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Lkw-Attacke in Limburg: Verurteilung wegen versuchten Mordes

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Justizbeamte führen den Angeklagten Omar A. an seinen Platz.
Justizbeamte führen den Angeklagten Omar A. an seinen Platz. © Thomas Frey/dpa Pool/dpa

In Limburg gibt es gut ein Jahr nach der Lkw-Attacke es ein Urteil. "Ein aufsehenerregender Unfall war sein Ziel", sagt der Richter über den Angeklagten.

Limburg - Zu einer Freiheitsstrafe von insgesamt neun Jahren ist der 33-jährige syrische Flüchtling Omar A. gestern Nachmittag (20.11.2020) verurteilt worden - wegen versuchten Mordes, gefährlicher Körperverletzung, gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, Nötigung und Körperverletzung.

Der 33-Jährige hatte im Oktober 2019 auf der Diezer Straße in Limburg einen Lkw gekapert und kurz darauf in Höhe des Landgerichts einen Unfall verursacht mit 18, größtenteils leicht verletzten Menschen, von denen einige psychisch noch immer an den Folgen leiden. An den 13 beteiligten Fahrzeugen, inklusive des Lkw, entstand einen Schaden von insgesamt 165.000 Euro.

Lkw-Attacke in Limburg: kein Hinweis auf Terrormotiv

"Er wollte damit Aufmerksamkeit erreichen", sagte der Vorsitzende Richter Dr. Andreas Janisch. Es gebe keinerlei Hinweise auf ein terroristisches Motiv. Der Angeklagte habe sich zur Tatzeit in einer unbefriedigenden Lebenssituation befunden. Ohne Geld, ohne Perspektive, in Deutschland länger bleiben zu dürfen, und zusätzlich durch den Konsum von Cannabis enthemmt.

Die Strafkammer am Landgericht Limburg sieht es als erwiesen an, dass Omar A., der seit November 2015 in Deutschland lebt, den möglichen Tod von Menschen durch den von ihm bewusst herbeigeführten Verkehrsunfall gebilligt hat. Schwerverletzte oder sogar Tote als Folge seiner Tat seien ihm letztlich gleichgültig gewesen. Die Tat des Angeklagten sei als "gefährlich" und "rücksichtslos" einzuschätzen. Schon geringfügige Abweichungen der Kollision hätten nach Auffassung des Gerichts zu Toten führen können. "Dass dies nicht geschah, ist ein glücklicher Zufall", sagte der Richter.

Lkw-Attacke in Limburg: Urteil noch nicht rechtskräftig

Allerdings klingt diese Strafe deutlich härter, als sie in Wirklichkeit ausfallen dürfte: Omar A. muss nach dem Urteil, sollte es rechtskräftig werden, noch mindestens ein Jahr und vier Monate in Haft bleiben; inklusive der U-Haft von bislang einem Jahr und zwei Monaten, hätte er dann zweieinhalb Jahre verbüßt. Anschließend kommt er in den Maßregelvollzug, vermutlich nach Hadamar, um dort eine zweijährige Therapie zu absolvieren. Gelingt diese, kann er nach der Hälfte seiner Strafe einen Antrag auf Bewährung stellen. Wird diese gewährt, wäre er - unter Auflagen - wieder ein freier Mann.

Der Frankfurter Staatsanwalt Johannes Jacobi von Wangelin hatte zuvor eine Gesamtstrafe von lediglich knapp sieben Jahren gefordert, mit der Maßgabe nach Verbüßung von eineinhalb Jahren (inklusive U-Haft) eine knapp zweijährige Therapie in einer Forensik zu beginnen. Auch er sah nach der Beweisaufnahme den Vorwurf des versuchten Mordes bestätigt; anders als das Gericht sah er allerdings das Mordmerkmal der "Heimtücke" nicht ohne jeden Zweifel als erwiesen an.

Lkw-Attacke in Limburg: Verteidiger sieht keine Tötungsabsicht seines Mandaten

Verteidiger Bernward Kullmann aus Mainz sah höchstens den Raub eines Lkw bestätigt; eine Tötungsabsicht habe sein Mandant auf keinen Fall gehabt. Er stellte die These in den Raum, sein Mandant habe einfach wegfahren wollen, raus aus der Stadt, um zu seinem Wohnsitz nach Langen im Landkreis Offenbach zu fahren. Er hatte eine Freiheitsstrafe von maximal zweieinhalb Jahren für ebenso möglich gehalten wie eine Strafe von zwei Jahren, die zur Bewährung auszusetzen sei.

Sehr ungehalten reagierte der Verteidiger auf die Urteilsbegründung der Kammer, der Angeklagte habe mit einem bewusst herbeigeführten Verkehrsunfall "Aufmerksamkeit" erzielen wollen. Gegenüber dieser Zeitung sprach der Anwalt aus Mainz von einem "erfundenen Sachverhalt". Die vom Landgericht Limburg vorgenommene Tatsachenfeststellung sei "abenteuerlich". "Ich habe das Gefühl, dass ich in einer anderen Verhandlung war", sagte Kullmann. Er kündigte an, gegen das Urteil Berufung einlegen zu wollen.

Lkw-Attacke: Angeklagtem wird in Limburg der Prozess gemacht

Für Beobachter des Prozesses in der Tat überraschend spielte für die Strafkammer ein kleines Spiel auf dem Smartphone des Angeklagten eine offenbar sehr entscheidende Rolle. Omar A. hatte kurz vor der Tat eine App auf sein Smartphone geladen, und zwar ein Lkw-Simulationsspiel. Was der Angeklagte mit diesem Spiel spielen konnte oder spielen wollte, spielte in der Hauptverhandlung allerdings gar keine Rolle. Doch nach Auffassung der Strafkammer wollte der Angeklagte aus dem virtuellen Spiel Realität werden lassen. "Ein aufsehenerregender Unfall war sein Ziel", sagte der Vorsitzende Richter. Dabei habe der Angeklagte nicht die Absicht gehabt, sich selbst zu töten, sondern vielmehr eine für ihn als unerträglich empfundene Lebenssituation beenden zu wollen.

Ein aufsehenerregender Unfall war sein Ziel.

Vorsitzender Richter Dr. Andreas Janisch

Nach den Plädoyers am Vormittag hatte sich Omar A. noch einmal wortreich für seine Tat entschuldigt - bei allen Opfern und bei seiner Familie - und nach Angaben seines Dolmetschers sein "tiefes Bedauern" geäußert. Er habe einen "riesengroßen, unabsichtlichen Fehler" gemacht, sagte Omar A. Er habe nie die Absicht gehabt, Menschen etwas zuleide zu tun, aber "die verdammte Drogen" hätten ihn dazu gebracht. Er bat das Gericht ausdrücklich um Hilfe, "um mein Leben in den Griff zu kriegen. Ich bitte um eine Chance." (Stefan Dickmann)

Lkw-Angriff in Limburg: Die Vermieter des Täters litten nach dem Angriff unter den Folgen. 

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