Interwiev: DEINE LAKAIEN

Das Interview wurde mit Alexander, dem Sänger der Deine Lakaien und Michael, einem Akustikmusiker der Band, geführt, während Ernst leider nicht dran teilnehmen konnte, da mit Soundchecks beschäftig.

Klangtanke: Vor dem Mikro begrüße ich Alexander Veljanov, von den Deine Lakaien. Du wohnst in Berlin und dein Kollege, der Ernst in München. Ich denke mir, daß sich durch die Distanz eurer Wohnorte Schwierigkeiten ergeben, bei der Arbeit mit der Gruppe.

Alexander: Einerseits Schwierigkeiten, andererseits auch Vorteile. Die Schwierigkeiten sind natürlich, daß wir nicht ständig wenn wir Lust haben zusammen arbeiten können. Die Vorteile sind, daß, wenn wir zusammen sind, auch arbeiten müssen. Dann quasi uns in eine Art Trainingslager begeben und drei Wochen oder so nur Musik machen – meistens bei ihm.

Klangtanke: Ihr könnt dann praktisch, in den Zeiten wo Ihr Euch trefft und zusammenseid um Musik zu machen, die Kreativität sozusagen erzwingen?

Alexander: Wir sind keine Band, die darauf angewiesen ist, um den Innovativitätsschub zu bekommen, daß man sich im Übungsraum trifft und improvisiert und dann auf ne neue Songidee wartet. Das liegt hauptsächlich daran, daß Ernst klassischer Musiker ist und studierter Dirigent, Komponist/Pianist und seine Art zu arbeiten sich von der Art, wie das vielleicht bei anderen independet Rock-Bands der Fall ist, sehr stark unterscheidet. Wir komponieren unsere Songs bevor wie si musikalisch umsetzen. Wir arbeiten, im Vergleich zu vielen anderen Synthi-Bands, nicht unsere Songs vom Sound ausgehend aus, sondern von der Komposition. Viele Sachen entstehen am Klavier.

Klangtanke: Was habt ihr denn für ´nen persönlichen Musikgeschmack?

Alexander: Das ist sehr verschieden. Bei mir geht das so von Klassik/Barock-Oper bis zur Moderne über Jazz, Folklore dann natürlich sehr, sehr viel Post-Punk- also 80er-Jahre-Musik, britische Musik.

Klangtanke: Also diese ganzen New Romantic Sachen, wo du sagst 80er Jahre britische Musik sind ein großer Einfluß für euch.

Alexander: Ja, auch ein Einfluß. Ich denke bei Ernst warens hauptsächlich die spätsiebziger Elektronikpioniere, die frühen Ultravox, natürlich Kraftwerk. Und bei mir waren es doch eher die Bands, die mehr so aus der Bad Cave Ecke kamen, Post-Punkt auch viele Gitarren-Bands von Virginbruns bis Bauhaus, Joy Division, was es so alles gab.

Klangtanke: Ah ja – damit sind schon zwei genannt. Ich wollte dich nämlich jetzt eigentlich auf diese Liste hier ansprechen. Ich hab also ´ne Liste gemacht mit zehn Bands und Komponisten und wollte dich fragen, welche drei die Band am ehesten beeinflußt haben, von diesen zehn. Und da waren eben Joy Division und Ultravox auch dabei, weiterhin Myrna Loy, Depeche Mode, die Beatles, Carl Orff, Frans Schubert, Richard Wagner, die Rolling Stones und Tangerine Dream.

Alexander: Ja, laß mich doch mal die Liste sehn. Also Myrna Loy überhaupt nicht, weil wir die eigentlich gar nicht kennen. Ich hab sie einmal live gesehen. Ernst auch, unabhäng voneinander, aber die Musik kennen wir eigentlich kaum. Depeche Mode findet Ernst ganz Schrecklich – ich bin auch nicht von Depeche Mode – überhaupt nicht – als Sänger schon gar nicht. Ernst ist von Ultravox und den Beatles, ich überhaupt nicht. Orff ist bei ihm mehr – ja Orff, Schubert, Wagner sind sicher ganz starke Einflüsse bei Ernst. Roling Stones und Tangerin Dream überhaupt nicht. Joy Division ist glaube ich für mich der stärkste Einfluß auf der Liste, ja und Schubert vielleicht noch.

Klangtanke: Da wollte ich fragen zu eurer Verbindung zur Gothic-Szene. Freut euch das, daß ihr da irgendwo in so einer bestimmten independent-Szene drin seid, oder ärgert Ich euch manchmal, daß ihr da immer so in eine Schublade gedrängt werdet?

Alexander: Also, wir machen ja schon lange Musik und als wir 1985 angefangen haben, war ich also stark in dieser Szene verflochten. Ernst überhaupt nicht. Die Einflüsse sind bestimmt auch da gewesen, die ich so eingebracht habe, es war aber nie geplant, von Ernst überhaupt nicht, von mir damals schon erher, daß ich in die Richtung natürlich Musik machen wollte. Das sieht man auch am Cover, daß jatürlich ßne Joy Division Reminiszenz sein sollte und im Laufe der Jahre ist diese Szene irgendwie gestorben fand ich und auch die Bands haben sich ja dann zurückgezogen, oder irgendwie verändert, aufgelöst. Ich glaube nicht, daß wir auf diese Zielgruppe hingearbeitet haben, also ich weiß es: wir haben es nicht getan! Aber unsere frühen Fans, die also die erste Platte hier nirgends zu kaufen bekamen, die auch wirklich kaum jemand bekommen hat – diese Fans kamen natürlich aus der Szene.

Klangtanke: Dann wollte ich fragen zu eurem Verhältnis zu elektronischem Musik-Equipment. Seid ihr also der Meinung, daß man heutzutage eigentlich dieses Equipment benutzen sollte und daß es im Grunde genommen der einzige Weg ist fortschrittliche Musik zu machen oder denkt ihr, daß man auch mit akustischem Instrumentarium auskommen kann.

Alexander: Also, ich kann davon nicht reden, ich bin der Sänger, also ich hab mit der Elektronik nicht allzuviel am Hut, ehrlichgesagt, obwohl ich natürlich die Musik sehr gerne mag, so wie wir sie machen. Obwohl ich sagen muß, daß die meisten Elektronik-Bands mich langweilen. Sowohl auf Platte, als auch live. Ich weiß nicht, es ist keine Frage des Equipments, ob man nun rein synthetisch arbeitet oder ob man rein akustisch arbeitet. Musik hat entweder Qualität oder nicht – und daß ist das Maßgebende. Wir arbeiten ja auch live, also Michael ist einer unserer beiden akustischen-Musiker, da kannst Du ja selber was zu sagen am Besten.

Michael: Nun ja, für mich ist die Frage ganz klar, also Elektronik als einzig fortschrittliches Konzept natürlich nicht. Also ganz im Gegenteil. Ich glaub, daß gerade die Verbindung zwischen Elektronik und Akustik immer stärker aufkommen wird, weil einfach die Felder sich kreuzen, weil die Szenen durchlässiger werden und weil einfach die interessantesten Verbindungen rauskommen. Aber durchaus ist in der Elektronik weitaus nicht alles ausgeschöpft, ne, da bin ich mir absolut sicher! Da wird noch viel weitergearbeitet werden und auch das Equipment wird sich noch verbessern. Wenn erst mal das Harddisk-Recording erst mal so in vollem Gange ist, dann wird ne ganz neue Ära eingeleitet werden und es wird erst noch nen riesigen Boom geben der elektronischen Musik. Aber ich mein das kann sich jeder denken, daß da wieder `ne Bewegung zurück geht, das ist ja jetzt schon wieder zu beobachten. Daß man immer wieder den akustischen Klang einfach hören will – und letzten Endes, was man nicht übersehen darf, ist ja Musik nicht nur, das was man hört, sondern auch das was getan wird. Es ist ja mehr als nur Produktion von Tönen, sondern man will ja auch jemand sehen, der Musik macht. Das ist natürlich das Hauptproblem bei den Elektronikern, also Du brauchst ja eher Talent als Techniker, als Musiker, wenn Du elektronische Musik machst. Es sind zwei ganz unterschiedliche Denk- und Verhaltensweisen. Es gibt ganz selten Leute, die da wirklich `ne Synthese in sich haben, also die sowohl an den Sounds friemeln, an den technischen Dingen da unheimlich präzise arbeiten und eben mit nem technischen Bewußtsein rangehen, als auch inspiriert sind. Also diese ganzen Möglichkeiten die können die Inspiration auch abtöten. Und ich beobachte es bei elektronischer Musik sehr häufig, daß eigentlich der musikalische Einfluß so gegen Null geht – und das ist bei akustischer Musik nicht möglich. Wenn`s de da keinen Einfall hast, dann klingst halt beschissen, da kanns de nichts mehr retten – oder wenig.

Klangtanke: Es gibt aber doch die Möglichkeit bei elektronischer Musik, bei live-Autritten, etwas mit Performance, etwas mit Videos zu machen.

Michael: Na ja, der Ernst und ich wir haben da zusammen nen anderes Projekt gemacht, das ist seine Geschichte, das heißt Skies over Bagdad. Das ist eine Reaktion auf den Golfkrieg und da spiele ich auch akustische Instrumente, arabische Instrumente, und das sind so Samples vor allen Dingen aus den CNN-Nachrichten und so weiter. Dort arbeiten wir auch mit Video und Performance-Artic, ne. Das haben wir in München und Berlin aufgeführt, in Berlin ist es so ziemlich schief gegangen, weil da etwas nicht geklappt hat, aber in München wars dann ganz gut. Und das ist natürlich ein Weg, das ist halt eine ganz andere Geschichte, als jetzt im weiteresten Sinne die Popmusikschiene. Das ist Avantgarde-Musik, das ist grenzenlos – bis jetzt noch. Wird aber wahrscheinlich nie nen großes Publikum finden.

Klangtanke: Ja, dann hab ich noch eine Stichwortliste, ich sage euch ein Stichwort und ihr dann spontan halt das Übliche, schon oft erlebt? Bei Interviews?

Alexander: Noch nie!

Klangtanke: O.K. Also als erstes Politik.

Alexander: Wir sind zwar angeblich unpolitisch, aber wir sind eigentlich sehr politisch.

Klangtanke: Wie darf man das verstehen?

Michael: Politik im weiteren Sinn. Vielleicht nicht tagespolitisch so engagiert, wir sind nicht gegen Atomkraftwerke engagiert oder dergleichen, also jedenfalls nicht musikalisch oder gegen Ausländerhaß oder sowas. Aber im weiteren Sinn ist ja jeder politisch. Also nächste Frage.

Klangtanke: Religion?

Alexander: Oh Gott kann ich da nur sagen.

Michael: Ganz ähnlich würd ich sagen, ich mein die beiden, Alexander und Ernst haben ja früher schonmal mit dem ‚ne Konzeptplatte (Tape) gemacht, sie sich hauptsächlich mit Religion beschäftigt. Daraus entstand dann der Song Reincarnation.

Alexander: Reincarnation ist natürlich ein Lied, das sich mit Religion als solches eiseinandersetzt und die Aussage ist glaube ich sehr eindeutig. Also der Zynismus ist unüberhörbar – denke ich.

Klangtanke: Vegetarier?

Alexander: Leider nicht!

Michael: Keiner in der Band – eher im Gegenteil.

Klangtanke: Alkohol?

Alexander: Ja, zuviel.

Michael: Der teilt sich, die Berliner Fraktion trinkt das, was die Münchner nicht trinken.

Klangtanke: Deutschland?

Alexander: War vor ein paar Jahren besser.

Klangtanke: Computerspiele?

Alexander: Ohhh – total geil. Wir sind acht Leute jetzt auf Tour, vier sind süchtig und vier hassen es. Es ist Krieg.

Klangtanke: Fastfood?

Alexander: Pickel!

Michael: Nicht mehr als notwendig.

Klangtanke: Die nächste Frage vielleicht an ihn (Michael) wegen diesem Stück auf der Skies over Bagdad CD – Karneval?

Michael: Ja der Karneval...

Alexander: ...ist in Köln, sei vorsichtig!

Michael: Ich hoffe es hat nicht zu tief getroffen. Es war ja ne Reaktion darauf, daß der Karneval ausgefallen ist, es ist natürlich ne Bigotterie. Dazu kommt, Ernst hat sich noch dabei gedacht, der Hintersinn war der, daß der Karneval ausgefallen ist und wir in Bayern festgestellt haben, daß die ganzen Karnevalisten nach Bayern gefahren sind. Sind mit den Autos zum Skifahren und damit das Öl gebraucht haben, für das sie wiederum im Golf gekämpft haben, für das sie wieder den Karneval ausfallen haben lassen. Es ist ein Zykulus-Interessantikus.

Klangtanke: Dann Musikvideos?

Alexander: Wir haben eins gemacht, Dark Star, das kennt nur niemand – ansonsten langweilt es mich zu sehr.

Michael: Zur Zeit auch ein Reizthema. Wir haben nen Videomenschen dabei, der Videos versucht von uns zu drehen, und das stößt auf Schwierigkeiten in den verschiedenen Klubs und so. Es wird viel diskutiert und kommt offensichtlich wenig dabei raus.

Klangtanke: Olympische Spiele?

Alexander: Wieder die Fraktionen.

Michael: Ja, wenn dan die Mädels im Eisschnellauf dreimal Gold und viermal Silber gewinnen, dann ist der Tag gerettet. Dann wird Champus geöffnet, ganz klar.

Das Interview führte DJ Ollie – Vielen Dank!

Klangtanke 2/92