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E.ON und RWE kippen AKW-Pläne in Großbritannien

Donnerstag, 29. März 2012, 15:13 Uhr
 

Düsseldorf/London (Reuters) - Nach der Atomwende in Deutschland machen die Energiekonzerne E.ON und RWE auch bei ihren milliardenschweren Plänen zum Bau neuer Meiler in Großbritannien einen Rückzieher.

Das gemeinsame Konsortium Horizon Nuclear Power solle verkauft werden, kündigten die Unternehmen am Donnerstag an. Sie verwiesen unter anderem auf die hohen Kosten der Projekte. Die Energieriesen hatten 2009 angekündigt, auf der Insel mehrere Meiler zu errichten. Nach dem beschleunigten Atomausstieg in Deutschland mit dem Aus für gewinnbringende Atomkraftwerke etwa in Biblis und Unterweser sitzt das Geld jedoch nicht mehr so locker. "Der Rückzug von E.ON und RWE ist sehr enttäuschend", bedauerte der britische Energieminister Charles Hendry die Entscheidung.

Manager beider Konzerne hatten sich zuletzt immer skeptischer zu den Erfolgsaussichten geäußert. Die Strompreise seien für solche Großprojekte derzeit zu niedrig und die eigenen Mittel nach der Atomwende begrenzt, erklärten sie. Zudem stiegen bei anderen AKW-Projekten in Europa bereits die Kosten drastisch, Verzögerungen von mehreren Jahren seien die Regel. E.ON wolle sich nun auf Investitionen in Großbritannien konzentrieren, die sich früher auszahlten, erläuterte der größte deutsche Versorger. Hierzu gehöre der Bau von Windkraft- und Biomasseanlagen. Die Aktien von E.ON notierten zeitweise 1,3 Prozent im Minus, RWE-Titel verloren 0,9 Prozent. Großbritannien gehört zu den wichtigsten Auslandsmärkten der Versorger.

KONZERNE WOLLTEN MILLIARDEN AUSGEBEN UND VIELE JOBS SCHAFFEN

Horizon hatte trotz der lauter werdenden Zweifel immer wieder betont, an dem Vorhaben festzuhalten. E.ON und RWE wollten in Großbritannien bis 2025 neue Kernkraftwerke mit einer Leistung von rund 6000 Megawatt errichten. Das Programm werde wahrscheinlich mehr als 15 Milliarden Pfund (18 Milliarden Euro) kosten, hatte das Joint Venture seit Jahren angekündigt. Jedes Kraftwerk schaffe rund 800 dauerhafte Jobs, während der Bauzeit könnten bis zu 5000 Menschen beschäftigt sein.

Mittlerweile habe sich die Situation geändert, erläuterte RWE nun. Kapitalintensive Investitionen wie der Kernkraftwerksbau seien seit der Wirtschaftskrise schwieriger zu stemmen. Es dauere sehr lange, bis sie sich auszahlten. Nach dem beschleunigten Atomausstieg in Deutschland habe der Konzern mehrere Schritte unternommen, um die Kosten zu senken. Dies gilt auch für den Konkurrenten E.ON, der 2011 mit einem Minus von 2,2 Milliarden Euro den ersten Nettoverlust in seiner Unternehmensgeschichte verbuchen musste. E.ON und RWE treiben nun den Verkauf milliardenschwerer Beteiligungen voran.

"Wir beginnen jetzt mit dem Verkaufsprozess und der Suche nach Interessenten", erklärte RWE. Ob dem Versorger für Horizon Abschreibungen drohen, sei offen. Dies hänge vom Verlauf des Verkaufsprozesses ab. RWE hat nach eigenen Angaben bislang einen niedrigen dreistelligen Millionenbetrag in das Projekt investiert.

RWE HAT BEREITS IN BULGARIEN UND RUMÄNIEN AKW-PLÄNE GEKIPPT

Der britische Energieminister Hendry sagte, die von E.ON und RWE bereits erworbenen Flächen böten neuen Playern hervorragende Chancen, in den Markt einzusteigen. Großbritannien will mit dem Bau neuer AKW seine Klimaschutzziele vorantreiben. Die Regierung in London erwägt, eine kohlendioxidarme Stromproduktion durch garantierte Mindestpreise zu fördern. Pläne für den Bau neuer Meiler auf der Insel hat unter anderem der französische Energieriese EdF. "Das Energiekonzept der Regierung liegt in Scherben", kritisierte die britische Gewerkschaft für Beschäftigte in der Energiewirtschaft(GMB).

Unsichere politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, drastisch steigende Kosten und Verzögerungen bei AKW-Neubauten in Frankreich und Finnland sowie niedrige Strompreise hatten im Management von E.ON und RWE die Stimmung gedrückt. "Das macht auch wirklich keinen großen Appetit darauf, sich dieses Risiko anzutun", sagte E.ON-Vorstand Klaus-Dieter Maubach kürzlich. "Bei einem Strompreis von 60 Euro je Megawattstunde können Sie kein Kernkraftwerk bauen", hatte zuvor bereits der künftige RWE-Chef Peter Terium erläutert. Damit sich neue Meiler lohnten, müsse der Großhandelspreis für Strom deutlich steigen. "Der müsste wahrscheinlich jenseits der 100 Euro sein", so Terium. In Bulgarien hatte sich RWE vor zwei Jahren aus einem AKW-Projekt zurückgezogen. Anfang 2011 machte der Versorger auch in Rumänien einen Rückzieher.

- von Tom Käckenhoff und Karolin Schaps