Parteimitglieder: Grüne legen zu, AfD und SPD verlieren

Wahlplakate von Grünen und SPD vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg im Februar 2020.

Wahlplakate von Grünen und SPD vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg im Februar 2020.

Berlin. Die Grünen sind unter den im Bundestag vertretenen Parteien im vergangenen Jahr am stärksten gewachsen, während die AfD deutlich an Mitgliedern verlor. Nach jüngsten Daten vom November 2020 haben die Grünen 106.000 Mitglieder – ein Zuwachs von 9,9 Prozent seit dem Jahreswechsel. Die AfD verlor 7,9 Prozent ihrer Mitglieder, die SPD 3,6 Prozent. Die Veränderungen bei den anderen im Bundestag vertretenen Parteien lagen bei maximal 2 Prozent.

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Die Grünen bewegten sich zwar derzeit gegen den Trend, könnten ihn aber nicht drehen, sagt der Parteienforscher Wolfgang Merkel vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. „Die Volksparteien sind schon lange im Niedergang, wie überhaupt alle großen gemeinschaftlichen Organisationen, seien es Gewerkschaften, Kirchen oder Vereine.“

AfD: Erster Mitgliederschwund seit fünf Jahren

Anders als die meisten anderen Parteien profitierten die Grünen zwar von der engeren Bindung an soziale Bewegungen wie „Fridays for Future“. Und sie schafften es, „Aufbruchsbereitschaft, Innovation und Motivation“ zu vermitteln. Doch auch für die Grünen werde das Wachstum an seine Grenzen stoßen, sagt Merkel. „Die Grünen sind keine Volkspartei. Dafür sind sie zu sehr eine Partei der Akademiker, der gut Ausgebildeten und jener, die neue Lebensstile verkörpern.“

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Starke Verluste erfuhr die AfD, die von 34.750 Mitgliedern zu Beginn des Jahres 2020 auf rund 32.000 Mitglieder schrumpfte. Für die Partei ist es der erste Mitgliederschwund seit fünf Jahren. Ein Parteisprecher hatte dies im Januar teils damit erklärt, dass die Mitgliedschaft von Menschen, die ihre Beiträge nicht gezahlt hätten, beendet worden seien.

SPD schrumpft, aber bleibt größte Partei

Die SPD bleibt mit 404.305 Mitgliedern zwar Deutschlands größte Partei, musste aber einen Verlust von 3,6 Prozent einstecken. „Die Sozialdemokraten wirken irgendwie aus der Zeit gefallen“, meint Politikwissenschaftler Merkel. „Es gibt kein Thema, mit dem sie gesellschaftliche Diskussionen oder Diskurse auslösen. Auch die Führungsriege der Partei verheißt wenig Inspiration.“

Die CDU hatte zum Jahreswechsel 399.110 Mitglieder, 1,7 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Damit ist sie eine der letzten großen Volksparteien und habe jahrelang von der Beliebtheit von Kanzlerin Angela Merkel profitiert, auch wenn diese in der Migrationskrise zeitweise gelitten habe, sagt Forscher Merkel. „Wie es in diesem Jahr für die CDU weitergeht, wird sehr davon abhängen, wie der weitere Kampf gegen die Pandemie verläuft. Je länger da durchschlagende Erfolge ausbleiben, desto stärker wird es die CDU beuteln und umgekehrt.“

Die CDU-Schwester CSU, obwohl nur in Bayern vertreten, ist drittgrößte Partei mit 137.010 Mitgliedern und verlor im Jahresverlauf 2 Prozent. Die Freidemokraten legten um 0,7 Prozent zu, sie gehen von rund 66 000 Mitgliedern aus. Die Linken verloren 0,8 Prozent und hatten zum Jahreswechsel 60.350 Mitglieder.

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Bei einigen Zahlen handelt es sich um vorläufige Angaben. So wollen die Grünen demnächst eine detailliertere Statistik für das Gesamtjahr veröffentlichen. Die FDP konnte wegen „coronabedingten Verzögerungen im Aufnahmeprozess“ für 2020 bislang nur eine Schätzung nennen. Einige Parteien teilten auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur auch Daten zu Ein- und Austritten oder Sterbefällen mit, andere nannten lediglich Gesamtzahlen. Die Genauigkeit der Angaben kann variieren; sie hängt auch davon ab, wie rasch Austritte oder Todesfälle verbucht werden.

Mitgliederstärke für Wahlkämpfe nicht mehr so wichtig

Parteien erhalten Geld nicht nur von Mitgliedern oder Spendern sondern auch aus der staatlichen Parteienfinanzierung, was sie unabhängiger von finanzkräftigen Spendern macht. Bei der Bestimmung der Höhe staatlicher Finanzierung sind neben Spenden auch die Mitgliedsbeiträge ein Faktor. Der Staat gewährt hier eine Art Kofinanzierung. Stärker zahlen sich allerdings Stimmen bei Europa-, Bundestags- und Landtagswahlen aus.

„Für die Parteienfinanzierung machen die Mitgliederbeiträge oft weniger als ein Viertel aus“, sagt Politikwissenschaftler Merkel. „Der Anteil der staatlichen Förderung übersteigt mittlerweile deutlich die Summe der Mitgliederbeiträge.“

Auch für die Mobilisierung im Wahlkampf spielt die Zahl der Parteimitglieder nach Einschätzung Merkels keine entscheidende Rolle mehr. „Das wird inzwischen von professionellen Agenturen organisiert und spielt sich auch stark in sozialen Medien ab“, sagt er. Allerdings sei die Mitgliederzahl ein wichtiges Signal. „Sinkende Zahlen lassen eine Partei schlechter dastehen, Zuwächse verkörpern Erfolg und Aufbruch.“

RND/dpa

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