Allgemein, Ägyptologie, Rollenspiel

Am Jahresende

So, wieder ist ein Weihnachten geschafft – nur noch ein paar Tage, dann ist das Jahr 2015 am Ende. Die Zeit, in der wir uns jetzt befinden, wird auch oft als die „Tage zwischen den Jahren“ bezeichnet. 5 Tage, zwischen Weihnachten und Neujahr.

Wundert es Dich, daß es auch diese Bezeichnung schon im Alten Ägypten gab? In Ägypten wurden diese Tage die Heriu-Renpet genannt, die „auf dem Jahr befindlichen“, in griechisch auch die Epagomenen.

Warum gab es diese zusätzlichen Tage? Die ägyptische Jahreseinteilung bestand aus 3 Jahreszeiten zu je 4 Monaten zu je 30 Tagen, also aus 360 Tagen, doch durch astronomische Beobachtungen war schnell klar, daß das Jahr länger war: 365 Tage. (Die Notwendigkeit von Schalttagen, da die wirkliche Jahreslänge ein wenig mehr als 365 Tage sind, lassen wir hier der Einfachheit halber mal heraus.) Die 5 fehlenden Tage wurden am Ende des Jahres eingefügt und mythologisch erklärt.

Am Anfang schuf der Gott Atum aus sich selbst heraus die Welt, die Menschen und die Götter. Das erste Götterpaar, daß er schuf, waren Schu und Tefnut, die Luft und die Feuchtigkeit. Schu und Tefnut zeugten Geb und Nut, die Erde und den Himmel. Diese beiden liebten einander innig und umschlangen sich eng, doch durch diese Vereinigung von Himmel und Erde blieb den Menschen auf der Erde keine Luft zum Atmen.
Der Sonnengott Re wies Schu an, die beiden zu trennen und er stellte sich zwischen sie. Doch es war bereits zu spät und Nut war schwanger. Der erboste Re verbat ihr, an einem der 360 Tage des Jahres ihre Kinder zu gebären und so ersuchte Nut den Weisheitsgott Thot um Hilfe. In einem Brettspiel gewann Thot dem Sonnengott Re 5 zusätzliche Tage ab, die ans Jahr hinzugefügt wurden und an denen Nut ihre Kinder gebären konnte: Osiris, Isis, Horus, Seth und Nephthys.

Diese Weltenvorstellung illustriert sehr schön dieses Bild:

Aus: E. A. Wallis Budge, The Gods of the Egyptians Vol. II
Aus: E. A. Wallis Budge, The Gods of the Egyptians Vol. II

Oben, durch die Sterne auf ihrem Körper gekennzeichnet, die Himmelsgöttin Nut. Sie berührt mit Händen und Füßen die Erde – das sind die vier Himmelsrichtungen. Unten auf dem Boden, mit Schilfblättern auf dem Körper, der Erdgott Geb. Zwischen beiden kniet der Luftgott Schu und trennt sie voneinander.
Auf den Beinen der Nut fährt die Barke des Sonnengottes Re (in der Mitte, mit Falkenkopf) den Himmel hinauf, auf der anderen Seite fährt sie die Arme hinunter und wird von Osiris in der Unterwelt in Empfang genommen. In der Barke sitzen noch Sia und Maat – Erkenntnis und Wahrheit.

Eine kleine Anekdote noch am Rande – unser Jahresanfang ist im Winter, zwischen Dezember und Januar, im altägyptischen Kalender wäre das Neujahr im Juni/Juli gelegen. Neben der Ägyptologie bin ich ja auch passionierte Rollenspielerin, unter anderem spielen wir „Das Schwarze Auge“ (DSA). In der Welt von DSA hat man ebenfalls 12 Monate zu je 30 Tagen. Das Neujahr in Aventurien beginnt am 1. Praios, was unserem Juli entspricht. Und zwischen den Monaten Rahja (Juni) und Praios (Juli) liegen die fünf Namenlosen Tage – wenn das mal nicht altägyptisch beeinflusst ist!

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern eine schöne Zeit zwischen den Jahren und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!

Ein Gedanke zu „Am Jahresende“

  1. Sehr schöne Texte! Gibt hinter diese Geschichte eine Spirituelle oder Wissenschaftlichen Bedeutung auch?

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