Krankenhaus Rudolfstiftung in Wien
APA/Helmut Fohringer
Coronavirus

Wiener Patient seit zehn Tagen im Spital

Ein 72 Jahre alter Mann ist der erste bestätigte Coronavirus-Fall in Wien. Er lag bereits zehn Tage mit klassischen Grippesymptomen im Krankenhaus Rudolfstiftung in Wien-Landstraße. Laut Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) fiel bei einem weiteren, deutlich jüngeren Mann ein erster Coronavirus-Test positiv aus, eine Bestätigung stehe allerdings noch aus.

Der 72-Jährige, der mittlerweile ins Kaiser-Franz-Josef-Spital verlegt wurde, gelte als „schwer erkrankt“ und sei derzeit nicht ansprechbar. Sämtliche Besucherinnen und Besucher des Mannes seien mittlerweile ebenfalls im Kaiser-Franz-Josef-Spital, wo sie auf das Virus getestet würden. Kein Einziger habe allerdings entsprechende Symptome der Krankheit, so der Medizinische Direktor des Krankenanstaltenverbunds (KAV), Michael Binder. Die Ansteckungskette ist in seinem Fall noch ungeklärt – der Patient habe bei seiner Aufnahme im Krankenhaus vor zehn Tagen keine Reiseaktivität angegeben.

In der Rudolfstiftung wurden mittlerweile drei klinische Stationen komplett gesperrt. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit dem Patienten in Kontakt waren, wurden „begleitet“ nach Hause gebracht, so Hacker in einer Pressekonferenz zu Mittag – mehr dazu in wien.ORF.at.

Verdacht auf zweiten Fall

Es gebe zudem den dringenden Verdacht, dass es bereits einen zweiten Fall in Wien gibt, die endgültigen Testergebnisse lägen aber noch nicht vor, so Hacker. Der „deutlich jüngere“ Mann war in Italien auf Urlaub und hatte sich nach dem Auftreten der Symptome selbst gemeldet. Er sei in „Heimabsonderung“ und nicht in stationärer Behandlung.

Derzeit würden alle Patientinnen und Patienten mit der entsprechenden Symptomatik automatisch auf das Coronavirus getestet, so Binder. Es würden jedoch nicht automatisch Tests an den Kontaktpersonen durchgeführt. Auch eine automatische stationäre Aufnahme positiv getesteter Personen sei nicht geplant – „ein Krankenhaus ist für Kranke“, so Binder.

Pressekonferenz zum Coronavirus-Fall in Wien

In Wien gibt es einen ersten bestätigten Fall einer Infektion mit dem Coronavirus. Das gab das Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bekannt.

Kooperation aller Betroffenen laut Hacker ausgezeichnet

Laut Hacker sind alle bisherigen Verdachtsfälle, Kontaktpersonen und Patienten „maximal kooperativ“. Die Exekutive würde zum Einsatz gerufen, sollte es Probleme geben, bisher sei das aber nicht der Fall. Laut Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) ist die Zusammenarbeit mit dem Innenministerium sehr gut, und man sei im ständigen Austausch. „Es war nur eine Frage der Zeit, dass es erste Fälle in Österreich gibt“, so Anschober.

In ganz Österreich wurden bis Donnerstagfrüh laut Sozialministerium über 440 Tests auf das Coronavirus durchgeführt. Zuvor gab es in Österreich erst zwei bestätigte Fälle – ein junges italienisches Paar in Tirol, das sich seit Dienstagnachmittag in der Innsbrucker Klinik in Isolation befindet. Die beiden sind mittlerweile fieberfrei. Aus ihrem Umfeld befinden sich nach wie vor zwölf Personen in Quarantäne, 65 Menschen, die näheren Kontakt zu dem infizierten Paar aus Italien hatten, wurden negativ auf das Virus getestet – mehr dazu in tirol.ORF.at.

Frühere Verdachtsfälle wurden nicht bestätigt

Mehrere Verdachtsfälle stellten sich am Mittwoch als negativ heraus. Ein Gymnasium in Wien-Josefstadt wurde vorübergehend gesperrt, nachdem eine Lehrerin als Verdachtsfall galt. Es habe sich „um standardmäßige Maßnahmen in Abstimmung mit der Landesbildungs- und Landessanitätsdirektion“ gehandelt, um die nötigen Tests durchzuführen, hieß es in einer Aussendung des Innenministeriums.

Der Einsatzstab konnte am frühen Nachmittag Entwarnung geben und die Maßnahmen aufheben. Die in Ansteckungsverdacht geratene Lehrerin hatte sich nicht infiziert. Die Sperre sorgte auch für Diskussionen über die zuständige Behörde. Veranlasst wurde sie von der Wiener Landessanitätsdirektion. Das Bildungsministerium verschickte einen Krisenplan zum Umgang mit dem Coronavirus an Schulen und Hochschulen. Darin enthalten ist eine Checkliste, wie zu reagieren ist, wenn eine Infektion oder ein dringender Verdachtsfall festgestellt oder gemeldet wird. Die (Hoch-)Schulen müssen in jedem Fall die Gesundheitsbehörden einschalten, diese treffen dann alle weitere Entscheidungen.

Ministerien informieren über aktuelle Lage

In einem Pressebriefing am Donnerstagvormittag informierten Gesundheits- und Innenministerium über die aktuellen Entwicklungen. Brigitte Zarfl, Ex-Gesundheitsministerin und Spitzenbeamtin des Gesundheitsressorts, verwies auf die stabile Lage in Österreich. „Unser gemeinsames Ziel ist, die weitere Ausbreitung des Virus und Erkrankungen in Österreich zu verhindern“, sagte Zarfl. Dazu gebe es eine gute Struktur, und die Behörden könnten auf Erfahrungswerte zurückgreifen.

Laut dem stellvertretenden Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Lang, hat sich die Lage in Europa in den vergangenen 24 Stunden nicht dramatisch verändert. Das Zentrum liege nach wie vor in Italien, wo es bisher zwölf Todesfälle gab sowie zwei weitere Fälle, die noch abgeklärt würden. Der starke Trend nach oben bei Coronavirus-Infektionen, den Italien verzeichnete, habe sich in anderen europäischen Ländern etwas abgeflacht. Für Österreich bedeute das aber keine Entwarnung.

„Hysterie und Panik nicht angebracht“

Die Bevölkerung soll schneller informiert werden. „Wir wissen, dass wir mit den Informationen der Bevölkerung wesentlich dynamischer werden müssen, zeitnaher werden müssen“, sagte Lang. Eine Kampagne soll grundsätzliche Informationen zur Verfügung stellen, „wie man sich verhält in den verschiedensten Situationen“ und „was einen erwartet, wenn der Arzt einen möglichen Verdachtsfall diagnostiziert“.

Die Hotline der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) wurde von Mitarbeitern des Innenministeriums verstärkt, derzeit gehen dort mehrere hundert Anrufe pro Tag ein. Zudem gebe es einen „Second Level Support“ für intensivere medizinische Lagen. Zarfl betonte, dass die Behörden evidenzbasiert vorgehen und es nicht angebracht ist, „in Hysterie und Panik zu verfallen“.

Sicherheitsmaßnahmen auch im Strafvollzug

Nach der Bestätigung erster Infektionen in Österreich traten im heimischen Strafvollzug Sicherheitsmaßnahmen in Kraft, „um einer allfälligen Einschleppung von Infektionskrankheiten und deren Verbreitung vorzubeugen“, wie die Mediensprecherin des Justizministeriums, Christina Ratz, am Mittwochnachmittag auf APA-Anfrage sagte. Tischbesuche in Justizanstalten sind vorerst nicht mehr möglich.

Die Aufregung um die Verbreitung des Coronavirus schlägt sich auch in der heimischen Wirtschaft nieder. Die Industrie sorgt sich um die Konjunktur, die Wirtschaftskammer bereitet mit der Gewerkschaft Kurzarbeit für Reisebüros vor, und die AUA schickt 150 bis 200 Mitarbeiter nach Hause. In den Supermärkten ist die Nachfrage nach Nudeln, Reis und Konserven gestiegen, Hamsterkäufe gibt es aber nicht.