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Coronavirus Bundesregierung warnt vor Ausgrenzung von Infizierten und Kontaktpersonen

Alles sei gut vorbereitet für die 120 deutschen Rückkehrer aus Chinas Coronavirus-Zentrum. Die größte Sorge von Gesundheitsminister Jens Spahn: Verschwörungstheorien.
Fußgängerbrücke in Wuhan am Luftwaffe-Airbus "Kurt Schumacher" am Samstagmorgen

Fußgängerbrücke in Wuhan am Luftwaffe-Airbus "Kurt Schumacher" am Samstagmorgen

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dpa

Kurz vor der für Samstagnachmittag geplanten Ankunft von 120 aus dem Coronavirus-Gebiet in China evakuierten Deutschen in Frankfurt am Main hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor Panik gewarnt und der Bundeswehr für ihre Unterstützung gedankt.

Spahn betonte, beim Abflug seien alle Passagiere des Fluges symptomfrei gewesen, "es kehren Gesunde nach Deutschland zurück". Wegen der langen Inkubationszeit des neuartigen Coronavirus (2019-nCoV) müsse aber sichergestellt werden, dass niemand infiziert sei. Darum sei eine zentrale Unterbringung für zwei Wochen notwendig.

Die Bundeswehr hat allerdings aus Sicherheitsgründen sieben der Rückkehrer aus Wuhan bereits im Flugzeug isoliert. Nach SPIEGEL-Informationen waren die Passagiere zwar beim Abflug aus der Krisenregion symptomfrei, klagten aber während des Fluges über Kopfschmerzen oder Übelkeit.

Obwohl es keine konkreten Hinweise gibt, dass die Personen tatsächlich infiziert sind, setzte die Luftwaffe die Personen nach dem Abflug in den sogenannten roten Bereich des Fliegers, der durch ein paar Sitzreihen vom Rest abgetrennt ist, um auch das kleinste Risiko für die anderen Rückkehrer auszuschließen.

Nach der Ankunft in Frankfurt werden alle Passagiere mit einem Schnelltest auf den Coronavirus untersucht. Alle Personen mit einem positiven Ergebnis werden dann umgehend in ein Universitätsklinikum verlegt. Nach einer Zwischenlandung in Helsinki wird der graue A310 der Bundeswehr nun gegen 16 Uhr in Frankfurt erwartet.

Spontane Pressekonferenz in Bonn: Gesundheitsminister Spahn und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer

Spontane Pressekonferenz in Bonn: Gesundheitsminister Spahn und Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer

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Caroline Seidel/ dpa

Zu den derzeit sieben mit nCoV Infizierten in Deutschland sagte Spahn, sie seien aktuell "alle in einem sehr guten gesundheitlichen Zustand". Die bayerischen Behörden täten zudem alles, um die Infektionskette zu durchbrechen.

Angst vor Ansteckung geht um

Der Minister warnte vor einer Stigmatisierung der Menschen im Umfeld des bayerischen Automobilzulieferers Webasto. Dort war die Infektion durch eine Mitarbeiterin aus China als erstes in Deutschland ausgebrochen, alle bekannten Fälle stehen mit dieser Erstinfektion in Zusammenhang.

Spahn sagte, ihn hätten Berichte erreicht, wonach aus Angst vor einer Ansteckung Kinder von Webasto-Angestellten nicht mehr in die Kita dürften, in der Schule alleine sitzen müssten und dass Werkstätten die Reparatur von Autos von Webasto-Mitarbeitern verweigerten. "Was mir die größte Sorge macht, sind Verschwörungstheorien, die Unsicherheit verbreiten", sagte Spahn dazu. Wachsamkeit sei wichtig, aber auch Gelassenheit, so Spahn.

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Foto: Kevin Frayer/ Getty Images

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Webasto-Chef Holger Engelmann hatte dem SPIEGEL gesagt, er sei betrübt, "dass eine ganze Reihe von Mitarbeitern und deren Angehörige ausgegrenzt werden, obwohl sie nicht zur Risikogruppe gehörten". Er wünsche sich allerdings einen "reflektierteren Umgang" mit dem Thema.

Moskau verweigert kurzfristig Zwischenlandung von Bundeswehr-Jet

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer sagte bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Spahn in Bonn, es seien gut 150 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, um Transport, Ankunft und Unterbringung der Wuhan-Rückkehrer am Luftwaffenausbildungsstandort Germersheim in Rheinland-Pfalz zu organisieren. Die Ministerin sagte, den Betroffenen solle die Zeit der Quarantäne in Germersheim "so leicht und so angenehm wie möglich" gemacht werden.

Wegen der kurzfristigen Absage einer zuvor von Russland genehmigten Zwischenlandung für den Luftwaffe-Airbus "Kurt Schumacher" in Moskau habe man am Samstagmorgen eine Ersatzcrew nach Helsinki geflogen. "Wir haben die Überfluggenehmigung gehabt und auch die Landegenehmigung war in Aussicht gestellt", so Kramp-Karrenbauer. "Das hat sich jetzt anders entwickelt." Was neben der offiziellen Erklärung von mangelnden Kapazitäten am Flughafen in Moskau die Gründe seien, "werden wir sicherlich in der nächsten Woche gemeinsam dann noch mit dem Auswärtigen Amt besprechen", sagte die Verteidigungsministerin weiter.

Nach der Landung in Frankfurt am Main werden die Passagiere aus Wuhan direkt in eine zum Untersuchungszentrum umfunktionierte Sporthalle auf dem Flughafengelände gebracht, teilte die Bundespolizei auf SPIEGEL-Anfrage mit.

In China hat sich die Zahl der Infizierten nach staatlichen Angaben am Freitag der Marke von 12.000 Infizierten genähert. Allein an einem Tag wurden demnach mehr als 2000 Neuinfektionen registriert, mehr als 250 Menschen sind bislang an der neuartigen Krankheit gestorben.

Unterdessen haben die spanischen Gesundheitsbehörden erstmals eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus bestätigt. Betroffen sei ein Deutscher auf der Kanareninsel La Gomera, der mit einem der in Deutschland infizierten Patienten in Kontakt gewesen sein soll, teilte die Regierung auf Twitter mit. Er liegt den Angaben nach isoliert in einem Krankenhaus der Insel. Einzelheiten zu Alter oder Herkunftsort des Patienten wurden zunächst nicht bekannt.

cht/dpa