Innenweltkosmos

Professor Sexl


Die Hohlwelttheorie


von Roman U. Sexl, Vortrag auf der Hauptversammlung des Deutschen Vereins zur Förderung des mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterrichts, l983 in Tübingen.

(Abgedruckt in MNU)

Meinem Kollegen und Freund Wilfried Kuhn zum 60. Geburtstag gewidmet.

Die Hohlwelttheorie ist eine Physikalische Theorie, die im l9.Jahrhundert in den USA und im 20. Jahrhundert unter anderem auch in Deutschland vertreten wurde. Ihr zufolge ist die Erde eine Hohlkugel, in deren Innenraum wir leben und wo auch Sterne, Sonne und Mond sich befinden. Diese Theorie klingt zunächst völlig unsinnig, und man glaubt, sie mit wenigen kurzen Argumenten widerlegen zu können. Es zeigt sich aber bald, dass noch so detaillierte Überlegungen auf Schwierigkeiten stoßen und eine experimentelle Widerlegung dieser Theorie bei Voraussetzung geeigneter Grundgesetze der Physik überhaupt prinzipiell unmöglich ist. Damit öffnen sich interessante Aspekte bezüglich der Querverbindung zwischen Physik und Philosophie, der Frage der Korrektheit des physikalischen Weltbildes, sowie der Beweisbarkeit von Theorien durch Experimente.



Der Zauber der Hohlwelt (heute: Himmelzentrisches Weltmodell)


Eines der schönsten Motive für die Beschäftigung mit der Physik liegt in der Verquickung exakter mathematischer Darstellung mit tiefen philosophischen Fragen, mit Fragen nach Ursprung, Geschichte, Gestalt und Schicksal des Universums.

In der Kosmologie wird die Trennung zwischen den zwei "Kulturen", die C.P. Snow beschreibt (1), aufgehoben, oder zwischen den "zwei Geistesverfassungen", die Robert Musil in seinem "Mann ohne Eigenschaften" folgendermaßen charakterisiert:

"Es gibt also in Wirklichkeit zwei Geistesverfassungen, die einander sich nicht nur bekämpfen, sondern die gewöhnlich, was schlimmer ist, nebeneinander bestehen, ohne ein Wort zu wechseln, außer dass sie sich gegenseitig versichern, sie seien beide wünschenswert, jede auf ihrem Platz. Die eine begnügt sich damit, genau zu sein, und hält sich an die Tatsachen; die andere begnügt sich nicht damit, sondern schaut immer auf das Ganze und leitet ihre Erkenntnisse von so genannten ewigen und großen Wahrheiten her. Die eine gewinnt dabei an Erfolg, und die andere an Umfang und Würde. Es ist klar, dass ein Pessimist auch sagen könnte, die Ergebnisse der einen seien nichts wert und die der anderen nicht wahr. Denn was fängt man am jüngsten Tag, wenn die menschlichen Werke gewogen werden, mit drei Abhandlungen über die Ameisensäure an, und wenn es ihrer dreißig wären?! Andererseits, was weiß man vom jüngsten Tag, wenn man nicht einmal weiß, was alles bis dahin aus der Ameisensäure werden kann?," (2),S. 248

„Die Verbindung exakter mathematischer und experimenteller Analysen mit erkenntnistheoretischen, wissenschaftstheoretischen, philosophischen, historischen, humorvollen und wesentlichen Betrachtungen dieser Welt tut Not, wenn die Physik sich dem Lernenden nicht als Wissenschaft darstellen soll, aus der in bemerkenswerter Weise nichts hervorgeht", wie Musil das erste Kapitel seines Buches benennt. Wie notwendig die Verquickung unterschiedlicher Welten für ein wirklich tief greifendes Verständnis der Physik ist, soll hier an einem der kuriosesten und auch bezauberndsten, „alternativen Weltbilder", der Hohlwelttheorie, gezeigt werden.

Anschließend schreibt Prof. Sexl, was sein Gewährsmann M. Gardner, USA, ihm über die Aktivitäten des amerikanischen Arztes Dr. Cyrus R.Teed berichtet hat.

Dr. Teed war ein frommer praktizierender Christ, der sich an dem Theozentrischen Weltmodell der Bibel informierte und nicht zustimmen konnte, dass Gottes Schöpfung, wie weithin bei den Philosophen des 19. Jahrhunderts angenommen, als Zufallsprodukt von kosmischen Katastrophen entstanden sei.

Dr.Teed führte optische Experimente an einem schnurgeraden, kilometerlangen Kanal durch und stellte fest, dass entweder der Lichtstrahl nicht gerade sein könne und zusätzlich, dass die Erdoberfläche konkav (hohlrund) gewölbt sein müsse, obwohl die Astronomen das Gegenteil ermittelt zu haben glaubten.

Teed hielt Vorträge und sammelte um sich eine religiös motivierte Gemeinde, die bereit war, Gott zur Ehre den wissenschaftlichen Beweis dafür zu erbringen, dass Gottes Schöpfung als Himmel und Erde so aussieht, wie in der Bibel beschrieben, nämlich als "Zellularer Kosmos". Die Gemeinschaft sammelte Geld, erhielt Land in Florida von einem deutschen Einwanderer namens Kofler, und suchte einen Vermessungsfachmann, der eine Messung an der Erdoberfläche planen und durchzuführen in der Lage war, um festzustellen, ob die Erdoberfläche eine konvexe oder konkave Wölbung aufweist, um daraus den Schluss ziehen zu können, ob der Erdkörper eine Vollkugel oder eine Hohlkugel ist.

Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit wurde eine solche Messung durchgeführt und die Wissenschaftler der Geodäsie hielten eine solche Messung auch nicht für nötig, weil das optische Bild des Horizontes den Beweis zu erbringen schien, dass die Erde nur eine Vollkugel sein konnte.

Der diese Messung im Auftrag Dr. Teed’s durchführte, war Professor U. G. Morrow.

Lesen Sie dazu den Bericht von der Messung. im Jahre 1897. Leider hat M. Gardner von dieser Messung Professor Sexl wahrscheinlich nichts berichtet oder konnte die wissenschaftlichen Unterlagen nicht übermitteln.

Professor Roman Sexl erwähnt diese Messung nicht und befasste sich nur mit diesem Erd-Hohlkugelmodell auf der Basis der theoretischen Physik.

Wissenschaftler der Geodäsie und Astronomie nahmen von dieser Messung keine Kenntnis. Insofern ist das nicht zu begreifen, weil diese Messung gerade deren Wissensgebiet auf ein neues Fundament stellte; denn die Planeten und die Sterne befanden sich nun nicht mehr theoretisch in den unendlichen Weiten des Weltraumes, sondern relativ sehr nahe in einer Höhe von rund sechstausend Kilometern.

Dieses wissenschaftliche Problem wurde sofort nach der Bekanntgabe der Resultate, dass die Erdoberfläche konkav, also hohl gewölbt ist, zu einem psychologischen Problem; denn was nicht sein durfte, konnte auch nicht sein.

So geschah etwas schier Unglaubliches. Das Buch von Dr. R. Teed und U. G. Morrow, „The Cellular Cosmogony“, in dem ausführlich die Messung Morrows wissenschaftlich dokumentiert worden war, "verschwand" so gründlich aus den Bibliotheken und war in keiner Universitätsbibliothek zu finden, so dass es heute von keinem Professor oder Studenten in irgendeiner Bibliothek gefunden werden kann. Nach intensivem Suchen fand eine Bibliothekarin dieses Buch doch noch in einer einzigen, allerdings sehr renommierten Bibliothek, der Congress Bibliothek in den USA, sonst nirgends auf der Welt. Antiquarisch ist es allerdings noch gelegentlich in den USA zu finden und seit den 70ziger Jahren als Nachdruck.

Leider konnten darum die Studenten nicht das Original lesen.

Professor Sexl stützte sich vorwiegend auf die deutsche Literatur von Johannes Lang, der den sehr treffenden Begriff "Cellular Cosmogony" in Hohlwelt Theorie wandelte, weil die Erde eine Hohlkugelform hat. Der wichtige Inhalt und die Himmelskugel im Zentrum wurden dadurch begrifflich leider ausgeklammert.

Während in den USA die religiöse Gemeinschaft „Koreshan Unity“ zur Ehre Gottes und seiner Schöpfung lebte und nach Dr. C. R. Teed bezüglich der Messung kaum mehr etwas das Weltbild betreffende Wissenschaftliche geschah, beschäftigten sich in den zwanziger und dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts viele Menschen in den USA unter Leitung von U. G. Morrow und in Deutschland mit diesem Bild von der Welt.

Besonders der Schriftsteller Johannes Lang fand eine große Leserschaft, da er es verstanden hatte, die wissenschaftlichen Probleme logisch und verständlich darzustellen und zu einer Lösung zu führen, indem er die so genannte Hohlwelttheorie entwickelte. Langs erfolgreiche Zeit öffentlicher Wirkung lag in den dreißiger Jahren. Da er aber das Hitlersystem ablehnte und mit den Amerikanern korrespondierte und diese Ideen den Nationalsozialisten verdächtig waren, weil sie aus Amerika kamen, wurde Lang beobachtet, ebenso sein Mitarbeiter Peter Bender und als politisch unzuverlässig angesehen.

Nach dem Englandflug des Hitlerstellvertreters Rudolf Hess l942 wurden Lang und Bender in ein KZ eingeliefert. Während Lang nach kurzer Zeit wieder freikam, hatte Peter Bender Schwierigkeiten frei zu kommen, weil man bei ihm Material und Schriftverkehr mit der amerikanischen Koreshan Unity gefunden hatte, nämlich mit Hedwig Michel, die aus einer Frankfurter jüdischen Familie stammte. Peter Bender starb im KZ. Die Nationalsozialisten lehnten Langs Hohlwelttheorie ab und versuchten auch nie einen Kontakt mit Lang herzustellen, außer der Inhaftierung.

Dies zur Klärung mancher sensationeller Darstellungen, als ob die Leute Hitlers irgend einen Nutzen aus dem Wissen um die Hohlwelttheorie gehabt hätten. (Aus mündlichen Berichten von Johanns Lang und meinen eigenen Erfahrungen)

Nach dieser Zwischenbemerkung und teilweisen Erweiterung der Information über die Herkunft des Himmelzentrischen Weltbildes, hier Hohlwelt genannt, begann Professor Sexl seinen Studenten die Hohlwelttheorie vorzustellen. Sehr nachdenklich aber wurden sie, als sie aufgefordert wurden, auf Grund ihrer Physikkenntnisse zu diesem alternativen Weltkuriosum Stellung zu nehmen, um die Aussagen der so genannten Hohlwelttheorie zu widerlegen.

Professor Sexl berichtet weiter:

„Die einheitliche Ablehnung wird bald durch einige immer wiederkehrende Einwände begründet. Zumeist werden folgende Probleme aufgeworfen:

-Wie entstehen Tag und Nacht?

-Wie kommt der Horizont zustande?

-Wie erklärt sich die Schwerkraft?

-Wie kann die kleinere Sonne die notwendige Energie hervorbringen?

-Was geschah beim Mondflug?

Zeigen die Bilder der Erde aus dem All nicht eindeutig eine Vollkugel?

Dies sind die wichtigsten der immer wiederkehrenden Einwände, die in der Vorlesung anhand einer etwas abgewandelten Form der Hohlwelttheorie behandelt und widerlegt werden. (Die Systematik dieser Abweichungen wird in Abschnitt 3 behandelt). soweit sich die Einwände auf die Ausbreitung des Lichtes und die Entstehung von Tag und Nacht beziehen, können sie durch den Hinweis auf die Abbildungen leicht widerlegt werden. Sie zeigen, dass sich Lichtstrahlen auf Kreisen ausbreiten, die stets durch den Erdmittelpunkt gehen (mathematische Vorgabe). Dabei ist die Lichtgeschwindigkeit nicht etwa konstant, sondern nimmt gegen den Erdmittelpunkt hin quadratisch ab, so dass dieser Punkt der Welt niemals vom Licht erreicht wird. Das Gesetz der Lichtausbreitung erklärt auch das Zustandekommen des Horizonts und lässt erkennen, wieso die Erde vom All gesehen, als Vollkugel erscheint. Diese optische Täuschung ist ebenfalls auf die Gesetze der Lichtausbreitung zurückzuführen.

Unschwer lassen sich auch alle Fragen bezüglich der Bewegung von Körpern in der Hohlwelttheorie analysieren. Die Newton’schen Bewegungsgleichungen erweisen sich nicht als ganz korrekt. Vielmehr sollten diese Gleichungen lauten:


Wobei r = | x | der Abstand des betrachteten Punktes vom Erdmittelpunkt ist Und R = 6370 Km den Erdradius angibt. Im Falle der Gravitation lautet der entsprechende Kraftausdruck für das Schwerefeld der Erde beispielsweise wie in Formel (2

Natürlich ist nicht gleich einzusehen, dass die nunmehr neu aufgestellten "Lang’schen Bewegungsgleichungen" tatsächlich die Bahnen der Himmelskörper korrekt wiedergeben und auch die Bewegung irdischer Objekte beschreiben können. Üblicherweise sind die Studierenden jedoch bereit, hinzunehmen, dass die Berechnung der Bahnformen, die leicht mit Hilfe eines Computers durchgeführt werden kann, tatsächlich zu Ergebnissen führt, die mit den Beobachtungen übereinstimmen.

Wie steht es aber nun mit Mondraketen?

Anmerkung: Professor Sexl geht bei der Berechnung von Größen der Himmelskörper von einem in Kreisbahnen gekrümmten Licht aus. Dies ist eine Annahme, bestenfalls eine Theorie und nicht durch die Praxis bewiesen. Die auf Grund einer solchen Annahme berechneten Größen der Himmelskörper geraten zu klein, so dass man bei Zuhilfenahme des Wissenschaftszweiges Morphologie eine Korrektur der Rechnungen verlangen muss. So kommt Professor Sexl bei seinen Berechnungen auf einen Durchmesser des Mondes von 1 Km. Die Entfernung vom Erdmittelpunkt soll rund 3000 Km betragen. Früher von Lang und anderen durchgeführte Berechnungen ergaben unter Zugrundelegung mathematischer Annahmen wie dem Kreis z.B. ebensolche unwahrscheinlichen Resultate, die mit der Formengebung der Natur nicht im Einklang sind. Man bedenke, dass es sich um einen zellularen Kosmos handelt und die Gesetze der Morphologie gelten. Hier treten die typischen Probleme der Nur-Mathematik auf, die keine Berichtigung erfährt, weil das mathematisch erfasste Objekt nicht direkt untersucht werden kann, sei es, dass es zu groß, zu klein oder zu weit entfernt ist.

Bei dem vom Himmelzentrischen Weltbild gebauten Modell wurde die Morphologie berücksichtigt mit der Annahme, dass der Mond einen Durchmesser von Ca. 200 Km habe. Dies ergäbe einen Umfang der Mondkugel von über 600 Km. Eine respektable Größe, die mit allem, was vom Mond im Fernsehen und auf Bildern gezeigt wurde und von den Astronauten ganz emotional während der Expeditionen auf dem Mond gesagt wurde, gut zusammenpasst. Die NASA hatte eine Mondvermessung vorbereitet insofern, als in dem verwendeten Mondauto ein Kilometerzähler (oder Meilenzähler) eingebaut war. Da dieser die erwarteten Angaben nicht erbrachte, wurde das relativ einfache technische Gerät als defekt erklärt. Hier gab es eine echte Chance, die Größe des Mondes zu messen. Aber sicher ruhen die Daten noch im Archiv und sind eines Tages zugänglich. Was heute, im Jahre 2001 als Werte angegeben wird, stimmt mit den Aussagen der Astronauten während ihres Mondaufenthaltes nicht überein

Lesen sie dazu das Kapitel über die Mondlandungen.

Professor Sexl löste das Problem der Mondgröße mit Hilfe der Relativitätstheorie und Mathematik auf kuriose Weise folgendermaßen: Wenn der Mond nur 1 Km groß wäre, würde dann nicht die Mondlandefähre und der Mensch überdimensional groß wirken? Das steht aber im Widerspruch zu den gesehenen Bildern; denn hier sieht alles normal aus.

Nimmt man an, dass die Körper bei Annäherung zum Zentrum in ihrer Größe schrumpfen, wird mathematisch diese Beziehung in dem Ausdruck

L = L0 (r2/R2) (3

zusammen gefasst, in dem L0 die Größe des Objekts auf der Erdoberfläche bedeutet.

Dieses mathematische Gesetz überrascht zunächst, doch gibt es ja auch in anderen Gebieten der Physik ähnliche Erscheinungen. So können sich Gegenstände z.B. auch durch Temperatureinfluss ausdehnen oder durch Einfluss der Geschwindigkeit schrumpfen, wie die Relativitätstheorie lehrt. Jedenfalls vermag die bemerkenswerte Formel (3 nunmehr zu erklären, warum die Menschen und Gegenstände auf dem Mond so klein wirkten; denn bei einem 1 Km großen Mond wäre nach der Rechnung ein Mensch nur 3,4 cm groß gewesen.

Anmerkung: So kann man mit Hilfe der Relativitätstheorie, also der Theoretischen Physik argumentieren. Jedenfalls gibt es mathematisch nichts daran zu rütteln, dass es so sein könnte.

Viel besser wäre es, wenn der Mond gemäß der &Mac226;Wissenschaft Geometrie vermessen worden wäre, aber dazu fehlte die Zeit und die Ausrüstung.

Professor Sexl berichtet weiter: Etwa ein bis zwei Stunden dauert üblicherweise dieser Dialog, mit dem alle Einwände der Studenten gegen das neue Weltbild widerlegt werden können. Die Stimmung im Hörsaal schwankt zwischen Resignation und Empörung. Jahrelanges Physikstudium ermöglicht es nicht, eine derartig sinnlos erscheinende Behauptung, die Erde sei ein Hohlkörper und umschließe das, was wir als Universum erleben, in wenigen Minuten aus empirischen Gründen auszuschließen. Alles, was bisher als Beweis der Kopernikanischen Theorie erschien, wird nunmehr zum Beweis für die Hohlkugelerde als Form des Kosmos. Wenn es richtig ist, dass das übliche Weltbild der Physik experimentell bewiesen ist, so haben die gleichen Experimente nunmehr auch die Hohlwelttheorie bewiesen.

Das empirische Weltbild, das dem Studenten der Physik durch seine Arbeit in den Praktika und Laboratorien gleichsam in Fleisch und Blut übergegangen ist, gerät ins wanken. Wenn Theorien auf Experimente aufgebaut sind und aus Experimenten folgen, so folgt aus dem gleichen Experiment plötzlich auch die Hohlwelttheorie.

Anmerkung des Herausgebers: Gerade an dieser Stelle der Untersuchung zeigt sich deutlich der Zusammenhang vom mathematischen Modell und der Wirklichkeit, denn die Mathematik beschreibt die Wirklichkeit nach ihrer Methode.

Damit ist aus diesen Erfahrungen das Dualistische Weltmodell geboren: Aus dem theoretischen Teil des Rechenmodells und dem biologisch-materiellen Teil der Wirklichkeit.

Es begann mit der Anwendung der so genannten Transformation der reziproken Radien. Durch diese Operation bringt der Mathematiker den Raum außerhalb einer Kugel in Beziehung mit dem Raum innerhalb dieser Kugel, als Hohlkugel gedacht. Dadurch war eine mathematische Weiterentwicklung durch Professor Sexl möglich und er entwickelte die nachfolgenden Gesetze. Dazu berichtet er weiter:

Um zu den Gesetzen (1,2,3,) zu gelangen, ist es lediglich notwendig, in allen bekannten Gesetzen der Physik die Transformationen der inversen Radien auszuführen,

rH * rK = R2 (5

wobei rH rK die Abstände vom Erdmittelpunkt in der Hohlkugelerde bzw. im Kopernikanischen Weltbild bedeuten. So kann ein Weltbild in das andere transformiert werden. Wenn das Kopernikanische Weltbild experimentell unwiderlegbar ist, so gilt dies auch für das Modell der Hohlwelttheorie. Auch die Veränderung der Topologie, die durch die Transformation (5 bewirkt wird, kann durch die Randbedingung (4) die wir hier für die Wellenfunktionen formuliert haben, wieder korrigiert werden.

Das Mysterium ist gelöst und die Hohlwelt erscheint nunmehr lediglich als eine mathematisch äquivalente Form des Kopernikanischen Weltbildes. Beide können ineinander transformiert werden.

In der Vorlesung legt sich alles zufrieden in die Sitze zurück. Doch sogleich entsteht das nächste Problem: Das übliche Weltbild der Physik ist auf Experimente aufgebaut. Die gleichen Experimente stützen nun auch das Hohlkugel Modell von der Welt. Kein Physiker kann deshalb die Ansicht widerlegen, dass die Erde ein Hohlkörper ist, auf dessen Innenfläche die Menschen wohnen. Soll man diese Ansicht in Zukunft als gleichberechtigt in der Schule lehren oder wenn nein, warum nicht? Soll das Hohlweltbild zum neuen Schulstoff werden als alternatives Weltbild, das mit der Bibel in besserem Einklang steht als die heutige Weltvorstellung?

Grundprobleme der Wissenschaftstheorie werden für den Physikstudenten aktuell. An der Berufsehre gepackt, stellen die Hörer eine Liste von Argumenten gegen die Hohlwelttheorie zusammen.

Im Jahre 1962 erschien ein Buch des Leiters der Sternwarte Bochum, Joachim Herrmann, "Das falsche Weltbild", das eine kritische Untersuchung über Astrologie, Welteislehre, Hohlwelttheorie, Bewohnbarkeit der Sonne, fliegende Untertassen und andere astronomische Irrlehren enthält. Herrmann meint: "Selbstverständlich wäre eine Raumfahrt in einer Hohlkugelerde gar nicht denkbar. In dem Augenblick, in dem die ersten Raketen die Erde nicht nur zu Stichflügen in die Atmosphäre, sondern auf Hunderttausende oder Millionen Kilometer verlassen können, wäre der Schiedsspruch über die Vorstellung einer Hohlkugelerde mehr als endgültig, vor allem aber auch für den überhaupt nicht astronomisch Bewanderten gefällt.

Millionen haben die kleinen Kunstmonde mit eigenen Augen am Himmel gesehen. Die Zeit der Hohlwelttheorie ist endgültig vorüber. (S 116)"

So einfach ist die Widerlegung des alternativen Weltbildes nicht. Eine Widerlegung im Sinne eines experimentellen Gegenbeweises kann es, wie wir gesehen haben, überhaupt nicht geben (oder er würde damit auch das übliche Weltbild widerlegen).

Diese Problematik ist auch deshalb von Bedeutung, weil sie typisch für viele Auseinandersetzungen mit den "alternativen Weltbildern" ist, die von "Außenseitern der Wissenschaft" häufig vorgeschlagen werden.

Als Vorbemerkung sei zunächst festgehalten, dass die systematische, mathematische Behandlung durch die Transformation der inversen Radien nicht typisch für die Entstehung eines derartigen alternativen Weltbildes ist. Meist werden experimentelle Beweise für die neuen Ansichten gesucht. innerhalb der hier gegebenen rationalen Konstruktion alternativen Weltbilder stellt sich dies als unvollständige Transformation des Standardweltbildes dar.

Die Transformationsgleichungen (5) werden nicht auf alle Phänomene angewendet, sondern es wird meist ein Teil der alten Physik unverändert übernommen.

Nun zurück zu den wissenschaftstheoretischen Einwänden gegen das Modell einer Hohlkugelerde.

Welche Einwände werden in der Vorlesung zumeist gegen das falsche "Weltbild" vorgebracht? Nachdem geklärt ist, dass es keine experimentellen Widerlegungen geben kann, werden als Gründe für den Vorzug des Kopernikanischen Weltbildes zumeist genannt:

a) Einfachheit

b) Anschaulichkeit

c) Willkürfreiheit

Zur Begründung von a) wird angeführt, dass die Bewegungsgesetze (1) in der Hohlwelttheorie weit komplizierter als die Newton’schen Gesetze sind. Von zwei Theorien, die die gleichen Tatsachen erklären, sei jedoch die einfachere Vorzuziehen. Dieses Argument enthält sicher ein Körnchen Wahrheit, doch ist es auch problematisch. Um beispielsweise die Abweichung der Merkurbahn von der Newton’schen Ellipse zu erklären, könnte man anstelle der komplizierten Relativitätstheorie ebenso gut eine einfache Modifikation des 1 / r2 -Gesetzes durch Veränderung des Exponenten heranziehen. Würde dieses Argument dann nicht auch für die Ersetzung der Allgemeinen Relativitätstheorie durch einfachere verständliche Theorien sprechen?

Als wesentliches Argument für die Kopernikanische Theorie wird nun die Anschaulichkeit ins Treffen geführt. In ihr entsprechen die theoretischen Erklärungen viel direkter dem Augenschein, als dies in der Hohlwelttheorie der Fall ist.

Doch ist es wirklich so anschaulich, dass die Sonne ein riesiger glühender Gasball ist? Entspricht nicht ein viel kleinerer Mond weit besser dem Eindruck des nächtlichen Sternenhimmels?

Bezüglich der Willkürfreiheit wird argumentiert, dass man an Stelle der Transformation ebenso gut viele andere Transformationen setzen könnte, die Alternativen zu unserem Standard Weltbild bieten. So könnte man auch eine Theorie mit flacher Erde konstruieren. Könnte nicht gar ein Vertreter der Hohlwelttheorie umgekehrt meinen, dass das Kopernikanische Weltbild nur eine von vielen willkürlichen Umtransformationen der Hohlwelt sei? In diesen Argumenten und Antworten zeigte sich bereits die Unsicherheit, die den wissenschaftstheoretisch nicht geschulten Physiker befällt, wenn er sich auf Fragen einlässt, die die Grundlagen seines Gebietes betreffen, aber nicht einfach experimentell entschieden werden können. Es zeigt sich auch die Notwendigkeit einer wissenschaftstheoretischen und historischen Fundierung des Faches, die von Wilfried Kuhn oft betont, auch in seinen Büchern zum Ausdruck kommt.

Grundlegend für jede Theorie sind die in ihr enthaltenen Symmetriegruppen. Diese Symmetriegruppen ermöglichen es nämlich, Ergebnisse zu verknüpfen, die in verschiedenen Systemen, von verschiedenen Beobachtern oder zu verschiedenen Zeiten gewonnen wurden. Die zahlreichen Verknüpfungen, die sich aus der Gruppenstruktur ergeben, gehören zu den wichtigsten Prognosen der Theorie. Diese Prognosen sind wegen ihre Strenge und Bündigkeit einer Falsifikation besonders leicht zugänglich.

Ein lehrreiches Beispiel für diese Überlegungen bietet die Geschichte der Relativitätstheorie. In den Äthertheorien gab es zwar keinen ausgezeichneten Raumpunkt, aber eine ausgezeichnete Geschwindigkeit, also ein ausgezeichnetes Bezugssystem, nämlich jenes, in dem der Äther ruht. Inwieweit der Ätherwind, den eine Bewegung der Erde durch den Äther hervorrufen sollte, die Versuchsergebnisse beeinflusste, war eine Frage, die vor allem experimentell zu lösen war. Deshalb versuchten auch zahllose Experimente auf unterschiedlichen Grundlagen, die Bewegung der Erde durch den Äther festzustellen. Der negative Ausgang all dieser Experimente konnte in der Äthertheorie jedes Mal durch eine geeignete Modifikation der Grundgleichungen, wie beispielsweise durch den Einbau der Lorentzkontraktion, widerspruchfrei gedeutet werden. Doch hätte auch jedes positive Ergebnis dieser Versuche innerhalb der Äthertheorie eine zufrieden stellende Erklärung finden können.

Während Äthertheorien deshalb nur schwer als falsch erkannt werden können, ist die Lage in der speziellen Relativitätstheorie völlig verändert. Hier scheidet der Äther als Element der Theoriebildung aus und eine viel größere Symmetriegruppe, die Lorentzgruppe, charakterisiert den Aufbau der Theorie. Nunmehr folgt notwendig, dass kein Experiment die Bewegung der Erde durch den nicht existenten Äther bestimmen kann, und es folgt ebenso notwendig, dass deshalb der Ausgang jeden Experimentes unabhängig von der Geschwindigkeit sein muss, mit der sich das betrachtete Labor bewegt. Hier findet nunmehr der negative Ausgang aller Experimente, die sich die Bestimmung der Erdbewegung im Äther zum Ziel gesetzt haben, eine überzeugende Erklärung. Doch wäre ein positiver Ausgang der Experimente mit der Theorie völlig unverträglich und würde eine Falsifikation ihrer Grundlagen bedeuten. Daher ist die Relativitätstheorie der Äthertheorie von einem wissenschaftstheoretischen Standpunkt her überlegen. Dies ist zumindest ein möglicher Standpunkt, der die "Theoriendynamik", als die historische Ablösung unterschiedlicher physikalischer Theorien, in diesem Falle zu beschreiben vermag.

Ganz analog stellt sich nun die Hohlwelttheorie dar: In ihr gibt es einen ausgezeichneten Raumpunkt, der jede räumliche Symmetriegruppe verhindert. Dies gilt übrigens auch für das Aristotelische (Geozentrische) Weltbild, in dem der Erdmittelpunkt allerdings einer Vollkugelerde) ausgezeichnet war. Mit der "Kopernikanischen Wende" vollzieht sich der Übergang zu einer Theorie mit einer größeren Symmetriegruppe und dadurch erhöhter Möglichkeit der Falsifikation.

Diese historischen und wissenschaftstheoretischen Überlegungen haben wir hier nur am Beispiel der Popper'schen Philosophie dargelegt. In ähnlicher weise lassen sich nun auch die Aussagen und Argumente anderer Wissenschaftstheoretiker auf die Hohlwelttheorie und ähnliche Fälle anwenden und durchexerzieren. Dabei steht immer das tief greifende emotionelle Erlebnis, das vielen Physikstudenten die empirische Unwiderlegbarkeit der Hohlwelttheorie bietet, als treibendes Motiv weiterer Studien im Hintergrund. So zeigt sich wieder einmal, wie ein didaktisch geeignet ausgewählter Ausgangspunkt ein wesentliches und bestimmtes Motiv für die Auseinandersetzung mit neuen Gebieten und ungewohnten Argumenten sein kann. Physik, Didaktik, Geschichte und Wissenschaftstheorie verschmelzen dabei zu einer Einheit.

Der ungekürzte Vortrag steht dem Interessierten über bestellung per Newsletterformular zur Verfügung.









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