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Kim Jong-un und sein Unterricht bei den Schweizern

Der dritte Sohn des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-il gilt als sein Erbe. Bei Bern soll er zur Schule gegangen sein - wie auch seine Brüder

Die Steinhölzli-Schule in Liebefeld bei Bern fühlt sich belagert. Seit Tagen streifen Reporter aus Fernost um das Gebäude. Einer soll sogar versucht haben, ein altes Klassenfoto vom Flur zu klauen, bevor es der Direktor im Tresor versteckt und auch der letzte Schüler mitbekommen hat, warum die Fremden hier sind: "wäg däm Nordkoreaner".

Der Nordkoreaner, der die Aufregung verursacht hat, heißt Kim Jong-un. Er ist der jüngste Sohn von Kim Jong-il und der derzeit wahrscheinlichste Erbe des atomwaffengestützten Regimes. Die Welt weiß wenig mehr über ihn, als dass er Mitte 20, übergewichtig und Diabetiker sein soll. Viele Beobachter gehen davon aus, dass er in den Neunzigern in der Schweiz zur Schule gegangen ist. Ob Kim Jong-un aber auch der Nordkoreaner ist, der in Liebefeld unterrichtet wurde, wie die japanische Zeitung "Mainichi Shimbun" behauptete, steht nicht fest - mutmaßliche kleine Kims haben an einigen Orten rund um Bern Spuren hinterlassen.

Der zuständige Gemeinderat Ueli Studer hat vor Kurzem im übervollen "Singsaal" jedenfalls nur wenig über den nordkoreanischen Schüler verraten. Von 1998 bis 2000 sei er als Sohn eines Botschaftsangestellten angemeldet gewesen. Er habe die Schule im letzten Schuljahr verlassen und als gut integrierter und ehrgeiziger Schüler gegolten. Sein Hobby sei Basketball gewesen. Den Namen wollte Studer "aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes" nicht preisgeben, nur so viel: "Unter dem Namen von Nordkoreas Herrscherfamilie Kim Jong war nie ein Schüler angemeldet."

Das hat die japanische Zeitung aber auch nicht behauptet. Kim Jong-un sei unter dem Pseudonym "Pak-un" registriert gewesen, hieß es. Seinem portugiesischen Pultnachbarn João Micaelo hätte Kim Jong-un aber seine wahre Identität anvertraut. Der heute 25-Jährige bestätigte das: "Er sagte mir, sein Vater sei Herrscher von Nordkorea." Als Beweis habe er ihm ein gemeinsames Foto mit dem großen Kim gezeigt. Erst später habe er einen Fernsehbericht gesehen und realisiert, dass es sich auf dem Bild wirklich um den Machthaber von Pjöngjang gehandelt habe. Damals hätten sie vor allem "Basketball gespielt und Jackie-Chan-Filme geschaut".

João Micaelo ist keineswegs der Einzige, der sich an einen nordkoreanischen Mitschüler erinnert. Auch Absolventen der International School of Berne tun das. Die ISB liegt in Gümligen, einem anderen Vorort von Bern, keine zehn Kilometer von Liebefeld entfernt. Im Gegensatz zur Liebefeld-Schule ist sie aber privat und wird vor allem von Diplomaten-Kindern besucht.

Ehemaligen Schülern zufolge hat hier von etwa 1993 bis 1998 ein Nordkoreaner namens "Chol-pak" oder "Pak-chol" gelernt, stets begleitet von einem Landsmann, den viele für seinen Leibwächter hielten. Ein ehemaliger Direktor erinnerte sich im Schweizer Magazin "L'Hebdo" an den schüchternen Schüler, ohne die Schlussfolgerung des Blattes zu dementieren, bei Chol-pak handele es sich um Kim Jong-un. Ein ehemaliger Schüler sagte der WELT: "Es gab von Anfang an Gerüchte, dass Chol der Sohn des nordkoreanischen Diktators ist." Er sei mit allen gut ausgekommen, als Basketball-Fan und exzellenter Schüler aufgefallen - ähnlich also wie Pak-un in Liebefeld. Obwohl auch "Mainichi Shimbun" davon ausgeht, dass Kim Jong-un an der ISB war, bevor er nach Liebefeld wechselte, scheint es sich bei Pak-chol und Pak-un aber nicht um dieselbe Person zu handeln. Der ISB-Absolvent, der dieser Zeitung seine Erinnerungen an Pak-chol geschildert hat, erkannte seinen Mitschüler jedenfalls nicht auf dem Foto von Pak-un aus dem Jahr 1999, das "Mainichi Shimbun" gemeinsam mit dem Artikel über die Zeit des kleinen Kim in Liebefeld veröffentlichte: Offenbar verbergen sich hinter den zwei Pseudonymen also auch zwei Nordkoreaner. Das lässt den Schluss zu, dass Pak-chol nicht wie ursprünglich angenommen Kim Jong-un ist, sondern dessen älterer Bruder Kim Jong-chol.

Drei Söhne hatte Kim Jong-il zur Auswahl: Der älteste, Kim Jong-nam, wurde ihm zu unverlässlich, als er 2001 versuchte, mit einem gefälschten Pass nach Japan zu reisen, angeblich, um Disneyland in Tokio zu besuchen. Der zweite, Kim Jong-chol, war ihm immer zu "mädchenhaft", schreibt Kims ehemaliger Sushi-Koch in seinen Memoiren - der dritte kleine Kim hingegen sei das Ebenbild seines Vaters - Gesichtszüge, Körperbau, Persönlichkeit. "A boy like me", soll ihn der große Kim einmal genannt haben.

Derzeit spricht vieles dafür, dass Kim Jong-il bei seiner Meinung bleibt - und Kim Jong-un nicht nur in der Geschwisterfolge Kim III. werden könnte. Nachdem südkoreanische Medien Anfang Juni berichtet hatten, er sei zum Erben erkoren worden, gab es Gerüchte, er solle sich bei einem Geheimbesuch in Peking als künftiger starker Mann Pjöngjangs vorgestellt haben. Zuletzt meldete eine japanische Zeitung, der kleine Kim sei nun auch zum Stellvertreter seines Vaters an der Spitze des nationalen Verteidigungsausschusses aufgerückt. Über seinen Werdegang, seinen Charakter und seinen heutiges Aussehen wird indes aber immer noch gerätselt. Gut möglich also, dass Liebefeld nicht die letzte Schule bleibt, die unerwünschten Besuch aus Fernost bekommt.

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