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Migranten

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Menschen mit Migrationshintergrund - neue Definition, alte Probleme

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration hat den 7. Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland vorgelegt. Die in diesem Lagebericht erstmals vorgenommene Unterscheidung von Personen "mit" bzw. "ohne" Migrationshintergrund bringt neue Erkenntnisse hervor. Die bisherige Differenzierung zwischen deutschen Staatsangehörigen und "Ausländern und Ausländerinnen" ließ viele soziale Tatbestände im Dunkeln.

Die dem Bericht zugrunde liegende Definition von "Personen mit Migrationshintergrund" orientiert sich an der Erhebung zum Mikrozensus 2005. Laut Statistischem Bundesamt hat eine Person einen "Migrationshintergrund", wenn

  • sie nicht auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik geboren wurde und 1950 oder später zugewandert ist und/oder
  • sie keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder eingebürgert wurde oder
  • ein Elternteil mindestens eine der in den ersten beiden Punkten genannten Bedingungen erfüllt.

Etwa ein Fünftel der Bevölkerung bzw. ca. 15 Millionen Menschen in Deutschland haben demnach einen Migrationshintergrund. 8 Millionen von diesen besitzen die deutsche Staatsangehörigkeit.


Große Unterschiede gegenüber Jugendlichen ohne Migrationshintergrund

Die vorliegenden Daten zeigen, dass mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nicht alle integrationspolitischen Probleme gelöst sind. In diesem Zusammenhang betont die Migrationsbeauftragte die Richtigkeit der Entscheidung zur Einführung des Ius Soli ("Geburtsortsprinzip"), wonach ein Staat seine Staatsbürgerschaft an die Kinder verleiht, die auf seinem Staatsgebiet geboren werden. Dann könnten sich die Kinder von bereits in Deutschland lebenden Ausländern leichter für ihr Geburtsland entscheiden. In Deutschland gilt das sogenannte Optionsmodell, wonach Kinder noch mindestens eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen und sich zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr für eine Staatsangehörigkeit entscheiden müssen.

Die Differenzierung nach Migrationshintergrund und Migrationsgruppen macht Unterschiede im sozialen Status gemessen am Einkommen deutlich: Personen mit Migrationshintergrund erreichen beispielsweise nur 79 % des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens der Gesamtbevölkerung, wobei das Einkommensniveau von Eingebürgerten (mit 86 % vom Durchschnittswert) und Aussiedlern (mit 83 %) höher liegt als bei den Ausländerinnen und Ausländern.

Das berufliche Bildungsniveau ist im Vergleich zu Deutschen ohne Zuwanderungshintergrund ebenfalls deutlich niedriger. Zusätzlich zu einer erfolgreichen schulischen Bildung ist auch eine qualifizierte Berufsausbildung entscheidend für eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt. Personen mit Migrationshintergrund zeichnet aus, dass

  • sie erheblich seltener formale Berufsabschlüsse erreichen.
  • sie weit häufiger einer Beschäftigung als Un- und Angelernte nachgehen.
  • sie überproportional stärker von Arbeitslosigkeit bedroht oder betroffen sind als Menschen ohne Migrationshintergrund.

Die geringe Ausbildungsbeteiligung der Migrationsgruppe der ausländischen Jugendlichen verfestigt diese Probleme. Dieser seit Mitte der 1990er Jahre bestehende Negativtrend hat sich weithin verstärkt. Lag die Ausbildungsquote im Jahr 1994 noch bei 34 Prozent, so waren es im Jahr 2006 nur noch 23 Prozent. Der Anteil von ausländischen Auszubildenden lag damit im Jahr 2006 nicht einmal mehr halb so hoch wie der Ausländeranteil an den Absolventen der allgemeinbildenden Schulen.

Trotz der insgesamt gestiegenen Zahl von Ausbildungsverhältnissen im Zuge des "Nationalen Ausbildungspaktes" ist die Zahl der Verträge mit ausländischen Jugendlichen gesunken. Dabei streben ausländische Jugendliche die betriebliche Ausbildung ebenso an wie deutsche Jugendliche. Doch nur rund ein Drittel von ihnen konnte in eine Ausbildungsstelle vermittelt werden. Am geringsten ist die Ausbildungsleistung im Öffentlichen Dienst: nur 2,1 Prozent der Auszubildenden haben hier eine nichtdeutsche Staatsangehörigkeit.

Bei der gesamten Gruppe der nicht mehr schulpflichtigen, ausländischen Jugendlichen beträgt die Quote derer, die einen Ausbildungsvertrag haben oder die in Vollzeitschulen lernen, nicht mehr als 60 Prozent. Das bedeutet, dass 40 Prozent aller Jugendlichen mit ausländischem Pass im Anschluss an die Schule keine Ausbildung absolvieren. Bei deutschen Jugendlichen sind dies lediglich 15 Prozent.

Einen Weg in die berufliche Ausbildung bietet die Einstiegsqualifizierung Jugendlicher. Immerhin 10 Prozent ausländische Jugendliche werden im Rahmen dieses Programms gefördert. Der Anteil der Jugendlichen mit Migrationshintergrund beträgt sogar 35 Prozent. Wegen des großen Zuspruchs des EQJ-Programmes wurde die Einstiegsqualifizierung als Regelleistung ins SBG III (§ 235b) integriert.


Integration durch Bildung

Die Migrationsbeauftragte bezeichnet Integration als Schlüsselaufgabe unserer Zeit. Integrationspolitik soll die Potenziale der Zugewanderten erkennen und stärken und nicht allein auf deren Defizite fokussiert sein. Die sprachliche, schulische und berufliche Bildung ist die zentrale Zugangsvoraussetzung zu Arbeit und Einkommen und soll zum inhaltlichen Schwerpunkt von Integrationspolitik werden.

Das sind unter anderem auch die Ziele des Nationalen Integrationsplanes, der im Juli 2007 auf dem zweiten Integrationsgipfel der Bundesregierung vorgestellt wurde. Um dessen Ziele erreichen zu können, ist aus Sicht der Migrationsbeauftragten erforderlich,

  • dass die Maßnahmen der aufgrund föderaler Zuständigkeiten unterschiedlichen Verantwortungsbereiche von Bund, Ländern und Kommunen stärker aufeinander abgestimmt werden.
  • dass die Wirkung von Integrationsmaßnahmen durch ein bundesweites Integrationsmonitoring überprüft wird.
  • dass Konzepte und erfolgreiche Projekte in tragfähige, nachhaltige Strukturen gebracht werden.

Es wird hervorgehoben, dass besonders das Übergangsmanagement Schule - Beruf individuell auf Jugendliche aus Zuwandererfamilien zugeschnitten werden muss. Dies gilt ebenso für Angebote beruflicher Nachqualifizierung, die jeweils die spezifischen Bedürfnisse bestimmter Gruppen von Personen mit Migrationshintergrund aufgreifen sollen. Diese nachholende Qualifizierung soll sowohl die Gründe für fehlende Abschlüsse feststellen sowie vorhandene Potenziale nutzen. Als geeignetes Diagnoseinstrument wird das in der öffentlichen Arbeitsförderung verwendete individuelle Profiling genannt. Neben der beruflichen Qualifikation und der Arbeitsmarktsituation wird damit auch die Sprachkompetenz und der kulturelle Hintergrund berücksichtigt.


Integration vor Ort

In der Kommune vor Ort entscheidet sich, ob Zusammenleben und Integration gelingt. Hier besteht die notwendige Nähe, um Integration mit Beteiligung der Menschen aus Zuwandererfamilien umzusetzen. Die Kommunen sind mit den Aufgaben der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe ein zentraler Akteur.

Die Situation vor Ort ist oftmals geprägt durch einen hohen Anteil von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien. Im Alter unter 15 Jahren haben 30 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. In einigen deutschen Großstädten trifft dies sogar auf über 60 Prozent der Kinder unter 5 Jahren zu.

Die Migrationsbeauftragte fordert vor diesem Hintergrund, dass kommunale Integrationspolitik zur "Chefsache" gemacht werden soll. Unverzichtbar sei die Beteiligung von Migrantinnen und Migranten bei der Erstellung von Konzepten und bei der Durchführung von Maßnahmen. Die Tendenz gehe dabei weg vom Ausländerbeirat und hin zu Integrationsräten oder -ausschüssen mit zum Teil gewählten, zum Teil benannten und durch Mitglieder kommunaler Parlamente ergänzten Angehörigen. Das "Europäische Handbuch zur Integration" aus dem Jahr 2004 empfiehlt darüber hinaus, lokale Integrationsnetzwerke in den Gemeinden aufzubauen und ihnen einen klaren Status innerhalb der politischen und administrativen Strukturen des Gemeinwesens zu geben.


Bundesweites Integrationsmonitoring

Noch im Jahr 2008 sollen Indikatoren für ein Integrationsmonitoring entwickelt werden, um integrationspolitische Maßnahmen messbar zu machen. Die Voraussetzung für ein bundesweites Monitoring ist, dass der Bund ein Indikatorenset entwickelt, das breite Zustimmung erfährt und dass die integrationspolitischen Ziele in Zukunft so formuliert werden, dass auch die Ergebnisse messbar werden.

Indikatoren sollen beispielsweise zu den folgenden Themenfeldern erarbeitet werden:

  • Frühkindliche Bildung und Sprachförderung,
  • Bildung und Ausbildung,
  • Arbeitsmarkt und Wirtschaft,
  • Soziale Integration und Einkommen,
  • Gesellschaftliche Integration und Beteiligung,
  • Interkulturelle Öffnung der Verwaltung,
  • Kriminalität und Gewaltbetroffenheit.

Vordringlich soll jedoch die Definition der "Personengruppe mit Migrationhintergrund" vereinheitlicht und in einer einfachen Form anwendbar gemacht werden. Das soll die Übernahme dieser Definition und der damit einhergehenden genaueren Beschreibungsmöglichkeiten dort erleichtern, wo dies bisher noch nicht erfolgt ist.


Letzte Änderung: 25.01.2008

Veröffentlichung:

7. Bericht der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland (Dezember 2007)

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