Wirtschaft

Ex-BASF-Chef Hambrecht "Sollten Kernkraftwerke weiter betreiben"

Jürgen Hambrecht, der auch Mitglied der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" zum Atomausstieg war, zweifelt seine damalige Entscheidung an.

Jürgen Hambrecht, der auch Mitglied der Ethikkommission "Sichere Energieversorgung" zum Atomausstieg war, zweifelt seine damalige Entscheidung an.

(Foto: picture alliance/dpa/Ole Spata)

Nach der Fukushima-Katastrophe 2011 verhandelte der damalige BASF-Chef Hambrecht den Ausstieg aus der Kernenergie. Zehn Jahre später fordert er, AKW länger laufen zu lassen. Im Gespräch schildert er, wie es zu seinem Umdenkprozess kam und was der Gesetzgeber tun könnte.

Jürgen Hambrecht hat einen Denkprozess hinter sich oder besser: einen Umdenkprozess. Im Jahr 2011, kurz nach der Katastrophe von Fukushima, saß der damalige BASF-Chef in der Ethikkommission, die den schnelleren Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 verhandelte. Nun plädiert er dafür, die Atomkraftwerke noch einige Jahre länger laufen zu lassen.

"Die bestehenden Kernkraftwerke sind da, sie sind abgeschrieben. Der Strom ist also relativ preisgünstig", sagt Hambrecht im Podcast "Die Stunde Null". "Für unsere Volkswirtschaft, für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft wäre es sinnvoll, diese Kernkraftwerke weiter zu betreiben." Bei der Energiewende habe sich Deutschland vor allem mit der Atomenergie beschäftigt. "Zehn Jahre später haben wir ganz andere Bilder im Kopf", so Hambrecht, der von 2003 bis 2011 BASF-Chef war und ab 2014 im Aufsichtsrat saß, dessen Vorsitz er bis 2020 innehatte. "Die Kernenergie ist in ihrem Risiko eher lokalisiert, während der Klimawandel global ist."

Er räumt dabei ein, dass es schwierig sein dürfte, dafür politische Mehrheiten zu bekommen. Aber der Gesetzgeber habe Möglichkeiten: "Man müsste Paragraf 7 des Atomgesetzes modifizieren als Übergangslösung, bis wir mit erneuerbaren Energien eine sichere Versorgung gewährleisten können", so Hambrecht weiter. "Wir könnten gleichzeitig die schmutzigsten Kohlekraftwerke abstellen und so etwa 70 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Das sind etwa 10 Prozent unseres gesamten CO2-Ausstoßes."

In der Wirtschaft sind die Stimmen nach einer Verlängerung der Laufzeiten zuletzt lauter geworden. Vor einigen Tagen erklärte Steve Angel, der Chef des Linde-Konzerns, und sein designierter Nachfolger Sanjiv Lamba: "Wir werden einen Energiemix brauchen. Dazu gehört auch Atomkraft." Die deutschen Stromkonzerne reagieren allerdings reserviert auf die Debatte. Eon-Chef Leonhard Birnbaum bezeichnete sie gegenüber dem "Handelsblatt" sogar als "befremdlich": "Sie kommt viel zu spät und nutzt keinem mehr." Auch für RWE ist das "Kapitel Kernenergie" längst "abgeschlossen".

Hambrecht bemängelt bei der Energiewende ein "glaubwürdiges, reales Konzept, das uns diese Transformation wirklich erfolgreich gestalten lässt". "Wir setzen uns ständig neue, immer ambitioniertere Ziele. Um das Nachverfolgen der Umsetzung kümmern wir uns nicht", kritisiert er.

Die Privathaushalte würden diese Preissteigerung schmerzhaft spüren, ebenso die deutsche Industrie: "Wenn wir aus den fossilen Energieträgern aussteigen, wird die ganze Industrie durchgängig elektrifiziert", sagt Hambrecht. Das bedeute einen vier bis fünf Mal so hohen Strombedarf. Dafür gebe es kein Konzept. Man müsse aber "den Blutkreislauf der deutschen Wirtschaft" erhalten.

Hören Sie in der neuen Folge von "Die Stunde Null":

  • Welche Rolle der Klimaschutz während Hambrechts Zeit bei BASF gespielt hat
  • Warum BASF inzwischen einen eigenen Windpark plant
  • Wie die Debatten im Ethikrat 2011 abliefen - und welche Empfehlung vergessen wurde

Alle Folgen finden Sie direkt bei Audio Now, Apple oder Spotify oder via Google.

Quelle: ntv.de, ddi

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen