Es geht um die blutigste Schlacht des Krieges: Selenskyj streitet mit wichtigstem General!

Die exklusive BILD-Analyse

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj streitet sich mit seinem wichtigsten General

Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj streitet sich mit seinem wichtigsten General

Foto: -/dpa
Von: Paul Ronzheimer (Zzt. in Kiew)

Es ist die Schlacht, über die die ganze Welt spricht: die Schlacht um Bachmut.

In keinem anderen Ort der Ostukraine starben so viele Soldaten. Nirgendwo sonst war Russlands „Fleischwolf“-Taktik so blutig. Und kein anderer Ort sorgt für heftigere Diskussionen innerhalb der Ukraine.

► BILD erfuhr: Zwischen Ukraine-Präsident Wolodymyr Selenskyj (45) und seinem wichtigsten General Walerij Saluschnyj (49) kam es zum Streit über die Schlacht von Bachmut.

Das Staatsoberhaupt und der Oberkommandierende der Streitkräfte hatten grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen, wie die Armee mit Bachmut umgehen soll.

Walerij Saluschnyj: Der Oberkommandierende der Streitkräfte der Ukraine

Walerij Saluschnyj, der Oberkommandierende der Streitkräfte der Ukraine

Foto: GLEB GARANICH/REUTERS

Streitpunkt: Abzug aus Bachmut

BILD erfuhr aus mehreren Quellen innerhalb der politischen Führung in Kiew, dass Saluschnyi bereits vor mehreren Wochen aus taktischen Gründen empfohlen hatte, über einen Abzug aus Bachmut nachzudenken.

► Hintergrund: Aus militärischer Sicht hat Bachmut keine strategische Bedeutung, ein Abzug aus der zerstörten Stadt wäre nicht entscheidend. Erst durch Russlands Konzentration auf Bachmut und den Einsatz tausender „Wagner“-Söldner wurde Bachmut zu einem politischen Symbol. Selenskyj erklärte die Stadt im Dezember zur „Festung“.

Durch die unerbittlichen Versuche, Bachmut im Sturm zu nehmen, verlor Russland dort viele tausend Soldaten, darunter auch ehemalige Gefängnisinsassen.

Doch obwohl die Verluste der Russen deutlich höher sein sollen, starben auch viele ukrainische Soldaten bei der aufopferungsvollen Verteidigung der Stadt. Vor diesem Hintergrund soll Saluschnyi frühzeitig auf einen möglichen Abzug aus Bachmut gedrungen haben.

Aus der ukrainischen Regierung hieß es gegenüber BILD, dass die Entscheidung, an Bachmut festzuhalten, richtig gewesen sei.

► Die Argumentation: Durch das Festhalten an Bachmut habe man der russischen Armee erheblichen Schaden zugefügt, sowohl personell als auch materiell. So konnten etwa zahlreiche Panzer und gepanzerte Fahrzeuge zerstört werden.

Doch zwischen Präsident Selenskyj und Oberkommandeur Saluschnyi geht es längst nicht mehr nur um militärische Fragen. Während es gerade zu Beginn des Krieges eine große Einigkeit zwischen den beiden Anführern gab und die Rollen klar verteilt waren, hat sich dies mittlerweile geändert.

Karte/Map: Ereignisse und Frontverlauf seit Beginn des Ukraine-Krieges – Infografik

Saluschnyj immer beliebter

Saluschnyj ist durch sein überzeugendes Auftreten in der Gunst der Bevölkerung so gestiegen, dass viele ihn bereits als einen möglichen Präsidentschaftskandidaten handeln.

Obwohl Saluschnyj nie zu erkennen gegeben hat, dass er irgendwann kandidieren will, sehen offenbar Selenskyj und sein Umfeld in ihm einen möglichen Konkurrenten.

Aus ukrainischen Militärkreisen heißt es, dass der Oberkommandierende der Streitkräfte nur auf den Sieg gegen die russischen Truppen hinarbeitet und darum bemüht ist, seine Soldaten bestmöglich zu beschützen. Nur dies habe zur Diskussion über Bachmut geführt.

Unter den Bachmut-Kämpfern dürften die meisten Saluschnyjs Haltung teilen. Ein ukrainischer Militär-Analyst, der anonym bleiben will, sagte zu BILD: „Die große Mehrheit der Soldaten in Bachmut versteht nicht den Grund, warum die Stadt weiter gehalten wird.“

► Der Analyst weiter: „Die Fragen, die sich die Jungs in Bachmut stellen: Was ist die Strategie? Warum sollten wir uns eingraben, wenn der Feind uns umzingelt?“

BILD-Reporter haben in den vergangenen Monaten selbst mit Dutzenden Soldaten in Bachmut gesprochen.

Das eindeutige Stimmungsbild: Die Soldaten waren der Meinung, dass der Rückzug längst hätte passieren müssen. Ein ukrainischer Soldat schrieb BILD am Samstag: „Wenn wir hier komplett eingekesselt werden, dann wird es eine Katastrophe.“

Die Gegenseite lässt sich von einer anderen Überlegung leiten: Wenn man sich aus Bachmut zurückgezogen hätte, wäre es an anderer Stelle zu ähnlichen Kämpfen gekommen. Das Ziel sei, die Russen nicht vorrücken zu lassen und ihnen gleichzeitig schwerste Verluste zuzufügen.

► Ein weiterer ukrainischer Militärberater sagte BILD: „Am Anfang war Bachmut eine Falle für die Russen, jetzt ist er eine Falle für uns geworden. Wir töten sie im Verhältnis 1:7 (für jeden getöteten Ukrainer sterben sieben Russen, Anm. d. Red.) – das ist der einzige militärische Grund, Bachmut zu halten. Aber die Truppen hätten vor drei Wochen abgezogen werden müssen, als die Russen Krasnaja Gora einnahmen. Die Entscheidung, Bachmut zu halten, war gut, aber sie haben es übertrieben.“

BILD-Doku „Ronzheimer. Im Krieg.“Ein Jahr nach dem russischen Einmarsch

Quelle: BILD
Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.