Inhalt

0. Präambel

1. Einleitung

2. Empfehlungen

3. Hintergrund

3.1. Inzidenz verschiedener Formen des plötzlichen Herztodes

3.2. Plötzlicher Herztod und Familienanamnese

3.3. Plötzlicher Herztod und Molekulare Autopsie

4. Rahmenbedingungen für eine postmortale molekulargenetische Untersuchungen (Molekulare Autopsie)

4.1. Rechtliche Rahmenbedingungen und Gendiagnostik-Gesetz (GenDG)

4.2. Asservierung und Anforderungen an das Probenmaterial

4.3. Kardiopathologische Untersuchungen

5. Begriffe

Literatur

0. Präambel

Obduktionen (Sektionen oder Leichenöffnung) dienen der definitiven Klärung der Todesursache bzw. der Erkennung einer Erkrankung eines Verstorbenen. Im Fall eines plötzlichen Herztodes werden sie zumeist im Rahmen einer klinischen oder forensischen Sektion durchgeführt. Ein relevanter Anteil an plötzlichen Todesfällen bleibt allerdings ungelöst bzw. ohne eine endgültige Diagnose, weil entweder medizinische Berichte nicht umfänglich zugänglich waren, keine Autopsie durchgeführt wurde oder die Todesursache nicht aufgeklärt werden konnte, was in ca. 5–10 % aller forensischen Obduktionen der Fall sein kann („mors sine materia“).

Unter molekularer Autopsie (angloamerikanisch weit verbreitet: „molecular autopsy“) versteht man die postmortale, molekulargenetische Untersuchung von Erbmaterial (meist DNA [Desoxyribonukleinsäure]) aus Blut oder Gewebe auf das Vorliegen von krankheitsspezifischen Genmutationen. Ziel ist die postmortale Aufklärung der Todesursache aufgrund der molekularen Identifizierung bzw. Bestätigung einer erblichen kardiovaskulären Erkrankung. Die Kenntnis einer genetischen Ursache ist oft auch von unmittelbarer Relevanz für biologisch verwandte Familienmitglieder.

In dem vorliegenden Konsensuspapier werden Expertenempfehlungen zur Notwendigkeit, Indikation und Durchführung einer molekularen Autopsie im Rahmen einer Todesursachenklärung formuliert, insbesondere bei unklaren Todesfällen im Alter <40 Jahren. Darüber hinaus werden die derzeitigen Rahmenbedingungen für eine solche Untersuchung und Empfehlungen zur systematischen Untersuchung von Familienmitgliedern eines frühzeitig Verstorbenen genannt.

1. Einleitung

Bei einem plötzlichen, unklaren oder vorzeitigen Todesfall ist die definitive Ursachenklärung aus forensischen, aber auch medizinischen Gründen (z. B. bei erblichen Ursachen) wichtig. In Deutschland gibt es bislang keine detaillierten Handlungsempfehlungen, wie im Rahmen einer klinischen oder forensischen Sektion vorgegangen werden kann, wenn (a) eine definitive Feststellung der Ursache des Todesfalles nicht gelingt oder (b) eine erbliche Erkrankung identifiziert wird. Bei beiden Szenarien ist eine molekulare und damit post mortem identifizierbare Ursache denkbar, deren Information potenziell für biologisch verwandte Familienmitglieder relevant ist. Die an diesem Konsensuspapier beteiligten Fachgesellschaften haben daher Fachvertreter benannt, um Handlungsempfehlungen für eine molekulare Autopsie nach plötzlichen, kardiovaskulären Todesfällen zu formulieren. Diese ergänzen dabei die aktuelle S1-Leitlinie der DGP und sind primär auf die molekulare Autopsie fokussiert, da hier insbesondere erbliche, arrhythmogene oder strukturelle Herzerkrankungen postmortal diagnostizierbar bzw. ätiologisch aufklärbar sind.

Eine Obduktion (auch: Sektion, Leichenöffnung, innere Leichenschau) dient der definitiven Abklärung der Todesursache(n), der Diagnose von Grund- und Nebenerkrankungen des Verstorbenen (sog. Obduktionsdiagnosen) und der Feststellung des Krankheitsverlaufs bzw. des Sterbevorganges. Die Vorgehensweise ist im Detail in einer aktuellen Leitlinie beschrieben (S1-Leitlinie zur Durchführung von Obduktionen in der Pathologie, 2017; herausgegeben vom Bundesverband Deutscher Pathologen e. V. und der Deutschen Gesellschaft für Pathologie e. V.; siehe: https://www.pathologie.de/fachinfos/nachschlagewerke-handbuchreihe/handbuch-leitlinien-pathologie/). Obduktionen sind insbesondere hilfreich, wenn eine sichere Angabe einer Todesursache schwerfällt, z. B. weil der Patient nicht in ärztlicher Behandlung war, lebensbedrohliche Vorerkrankungen oder die Anamnese nicht bekannt waren oder der Tod plötzlich und unerwartet eintrat.

Die Sektionshäufigkeit in Deutschland ist insgesamt relativ niedrig (klinisch-pathologische Sektionen in ca. 1 % [= 8000 Fälle/Jahr], rechtsmedizinische Sektionen in ca. 2 % aller Sterbefälle), wohingegen diese in anderen europäischen Ländern 10–35 % und in den USA >10 % beträgt. Diese niedrige Sektionshäufigkeit hat neben der Tatsache, dass Todesursachen im Einzelnen unbekannt bleiben, auch Auswirkungen auf die Qualitätssicherung der klinischen Medizin und auf die Genauigkeit der amtlichen Todesursachenstatistik (s. Infobox 1).

Infobox 1

Im Fall des Todes eines Neugeborenen, Kindes, Jugendlichen oder Erwachsenen vor dem 40. Lebensjahr wird grundsätzlich aus medizinischer Sicht empfohlen, eine Obduktion mit entsprechender Materialasservierung durchzuführen, wenn keine hinreichende Erklärung bzw. Todesursache (z. B. chronische oder maligne Erkrankung) bekannt wurde. Diese kann als klinische oder rechtsmedizinische Obduktion, je nach Todesumstand, erfolgen.

Im Jahr 2017 wurde daher die „Vereinbarung zu klinischen Sektionen gemäß § 9 Abs. 1a Nr. 3 KHEntgG (sog. Obduktionsvereinbarung)“ beschlossen, wobei in der Indikationsliste (Anlage 1) zur Auswahl der zu obduzierenden Todesfälle (d. h. die Voraussetzung für eine zuschlagsfähige Durchführung von Obduktionen) u. a. aufgeführt sind:

  • Totgeburten, Todesfälle von Säuglingen, Kindern, Jugendlichen (bis 16 Jahre),

  • Todesfälle bei seltener, besonders klärungsbedürftiger bzw. berichtenswerter Erkrankung oder Ausprägung,

  • Todesfälle, bei denen die Obduktion zur Klärung relevanter, ungeklärter klinischer Fragen beitragen kann.

Gemäß einer aktuellen Untersuchung [91] waren unter 10.000 Todesbescheinigungen in einem Zeitraum von 3 Jahren nur <5 % fehlerfrei und ca. 30 % mit zum Teil schweren Fehlern behaftet, was auf immanente Defizite bei der ärztlichen Leichenschau und auf die Notwendigkeit einer entsprechenden Qualifikation hierfür hinweist.

Die sog. klinische Obduktion bzw. klinische Sektion ist die letzte ärztliche Handlung im Rahmen einer medizinischen Behandlung eines Patienten. Sie beinhaltet u. a. auch die sog. Verwaltungssektion im Auftrag einer Behörde, die im Rahmen von Todesfällen, die sich plötzlich und unerwartet oder unter unklaren Bedingungen ereignet haben, durchgeführt wird. Meist stellt der zuletzt behandelnde Arzt den Antrag auf Obduktion der verstorbenen Person. Sie dient primär der Qualitätssicherung und Überprüfung des vorherigen ärztlichen und pflegerischen Handelns im Hinblick auf Diagnose, Therapie und Todesursache, aber auch der Lehre und Ausbildung, der Epidemiologie sowie der medizinischen Forschung.

Voraussetzungen für eine klinische Obduktion sind, dass die nächsten Angehörigen (sog. Totensorgeberechtigten) ihr Einverständnis gegeben haben (bzw. kein Widerspruch des Verstorbenen bekannt ist) und auf dem Totenschein als Todesursache eine „natürliche (= medizinische) Ursache“ (z. B. Herzinfarkt, Herz-Kreislauf-Versagen, Krebs etc.) und eine natürliche Todesart dokumentiert sind. Ist die Todesursache nicht zweifelsfrei einer natürlichen Todesart zuzuordnen, so ist dies entsprechend zu formulieren, z. B. „unbekannt“, um im Weiteren die Todesart als nicht-natürlich bzw. ungeklärt (unklar) zu qualifizieren.

Eine klinische Obduktion kann zudem für Angehörige eine Antwort auf die Todesursache, insbesondere bei einem unvermuteten, nicht vorhersehbaren Todesfall, geben und so persönlich entlastend wirken. Sollten im Rahmen einer Obduktion Hinweise auf eine Erbkrankheit und/oder familiäre Risikofaktoren erkennbar sein, so hat dieses aufgrund der möglichen Vererbbarkeit für biologisch verwandte Familienangehörige (z. B. Nachkommen, Eltern und Geschwister) Relevanz, weil dann eine erhöhte Wahrscheinlichkeit besteht, dass die vererbbare, genetische Ursache (Mutation) bei anderen Familienmitgliedern vorliegt.

Die anatomische Sektion hingegen findet primär zum Zwecke von Lehre und Forschung statt und ist ebenfalls, wie gutachterliche Obduktionen für die Berufsgenossenschaften und Privatsektionen, Teil klinischer Obduktionen. Vereinzelt gibt es noch Sektionen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG §§ 1, 25 und 26), nach den Landesgesetzen zur Feuerbestattung sowie nach dem Unfallversicherungsrecht (Sozialgesetzbuch [SGB] VII, § 63 (2)).

Die rechtsmedizinische (forensische) Obduktion bzw. forensische Sektion ist hingegen in der Strafprozessordnung geregelt und erfolgt im behördlichen Auftrag (s. auch AWMF-Leitlinie „Die rechtsmedizinische Leichenöffnung“, 2017, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin). Sie dient der Klärung von „nicht-natürlichen Todesursachen“ (= Todesfall, der auf ein von außen verursachtes, ausgelöstes oder beeinflusstes Geschehen zurückzuführen ist; selbst- oder fremdverschuldet) und der Frage, ob ein Verschulden Dritter in Betracht kommt, sowie zur Sicherung von Beweisen für einen eventuellen Strafprozess (s. §§ 87 ff. StPO). Ist die Todesart auf dem Totenschein im Rahmen der Leichenschau als „ungeklärt“ gekennzeichnet, erfolgt oft ebenfalls eine gerichtlich angeordnete Sektion.

Obduktionen im Fall eines plötzlichen Herztodes werden typischerweise in der Pathologie oder Rechtsmedizin durchgeführt. Wenn ein natürlicher Tod vorliegt bzw. die Staatsanwaltschaft einen Leichnam freigibt, nachdem zuvor kein Anhalt für eine nicht-natürliche Todesursache bestand, kann diese auch als privat beauftragte Obduktion durchgeführt werden.

Ein relevanter Anteil an plötzlichen Todesfällen, definiert als ein unerwarteter, natürlicher Tod bei scheinbar gesunden Personen (während der ersten Stunde nach dem Auftreten von Symptomen; s. Abschn. 3 Methodik und Begriffe) bleibt oft ungelöst bzw. ohne eine endgültige Diagnose [30]. Dieses ist u. a. darauf zurückzuführen, dass medizinische Berichte nicht in allen Fällen zugänglich waren oder keine Autopsie durchgeführt wurde oder die Todesursache nach der Autopsie nicht spezifisch war [4]. Eine Übereinstimmung zwischen der Leichenschau- und Obduktionsdiagnose und der klinischen Todesursachendiagnostik liegt nur bei ca. 50–60 % vor [42]. Erschwerend kommt hinzu, dass in vielen europäischen Ländern wie in der Schweiz die Autopsieraten bei plötzlichen Todesfällen unbekannt oder gar niedrig sind [17, 85], obgleich internationale und zum Teil auch nationale Empfehlungen zur Durchführung vorliegen [11, 18, 85]. Lediglich in England wird in den meisten Fällen eine Autopsie gefordert und durchgeführt, in den Niederlanden liegt die Rate bei plötzlichen Todesfällen im Alter von 1 bis 44 Jahren bei 43–85 % [78, 83].

Eine Autopsie gilt als negativ, wenn alle Untersuchungen die Todesursache nicht haben offenbaren können [12]. Etwa 5–10 % aller forensischen Obduktionen sind nach vollständiger Autopsie negativ, d. h. makroskopische (äußere/innere Leichenschau) und mikroskopische Untersuchungen, Laboruntersuchungen einschließlich toxikologischer Analyse sind ohne ursächlichen Befund („mors sine materia“) [26].

Unter molekularer Autopsie versteht man die postmortale, molekulargenetische Untersuchung von Erbmaterial (meist DNA [Desoxyribonukleinsäure]) aus Blut oder Gewebe eines Verstorbenen auf das Vorliegen von krankheitsspezifischen Genmutationen [11, 13, 57, 85]. Ziel der molekularen Autopsie ist die postmortale Aufklärung der Todesursache aufgrund der molekularen Identifizierung bzw. Bestätigung einer erblichen kardiovaskulären Erkrankung. Es handelt sich demnach um eine Zusatzuntersuchung im Rahmen einer postmortalen Stufendiagnostik; in einem relevanten Anteil an Autopsie-negativen Fällen kann mithilfe der molekularen Autopsie eine definitive Todesursache festgestellt oder bestätigt werden.

Ziel des vorliegenden Konsensuspapiers ist es, Empfehlungen zu formulieren, die neben der Todesursachenklärung im verstorbenen Indexfall durch eine frühzeitige und präventive Diagnostik weitere fatale Ereignisse bei biologisch verwandten Familienmitgliedern aufgrund der Kenntnis einer spezifischen und vererbbaren kardiovaskulären Erkrankung vermeiden helfen.

2. Empfehlungen

Die Empfehlungen des vorliegenden Konsensuspapiers sind durch eine systematische Aufarbeitung, Zusammenstellung und Bewertung der besten verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz unter Berücksichtigung publizierter Richtlinien zum Zeitpunkt der Erstellung des Manuskriptes gekennzeichnet.

Die Bewertung einer Maßnahme durch einen Empfehlungsgrad und eine Evidenzstufe erfolgt in Anlehnung an die Klassifizierung der European Society of Cardiology (ESC) für die Erstellung von Leitlinien. In Abb. 1 sind die angewendeten Empfehlungsgrade (I–III) zu finden.

Abb. 1
figure 1

Empfehlungsgrade (I–III)

Die Graduierung der Evidenzstufe ist primär eine sog. interdisziplinäre Konsensusmeinung von Experten verschiedener Fachgesellschaften auf der Basis von Studien und/oder klinischer Erfahrung (Evidenzstufe C).

Materialasservierung für eine postmortale molekulargenetische Untersuchung (molekulare Autopsie)

Klasse-IC-Empfehlung.

Im Fall eines ungeklärten plötzlichen Todes („sudden death“ [SD]) bei einem Patienten unter 40 Jahren werden eine Obduktion und die Asservierung von Blut und/oder geeignetem Gewebe (zur späteren DNA-Gewinnung) empfohlen.

Eine Blut- oder Gewebeasservierung kann dabei unmittelbar durch den todesfeststellenden Arzt (extra- oder intrahospital; z.B. Hausarzt, Notarzt, Klinikarzt) erfolgen.

Das Material sollte nach vorheriger Einwilligung durch Angehörige bzw. biologisch Verwandte (sog. Totensorgeberechtigte) zur Asservierung an eine Referenzinstitution für postmortale molekulargenetische Untersuchungen weitergeleitet werden.

Referenzen: [5, 61, 66].

Retrospektive Evaluation eines ungeklärten Todesfalles unter 40 Jahren

Klasse-IC-Empfehlungen.

Im Fall eines ungeklärten oder kardiovaskulären Todes (SD; „sudden cardiac death“ [SCD]) bei einem Patienten unter 40 Jahren wird neben der postmortalen Stufendiagnostik im Rahmen einer Obduktion immer eine umfassende Anamneseerhebung (s. zusätzliche Tab. 2 in Online-Zusatzmaterial) unter Einbindung der behandelnden Ärzte empfohlen.

Ist der Verstorbene Träger eines kardialen Implantates mit der Möglichkeit einer Herzrhythmusabfrage (z.B. ICD, Schrittmacher, Event-Recorder, LZ-EKG), wird empfohlen, die Daten zum Todeszeitpunkt durch einen ausgebildeten Facharzt auszulesen.

Referenzen: [5, 61, 66].

Evaluation von Familienmitgliedern (Eltern, Geschwister, Nachkommen; sog. biologisch Verwandte) bei einem ungeklärten Todesfall unter 40 Jahren

Klasse-IC-Empfehlungen.

Im Fall eines ungeklärten Todes bei einem Patienten unter 40 Jahren ( „Autopsie-negativ“ ; SADS [„sudden arrhythmic death syndrome“]; SIDS [„sudden infant death syndrome“] [plötzlicher Kindstod im 1. Lebensjahr]; SUDS [„sudden unexpected death syndrome“]; SCD [„sudden cardiac death“]; SUNDS [„sudden unexpected nocturnal death syndrome“]) wird die kardiologische/kinderkardiologische Untersuchung von Familienangehörigen (Eltern, Geschwister, Nachkommen; sog. biologisch Verwandte; sog. Kaskadenuntersuchung) bezüglich einer kardialen Erkrankung mit Prädisposition zum plötzlichen Herztod empfohlen.

Im Fall eines aufgeklärten Herztodes (SCD) bei einem Patienten unter 40 Jahren ( „Autopsie-positiv“ ) wird die gezielte kardiologische/kinderkardiologische Untersuchung von biologisch Verwandten bezüglich der identifizierten kardialen Erkrankung empfohlen. Ist für diese Erkrankung eine altersabhängige Penetranz bekannt, sollte bei biologisch Verwandten ohne Krankheitsmanifestation oder Symptomen eine klinische Reevaluation erfolgen, wenn eine ursächliche Genmutation nicht bekannt ist.

Biologisch verwandten Familienmitglieder eines (möglicherweise) an einer kardiovaskulären Erbkrankheit Verstorbenen wird empfohlen, sich im Rahmen der molekularen Autopsie humangenetisch beraten lassen.

Im Fall eines molekulargenetisch aufgeklärten Herztodes (SCD) bei einem Patienten unter 40 Jahren ( „molekulare Autopsie positiv“ ) wird die gezielte kardiologische/kinderkardiologische Untersuchung und eine Heterozygotentestung (Untersuchung auf identifizierte Mutation[en] des verstorbenen Indexfalles) bei biologisch Verwandten empfohlen. Letzteres sollte entsprechend dem Gendiagnostikgesetz im Rahmen einer humangenetischen Beratung erfolgen.

Referenzen: [5, 61, 66].

Kardiopathologische Untersuchungen

Klasse-IC-Empfehlung.

Im Fall eines ungeklärten Todes (SD) bei einem Patienten unter 40 Jahren wird im Rahmen der Obduktion bzw. postmortalen Stufendiagnostik eine kardiopathologische Untersuchung empfohlen, wenn zuvor keine Todesursache identifiziert worden ist oder spezifische Hinweise auf eine kardiale Erkrankung (SCD) bestehen.

Referenzen: [11].

Postmortale molekulargenetische Untersuchung (molekulare Autopsie)

Klasse-IIa (C)-Empfehlungen.

Im Fall eines ungeklärten Todes (SD, SCD) bei einem Patienten unter 40 Jahren sollte im Rahmen der Obduktion bzw. postmortalen Stufendiagnostik eine postmortale molekulargenetische Untersuchung ( molekulare Autopsie ) erwogen werden, wenn zuvor alle durchgeführten Untersuchungen der Stufendiagnostik einschließlich der kardiopathologischen Untersuchungen keinen Hinweis auf die Ursache des Todes ergeben haben.

Im Fall eines aufgeklärten Herztodesfalles bei einem Patienten unter 40 Jahren sollte im Rahmen der Obduktion bzw. postmortalen Stufendiagnostik eine gezielte (indikationsbezogene) molekulare Autopsie zur weiteren Ursachenklärung erwogen werden, wenn eine erbliche kardiovaskuläre Erkrankung (z.B. Kardiomyopathie oder primär elektrische Herzerkrankung) wahrscheinlich ist.

Referenzen: [5, 61].

Die Indikation bzw. Empfehlung zur Durchführung einer postmortalen molekulargenetischen Untersuchung (molekulare Autopsie) wird dabei im Rahmen einer klinischen oder rechtsmedizinischen Obduktion durch den jeweiligen Obduzenten oder ggf. durch den bis zum Tode behandelnden Arzt (intra‑/extrahospital) gegeben.

In Abb. 2 sind die Abfolge an postmortalen Untersuchungen bis hin zur molekularen Autopsie und die Empfehlungen des Konsensuspapiers dargestellt.

Abb. 2
figure 2

Allgemeine Empfehlungen zu postmortalen Untersuchungen bei einem Todesfall unter 40 Jahren und zur postmortalen molekulargenetischen Untersuchung (molekulare Autopsie)

Vor der molekularen Autopsie ist die Einwilligung eines Totensorgeberechtigten erforderlich; bei rechtsmedizinischen Obduktionen muss ggf. die staatsanwaltliche Freigabe des Leichnams erfolgt sein.

3. Hintergrund

3.1 Inzidenz verschiedener Formen des plötzlichen Herztodes

Der plötzliche Herztod eines scheinbar gesunden Kindes oder jungen Erwachsenen ist ein seltenes und tragisches Ereignis. Der plötzliche Herztod („sudden cardiac death“ [SCD]) wird definiert als ein beobachteter unerwarteter natürlicher Tod aufgrund einer kardialen Ursache mit Versterben nach plötzlichem Bewusstseinsverlust innerhalb 1 h (s. Abschn. 5, Methodik und Begriffe). Dies trifft ebenso für einen unbeobachteten und unerwarteten plötzlichen Tod eines Menschen zu, bei dem in den letzten 24 h vor dem Ereignis ein stabiler Gesundheitszustand vorlag und keine Hinweise auf eine nichtkardiale Ursache bestehen. Pathophysiologisch kommt es bei einem plötzlichen Herztod zu einem plötzlichen Verlust der organisierten elektrischen Aktivität des Herzens mit hämodynamischem Kollaps [61].

Die Ursachen des plötzlichen Herztodes ändern sich mit dem Alter des Verstorbenen. Während die koronare Herzkrankheit die häufigste Todesursache bei älteren Menschen darstellt, sind in der Altersgruppe 1 bis 40 Jahre hauptsächlich strukturelle Herzerkrankungen (hypertrophe Kardiomyopathie [HCM], dilatative Kardiomyopathie [DCM], arrhythmogene rechtsventrikuläre Dysplasie [ARVC]), angeborene Herzfehler und Koronaranomalien, Infektionen (Myokarditis) oder genetische Arrhythmiesyndrome wie Long-QT-Syndrom (LQTS), katecholaminerge polymorphe Kammertachykardie (CPVT), Brugada-Syndrom und Short-QT-Syndrom (SQTS) ursächlich. Bei Kindern, welche innerhalb des ersten Lebensjahres versterben, ist die Ursache meistens multifaktoriell; sie kann sowohl intrinsische als auch extrinsische Faktoren umfassen. Lediglich bei einem Teil dieser Kinder liegen genetische Arrhythmiesyndrome vor [67]. Der ungeklärte plötzliche Tod bei einem Kind im Alter <1 Jahr wird als SIDS („sudden infant death syndrome“) bezeichnet [38].

Der ungeklärte plötzliche Herztod bei jungen Erwachsenen und Kindern >1 Jahr wird als SUDS („sudden unexplained death syndrome“; s. Abschn. 5, Methodik und Begriffe) bezeichnet. Bei einem SUDS-Fall mit negativer pathologischer und toxikologischer Untersuchung sowie strukturell normalem Herzen und/oder Hinweis auf eine zugrunde liegende Rhythmusstörung wird der Ausdruck SADS („sudden arrhythmic death syndrome“; s. Abschn. 5, Methodik und Begriffe) benutzt.

Die Inzidenz des plötzlichen Herztodes variiert in den publizierten Studien abhängig vom durchschnittlichen Alter der Betroffenen in der untersuchten Kohorte [67]. In einer dänischen retrospektiven Studie zu einer nicht selektierten Population im Alter von 1 bis 35 Jahren lag die Inzidenz des plötzlichen Herztodes bei 2,8 per 100.000 Personenjahre und in der selektierten Gruppe von obduzierten Personen bei 1,9 pro 100.000 Personenjahre [87]. Eine prospektive Studie aus Australien und Neuseeland zeigte in der Population von 1 bis 35 Jahren eine Inzidenz des plötzlichen Herztodes von 1,3 pro 100.000 Personen und Jahr, die höchste Inzidenz von 3,2 pro 100.000 Personen und Jahr wurde in dieser Studie in der Altersgruppe von 31 bis 35 Jahren beobachtet [10]. Die Inzidenz des plötzlichen Herztodes bei Kindern <1 Jahr (SIDS) ist möglicherweise höher im Vergleich zu älteren Kindern und jungen Erwachsenen und liegt heutzutage bei etwa 50 bis 60 Fällen pro 100.000 Kindern [46, 77]. Die Inzidenz der SIDS-Fälle lag in der Vergangenheit noch erheblich höher. Nach Identifizierung möglicher SIDS-Risikofaktoren und der Einführung von präventiven Maßnahmen (z. B. Lagerung beim Schlafen und rauchfreie Umgebung) konnte in den letzten Jahren die Inzidenz für den Säuglingstod deutlich reduziert werden [45, 49].

Bezüglich der Inzidenz des SCD beim Sport gibt es verschiedene Angaben, die aufgrund von Demografie und Umfang, aber auch in Bezug auf die erfassten Sportarten (Leistungssport vs. Freizeitsport) der untersuchten Population variieren. Als sportbedingt werden alle plötzlichen und unerwarteten Herzstillstände bzw. Herztodesfälle eingestuft, die sich während einer sportlichen Betätigung oder unmittelbar hiernach (<1 h, zum Teil auch bis zu 24 h definiert) ereignen [40, 53] (sportbedingter plötzlicher Herztod [SPHT]). Die Inzidenz eines plötzlichen Herztodes liegt in der altersadjustierten Allgemeinbevölkerung bei ca. 1 bis 6,4 Fälle/100.000 pro Jahr [1], bei Wettkampfsportlern ist diese 5‑fach niedriger mit 0,76 plötzlichen Herzstillständen bei 100.000 Wettkampfsportlern pro Jahr bei 2,1 Mio. verfolgten Sportlerjahren [40]. Andere Studien schätzen die Inzidenz bei 1 bis 2 Fälle bezogen auf 100.000 Athleten pro Jahr (Alter: 12 bis 35 Jahre) [8, 27, 35, 44]. Die Inzidenz eines SCD beim Sport in der allgemeinen Bevölkerung liegt bei ca. 0,46 Fällen pro 100.000 Personen und Jahr [43] und ist damit möglicherweise niedriger als bei Leistungssportlern. In der zusätzlichen Tab. 1 (s. Online-Zusatzmaterial) sind Ursachen des plötzlichen Todes beim Sport aufgeführt.

Trotz detaillierter Obduktion sowie toxikologischer und histologischer Untersuchungen blieb bisher die Ursache bei ca. einem Drittel der plötzlichen Todesfälle ungeklärt [67, 79]. In der Altersgruppe <19 Jahre betrug dieser Anteil sogar bis zu 50 % [60, 89]. Diese ungeklärten plötzlichen Herztode sind häufig assoziiert mit genetischen Arrhythmiesyndromen. Das Herz ist bei diesen Patienten makroskopisch und mikroskopisch bzw. histologisch unauffällig, sodass eine Obduktion oft nicht wegweisend oder informativ ist.

Durch eine molekulargenetische Diagnostik können jedoch krankheitsverursachende Mutationen für kardiovaskuläre Erkrankungen in einem signifikanten Anteil identifiziert werden (Tab. 1). Die Erweiterung der Obduktion um eine postmortale molekulargenetische Untersuchung (molekulare Autopsie) hat daher in der Vergangenheit zu einer signifikanten Verbesserung der Todesursachenaufklärung geführt. Durch postmortale molekulargenetische Untersuchungen der Hauptgene für das angeborene Long-QT-Syndrom (KCNQ1, KCNH2, SCN5A) und für die katecholaminerge, polymorphe ventrikuläre Tachykardie (CPVT; Gen: RYR2) konnte bei ca. einem Drittel der obduktionsnegativen Personen (= ungeklärter, plötzlicher Herztod) ein seltenes Arrhythmiesyndrom als ursächlich posthum gefunden werden [74, 75]. Die Effektivität der genetischen Untersuchungen ist jedoch u. U. bei einem populationsbasierten, nichtselektiven Einsatz deutlich niedriger, wie für das Long-QT-Syndrom zuvor gezeigt [69, 88]. Insgesamt ist es jedoch zunehmend sinnvoll, eine postmortale molekulargenetische Untersuchung nach einer zuvor negativen (= nicht wegweisenden) Obduktion sowie negativen toxikologischen und (kardio)pathologischen Untersuchungen durchzuführen.

Tab. 1 Mutationsdetektionsraten (Sensitivität) bei erblichen, kardiovaskulären Erkrankungen ([52, 70], Stand: 2020)

Bisher gibt es in Deutschland keine regionale oder zentrale (Register‑)Erfassung und systematische Aufarbeitung von SIDS/SUDS/SADS-Fällen. Histologische Proben des Herzmuskels werden oft nicht systematisch gewonnen und untersucht, und Gewebe- und Blutproben der verstorbenen Patienten zur weiteren molekulargenetischen Diagnostik werden bislang nicht routinemäßig aufbewahrt. Zuvor wurde diesbezüglich bereits die Einrichtung eines nationalen Mortalitätsregisters vorgeschlagen (Empfehlung des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten [16]).

3.2 Plötzlicher Herztod und Familienanamnese

Die klinische und genetische Analyse von Angehörigen eines plötzlich bzw. unklar verstorbenen Familienmitgliedes (sog. Kaskadenuntersuchung; „cascade screening“) ist von entscheidender Bedeutung, um weitere Verwandte zu identifizieren, bei denen die Erkrankung des Indextodesfalles unerkannt („nicht diagnostiziert“) ist, aber dennoch ein Risiko für SCD besteht, welches primärpräventiv behandelt werden könnte. Prinzipiell sollte die klinisch-genetische Untersuchung von den Angehörigen in einem multidisziplinären Team erfolgen, in dem Kardiologen, Kinderkardiologen, Genetiker, Psychologen oder Rechtsmediziner bzw. Pathologen sein können. Bei Ursachenaufklärung des unklaren Todesfalles (Begriffsdefinitionen bzw. Kategorien: s. Abschn. 3) sollten bei biologisch verwandten Familienmitgliedern immer eine gezielte klinische (zumeist kardiologische) und eine gezielte genetische Untersuchung (sog. Heterozygotendiagnostik) durchgeführt werden, falls eine Genmutation im Indexfall identifiziert werden konnte.

Die sachkundige Erstellung eines (mitunter umfangreichen und standardisierten) Familienstammbaumes und die detaillierte Familienanamnese (s. zusätzliche Tab. 3 in Online-Zusatzmaterial) sind u. a. bei genetischen Arrhythmiesyndromen und Kardiomyopathien als relevante Ursachen des plötzlichen Herztodes von fundamentaler Bedeutung [7, 21, 41, 47, 73]. Diese werden meist durch autosomal-dominante, seltener durch rezessive oder De-novo-Erbgänge (= beide Eltern sind nicht erkrankt) verursacht. Der Mehrgenerationenstammbaum lässt somit Rückschlüsse auf den Erbgang zu und ermöglicht anhand der Verwandtschaftsbezüge auf einfache Weise die Identifizierung von weiteren, möglicherweise Betroffenen in der Familie [63, 82]. Falls klinische Informationen über weitere Familienmitglieder vorhanden sind bzw. anhand eines standardisierten Fragebogens erkannt worden sind, gibt der Stammbaum unter Berücksichtigung der klinischen Informationen zudem Hinweise auf die Penetranz der Erkrankung, z. B. einen altersabhängigen Ausprägungs- bzw. Manifestationsgrad [54].

Im Rahmen der Stufendiagnostik bei einer detaillierten Autopsie sollte immer neben der eigentlichen Anamnese (z. B. in Bezug auf Vorerkrankungen und Symptome, Zeugenberichte im Umfeld des Todes, körperliche Betätigung und Ort bei Ereignis, Todeszeitpunkt, mögliche auslösende Faktoren, medikamentöse Dauertherapie, Einnahme von Drogen oder Alkohol, etc.; s. zusätzliche Tab. 2 in Online-Zusatzmaterial) eine ausführliche Familienanamnese (z. B. spezifische Erkrankungen, Synkopen, plötzliche Herztode oder Krampfanfälle, ungeklärte Unfälle; s. zusätzliche Tab. 3 in Online-Zusatzmaterial) erfolgen. Eine hinreichende Familienanamnese wird derzeit jedoch nur bei einem geringen Teil aller Autopsieberichte erhoben [86].

Für eine molekulargenetische Untersuchung bei Verdacht auf das Vorliegen eines genetischen Arrhythmiesyndroms oder einer Kardiomyopathie können eine genaue Erfragung der Todesumstände, vorausgegangener Symptome und die ausführliche Familienanamnese Hinweise auf bestimmte erbliche Krankheiten geben, sodass eine gezielte molekulargenetische Diagnostik beim verstorbenen Indexpatienten durchgeführt werden kann. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, eine pathogene Variante (Mutation) schnell und effektiv zu diagnostizieren.

Daher hat die Familienevaluation bei einem plötzlichen Todesfall in jungem Alter aus verschiedenen Gesichtspunkten einen besonderen Stellenwert und ist als Klasse-I-Empfehlung der deutschen [66], europäischen [61] und nordamerikanischen Leitlinien [2] verankert; die klinische und ggf. molekulargenetische Evaluation der Familienmitglieder kann retrospektiv auch eine wahrscheinliche Diagnose beim Verstorbenen ermöglichen [62, 73].

Die überwiegende Mehrheit der kardialen genetischen Erkrankungen wird autosomal-dominant vererbt. Entsprechend haben die biologisch verwandten Familienmitglieder ersten Grades ein 50 %iges Risiko, dass die Erkrankung bzw. die kausale Genveränderung vorliegt [24, 67, 84]. Die molekulargenetische Untersuchung der Eltern kann dabei auch klären, ob die krankheitsverursachende Mutation vererbt wurde oder de novo aufgetreten ist, um dann ggf. weitere Familienmitglieder im Rahmen eines sog. Kaskadenscreenings klinisch und genetisch zu untersuchen. Hierbei werden zunächst die unmittelbaren Verwandten (1. Grades) untersucht und im zweiten Schritt entsprechend der Vererbungslinie die entfernteren Verwandten [3, 66]. Die sog. Heterozygotendiagnostik auf das Vorliegen der Genmutation erlaubt die Früherkennung bzw. mit hoher Sensitivität und Spezifität den Ausschluss der Erkrankung. Die Untersuchungen bei Familienmitgliedern können entweder prädiktiv oder diagnostisch sein und sollten entsprechend dem GenDG von einer humangenetischen Beratung begleitet werden [66].

In etwa einem Drittel bis ca. 50 % der Fälle des plötzlichen Herztodes unbekannter Ursache kann eine systematische kardiologische Untersuchung von Verwandten 1. Grades zur Identifizierung einer erblichen Herzrhythmusstörung oder Kardiomyopathie als mögliche Ursache des Todes führen [21, 37, 47]. Es wird geschätzt, dass derzeit nur 40 % der Familienmitglieder eines vorzeitig am Herztod Verstorbenen systematisch untersucht werden, was u. a. an organisatorischen, infrastrukturellen oder intrafamiliären Gründen liegen kann. In jedem unklaren Fall („Autopsie-negativ“) oder bei Verdacht auf eine erbliche Herzerkrankung sollten Verwandte 1. Grades in spezialisierten Einrichtungen fachkardiologisch untersucht und umfassend beraten werden [25, 66]. Die Beratung, Diagnostik, Risikoeinschätzung und Therapie der spezifischen Erkrankungen sollten innerhalb einer Familie interdisziplinär in enger Zusammenarbeit zwischen Kardiologen und Kinderkardiologen erfolgen. Da bei der Familienevaluation oft auch die molekulargenetische Diagnostik involviert ist, muss eine zusätzliche fachärztliche Qualifikation bzw. Weiterbildung oder eine Zusatzbezeichnung „Fachgebundene humangenetische Beratung“ vorliegen (s. auch Gendiagnostikgesetz, https://www.gesetze-im-internet.de/gendg). Zusätzlich ist oft eine psychologische Begleitung der betroffenen Familien mit plötzlichem Herztod unabdingbar. Daher sollte auch auf die Möglichkeit einer psychologischen (Trauma‑)Begleitung hingewiesen werden.

3.3 Plötzlicher Herztod und molekulare Autopsie

Der plötzliche Herztod (SCD) kann aus vielen Ursachen heraus resultieren. Bei Personen im Kindes- und jungen Erwachsenenalter kommen neben einer Myokarditis oder der koronaren Herzerkrankung, die ab dem 40. Lebensjahr als Todesursache dominiert, wesentlich häufiger erbliche strukturelle Veränderungen am Herzen wie z. B. Kardiomyopathieformen oder erbliche kardiale Arrhythmieformen hinzu (Tab. 1). In 30–40 % der Fälle eines plötzlichen Herztodes lässt sich bei jungen Menschen durch eine Obduktion inklusive aller Anschlussuntersuchungen (Histologie, Toxikologie, ggf. forensische Bildgebung) keine eindeutige Todesursache feststellen. Sie werden letztlich als „sudden arrhythmic death syndrome“ (SADS) oder „sudden infant death syndrome“ (SIDS) klassifiziert ([10, 15, 67]; Tab. 1).

In derartigen Fällen ist eine postmortale Gendiagnostik, die molekulare Autopsie, zum Nachweis von Sequenzveränderungen, die entweder selbst die Todesursache oder eine Prädisposition für den Tod unter kritischer Belastung darstellen können, von Bedeutung. Durch den Einsatz einer hoch-parallelen DNA-Untersuchungsmethode, des sog. „next-generation sequencing“ (NGS), und der damit verbundenen Möglichkeiten, die Anzahl der untersuchten Gene (von einigen hundert bis hin zum gesamten Genom, ca. 20.000 Genen) beträchtlich zu erhöhen, ist neben der erhöhten Aufklärungsrate jedoch ebenfalls die Detektionsrate an Varianten mit unklarer Signifikanz (VUS) deutlich gestiegen [9, 51]. Im Fall eines auffälligen Testergebnisses muss daher stets die Plausibilität überprüft werden, da eine nachgewiesene Veränderung in der Gensequenz ggf. nicht oder nicht allein für die Erkrankung ursächlich sein muss. Standards zur Bewertung der Pathogenität von Sequenzvarianten finden sich in den Richtlinien des American College of Medical Genetics (ACMG; [64]).

Grundsätzlich erreicht die Sensitivität, d. h. der Anteil der positiven genetischen Testergebnisse bei Vorliegen einer hereditären, kardiovaskulären Krankheit nicht 100 % (Tab. 1), was zum Teil methodisch bedingt ist (z. B. fehlende CNV-Analyse oder keine Analyse von genregulatorischen Bereichen); der fehlende Nachweis einer Genmutation schließt daher das Vorliegen einer Erkrankung nicht aus. Abhängig von der gewählten Variantenklassifizierung und der Anzahl untersuchter Gene variiert die Sensitivität der genetischen Untersuchung bei SADS-Fällen zwischen 13 und 32 % [3, 24, 39] und bei SIDS-Fällen zwischen 10 und 20 % [81]. Der Anteil genetisch bedingter Todesursachen ist besonders in Fällen junger plötzlich Verstorbener hoch, aber auch bei bis zu 60-jährigen Personen relevant [80].

4. Rahmenbedingungen für eine postmortale molekulargenetische Untersuchung (molekulare Autopsie)

Die molekulare Autopsie stellt im Rahmen einer Autopsie bei plötzlichem Herztod (SCD) die letzte Untersuchungsmethode einer postmortalen Stufendiagnostik dar ([26, 32, 57]; Abb. 2).

Prinzipiell ist es denkbar, dass im Rahmen der makroskopischen und/oder mikroskopischen kardiopathologischen Untersuchungen bereits sichere Hinweise auf eine kardiovaskuläre Genese des plötzlichen (Herz‑)Todesfalles zu finden sind und dass die Diagnostik bereits in diesem Autopsiestadium eine Erbkrankheit (z. B. thorakale Aortendissektion oder Kardiomyopathieform) zutage bringt oder ausschließt. Für nichtverstorbene Indexpatienten (± überlebtem, plötzlichem Herztod) gibt es bereits internationale und nationale Empfehlungen zur Genotypisierung [2, 61, 66], die neben der Relevanz eines Genotypbefundes für Familienmitglieder auch die Mutationsdetektionsrate (sog. Sensitivität) der jeweiligen Erkrankung bzw. des genetischen Untertyps berücksichtigen (Tab. 1).

Findet sich im Rahmen der postmortalen Stufendiagnostik und insbesondere nach kardiopathologischer und infektionspathologischer Untersuchung kein Hinweis auf strukturelle oder inflammatorische Herz- oder Gefäßerkrankungen, so werden je nach Entität in der Literatur verschiedene Begriffe für den unklaren Herztod nuanciert („SADS, SIDS, SUDI, SUNDS, SUD[S]“, s. Abschn. 5, Methodik und Begriffe). Bei ca. einem Drittel aller SCD-Fälle liegt makroskopisch kein nachweisbarer Befund vor; jedoch können in mehr als der Hälfte der Fälle umschriebene, mikroskopische Befunde nachgewiesen werden [13]. In den mikroskopisch unauffälligen Fällen handelt es sich meist um sog. primär elektrische Herzerkrankungen (verschiedene genetisch bedingte Arrhythmieformen, z. B. LQTS, CPVT) oder um eine primär arrhythmogene Form einer Kardiomyopathie mit geringer phänotypischer Ausprägung (Tab. 2). Liegen keine weiteren klinischen Informationen (z. B. EKG-Befunde) des Verstorbenen quoad vitam vor, so kann eine postmortale DNA-Untersuchung bei einem unklaren Herztodesfall zielführend sein [39], da die Mutationsdetektionsraten für solche Erkrankungen mitunter hoch sind (Tab. 2), wenn ein eindeutiger pathogener DNA-Befund (= Varianten der Klasse ACMG 4 [wahrscheinlich pathogen] oder 5 [pathogen]) [64] erhoben wird.

Tab. 2 Molekulare Autopsie – Ergebnisse molekulargenetischer, postmortaler Untersuchungen bei verschiedenen Formen des plötzlichen Herztodes [70]

4.1 Rechtliche Grundlagen und Gendiagnostik-Gesetz (GenDG)

Rechtliche Grundlagen zur Klärung einer Todesursache haben grundsätzlich fortwirkende allgemeine Persönlichkeitsrechte zu beachten; dieses gilt daher analog auch für postmortale molekulargenetische Untersuchungen (molekulare Autopsie).

Der Einwilligung zur Asservierung einer Blut- und/oder Gewebeprobe und der Einwilligung zur Aufarbeitung für eine postmortale DNA-Untersuchung seitens der Angehörigen bzw. biologisch Verwandten (sog. Totensorgeberechtigte) und deren Aufklärung über die Bedeutung der Untersuchungen kommt dabei besondere Bedeutung zu. Gegebenenfalls ist auch der mutmaßliche Wille des Verstorbenen mit zu berücksichtigen.

Rechtliche Voraussetzungen für die Durchführung von postmortalen molekulargenetischen Untersuchungen im Rahmen einer klinischen Obduktion sind:

  • es liegt ein natürlicher Tod vor, und dieser ist als solcher im Totenschein dokumentiert, bzw. der Leichnam ist von der Staatsanwaltschaft für eine klinische Obduktion freigegeben worden,

  • von der verstorbenen Person liegt keine Willenserklärung gegen eine molekulare Autopsie/molekulargenetische Untersuchung vor,

  • seitens der Angehörigen bzw. biologisch Verwandten (sog. Totensorgeberechtigte) liegen eine Einwilligung zur Asservierung einer Blut- und/oder Gewebeprobe und eine Einwilligung zur Aufarbeitung für eine postmortale DNA-Untersuchung vor,

  • die zum Zwecke genetischer Untersuchungen bei der Obduktion entnommenen Blut- und Gewebeproben werden ausschließlich zu dem genannten Zweck (postmortale Todesursachenabklärung) in Anlehnung an § 13 GenDG verwendet.

Die rechtlichen Voraussetzungen für eine privat veranlasste molekulare Autopsie (z. B. durch Totensorgeberechtigte) im Nachgang zu einer Obduktion sind ähnlich denen im Rahmen einer klinischen Obduktion, wobei etwaige Kosten für diese Leistungserbringung a priori zu berücksichtigen sind.

Rechtliche Voraussetzungen für die Durchführung einer molekularen Autopsie im Rahmen einer rechtsmedizinischen (forensischen) Obduktion sind:

  • die Staatsanwaltschaft muss den zuvor beschlagnahmten Leichnam freigegeben haben und nach Abschluss der Obduktion auf eine Beauftragung genetischer Untersuchungen zur Todesursachenklärung verzichtet haben,

  • die Staatsanwaltschaft erteilt einen Auftrag für eine molekulare Autopsie,

  • die bei der Obduktion entnommenen Blut- oder Gewebeproben („Rückstellproben“) müssen durch die beteiligte Staatsanwaltschaft zur weiteren Verwendung freigegeben worden sein,

  • von der verstorbenen Person liegt keine Willenserklärung gegen eine molekulare Autopsie/molekulargenetische Untersuchung vor,

  • seitens der Angehörigen bzw. biologisch Verwandten (sog. Totensorgeberechtigte) liegen eine Einwilligung zur Asservierung einer Blut- und/oder Gewebeprobe und eine Einwilligung zur Aufarbeitung für eine postmortale DNA-Untersuchung vor; ggf. sind spezifische, regional unterschiedliche Rahmenbedingungen zu beachten,

  • die zum Zwecke genetischer Untersuchungen bei der Obduktion entnommenen Blut- und Gewebeproben werden primär zu dem genannten Zweck (postmortale Todesursachenabklärung) in Anlehnung an § 13 GenDG verwendet.

Obgleich postmortale molekulargenetische Untersuchungen nicht unter den Anwendungsbereich des Gendiagnostik-Gesetzes (GenDG, § 2 Abs. 1 und Abs. 2) fallen, erscheint es dennoch plausibel, die Vorgaben des GenDG auch auf eine postmortale, genetische Untersuchung zu übertragen, da es sich um eine genetische Untersuchung bzw. genetische Analyse nach GenDG § 3 Abs. (1) und (2) handelt.

Jegliche genetische Untersuchungen im Rahmen der Todesursachenklärung werden zu einem (postmortal) diagnostischen Zweck (analog zu GenDG § 3 Abs. 7) initiiert, sodass ein Arztvorbehalt (GenDG § 7) sinnvoll erscheint, d. h. eine molekulare Autopsie sollte nur durch eine verantwortliche ärztliche Person (§ 3 Abs. 5) eingeleitet werden.

Obgleich die Abschnitte § 8 (Aufklärung), § 9 (Einwilligung) und § 10 (Genetische Beratung) des GenDG keine Anwendung finden können, sollten sie unter Einbeziehung betroffener Angehöriger, insbesondere biologisch Verwandter der verstorbenen Person (Eltern, Kinder, Enkel, Geschwister), analog durchgeführt werden. Da die molekulare Autopsie in aller Regel am Ende einer postmortalen Stufendiagnostik (bildgebende, radiologische Diagnostik > klassische makroskopische Autopsie > mikroskopische Histologie und Immunhistochemie, chemisch-toxikologische Analyse) im Nachgang zu einer Obduktion stattfindet, sollte aus dem genannten Personenkreis ebenfalls immer eine Einwilligung zur molekularen Autopsie gesondert vorliegen.

Nach erfolgter postmortaler genetischer Untersuchung sollte in Anlehnung an GenDG § 11 das Untersuchungsergebnis nur dem oben genannten Personenkreis, der zuvor in die Untersuchungen zur weiteren Todesursachenklärung eingewilligt hatte, durch die verantwortliche ärztliche Person mitgeteilt werden, falls der Vertreter ausdrücklich über das Ergebnis der genetischen Untersuchungen des Verstorbenen informiert werden will. Sofern die Angehörigen zustimmen, sollten die Ergebnisse ebenso den die Familie betreuenden Ärzten mitgeteilt werden, um eine fachgerechte Beratung zu gewährleisten.

Ungeachtet der Zielrichtung der molekularen Autopsie, in Analogie mit den anderen Methoden der postmortalen Stufendiagnostik eine Todesursachenklärung zu erbringen, haben genetische Untersuchungen wie auch die makroskopische und/oder mikroskopische Identifizierung einer (kardiovaskulären) Erbkrankheit insoweit eine andere Qualität, weil im Falle eines Nachweises einer Genmutation beim Verstorbenen das Krankheitsrisiko eines unmittelbar Verwandten erhöht ist. Dies gilt jedoch auch prinzipiell im Fall einer makroskopisch bzw. histologisch erkennbaren Erbkrankheit des Herzens oder von Gefäßen (z. B. Kardiomyopathie oder Aortendissektion) auch ohne Nachweis einer Genmutation bzw. ohne durchgeführte molekulare Autopsie. Der Mutationsnachweis ist jedoch anzustreben, da er die Testung von verwandten Risikopersonen ermöglicht.

Natürlich gelten im Hinblick auf Verwandte oder Familienmitglieder der verstorbenen Person weitere zu beachtende Rechte, u. a. auch das Recht auf ein mögliches Nicht-Wissen der Todesursache der verstorbenen Person. In der Regel besteht jedoch gerade bei den Totensorgeberechtigten oder den Familienmitgliedern ein erhöhtes Bedürfnis nach Todesursachenklärung.

Die Empfehlungen und ihre Empfehlungsstärke, biologische Nachkommen oder unmittelbare Verwandte auf das Vorliegen einer ursächlichen Erbkrankheit (und/oder ursächlichen Genmutation) dann im Weiteren zu untersuchen, sollten bereits bei der Aufklärung und Einwilligung zur molekularen Autopsie verdeutlicht werden und orientieren sich an bestehenden internationalen Empfehlungen zur Untersuchung von biologisch verwandten Familienmitgliedern eines Indexpatienten mit einer erblichen Herz- und Gefäßerkrankung [2, 61, 66].

4.2 Asservierung und Anforderungen an das Probenmaterial

Die frühzeitige Asservierung von geeignetem Material (z. B. unmittelbar postmortal abgenommene EDTA-Blutprobe oder Entnahme von nichtautolytischem Gewebe; Tab. 3) im Umfeld einer Todesfeststellung ist essenziell, um eine spätere molekulare Autopsie durchführen zu können. Prinzipiell kann eine Materialentnahme auch unabhängig von einer Obduktion bzw. quoad vitam erfolgt sein.

Tab. 3 Probenmaterial für postmortale DNA-Gewinnung und Analyse bei plötzlichem Herztod. (Mod. nach [11])

Ist der Todesfall im Krankenhaus aufgetreten (z. B. überlebter Herzstillstand mit nachfolgendem Tod), so kommt den behandelnden (und todesfeststellenden) Ärzten eine unmittelbare Bedeutung zur Veranlassung einer klinischen Obduktion zu. Bei dieser, aber auch bei rechtsmedizinischen Obduktionen, kann bei Einwilligung der Totensorgeberechtigten weiteres Gewebe für eine mögliche molekulare Autopsie gewonnen werden. Findet keine Obduktion statt, so ist bei der Materialasservierung der todesfeststellende Arzt (z. B. Hausarzt, Notarzt) wichtig.

Sowohl die Gewinnung und als auch die postmortale Untersuchung von genetischem Material (meist genomische DNA, seltener mitochondriale DNA oder RNA) erfordern von den beteiligten Institutionen (Klinik einer Fachrichtung, Pathologie oder Rechtsmedizin) eine hinreichende Expertise in der Materialgewinnung und in der späteren Einordnung der Befunde auf der Grundlage der angewandten genetischen Analysemethoden. Die routinemäßige Entnahme von Geweberückstellproben, z. B. im Rahmen eines standardisierten Protokolls im Todesfall für eine etwaige spätere molekulare Autopsie, ist derzeit oft nicht bei den involvierten Einrichtungen und Institutionen etabliert [65]. Zusätzlich sind fundierte Kenntnisse der rechtlichen, finanziellen und ethischen Rahmenbedingungen sowie die fachspezifische Bewertung von genetischen Veränderungen im Kontext vorhandener klinischer Daten aus Anamnese und Obduktion erforderlich.

Die initiierende Institution sollte daher über ausgebildete Personen mit diesen Kenntnissen verfügen, um einen möglichst standardisierten Ablauf der Probengewinnung, der Logistik (probengerechter Versand zu einem molekulargenetischen Labor), Selektion der richtigen Analysemethode und Interpretation der genetischen Ergebnisse zu gewährleisten. In der Regel erfordert die Indikationsstellung bzw. Veranlassung einer molekularen Autopsie eine multi- und interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachdisziplinen (z. B. Kinderkardiologie/Kardiologie z. B. als initiierende Institution einer klinischen Obduktion, Pathologen/Rechtsmedizin als durchführende Institution der Obduktion, Herzgenetiker/Humangenetiker, Juristen und Ethiker) und die Zustimmung der engen Verwandten bzw. Familienmitglieder (angeheiratet/biologisch verwandt) und ggf. auch der Kostenträger. Eine umfassende Erhebung von anamnestischen Daten des Verstorbenen und Familienanamnese sind für die weitere Beurteilung und Einordnung erhobener postmortaler DNA-Befunde bezüglich einer Kausalität im Todesfall essenziell.

Die Anforderungen an das postmortal zu gewinnende Probenmaterial sind je nach späterer DNA-Analysemethode unterschiedlich. Das Material zur DNA-Gewinnung sollte nach Möglichkeit möglichst wenig autolytisch sein. Mittlerweile sind zunehmend Protokolle etabliert, die an unterschiedlichem Probenmaterial eine Multi-Gen-Panel-Sequenzierung erlauben [14]. Nach Möglichkeit sollte intaktes frisches bzw. kryokonserviertes Gewebe (Blut, Leber, Milz, Herz) für die Extraktion hochmolekularer DNA zur Anwendung kommen. Autolytisches Material schränkt insbesondere den Nachweis von sog. „Copy Number Variations“ (CNVs), also von größeren Deletionen oder Duplikationen, ein. Dabei ist die Asservierung einer Gesamtmenge an DNA von mindestens 10 µg DNA wünschenswert, für eine Analyse sind 500 ng isolierte DNA ausreichend. Es sind im Sonderfall auch aussagekräftige DNA-Analysen sogar bei einer Menge von ca. 50–100 ng möglich.

Bei Verdacht auf Mitochondriopathien, die häufig zu schweren Verläufen im kindlichen Alter führen, ist neben der Analyse von chromosomal kodierten Mitochondriengenen eine Analyse der mtDNA aus Herzgewebe sinnvoll, da der Grad der Heteroplasmie gewebeabhängig stark variieren kann.

Da bei Formalin-fixierten Paraffin-eingebetteten (FFPE) Proben die DNA durch die Probenaufbereitung und Langzeitlagerung degradiert und beschädigt wird, lässt sich in manchen Fällen keine DNA von ausreichender Qualität für eine Sequenzanalyse gewinnen. Im Vergleich zu Blutproben ist die Fehlerrate und Sequenzabdeckung (sog. Coverage) bei isolierter DNA aus FFPE-Proben schlechter. Hier ist eine Panel-basierte Diagnostik (NGS) die Methode der Wahl, da eine DNA-Sequenzierung in Sanger-Technik bzw. MLPA in der Regel nicht Erfolg versprechend sind [14]. FFPE-Proben mit einem Alter >10 Jahre sollten nicht mehr verwendet werden.

4.3 Kardiopathologische Untersuchungen

Eine vollständige Autopsie bei plötzlichem Herztod umfasst eine postmortale Stufendiagnostik: radiologische Diagnostik > klassische makroskopische Autopsie > mikroskopische Histologie und Immunhistochemie, chemisch-toxikologische und infektionspathologische Analysen [11, 26, 58].

Die klinische Obduktion adressiert immer sowohl nichtkardiale als auch kardiale Ursachen des plötzlichen Todes. Dabei werden die Empfehlungen der Association for European Cardiovascular Pathology (AECVP) [11, 12, 71] im Rahmen der makroskopischen und mikroskopischen Untersuchung des Herzens berücksichtigt. Ein natürlicher plötzlicher Herztod kann angenommen werden, wenn nichtkardiale (auch: „extrakardiale“) Ursachen zuvor weitgehend ausgeschlossen wurden.

Bei der makroskopischen Untersuchung des Herzens werden üblicherweise Herzgewicht, Kammerwanddicken und die Klappenumfänge dokumentiert; eine entsprechende Fotodokumentation wird empfohlen. Die Koronargefäße, das Perikard/Epikard, das Myokard sowie das Endokard inklusive der Herzklappen werden untersucht. Bei palpatorischem Verdacht auf eine relevante Erkrankung der Koronararterien oder bei einer bekannten KHK werden die epikardialen Koronararterien inklusive der Ostien entnommen, fixiert, entkalkt und in ca. 3 mm dicken Scheiben zur mikroskopischen Beurteilung lamelliert. Auch bei makroskopisch unauffälligen Koronargefäßen wird jeweils eine Probe aus jeder Hauptkoronarie (RIVA, RCX, RCA) entnommen und für die Mikroskopie eingebettet [31, 90].

Das Herz wird anschließend im Kurzachsenschnitt transversal mittventrikulär durchtrennt, und die Kavitäten sowie Wände werden in 1‑cm-Schichten morphologisch beurteilt. Es wird empfohlen, Frischmaterial aus dem rechten und linken Ventrikel bei −80 °C zu asservieren; zur weiteren histologischen Untersuchung sollte innerhalb von 24 h ein Teil des in gepuffertem, Formalin-fixierten Herzgewebes in Paraffin eingebettet werden.

Für eine mikroskopische Untersuchung des Herzens werden repräsentative, transmurale Gewebestücke (ca. 2 cm2; ca. 8 bis 10 insgesamt) aus dem rechten Ventrikel, der Herzbasis und Herzspitze sowie Vorder‑, Lateral- und Hinterwand sowie des Septums des linken Ventrikels entnommen, Formalin-fixiert und anschließend in Paraffin eingebettet. Es erfolgt eine Anfärbung mittels Hämatoxylin/Eosin(HE)- und Masson-Trichrom-Färbung; zusätzliche Gewebefärbungen (z. B. Kongorot bei Verdacht auf Amyloidose, PAS bei Verdacht auf Glykogenspeichererkrankung) oder eine weiterführende elektronenmikroskopische Untersuchung erfolgen je nach Fragestellung bzw. Zwischenergebnissen der Begutachtung. Hierfür wird eine dünne Schicht (1 mm) des Gewebes in 2,5 % Glutaraldehyd (1,5-Pentadial) fixiert. Finden sich makroskopisch auffällige Veränderungen im Bereich von Herzklappen, Perikard oder Aorta, erfolgen ggf. weiterführende, mikroskopische Untersuchungen.

Sollte sich in den mikroskopischen Routinefärbungen der Verdacht auf eine Myokarditis ergeben, sind zur Differenzierung und Quantifizierung der zellulären Infiltrate spezifische immunhistochemische Färbungen indiziert [19, 71]. Prinzipiell kann eine Myokarditis als Todesursache infektiös, toxisch, allergisch, Drogen-induziert sowie immunvermittelt sein [19, 20]. Molekularpathologische Untersuchungen zur spezifischen Erregerdiagnostik (insbesondere von Viren) in Myokard und Blut mittels (quantitativer) RT-PCR sind hierbei sinnvoll [19].

In Bezug auf die Ursachenermittlung bei plötzlichen Herztodesfällen ist die Rate von Normalbefunden bei spezialisierten Kardiopathologen signifikant höher als bei Pathologen (66 % vs. 46 %), was auf eine niedrigere (histopathologische) Diagnoserate von ARVC- und HCM-Fällen zurückgeführt wurde [28]. Die Einbindung von ausgebildeten Kardiopathologen bei unklaren Todesfällen und/oder spezifischen Kardiomyopathiebefunden bei klinischen oder forensischen Obduktionen ist daher sinnvoll. Liegen keine nichtkardialen Ursachen für den natürlichen Tod vor und ist dieser am ehesten kardial bedingt, findet die molekulare Autopsie in aller Regel nach der kardiopathologischen Untersuchung statt.

Internationale Empfehlungen

Verschiedene internationale Fachgesellschaften haben sich bereits in der Vergangenheit der Thematik der molekularen Autopsie gewidmet. Ihnen ist gemeinsam der Hinweis auf die Notwendigkeit zur Einrichtung eines multidisziplinären Teams, idealerweise bestehend aus Pathologen, Rechtsmedizinern, Genetikern und Kardiologen (ggf. auch Kinderkardiologen), die für die Durchführung der molekularen Untersuchungen, die Interpretation der verfügbaren, klinischen und genetischen Daten und den weiteren Umgang mit Familienmitgliedern erforderlich sind. In einem kürzlich veröffentlichten Update [11] empfiehlt die Association for European Cardiovascular Pathology (AECVP) eine Autopsie nach plötzlichem Herztod, um festzustellen,

  • ob eine kardiovaskuläre oder andere Erkrankung ursächlich für den plötzlichen Herztod ist;

  • welcher Mechanismus („Arrhythmie“ oder „mechanisches Versagen“) für das Versterben ursächlich war;

  • ob im Fall einer (möglicherweise) erblichen lebensbedrohlichen Erkrankung weitere blutsverwandte Risikopersonen in der Familie zu untersuchen sind;

  • ob eine toxische, traumatische oder andere nichtnatürliche Todesursache vorlag bzw. die Rolle von Dritten bei der Todesursache zu ermitteln.

Um diese Ziele zu erreichen, empfiehlt die Association of the European Cardiovascular Pathology (AECVP) [11] die Einrichtung von überregionalen Kompetenznetzwerken mit einem multidisziplinären Team wie oben beschrieben. Die Empfehlungen der AECVP liefern detaillierte Angaben zur Durchführung der Obduktion, zur Bewertung der Befunde und zur Sicherung von Biomaterialien für eine etwaige molekulare Autopsie.

Empfehlungen zur Asservierung von Biomaterialien für eine spätere molekulare Autopsie sind zudem im Positionspapier der National Association of Medical Examiners (NAME) [50] aufgeführt. Die Empfehlungen umfassen Angaben zu Art und Sicherung von Biomaterial, zur Lagerung sowie zum Umgang mit der Information über molekulargenetische Ergebnisse.

Die Canadian Cardiovascular Society und die Canadian Heart Rhythm Society haben in einem Positionspapier ebenfalls Empfehlungen zum Umgang mit angeborenen kardialen Arrhythmien gegeben, die zum plötzlichen Herztod führen können [33]. Die Empfehlungen zur Durchführung einer molekularen Autopsie machen die beiden Fachgesellschaften von der führenden (meist kardialen) Diagnose abhängig.

Die ethischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die für die molekulare Autopsie beachtet werden sollten, wurden beispielhaft vom Molecular Autopsy Consortium of Houston publiziert [48]. Das Konsortium erarbeitete detaillierte Empfehlungen zur genetischen postmortalen Testung, zur Handhabung der genetischen Informationen, der Einholung der Zustimmung für die Testung und zur Ergebnismitteilung.

Für die Schweiz wurden nationale Empfehlungen für das Vorgehen bei einer forensischen Obduktion und dem Verdacht auf einen plötzlichen Herztod bei Patienten unter 40 Jahren veröffentlicht [85]; genannt sind u. a. Details für die Art der Sicherung von Biomaterialien, die Information betroffener Familien und der Umgang mit den Ergebnissen der molekularen Autopsie.

5. Begriffe

In Tab. 4 werden wesentliche Begriffe (bzw. Abkürzungen) des Konsensuspapiers kurz erläutert.

Tab. 4 Erläuterung der Begriffe (bzw. Abkürzungen) des Konsensuspapieres