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Portfolio

Deutschland ist nicht der Nabel der Fotografie

von am 2. Dezember 20082 Kommentare

Als Fotograf lebt und arbeitet Albrecht Tübke heute in Italien. Tübke hat in Leipzig an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studiert – wie übrigens auch schon sein Vater, der Maler Werner Tübke. Dazu hat Albrecht Tübke Studienjahre in England verlebt und an der Guildhall University of London im Jahr 2000 seinen Master of Arts gemacht. Tübke hat einige Stipendien bekommen, unter anderem von der Hasselblad Foundation und im In- und Ausland bereits zahlreiche Ausstellungen gehabt.

In seinen Bildern – vornehmlich Porträts voller Distanz und Achtung – ist Albrecht Tübke auf der Suche nach den Wesen, nach dem Besonderen, das wenig reisserisch daherkommen braucht und vielleicht gerade darum einen für alle bleibenden Eindruck macht.

Ich habe mit Albrecht Tübke über sein Verhältnis zur Fotografie als Kunst, über das Leben in Italien, über deutsche Fotografie und einiges mehr gesprochen.

aus „Donna“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

aus „Donna“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

bildwerk3/Marko Radloff: Sie sind in Leipzig geboren und haben dort studiert. Aufgewachsen sind Sie in Daliendorf in Mecklenburg-Vorpommern. Sie wohnen und arbeiten heute in Italien. Wo ist Ihre Heimat?
Albrecht Tübke: Meine Heimat sehe ich immer noch in Mecklenburg, wohl wissend, dass ich dort nicht leben könnte. Mein Begriff von Heimat hat sich aber auch gewandelt während der letzten Jahre, in denen ich an ganz verschiedenen Orten gelebt habe aber wahrscheinlich ist der Begriff am Ende doch immer mit Kindheit verbunden … .

Warum Italien und nicht die Vereinigten Staaten oder Großbritannien?
Natürlich habe ich überlegt, ob es nicht besser wäre, in die USA zu gehen oder nach London. London habe ich kennen gelernt –ich hatte mal ein DAAD Stipendium und habe 1,5 Jahre dort gelebt. Ich musste diesen wundervollen Ort noch im selben Monat verlassen, an dem mein Stipendium auslief.

Aber, nach einem Lottogewinn – sofort wieder: London oder ein paar Jahre NY, dann LA. Ich habe aber eine Frau und zwei Kinder und bis jetzt nie das Kleingeld, um zu einem dieser Orte zu gehen, würde ich aber nach wie vor gerne. Italien ist auch schön.

aus „Donna“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

aus „Donna“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

Würden Sie sich als einen deutschen Fotografen bezeichnen; und was heißt das eigentlich: Deutsche Fotografie? Gibt es eine verbindende Schwermut, auch in der Fotografie? Gibt es überhaupt eine deutsche Fotografie?
Ja, ich würde mich auch als Deutschen Fotografen bezeichnen, wenngleich ich es immer schade fand, dass Deutsche Fotografie im Ausland immer auf die Becherschule reduziert wird. Schwermut würde mir als Wort in diesem Zusammenhang nicht einfallen –Traurigkeit ist eine Emotion, die ich Deutschen Fotografen nicht so ohne Weiteres zutrauen würde. Ich würde diese (Deutsche) Art der Fotografie eher als wissenschaftlich oder dokumentarisch bezeichnen.

Kunst, Reportage oder Werbung? Wo würden Sie sich als Fotograf selbst einordnen?
Ich würde mich zur Familie der künstlerischen Fotografen zählen und dort innerhalb der dokumentarischen Portraitfotografie.

Was sind Ihre künstlerischen Intentionen?
Oh Gott, meine Intensionen.  Bei mir geht es im weitesten Sinne um Individualität. Ich versuche immer, dem Wesen einer Person so nahe wie möglich zu kommen, ohne dabei romantisch zu verklären oder zu ästhetisieren. Dabei kann „das Wesen“ einer Person durchaus auch künstlich sein, wenn eine Kultur oder Sozialisierung diesen Einfluss auf einen Menschen hatte. Aber über dieses Thema könnte ich mal ein Buch schreiben, so reiße ich es hier nur kurz an.

aus „Donna“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

aus „Donna“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

Für Ihre Portraits haben Sie Typen gesucht. Wie sind Sie bei der Auswahl Ihrer ‚Helden’ vorgegangen?
Bei der Auswahl habe ich keine direkten Kriterien, ich lasse mich von meinem Gefühl leiten. Es gibt Menschen, die ich interessant finde und die bei mir etwas auslösen – was das aber am Ende ist, habe ich nicht herausbekommen können. Man braucht wohl schon das ganze Leben, um sich selbst ein bisschen kennen zu lernen.

Wie wichtig war das Studium in Leipzig und welchen Rat würden Sie Studenten bei der Auswahl einer Hochschule mit auf den Weg geben?
Leipzig war sehr wichtig für mich, weil man da noch Zeit hatte für die Dinge. Was das für ein Luxus gewesen ist, habe ich erst später begriffen. Auch sehe ich es als großes Glück, meinen Professor Timm Rautert getroffen zu haben.

Studenten würde ich raten nach NY oder London zu gehen für mindestens ein Jahr. Deutschland ist nicht der Nabel der Fotografie.

Wie haben Sie die technischen Veränderungen, die in den letzten Jahren das fotografische Fach grundlegend verändert haben, erlebt beziehungsweise überlebt?
Ich habe immer im Mittelformat auf Farbnegativ fotografiert und dann die Abzüge selbst vergrößert. Das hat mir sehr gefallen, war aber ein schwer zu bewältigender Kostenfaktor. Die guten Digitalkameras sind noch zu teuer, jetzt gerade überlege ich, ob eine Sony alpha 900 mit einem 85er 1,4 Zeiss Objektiv nicht das richtige für mich wäre. Auf der letzten Paris Photo habe ich digitale prints und Drucke gesehen, die mich zum ersten Mal überzeugt haben.

Mit welcher technischen Ausstattung fühlen Sie sich beim Fotografieren am wohlsten?
Bis jetzt fand ich die Mamiya RZ mit 180er vom Stativ für meine Sachen ganz gut.

Gibt es unter Künstlern – Maler, Bildhauer oder Fotografen – Vorbilder für Sie?
Künstler, die ich mag sind Diane Arbus, Richard Avedon, August Sander, Edward Hopper, Di Corcia …

Wo und was haben Sie 2008 ausgestellt?
2008 habe ich ausgestellt an verschiedenen Orten zusammen mit der Rautert Klasse, es kommt eine Ausstellungsbeteiligung bei Danziger Projects hinzu in NY mit dem Namen „Sanders Children“ zusammen mit Arbus, Avedon, Sander usw. –Ich muß wohl mal meine Webseite aktualisieren, dafür ist Photography Now immer ganz hilfreich.

Woran arbeiten Sie gerade?
Gerade habe ich Portraits im Marmorsteinbruch in Carrara gemacht, und würde mich freuen, jemanden zu finden, der mit mir ein Buch daraus machen möchte.

aus „The Caves“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

aus „The Caves“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

Letzte Frage – aber müssen danach fragen: Ist es als Fotograf schwer, einen bekannten Maler zum Vater zu haben?
Nein es ist nicht schwer einen bekannten Maler zum Vater zu haben – als Fotograf. Meine Szene ist eine
ganz andere und diese Welten lassen sich nicht vergleichen. Wenn man mich nun aber fragen würde, warum ich kein Maler geworden bin, würde ich sagen: Bestimmt wegen meinem Vater.

aus „The Caves“, Italien 2008 © Albrecht Tübke

aus „The Caves“, Italien 2008 © Albrecht Tübke


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1 KommentarKommentieren

  • Siegfried Werner - 3. Dezember 2008 Antworten

    Wie weit Mecklenburger doch immer kommen!

    Mit innerer Anteilnahme habe ich dieses Interview gelesen, um für mich die Reihe auch auf dem Gebiet der neueren Fotografie fortzusetzen, wer alles in M. sein Wurzeln hat.
    Dabei fühlte ich mich an Uwe Johnson erinnert: Nicht nur die gleichen Stationen Amerika, Italien und England!
    Die benannte Zurückhaltung gegenüber dem Modell läßt die Augenhöhe auch für die Betrachter zu, denke ich gern an davor, dahinter usw. mit seinen Ebenen.
    Gern würde ich ein Zusammentreffen mit Ihnen haben, wenn möglich auf den Zingster Fototagen. Diese haben sich mit dem Festival “Horizonte” sehr gut 2008 eingeprägt.
    Mit freundlichen Grüßen
    Siegfried Werner
    seniorTrainer und Fotograf

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