, konnte man unlängst auch an der Brücke ablesen. An einem Pfeiler prangte der Schriftzug: „Sachsenbrücke zurück nach Berlin“.
Blogger Herrmann sammelt im Internet in einem Tumblr („Hypezig - Bitte bleibt doch in Berlin!“) die Leipzig-Jubel-Meldungen. Das sei als kreativer Protest gedacht, sagt der 27-Jährige. „Mich stört einfach, dass man in den Berichten die schlechten Seiten komplett weglässt und die guten überhöht.“
1 Kommentar zu "„Hypezig“: Leipzig mutiert zur Szenemetropole"
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Wer das recherchiert hat, hielt sich vermutlich nur innerhalb des Szeneviertels um den Karl-Heine-Kanal auf. Es ist ein Zerrbild und hat nichts mit der Realität zu tun. Ich als Leipziger, weiss, wovon ich hier schreibe. Die Arbeitslosenzahlen sind geschönt, ein Großteil der Arbeitnehmer pendelt wöchentlich in Richtung Westen, ganze Stadtteile sehen aus, wie nach einem Bombenangriff, der Zustand der Straßen ist schlechter als der des schlechtesten Feldweges und das Lohnniveau entspricht im Durchschnitt einem Hartz-IV-Gehalt.
Aber was macht das schon, wenn man sich eine Tüte drehen kann und im Szene-Viertel flaniert, denn wir haben einen Citytunnel und die Kunstschaffenden sind natürlich ein ganz erheblicher Wirtschaftfaktor, dass ich nicht lache. Es ist ein klitzekleiner Hoffnungsschimmer in einer Stadt, die von Weltflair träumt und nie über dieses Stadium hinauskommt, leider. Ein großer Vorteil besteht jedoch in der großen Bewegungsfreiheit. Hier ist nicht alles privatisiert, wie im Vergleich zu westlichen Städten. Und der eher provinzielle Charakter hat dadurch auch seine nicht unerheblichen Vorzüge. Das macht Leipzig eigentlich aus. Die Lebensqualität liegt damit weitaus höher als in den vermeintlichen Metropolen. Klein aber fein, wenn man von den weniger aussichtsreichen wirtschaftlichen Möglichkeiten ausgeht. Vielleicht ändert sich ja hier wieder etwas und Leipzig kann an die Jahre zwischen 1992 und 1997 anknüpfen. Dann allerdings stehen wirklich alle Möglichkeiten offen.