Gedrucktes bleibt beliebter

Die Deutsche Nationalbibliothek wollte, um ihre Bestände zu schützen, alle Leser auf die vorrangige Nutzung digitaler Ausgaben verpflichten. Proteste dagegen blieben nicht ohne Erfolg.

Joachim Güntner
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Die Deutsche Nationalbibliothek lockert den Digital-Zwang. (Bild: Olaf Jandke / Keystone)

Die Deutsche Nationalbibliothek lockert den Digital-Zwang. (Bild: Olaf Jandke / Keystone)

Nichts wird so heiss gegessen, wie es gekocht wird – diese Erfahrung hat, im übertragenen Sinn, die Deutsche Nationalbibliothek (DNB) bewogen, ihren Speiseplan zu ändern. Letzten November hatte sie die Nutzer an den Standorten Leipzig und Frankfurt mit einem Aushang konfrontiert, der allen Lesern gebot, ihren Appetit der Order «Digital statt gedruckt» zu unterwerfen. Mittlerweile ist daraus ein «Digital vor gedruckt» geworden.

Für die Praxis heisst das: Ist ein Werk sowohl als E-Book wie auch gedruckt im Bestand der DNB vorhanden, dann muss sich der Leser nicht mehr gezwungenermassen mit der digitalen Ausgabe begnügen, die er dann an einem der in den Lesesälen aufgestellten Computer zu lesen hätte. Nein, er kann auch das gedruckte Buch verlangen. Er braucht dies nicht einmal mehr besonders zu begründen.

Allerdings hat die Bibliothek die alte Wahlfreiheit zwischen Buch- und Bildschirmlektüre nicht völlig wiederhergestellt. Wer die Printversion bestellen will, kann dies nicht einfach wie vor dem November 2016 im Online-Katalog tun, sondern muss dafür den Informationsdienst der DNB anrufen. Das ist eine Hürde. Es besteht, wie unsere wiederholte Erfahrung mit Leipzig zeigt (in Frankfurt ist es besser), auch nicht die Gewähr, dass man den Informationsdienst zügig erreicht. Mühsam!

Der klassische Leser, der Bücher und Zeitschriften auf Papier lesen will, bleibt mithin lästig. Er stört den Sammelauftrag der Nationalbibliothek, die von jedem deutschsprachigen oder Deutschland betreffenden Werk zwei Pflichtexemplare erhält, welche sie der Öffentlichkeit zugänglich machen und zugleich für die Ewigkeit bewahren soll. Zwei Exemplare, also bloss je eines für Frankfurt und Leipzig – wie rasch sind die zerlesen? Da bietet es sich, will man die Bestände schützen, doch förmlich an, die Nutzer auf die Lektüre von «Online-Ressourcen» zu verpflichten.

Mahnwachen vor der Tür und andere Reaktionen des Unwillens haben die Nationalbibliothek in den vergangenen Monaten belehrt, dass die Mehrheit der Nutzer immer noch lieber Gedrucktes liest. Ausserdem wollen die meisten gern selbst entscheiden, wie sie lesen. Die Proteste gegen den Digital-Zwang gingen quer durch die Generationen, stellte die DNB in Frankfurt fest. Man nehme die Nutzer ernst. Die Überlegungen im Hause, wie die Benutzerordnung in der derzeitigen Umbruchphase zu gestalten sei, sei noch «im Fluss».