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Medizin

ADHS: Verändert Methylphenidat die Hirnentwicklung von Kindern?

Mittwoch, 14. August 2019

Frank Rumpenhorst - picture-alliance

Amsterdam – Die Behandlung mit Methylphenidat, dem Standardmedikament für die Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung, hat in einer randomisierten kontrollier­ten Studie in Radiology (2019; DOI: 10.1148/radiol.2019182528) bei Jungen, nicht aber bei männlichen Erwachsenen, zu Veränderungen in der Magnetresonanztomografie (MRT) geführt, die auf strukturelle Veränderungen des Gehirns hindeuten. Die klinische Bedeu­tung der Befunde ist unklar.

Methylphenidat, das als Ritalin und einer Reihe von Generika angeboten wird, ist das am häufigsten verordnete Medikament zur Behandlung der ADHS. Bei 60 bis 80 Prozent der Patienten wird die erhoffte „beruhigende“ Wirkung erzielt, die den jüngeren Patienten die Teilnahme am Unterricht erleichtert. Da die Erkrankung sich nicht auswächst, werden zunehmend auch Erwachsene mit Methylphenidat behandelt.

Der Wirkstoff ist umstritten. Die Bedenken, die Liesbeth Reneman vom Academisch Medisch Centrum in Amsterdam hat, betreffen die Hirnentwicklung. In einer früheren Studie konnte die Radiologin zeigen, dass es bei heranwachsenden Ratten, nicht aber bei erwachsenen Tieren, zu einer Veränderung der fraktionalen Anisotropie (FA) im Corpus callosum kommt (Neuropsychopharmacology 2014; 39: 263-273).

Das Corpus callosum, das bei Plazentatieren, zu denen biologisch neben Ratten auch der Mensch gehört, verbindet die beiden Hemisphären des Großhirns. Es besteht aus zahllosen Nervenfasern, deren „Integrität“ sich mit der FA untersuchen lässt.

Die FA ist ein Parameter der Diffusions-Tensor-Bildgebung (DTI). Mittels der DTI lässt sich im MRT der Verlauf von Nervenfasern darstellen. Grundlage ist die Diffusion von Wassermolekülen. Sie wird im Gehirn vor allem von Zellmembranen, also der „Haut“ der Nervenfasern behindert. Ein Maß für diese Behinderung ist die FA. Die FA ist umso größer, je geringer die Diffusion ist. Stark vereinfacht gesagt, ist die FA ein Maß für die Unversehrtheit der Nervenfasern. Eine Veränderung der FA zeigt jedoch auch an, dass sich etwas in der Struktur der Nervenfasern geändert hat.

Genau dies kann Reneman jetzt in einer randomisierten kontrollierten Studie bei ADHS-Patienten zeigen. An der „ePOD-MPH“-Studie nahmen 50 Jungen im Alter von 10 bis 12 Jahren und 49 erwachsene Männer im Alter von 23 bis 40 Jahren teil, bei denen eine ADHS diagnostiziert worden war. Keiner der Patienten war bisher mit Methylphenidat behandelt worden.

Die Teilnehmer wurden auf eine 16-wöchige Behandlung mit Methylphenidat oder Placebo randomisiert. Vor dem Beginn und zum Abschluss der Studie wurde die FA bestimmt. Zunächst wurden nur bestimmte „regions of interest“ untersucht. Dies waren das gesamte Gehirn, die bilaterale anteriore thalamische Radiation und das Corpus callosum. Hier wurden keine Auswirkungen der Behandlung gefunden.

Erst eine Voxel-basierte Analyse der weißen Hirnsubstanz führte dann zur Entdeckung von Abweichungen in der FA. Sie betrafen den Fasciculus longitudinalis superior, Fasciculus longitudinalis inferior und den Fasciculus fronto-occipitalis inferior. Es handelt sich um Leitungsbahnen, die innerhalb einer Großhirnhemisphäre die verschiedenen Kernzentren miteinander verbinden. In all diesen Regionen entdeckte Reneman einen Anstieg der FA.

Die Bedeutung dieser Beobachtung ist unklar. Reneman stellt die Veränderungen der FA nicht mit der Wirksamkeit von Methylphenidat in Beziehung. Es bleibt auch unklar, ob der Anstieg der FA nach dem Ende der Behandlung anhält und wenn ja, ob dies für die Patienten schädlich ist. © rme/aerzteblatt.de

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