Politik

Streit um Atomkraftwerke Habeck: Haben "Gasproblem, kein Stromproblem"

Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld befindet sich jetzt im Ausstieg aus der Atomenergie.

Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld befindet sich jetzt im Ausstieg aus der Atomenergie.

(Foto: picture alliance / Fotostand)

Steigende Energiepreise, gedrosselte Gaslieferungen aus Russland, Befürchtungen vor leeren Gasspeichern im Winter: Die Versorgungskrise führt zu einer neuen Diskussion über längere Laufzeiten für Atomkraftwerke. Eine reine Scheindebatte finden einige Grünen-Politiker.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat mangelnde Objektivität in der unter anderem von der FDP befeuerten Debatte über eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen Atomkraftwerke beklagt. "Erst einmal ist die Atomkraft eine Hochrisikotechnologie und einige Äußerungen sind mir da einfach zu spielerisch", sagte der Grünen-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Und ich vermisse Objektivität in der Diskussion." Er habe immer gesagt, dass er die Debatte entlang der Fakten führe. "Fakt ist: Wir haben aktuell ein Gasproblem, kein Stromproblem. Dieses "Wir lassen die mal weiterlaufen, dann wird schon alles gut" steht weder im Verhältnis zu den Abstrichen bei den Sicherheitsstandards, die wir dafür in Kauf nehmen müssten, noch ist es der Situation angemessen."

Die Ampel-Koalition streitet zunehmend über längere Laufzeiten der drei noch verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland. SPD und Grüne haben dahingehende Vorstöße der FDP zurückgewiesen. Auch Unionspolitiker fordern wegen eines drohenden Gasmangels seit längerem, Atomkraftwerke über das Jahresende hinweg laufen zu lassen. Die Betreiber der drei noch in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke haben Laufzeitverlängerungen eine Absage erteilt.

Habeck kritisierte, es falle auf, "dass ausgerechnet diejenigen am lautesten für eine längere Laufzeit der Atomkraftwerke trommeln, die vorher den Ausbau von Stromnetzen und Windkraft über viele Jahre verschleppt haben". Namentlich kritisierte er Bayerns Ministerpräsident: "Markus Söders Position bei der Atomkraft wäre übrigens deutlich glaubwürdiger, wenn er sich gleichzeitig dazu bereit erklären würde, dass wir überall in Deutschland - auch in Bayern - nach einem Endlager für den Atommüll suchen." Die CSU-Umweltpolitikerin Anja Weisgerber sagte der "Welt": "Wenn jede Kilowattstunde zählt, um die Gasverstromung zu reduzieren, dann ist es fahrlässig, drei sichere Kernkraftwerke Ende des Jahres abzuschalten."

"Blame-Game für den Herbst vorzubereiten"

Auch die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang hat sich erneut deutlich gegen eine längere Laufzeit deutscher Atomkraftwerke ausgesprochen. "Neue Studien gehen davon aus, dass Atomkraft nur weniger als ein Prozent der Stromerzeugung aus Gaskraftwerken ersetzen könnte", sagte Lang dem Nachrichtenportal t-online. "Es wäre, als ob man das Pflaster auf die falsche Stelle klebt." Kosten, Risiken und Nutzen eines Weiterbetriebs stünden "aktuell in keinem Verhältnis".

Lang sieht in der Diskussion über eine mögliche Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke nach eigener Aussage eine Strategie mit Blick auf die kommenden Monate. Die Debatte diene dazu, "das Blame-Game für den Herbst und Winter vorzubereiten", sagte Lang t-online. "Dann wird es heißen: Ihr seid schuld, dass die Energie nicht reicht. Strategisch mag das klug sein. Ehrlich, verantwortungsvoll und im Sinne der Bürgerinnen und Bürger ist es nicht."

Der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki kritisierte Habecks Argument, dass es aktuell kein Stromproblem gebe. "Sollte das stimmen, stellt sich die Frage, wieso der Strompreis an der Leipziger Energiebörse dann innerhalb dieses Jahres um voraussichtlich 320 Prozent nach oben schnellt", schrieb der Bundestagsvizepräsident in einem Gastbeitrag für die "Welt". "Und so erscheint es, als wäre diese Habecksche Behauptung vorgeschoben, um nicht die für die grüne Partei emotional schwierige Frage der Weiternutzung der verbliebenen Kernkraftwerke beantworten zu müssen."

Quelle: ntv.de, cls/AFP/dpa

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