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Stadtwerke fordern Gaskraftwerk-Abschaltung

Nach einer Bauzeit von rund zwei Jahren und einer Investition von rund 400 Millionen Euro war das Kraftwerk Irsching 5 mit einer Leistung von 860 Megawatt 2010 in Betrieb genommen worden. Nach einer Bauzeit von rund zwei Jahren und einer Investition von rund 400 Millionen Euro war das Kraftwerk Irsching 5 mit einer Leistung von 860 Megawatt 2010 in Betrieb genommen worden.
Nach einer Bauzeit von rund zwei Jahren und einer Investition von rund 400 Millionen Euro war das Kraftwerk Irsching 5 mit einer Leistung von 860 Megawatt 2010 in Betrieb genommen ...worden.
Quelle: picture alliance / dpa
Weil sich der Betrieb nicht mehr rechnet, soll Deutschlands modernste Anlage im bayerischen Irsching nach drei Jahren wieder vom Netz. Schuld wird dem Preisverfall bei CO2-Zertifikaten gegeben.

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Für die bayerische Staatsregierung bahnt sich eine Peinlichkeit sondergleichen an. Vor drei Jahren wurde in Irsching bei Ingolstadt Bayerns modernstes Gaskraftwerk eröffnet. Irsching 5 gehört mit 860 Megawatt Leistung zu den größten Anlagen seiner Art.

Nach der Energiewende entwickelte Bayern ein Energiekonzept, das den Bau von fünf weiteren Gaskraftwerken vorsah, zur Kompensation für die Kernkraft.

Mittlerweile wurde das Konzept auf drei abgespeckt, essenziell sind die Neubauten trotzdem. Doch von Neubau spricht im Moment niemand, es geht vielmehr um den Erhalt des Bestandes. Unter den Anlagen, die von Stilllegung bedroht sind, steht ausgerechnet das modernste ganz oben auf der Liste: Irsching 5.

Stadtwerke klagen über Millionenbelastung

Vor allem die an dem Kraftwerk beteiligten Stadtwerke, unter anderem aus Frankfurt, Nürnberg und Darmstadt drängen, die Anlage vom Netz zu nehmen.

 „Wir machen mit dem Kraftwerk Irsching derzeit erhebliche Verluste. Wir erwägen daher, das Kraftwerk vorübergehend stillzulegen, bis neue Rahmenbedingungen einen wirtschaftlichen Betrieb ermöglichen“, sagte ein Sprecher der Frankfurter Mainova AG der „Welt“.

Auch der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses des Landtags, Erwin Huber (CSU), bestätigt: „Einzelne Stadtwerke müssen ein Defizit von bis zu zehn Millionen Euro pro Jahr hinnehmen. Sie sind nicht mehr länger dazu bereit.“

Im November hatten die Stadtwerke und der Energieversorger E.on einen Brief an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) geschrieben. Das Schreiben ging auch an Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) und an das Bundeswirtschaftsministerium. Mit knapp 2000 Betriebsstunden sei die Anlage in Irsching nicht mehr rentabel zu betreiben.

 Auf Bitten des Netzbetreibers Tennet sagten die Eigner zwar zu, die Anlage freiwillig bis Ende März laufen zu lassen. Allerdings, so heißt es in informierten Kreisen, werde derzeit ernsthaft erwogen, sie ab April tatsächlich herunterzufahren.

Braunkohlekraftwerke laufen auf Hochtouren

Ursprünglich wurde Irsching mit einer Auslastung von 4000 bis 5000 Stunden projektiert. Doch der Einspeisevorrang der durch die Energiewende stark geförderten erneuerbaren Energien zwingt die Betreiber, immer öfter den Aus-Knopf zu drücken.

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Darüber hinaus stehen die Gaskraftwerke, die ihren Rohstoff von weit her transportieren und zukaufen müssen, in der Kette derjenigen Anlagen, die Strom ins Netz einspeisen dürfen noch hinter den Kohlekraftwerken, die direkt dort stehen, wo der Rohstoff gefördert wird.

Die Präferenz für den Kohlestrom wird durch den Preisverfall für CO2-Zertifikate bedingt. Die kosten um die vier Euro. Insgesamt ist es also viel billiger alte, abgeschriebene Kohlekraftwerke auf Volllast zu fahren, als die modernen, hocheffizienten Gaskraftwerke.

Dass sich das mit den Klimaschutzzielen nicht verträgt, leuchtet ein. Das Problem ist bekannt. Allein, es passiert nichts.

Rösler legt Veto ein

Verantwortlich ist der Bundeswirtschaftsminister. Vor zwei Wochen waren Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Umweltminister Peter Altmaier (CDU) bei ihrem Kollegen Philipp Rösler. Wie verlautet, beknieten die drei den FDP-Politiker nachgerade, sich nicht auf „den Markt“ zu berufen und einzuschreiten.

 Rösler hat bisher einer Verknappung und damit Verteuerung der Zertifikate, wie sie die EU-Kommission plant, nicht zugestimmt.

Dabei bleibe es, teilte das Ministerium auf Nachfrage mit. Der Zertifikate-Handel sei kein Instrument zur Finanzierung der Energiewende, er ist im Rahmen des Klimaschutzes eingeführt worden: „Eine Verknappung der Zertifikate würde eine weitere Belastung der Industrie mit sich bringen und kommt für das BMWi nicht in Betracht.“

 Bemerkenswert ist die Aussage insofern, da eigentlich mit den Erlösen aus den Zertifikatversteigerungen der „Energie- und Klimafonds“ gespeist werden sollte, der ausdrücklich auch der Energiewende diente.

Irsching wird wohl „Reservekraftwerk“

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Wahrscheinlicher ist also das Szenario, das Erwin Huber benennt: „Die Bundesnetzagentur wird Irsching zur nationalen Reserve erklären müssen.“ In dem Fall dürften die Betreiber das Kraftwerk nicht stilllegen, sondern müssten es für Spitzenlastzeiten vorhalten.

Das hat zwei Konsequenzen: Zum einen stehen den Betreibern Ausfallmittel zu, die auf die Stromkunden umgelegt werden. Für Irsching ist die Rede von 100 Millionen Euro pro Jahr.

Das andere Problem formuliert der Mainova-Sprecher so: „Sehr kritisch sehen wir die Vorgabe, dass wir im Falle einer Rücküberführung aus der nationalen Reserve in den normalen Betrieb, die uns in der Zwischenzeit gewährten Ausfallmittel zurückzahlen müssen.

 Dies ist ein schwerwiegender Eingriff in unsere Eigentumsrechte.“ Über eine Veränderung dieser Regelung sind Politik und Betreiber im Gespräch. Die Zeit wird knapp.

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